Was passiert, wenn der Raum zu atmen beginnt, Klang zum Körper wird und Druck nicht länger nur physikalisch bleibt? In „trace your layers, thrust your guts“ öffnen LENS KÜHLEITNER und OLIVIA HILD ab 15. Oktober im brut Wien ein vibrierendes Terrain zwischen Soundskulptur, Geologie und Performance. Vom 16. bis 18. Oktober entfaltet sich ihre erste gemeinsame Arbeit – mit Schichten, die sich verschieben, Stimmen, die sich in Wände graben, und einer Dramaturgie, die mehr fragt als erklärt. Was Materie erzählen kann, wie sich Spannungen tanzen lassen, erzählen die beiden Künstler:innen im Gespräch mit ANIA GLEICH.
Wie kam es zu eurer Zusammenarbeit und wie ist die Idee für das Stück entstanden?
Olivia Hild: Wir haben 2022 zum ersten Mal gemeinsam gearbeitet. Ich habe damals das Stück “Melt” entwickelt, für das Lens den Sound gestaltet hat. Schon bei dieser ersten Zusammenarbeit haben wir gemerkt, dass wir künstlerisch ähnlich ticken und eine gute Verbindung haben. Direkt danach haben wir begonnen, gemeinsam Ideen zu sammeln. Ein Schlüsselmoment war sicher, dass wir für “Melt” damals zusammen zu einem Gletscher gefahren sind, um dort Tonaufnahmen zu machen. Auf der Fahrt meinte Lens, dass Lens schon immer mal gerne Hackbrett spielen wollte. Und ich sagte nur: „Ich spiele Hackbrett. Ich habe eines zu Hause, seit ich fünf bin.“ Ich komme aus Tirol, aus einem kleinen Dorf. Das heißt, da gibt es diese Verbindung zur Berglandschaft, aber auch generell eine ländliche Prägung: Das war ein gemeinsamer Nenner. Und so hat sich langsam herauskristallisiert, dass wir etwas zusammen entwickeln wollen.
Wann wurde dieses erste gemeinsame Stück gezeigt?
Olivia Hild: Das war 2023. Und dann haben wir uns – auch weil wir beide aus Bergregionen stammen – intensiver damit beschäftigt, wie sich diese Gegenden durch den Klimawandel verändern. Etwa durch veränderte Bodenzusammensetzungen. Dabei sind wir auf das geologische Phänomen des „Thrustings“ gestoßen, das eine Form von Druckbewegung beschreibt, bei der sich Gesteinsschichten gegeneinander verschieben. Wir haben begonnen, dazu zu recherchieren und gemerkt, dass uns diese Bewegung nicht nur sachlich, sondern auch als Metapher fasziniert. Also dieser Druckpunkt, an dem sich etwas verschiebt und sich die Zusammensetzung der Erde gravierend verändert. Das wollten wir mit Sound und Bewegung übersetzen. Und daraus entstand auch die Idee, Skulpturen zu entwickeln, auf die wir später gerne noch genauer eingehen.
Wie kann man dieses „Thrusting“ auch anders verstehen?n
Lens Kühleitner: „To thrust“ bedeutet im Englischen auch ganz allgemein eine starke Krafteinwirkung. Uns ging es darum zu zeigen, wie sich Dinge durch Druck verändern oder verschieben – etwa wenn Permafrost oder Gletscher schmelzen. Wir haben uns auch sehr mit körperlichen Druckbewegungen beschäftigt, also mit physischem Druck im Körper, aber auch mit emotionalem Druck. Aber natürlich gibt es auch gesellschaftliche oder politische Verschiebungen und Druckmomente, die eine Rolle spielen. Gerade jetzt!
Wie unterscheidet sich für euch Druck im Körper von Druck in der Geologie? Druck im Körper fühlt sich für mich immer sehr plötzlich an, während geologische Prozesse oft sehr lang dauern.
Olivia Hild: Es ist total spannend, dass du die zeitliche Dimension ansprichst. Es gibt ja auch Prozesse, die sich sehr lange vorbereiten und dann ganz plötzlich sichtbar oder spürbar werden. Emotional ist das auch oft so: Etwas baut sich innerlich auf und irgendwann bricht es auf einmal durch. Wie bei einem Erdrutsch: Man sieht irgendwann den Moment des Abrutschens, aber der Prozess dahin dauert sehr lange. Diese Dynamik zwischen Langsamkeit und Plötzlichkeit hat uns stark interessiert. In der Geologie kann man viele dieser Prozesse vorhersagen, aber oft eben doch nicht exakt. Und wenn der Moment eintritt, ist er trotz aller Berechnung plötzlich da.
