Waves Music Konferenz: Belgium Booms

Das diesjährige Waves Vienna Festival widmete sich unter dem Motto „East meets West“ den beiden Gastländern Slowenien und Belgien. Freilich wurden im Rahmen der Music Conference die beiden Länder etwas genauer unter die Lupe genommen.

Am Donnerstag stand die Konferenz-Stätte Urania ganz im Zeichen von „Belgium Booms“. Während man am frühen Abend auf der Dachterasse bei belgischem Freibier den beiden Acts Girls in Hawaii und Amatorski lauschen konnte, wurde der Nachmittag bereits dafür genutzt, die belgische Musikszene den Festivalbesuchern in einer kurzweiligen Vortragsreihe näher vorzustellen.

Unter der Moderation von Marc Decock (Programm-Manager von Ancienne Belgique, Promoter und DJ) wurde zunächst ein kleiner Überblick auf die Musikhistorie gegeben:

Die Pop und Rockszene wurde in den Sechzigerjahren Jahren fast ausschließlich von Musikern aus Großbritannien, Frankreich und Holland dominiert. Eine Band die sich zu dieser Zeit außerhalb Belgiens einen Namen machen konnte, war die Streicher-Rockcombo Wallace Collection, deren erster Hit „Daydream“, als Sample für zahlreiche Songs (Tricky, Portishead) genutzt wurde. Nach einer schillernden Diskoära, gelang der belgischen Szene erst zehn Jahre später, nämlich 1977 der große Musik-Clou. Plastic Bertrand exportierte mit dem New Wave- Klassiker „Ça Plane Pour Moi“ den wohl bekanntesten Verkaufsschlager des Landes. Zeitgleich mit diesem Major-Hit, erfuhr die lokale Popszene einen weiteren Aufschwung. Die ersten Festivals tauchten in der Kulturlandschaft auf. Außerdem orientierten sich die heimischen Künstler seit damals weniger an den musikalischen Vorbildern aus den Nachbarländern, sondern versuchten verstärkt einen eigenen, innovativen Stil zu etablieren.

Dieser Ansatz einer individuellen Soundgestaltung, hat einigen belgischen Musikern zu internationaler Karriere verholfen: Vaya con dios schufen mit ihrer Mischung aus Dance, Soul, Swing, Chanson und Latin-Sound einen für die Achzigerjahre höchst ungewöhnlichen Musikstil, der sich allerdings als kommerziell sehr erfolgreich erwies. In den 90er Jahren folgten Acts wie dEUS, K’s Choice und Soulwax. Derzeit ist die belgische Musikszene vor allem für jene Musiker bekannt, die es im DIY-Verfahren und paradoxerweise mit Coverversionen zu großer Bekanntheit geschafft haben. So verkaufte sich Milow’s akustische Abwandlung von „Technology“ weitaus besser als das Original von 50 Cent feat. Justin Timberlake. Die gleiche Gegebenheit erfuhr Triggerfinger mit dem Cover von Lykke Li’s „I follow rivers“. In der Sparte Sing-/Songwriting, Hip Hop und Elektro stehen aktuell Selah Sue und Stromae ganz stark auf dem internationalem Musikradar.

Um den Musikmarkt ging es im zweiten Teil des Schwerpunkt-Nachmittags. „Botschafter“, bestehend aus Produzenten, Band- und Veranstaltungsmanagern der belgischen Musikbranche lenkten das Gesprächs insbesondere auf die Sprachenvielfalt des Staates und dessen Einfluss auf den lokale Musikmarkt. Auch wenn es sich bei Belgien um ein relativ kleines europäisches Land  handelt, könnten die sprachlichen Diskrepanzen größer nicht sein. Während im Norden niederländisch und im Süden französisch gesprochen wird, ist die Hauptstadt Brüssel ein bilinguales Kerngebiet. Der Westen hingegen ist hochdeutsch geprägt. Aber wie wirkt sich dieser multilinguale Aspekt auf die lokale Musikszene aus? Werden französischsprachige Musiker von der flämischen Hörerschaft angenommen? Wie sieht es umgekehrt aus?

Die belgische Medienlandschaft ist nach Sprache unterteilt. Flandern und Wallonien haben eigene Printmedien, TV-Sender und auch Radiostationen, wobei Letztere zu einem bestimmen Prozentsatz dazu verpflichtet sind, Songs in der Sprache der jeweiligen Region zu spielen. Um eine Ausweitung der einzelnen lokalen Musikszenen auf das gesamte Landesgebiet, darum bemühen sich diverse Vereine und Musikveranstalter schon seit langem.

„Our language is music“, unter diesem Motto findet jedes Jahr der Bandcontest Humo’s Rock Rally statt. Im Halbfinale stehen sich zehn Bands gegenüber, wovon fünf aus der flämischen – und fünf aus der wallonischen Region stammen müssen. The Black Box Revelation und dEUS haben es als ehemalige Contestteilnehmer zum Durchbruch geschafft. Hinsichtlich dieser Tatsache scheint es, als ob mit dem Gebrauch von englischer Sprache, der Weg zur internationalen Karriere geebneter scheint. Doch das soll nur eine Annahme sein. Schließlich zeugt der Musiker Stromae gerade vom Gegenteil.

Was den internationalen Musikmarkt angeht, spielt Belgien in der Veranstaltungsbranche eine tragende Rolle. Eine Vielzahl von renommierten Festivals wie Rock Werchter, Pukkelpop oder Tomorrowland, zieht musikbegeisterte Gäste vom gesamten Erdball ins Land. Außerdem starten viele internationale Acts ihre Tournee in Belgien. Das im Herzen von Europa gelegenen Land, sollte mittlerweile nicht nur ausschließlich für seine Waffeln, Comics und sein Bier bekannt sein, sondern zusätzlich für die vielen, ambitionierten und hervorragenden Bands, von denen es Einige beim Waves Vienna Festival zu entdecken galt. Und wer weiß, vielleicht hat der Ein oder Andere sogar seine neue Lieblingsband entdeckt. (bw)

Foto © Martin Wirbel

http://www.wavesvienna.com