Der Musiker, Komponist und Intendant, SIMON ZÖCHBAUER, setzt sich im Rahmen dieser Serie aus der Perspektive seiner verschiedenen Projekte, mit dem Thema Klimakrise und Nachhaltigkeit im Musikbetrieb auseinander. Namentlich zu nennen ist hier auch JULIA LACHERSTORFER, mit der ZÖCHBAUER seit 2018 die wellenklaenge leitet. Das Festival in Lunz am See wurde seit 2019 jedes Jahr mit dem Österreichischen Umweltzeichen für Green Events ausgezeichnet.
Welche Maßnahmen ergreifst du persönlich, um in deiner Tätigkeit als Musikschaffender umweltfreundlicher und nachhaltiger zu sein? Wo fällt es dir besonders schwer, dein Verhalten in Bezug auf deine Arbeit in der Musikbranche zu ändern?
Simon Zöchbauer: Bei Federspiel haben wir vor einigen Jahren versucht, unseren individuellen CO2-Fußabdruck und den der Gruppe zu ermitteln. Das hat unsere Entscheidungen beeinflusst. Sollen wir den amerikanischen Markt weiterverfolgen oder uns auf Europa konzentrieren?
Weitere Reisen und einzelne Konzerte versuchen wir mit dem Zug zu machen. Ansonsten sind wir mit unserem Tourbus unterwegs, in dem auch das gesamte Bühnenequipment transportiert wird. Die Konzerte finden oft in kleineren Städten statt, wo eine Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln sehr schwierig oder mit dem Equipment gar nicht möglich wäre. Daher ist unser Tourbus, ein 9-Sitzer, eine praktikable Lösung, die aber natürlich mehr CO2 ausstößt als die Bahn. Wie in vielen anderen Zusammenhängen stößt man auch hier schnell an strukturelle Grenzen.
„Proben über Distanz ohne Latenz in der Datenübertragung.“
Beim wellenklænge Festival versuchen wir, unseren Handlungsspielraum so weit wie möglich auszunutzen. Wir sind ein GreenEvent und haben daher strenge Auflagen in allen Bereichen – von der Veranstaltungstechnik, Mehrweggeschirr, Mülltrennung, regionalem Angebot bei Speisen und Getränken, Anregung zur Bildung von Fahrgemeinschaften etc. Die große strukturelle Grenze, an die wir stoßen, ist die Anreise: Die Bahn wurde vor einigen Jahren eingestellt, man kommt nur mit dem Bus nach Lunz, aber nach dem Konzert nicht mehr zurück, daher reisen viele mit dem Auto an.
Bei unserem neuesten Projekt, dem minciospace_, versuchen wir von Grund auf nachhaltige Prinzipien umzusetzen – vom Bau über den Umgang mit Ressourcen bis hin zu künstlerischen Projekten und sozialer Teilhabe. Der Umbau wird nach höchsten Umweltstandards geplant, keine neuen Flächen verbaut und der Boden wieder entsiegelt. Gebäude zählen zu den großen CO2-Emittenten, vor allem durch Öl- und Gasheizungen, daher sind Dämmung und Wärme-/Kältegewinnung ein großer Hebel.
Wir sind auch in Kooperationsgesprächen mit dem NET ART coordination center, welches an der Universität Wien beheimatet ist. NET ART arbeitet an der Schnittstelle zwischen Technologie und Kunst und ermöglicht Proben über Distanz ohne Latenz in der Datenübertragung. Dies fördert internationale Vernetzung ohne großen CO2-Fußabdruck. Auf diesem Weg versuchen wir, Möglichkeiten auszuloten, wie Kunst in Zukunft mit weniger CO2-Ausstoß durch Reisen funktionieren kann.
„Der Klimawandel und dessen Folgen müssen ins Zentrum unseres Agierens kommen.“
Inwiefern denkst du, dass die Musikindustrie eine Rolle bei der Bekämpfung der Klimakrise spielen kann? Welche Schritte sollten deiner Meinung nach unternommen werden?
Simon Zöchbauer: Ich denke, dass die Musikindustrie auf mehreren Ebenen ansetzen sollte: Einerseits braucht es von Seiten der Förderstellen zusätzliche Budgets für klimafreundliche Investitionen – die Förderung „Klimafitte Kulturbetriebe“ ist ein gutes Beispiel dafür – aber auch von Seiten der Betriebe braucht es zusätzliches Budget für Kompetenzbildung sowie Personal, das sich schwerpunktmäßig mit dem Thema Nachhaltigkeit im jeweiligen Betrieb auseinandersetzt. Hier fehlt es an Bewusstseinsbildung in den Details und an Vorlagen seitens der Regierung. Der Klimawandel und dessen Folgen müssen ins Zentrum unseres Agierens rücken.