Und trotzdem fühlt sich Druck im Körper oft sehr spontan an, obwohl er sich lange aufgebaut hat.
Lens Kühleitner: Wir haben uns deshalb auch mit dem Konzept der „Deep Time“ beschäftigt – also jener geologischen Zeitspanne, in der Berge und Formationen überhaupt existieren. Im Vergleich dazu ist der menschliche Einfluss extrem kurz. Dennoch gibt es heute viele Prozesse, die sich stark beschleunigt haben und die früher viel mehr Zeit gebraucht hätten.
„DADURCH WIRD AUCH DAS PUBLIKUM EIN STÜCK WEIT MITVERSCHOBEN”
Wie übersetzt ihr solche Konzepte ins Künstlerische? Wie trefft ihr Entscheidungen zu Form und Material?
Olivia Hild: Ich habe das Gefühl, dass bei uns mehrere Prozesse parallel verlaufen. Einerseits arbeiten wir musikalisch, andererseits auch physisch und räumlich. Die Objekte, die hier im Raum installiert sind, haben wir gemeinsam mit der Bildhauerin Julia Belova entwickelt. Sie erinnern zum einen an Bergsilhouetten, zum anderen wirken sie wie aufgebrochene Gesteinsmassen. Also wie das, was sichtbar wird, wenn ein Berg innerlich aufreißt. Und auf körperlicher Ebene haben wir viel mit Spannungen gearbeitet: mit Druck in unterschiedlichen Formen. Es gibt eine Szene, in der sich ein Druckpunkt zwischen unseren Körpern verschiebt, und eine andere, in der wir diese Spannung nach außen richten, Richtung Publikum. Dadurch wird auch das Publikum ein Stück weit mitverschoben.
Lens Kühleitner: Was uns wichtig war: Wir wollten nicht einfach unsere jeweiligen Disziplinen nebeneinander ausüben. Sondern wir wollten sie wirklich miteinander verschränken. Wir arbeiten beide mit Sound, beide mit Bewegung. Und das ist für uns sehr bereichernd. Ein Element ist zum Beispiel entstanden aus dem Wunsch, das innere „Rumoren“, dieses tiefe Grollen im Körper, erlebbar zu machen. Dafür war Metall spannend – ein Material, das aus dem Bergbau stammt, sich gut formen lässt, Klang gut überträgt, besonders im tieffrequenten Bereich. Natürlich ist es kein direktes Abbild, aber dieses Metall kann ein tiefes Grollen erzeugen. Es lässt sich akustisch spielen, aber auch elektronisch verstärken. Etwa über ein Geophon. Und es erinnert mit seinen Saitenelementen auch an das Hackbrett, was uns optisch und klanglich wichtig war.
Könnt ihr kurz zeigen, wie das funktioniert?
Lens Kühleitner: Ja, ich habe es gerade noch nicht eingeschaltet, aber das geht sofort.
(Lens Kühleitner steht auf und geht zur Installation)
Olivia Hild: Unter den Tribünen, auf denen wir grad sitzen, haben wir übrigens auch noch Subwoofer installiert.
Und das Publikum steht oder sitzt auch hier drauf?
Olivia Hild: Ja, größtenteils. Es gibt keine fixen Plätze, aber die meisten Menschen sammeln sich hier. Wir wechseln aber auch. Manchmal ist das Podium für das Publikum gedacht, manchmal stehen wir selbst oben oder unten. Am Anfang des Stücks befinden wir uns unten – das verändert nochmal die Perspektive auf den Raum. Wenn das Publikum nach unten schaut, denkt es anders über den Boden nach.
War von Anfang an klar, dass ihr das Stück hier im brut zeigen wollt?
Olivia Hild: Das hat sich ziemlich früh ergeben. Wir wollten auf jeden Fall zusammenarbeiten und dieser Raum hat sich dann als der passendste herausgestellt.
(Ein tiefer Klang ertönt – wie ein sich aufbauender Donner.)
Lens Kühleitner: Diese Klangskulptur, die ich gerade angeschlagen habe, hat auch voll das Eigenleben. Man kann es – wie man hier sieht – verschieben, bewegen und unterschiedlich anschlagen oder darüber streichen.
Und die anderen Objekte im Raum. Sind sie auch Teil der Performance?
Lens Kühleitner: Ja, auf jeden Fall. Wir interagieren auch mit ihnen! Wir nennen den Score am Anfang „Zamläuten“. Das ist der Moment, in dem man in diese Welt eintaucht.
Der Sound versetzt mich sofort woanders hin. Fast in die Berge. Ist das beabsichtigt?
Olivia Hild: Ja, total. Das freut mich!
Lens Kühleitner: Und es gibt Stimmscores, in denen wir ebenfalls mit Druck und Verschiebung arbeiten. Zum Beispiel einer, bei dem wir unsere Stimmen an der Wand entlangführen. Wir schürfen sozusagen mit der Stimme an der Oberfläche entlang. Durch die Wiederholung entstehen dabei fast bildhafte Strukturen, wie Gravuren oder Schnitzungen.
Wie funktioniert eure Dramaturgie? Gibt es eine lineare Struktur oder ist das Stück eher offen angelegt?
Olivia Hild: Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Dramaturgie zu betrachten. Ganz grob gesagt: Es gibt unterschiedliche Druckpunkte, mit denen wir arbeiten und irgendwann öffnet sich ein neuer Raum.
Lens Kühleitner: Am Anfang gibt es so etwas wie ein behutsames Willkommen. Olivia spielt Hackbrett und ich bin mit einem Objekt in Kontakt. Das Publikum muss sich erst orientieren: Wo stellt man sich hin, wo sitzt man, was passiert überhaupt? Allein diese Anfangssituation erzeugt schon einen gewissen Druck: die Entscheidung, wohin man geht. Wir versuchen, das Publikum sanft in den Raum einzuladen. Wenn diese Einstiegsphase abgeschlossen ist, beginnt das „Zamläuten“. Das ist so etwas wie ein Signal: Jetzt beginnt die nächste Ebene. Ab dann öffnen wir den Raum stärker. Klanglich, aber auch atmosphärisch. Es tauchen Wesen auf, fast wie Kreaturen, die sich im Raum bewegen. Danach folgt ein Abschnitt, der kraftvoller, schneller, vielleicht auch wilder ist und damit andere Assoziationen zulässt.
Gibt es im Stück einen Moment, an dem etwas komplett aufbricht – eine Climax?
Lens Kühleitner: Ich glaube, es gibt mehrere Höhepunkte.
Olivia Hild: Einen besonders starken Moment erleben wir in der Szene, wo Lens jodelt.
„UNSER STÜCK IST NICHT BELEHREND ODER ERKLÄREND”
Lens Kühleitner: Das ist kein klassisches Jodeln, sondern nutzt Elemente dieser Technik – wie das Wechseln zwischen Brust- und Kopfstimme. Vorher bewegen wir uns sehr schnell und kraftvoll durch den Raum. Dann legen wir uns unter ein Objekt und es beginnt ein gesungener Moment. Erst gemeinsam, dann allein. Das hat für bisherige Zuschauer:innen als emotionaler Höhepunkt gewirkt. Ob es auch dramaturgisch der Höhepunkt ist, weiß ich nicht. Aber dieser Moment berührt stark.
Was kam denn schon an Rückmeldungen von außen?
Lens Kühleitner: Einiges. Heute ist Hauptprobe, morgen Generalprobe. Aber im Probenprozess hatten wir öfter sogenannte „outside eyes“ dabei – Menschen, die von außen beobachten, oft selbst Künstler:innen, die sehr genau hinschauen. Es waren Leute da, die viele Performances gesehen haben und dann sehr konkrete Fragen stellen: zu Körperhaltungen, zu Bewegungen, zur Präsenz.
Ich finde manchmal die Eindrücke von Menschen spannender, die gar keinen Bezug zu Performance haben und trotzdem berührt sind.
Olivia Hild: Für mich ist das fast ein Kriterium: Wenn es Menschen erreicht, die mit der Szene nichts zu tun haben, dann funktioniert es wirklich. Das hatten wir bisher noch nicht so oft, aber morgen mit der Generalprobe ist es soweit.
Wie steht ihr generell zur Frage der Zugänglichkeit in der Performancekunst?
Olivia Hild: Ich finde, ein Stück sollte zugänglich sein. Ich glaube auch, dass man bei unserem Stück, selbst ohne jeglichen Hintergrund über Körper und über Klang etwas mitnehmen kann. Vielleicht denkt man nicht über die geologischen Konzepte nach, aber man wird emotional mitgenommen. Unser Stück ist nicht belehrend oder erklärend. Es hat wenig Text und der ist sehr poetisch gehalten. Ich sehe es als einen metaphorischen, politischen Raum.
Ich finde es viel schöner, wenn man über körperliche Berührung überhaupt erst das Interesse weckt, mehr über die Hintergründe zu erfahren – wie bei einem guten Film. Wenn das Ende ambivalent bleibt, will ich danach mehr wissen.