Auch die Musiker:innen selbst könnten das Podium noch mehr nutzen, um über Nachhaltigkeit zu sprechen und ihre eigene Vorbildwirkung und Reichweite einsetzen. Im minciospace_ haben wir genau hier einen Schwerpunkt gesetzt: Wir thematisieren unsere Rolle und entwickeln gemeinsam mit Expert:innen Prozesse zu gesellschaftsrelevanten Fragestellungen, die die eigene Kunst inspirieren und Künstler:innen als Botschafter:innen der Sache jeweils aus ihrer individuellen Perspektive agieren lassen. Wir sind zum Beispiel gerade in der Antragsphase für ein großes EU-Projekt, das sich mit Bodengesundheit beschäftigt.
„Konzerte und Performances bieten die Möglichkeit Geschichten zu erzählen, die Menschen aufzurütteln, zu berühren und ihnen eine andere und neue Perspektive zu aufzeigen.“
Aktionen, die unser tägliches Leben stören, bekommen viel Aufmerksamkeit in den Medien. Auch Konzerte sind medienwirksam: Was könnten Konzerte und Festivals bewirken? Wie siehst du deine Rolle?
Simon Zöchbauer: Konzerte und Performances bieten die Möglichkeit, Geschichten zu erzählen, Menschen aufzurütteln, zu berühren und ihnen neue Perspektiven zu eröffnen. Wenn Künstler:innen sich berufen fühlen, ihre Kunst in den Dienst des sozioökonomischen und ökologischen Wandels oder der großen gesellschaftlichen Transformation zu stellen, dann ist jetzt sicher der richtige Zeitpunkt, damit zu beginnen oder diesen Prozess zu vertiefen. Protest ist auf jeden Fall enorm wichtig. Zusätzlich kann Kunst mit den ihr inhärenten Mitteln ebenso sehr, sehr viel Bewusstsein schaffen und Wirkung erzielen.
Bist du schon auf Initiativen zum Thema Nachhaltigkeit in der Musikszene gestoßen? Wenn ja, welche und in welcher Art und Weise haben dich diese beeinflusst?
Simon Zöchbauer: Für Spielstätten ist natürlich die Bundesförderung „Klimafitte Kulturbetriebe sehr wichtig, ich sehe auch einige Calls fürs Residencies, die das Thema Nachhaltigkeit beinhalten. An den österreichischen Kunstuniversitäten gibt es das Förder- und Coachingprogramm „Arts of Change“, das sich mit Nachhaltigkeit auseinandersetzt und die mdw zeigt Engagement in Form der Informations- und Aktionsplattform „grüne mdw“.
Wir im minciospace_ sind natürlich auch in diesem Bereich sehr engagiert und versuchen durch unsere Arbeit gleichzeitig mehr Bewusstsein für das Thema zu schaffen, indem wir z.B. die Klimaaktivistin und Autorin Katharina Rogenhofer zu einem Stammtisch eingeladen haben, um mit ihr über Kunst und Nachhaltigkeit zu diskutieren. Mittlerweile ist sie auch in das erste Mitglied in unserem Fachbeirat. Ich denke, es kann nicht genug Initiativen zu dem Thema geben.
„Die Herausforderungen sind in jedem Fall strukturelle Grenzen“
Welche Herausforderungen siehst du bei der Umsetzung nachhaltiger Praktiken in der Musikszene? Welche Ressourcen, Informationen oder Unterstützung wünschst du dir, um nachhaltigere Entscheidungen in Bezug auf deine Musikkarriere treffen zu können?
Simon Zöchbauer: Die Herausforderungen sind in jedem Fall strukturelle Grenzen, z.B. im Bereich Reisen und Touren, insbesondere international. Nachhaltigkeit betrifft uns als gesamte Menschheit, manche Aspekte der grünen Wende betreffen uns stärker als andere Branchen – eben das Reisen. Generell denke ich, dass wir als Künstler:innen unsere Beziehung zur Welt, zum Weltgeschehen, zum Publikum und zu unserer Kunst immer wieder reflektieren und neu herstellen müssen. Beziehung ist ein konstanter Prozess der immer wieder neu gestaltet werden muss. Um den Klimawandel kommen wir nicht herum, genauso wenig wie um unsere Rolle als Künstler:in in der heutigen Zeit. Ich glaube, dass Kunst eine enorme Wirkung entfalten kann, wenn sie in der Lage ist, etwas auszudrücken, das uns alle betrifft, für das wir aber emotional oft keine Worte finden oder für das die tiefere Auseinandersetzung noch nicht stattgefunden hat. So kann sie als Eisbrecher und Visionär einer Zukunft wirken, in der die Herausforderungen, vor denen wir heute stehen, bereits gelöst sind. Dazu braucht es Unterstützung von vielen Seiten, insbesondere in Form von Information, Austauschräumen und struktureller Förderung.
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