Lens Kühleitner: Genau. Ich glaube, diese emotionale und körperliche Verbindung ist der stärkste Zugang. Und für uns ist Zugänglichkeit auch deshalb wichtig, weil wir beide nicht aus künstlerischen Familien stammen. Wir wollen keinen elitären Zugang schaffen. Natürlich spielt das Stück im Studio brut – das ist schon ein spezielles Setting. Für manche Zuschauer:innen ist das ungewohnt: keine klassischen Sitzplätze, keine klaren Hinweise, was sie erwartet. Aber wir versuchen, sie abzuholen, auch durch unsere Bewegungen, die viele Assoziationen ermöglichen.
Wirklich schön, das so deutlich zu hören.
Olivia Hild: Danke. Wir müssen kurz ein bisschen weiterziehen, denn die Reinigungskraft ist noch nicht durch, aber wir wechseln kurz den Ort.
(Ortswechsel über Gang nach oben)
Lens Kühleitner: Das ist übrigens auch etwas, das wir ins Stück eingebaut haben: diesen Gang nach unten, dieses Betreten einer anderen Schicht: Unsere Lichtdesignerin Yasemin Duru hat dafür extra eine Lichtdramaturgie entwickelt. Das Licht verändert sich, wenn man die Stiegen hinuntergeht. Man merkt: Jetzt geht es tiefer.
Wir haben bisher viel über Natur gesprochen. Wie stark ist das ökologische Denken in eurer Arbeit verankert? Sowohl künstlerisch als auch emotional?
Olivia Hild: Für mich ist das ein zentrales Thema. Ich bin in einem kleinen Dorf in den Bergen aufgewachsen, sehr naturverbunden. Wenn ich sehe, wie sich die Natur verändert, berührt mich das tief und das fließt immer wieder in meine künstlerische Arbeit ein. Auch in diesem Stück geht es uns nicht darum, ökologische Themen dogmatisch zu vermitteln. Es geht eher darum, einen poetischen Reflexionsraum zu schaffen, wo man gemeinsam über Dinge nachdenken kann, ohne sie vorzugeben. Wir arbeiten theoretisch auch mit Ansätzen aus dem Neuen Materialismus – etwa mit Ideen von Jane Bennett. Da geht es darum, dass Materie selbst eine Art Handlungsmacht hat. Also nicht: Was will ich ausdrücken? Sondern: Was erlaubt das Material? Was zeigt es uns?
Ihr habt über das Material gesprochen – inwiefern denkt ihr auch hinter den Kulissen ökologisch?
Lens Kühleitner: Das spielt für uns eine große Rolle. Natürlich gibt es Materialien wie Metall, bei denen es ökologischere Alternativen gäbe. Aber wir haben generell geschaut, was sich gut wiederverwerten lässt. Viele Materialien können recycelt werden. Auch im Kleinen: Zum Beispiel hat Ju Aichinger Elemente mit wiederverwertetem Tanzboden gebaut. Uns ist es wichtig, so zu produzieren, dass nichts einfach verloren geht.
Diese Idee, dass das Material selbst handelt: Zieht sich das auch durch den musikalischen Prozess?
Lens Kühleitner: Vor allem beim Gesang ist das spürbar. Der Raum verändert, wie sich der Klang ausbreitet. Im Proberaum klang alles viel direktionaler. Hier ist der Raum offener, das verändert auch, wie wir uns bewegen und mit dem Publikum interagieren.
Wie habt ihr diesen Gedanken konkret musikalisch umgesetzt?
Olivia Hild: Das ist zentraler Grund, warum wir mit Soundskulpturen arbeiten. Der Klang entsteht direkt aus dem Material. Auch wenn wir viel getestet haben, als die fertige Skulptur da war, mussten wir sie erst kennenlernen. Was lässt sich damit machen? Was zeigt sie uns? Zum Beispiel verändert sich ein Ton massiv, wenn man ihn anspielt und dann das Objekt kippt. Wir wussten nicht, was passiert – wir haben es erfahren müssen. Und das hat unseren Zugang geprägt.
„ES GEHT NICHT UM EINE SIMPLE UMKEHR VON SUBJEKT UND OBJEKT”
Lens Kühleitner: Auch theoretisch ist uns wichtig: Es geht nicht um eine simple Umkehr von Subjekt und Objekt, sondern darum, alles als lebendig wahrzunehmen. Für uns bedeutet das auch: Vibration ist nicht nur hörbar, sie bewegt sich. Alles ist Schwingung. Das Hackbrett hängt im Laufe des Stücks. Wenn Olivia es spielt, schwingt es mit. Der ganze Raum wird Teil dieses vibrationalen Moments. Auch der Gesang wirkt so: Der Klang bekommt einen Körper.
Vielleicht hilft so ein Moment auch dabei, sich daran zu erinnern, dass wir selbst auf einem bewegten Planeten leben?
Olivia Hild: Genau das. Wir wurden kürzlich auch gefragt, was wir uns vom Publikum wünschen. Und solche Gedanken, wie du sie gerade formuliert hast, wären wunderschön. Dass sich jemand denkt: „Ah, da drückt sich etwas.“ Oder: „An welchen Druck erinnere ich mich gerade?“ Solche Rückkopplungen wären toll.
Ein Aspekt, über den wir noch nicht gesprochen haben: der Tanz. Welche Rolle spielt Bewegung für euch?
Olivia Hild: Tanz ist bei uns sehr relational gedacht. Es gibt Scores, in denen wir mit Druckpunkten arbeiten – zwischen unseren Körpern, im Raum, mit Objekten. Eine Bewegung reagiert auf die andere. Es gibt auch Szenen, die in eine fast fantastische Welt führen, mit tierähnlichen Figuren. Und andere, die abstrakter mit innerem Druck und Spannung umgehen. Dabei gibt es immer wieder starke Bezüge zum Raum.
Lens Kühleitner: Besonders spannend war es für uns, mit diesem intensiven Druck umzugehen, ohne uns zu überfordern. Wir mussten lernen, in der Spannung zu bleiben, ohne uns darin zu verlieren. Es ging darum, Balance zu finden: wann nachgeben, wann Spannung aufbauen. Es ist körperlich und emotional fordernd. Aber auch wichtig in Bezug aufs Publikum: Wenn wir 15 Minuten durchgehend in maximaler Anspannung sind, dann überträgt sich das. Auch da muss man ein Maß finden.
Wie viel ist bei euch eigentlich festgelegt und wie viel entsteht spontan?
Olivia Hild: Wir arbeiten bewusst mit offenen Strukturen. Bei einem Konzertteil etwa hängt das Hackbrett, und einer von uns entscheidet irgendwann, dass es vorbei ist. Die andere Person spürt das. So bleibt die Performance lebendig. Die Teile, die wir komplett fixiert haben, haben wir später wieder geöffnet, weil es schwer war, ihnen Leben einzuhauchen. Die besten Momente entstehen oft dann, wenn die Struktur klar ist, aber das Innere frei bleibt.
Lens Kühleitner: Ein Beispiel ist unser Haupt-Druck-Score. Da haben wir zunächst versucht, alles zu festzusetzen – das hat nicht funktioniert. Jetzt gibt es nur einen fixen Einstiegsmoment, alles andere entsteht im Zusammenspiel. Auch der Gesang ist größtenteils improvisiert. Ich weiß, dass ich etwas ausdrücken möchte, aber nicht, welche Töne dabei herauskommen.
Olivia Hild: Es geht darum, gemeinsam den Moment zu suchen, in dem etwas bricht – in der Stimme, in der Bewegung, im Raum.
Wenn ihr das Stück mit einem Bild, einem Klang oder einer Bewegung beschreiben müsstet: Was wäre es?
Olivia Hild: Für mich ist es der Moment, in dem wir aneinanderlehnen und eine Person rutscht plötzlich ab. Da entsteht etwas sehr Reales, sehr Körperliches, sehr Poetisches.
Lens Kühleitner: Ich mag aber auch diese generellen Ershütterungsmomente.
Was nehmt ihr aus dieser Arbeit mit für eure zukünftigen Projekte?
Olivia Hild: Ich glaube, ich bin noch zu nah dran, um das sagen zu können. Aber es vibriert nach. Da ist etwas in Bewegung geraten.
Lens Kühleitner: Wir haben viel Material entwickelt, das im Stück keinen Platz mehr gefunden hat – auch körperlich intensivere Dinge, mit mehr Reibung. Das sind Richtungen, die wir sicher weiterverfolgen. Und ich glaube, wir arbeiten weiter zusammen. Das hat sich aus dieser Produktion ganz klar ergeben.
Olivia Hild: Was ich auf jeden Fall mitnehme, ist die Verbindung von Konzert und Performance. Das war uns ein Anliegen, und ich finde, es ist uns gut gelungen. Es ist kein Wechsel zwischen „jetzt Musik, jetzt Tanz“, sondern eine echte Verschränkung.
Vielen Dank für das Gespräch!
Lens Kühleitner: Danke dir!
Olivia Hild: Danke!
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Ania Gleich
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