Texte und Töne

Ende der 90er Jahre haben Walter Fink und Fritz Jurmann im ORF Landesstudio Dornbirn das Festival „Texte und Töne“ initiiert. Im Rahmen eines zweitägigen Festivals wurden neue Literatur aus Vorarlberg präsentiert und Komponisten mit Porträtkonzerten vorgestellt. Aus Kostengründen konnte diese Werkschau jedoch nach wenigen Ausgaben nicht mehr stattfinden.

Der Bratschist und Leiter des ensemble plus, Andreas Ticozzi, erinnerte sich an diese Veranstaltungsreihe über all die Jahre hinweg, weil er dort erste Kontakte zu heimischen Künstlern und Komponisten erhalten hat, die nachhaltig auf ihn gewirkt haben. „Das Festival war eine meiner ersten Berührungspunkte mit der zeitgenössischen Musik aus Vorarlberg und ich habe dort zum Beispiel die Komponisten Gerald Futscher und Gerold Amann kennengelernt. Ich fand es sehr schade, als es ‚Texte und Töne’ nicht mehr gab“ erinnert sich Andreas Ticozzi und erklärt gleichzeitig seine Motivation, dieses Festival in Zusammenarbeit mit Daniela Egger von „Literatur Vorarlberg“ und dem ORF Landesstudio wieder zu beleben.

Großes Spektrum der Kreativität

Seit längerem wirken Bettina Barnay vom ORF und Andreas Ticozzi zusammen und bieten der zeitgenössischen Musik aus Vorarlberg ein Podium. Zwei „Lange Nächte der Neuen Musik“ haben stattgefunden und die Konzertreihe „Neue Musik im Gespräch“ wurde etabliert. „‚Texte und Töne’ soll ein breites Spektrum der Kreativität in den Bereichen zeitgenössische Musik und Literatur bieten. Mein Ziel ist es, zu diesem Festival neben Vorarlberger Kulturschaffenden auch Gäste aus dem In- und Ausland einzuladen. Dabei ist mir wichtig, dass die für Veranstaltungen des ensemble plus typische freundschaftliche, fast familiäre Grundstimmung auch bei den Beteiligten von ‚Texte und Töne’ entsteht“, betont Andreas Ticozzi seine Intentionen.

Neben Lesungen und Kammermusik stehen auch zwei Orchesterkonzerte mit der Akademie St. Blasius sowie dem Symphonieorchester Vorarlberg auf dem Programm. Kompositionen von Michael Buchrainer, Peter Herbert und Richard Dünser werden interpretiert und bei dieser Gelegenheit stellt sich der Dirigent Ingo Ingensand mit einem eigenen Werk auch als Komponist vor.

Dem Neuen einen Raum geben

Das Festival „Texte und Töne“ soll eine fixe Größe im Veranstaltungskalender Vorarlbergs werden, betont Andreas Ticozzi. „Mit zwei Orchesterkonzerten, der Uraufführung einer Kammeroper in Teilen und zahlreichen Kammermusikwerken ist unser Budget voll ausgereizt. Eine ähnliche Kombination wird deshalb künftig das Grundkonzept des musikalischen Teils von ‚Texte und Töne’ bleiben. Den Anteil von Vorarlberger MusikerInnen und Komponisten am Festivalprogramm soll auch so bleiben. Gleichzeitig möchte ich natürlich so viele Gäste wie möglich einladen. Die KomponistInnen und Musiker, die ich am liebsten schon dieses Jahr eingeladen hätte, ergeben eine lange Wunschliste.“
Die Bedeutung dieses Projektes für den ORF betont Bettina Barnay: „Wir wollen ‚Texte und Töne’ wieder revitalisieren, weil uns die Neue Musik und deren Verbreitung ein wichtiges Anliegen sind. Wir wollen auch zeigen, dass unser Haus breit aufgestellt ist und neben dem Traditionellen auch das Neue Platz hat.“

Lesungen und Frisches aus der Werkstatt

Daniela Egger hat AutorInnen und die „Junge Szene Literatur Vorarlberg“ zur Mitwirkung eingeladen. Aus ihren Texten lesen Verena Rossbacher, Wolfgang Bleier und Christian Futscher. Eine Verbindung von Musik und Literatur findet statt, wenn junge AutorInnen die Gelegenheit nutzen und über ihre Eindrücke beim Hören der Werke „Orpheus“ von Michael Floredo sowie „Flow“ von Murat Üstün reflektieren. Die Texte entstehen während der musikalischen Proben sozusagen „frisch aus der Werkstatt“.

Freunde einladen

Im Wechsel mit der Literatur finden kammermusikalische Kurzkonzerte statt. Engagiert wurde auch der befreundete Pianist Rudi Spring aus München, der mit der Sopranistin Monika Lichtenegger ein Konzert unter dem Leitgedanken ‚Im Geflecht der Sprachen‘ geben wird. Die Akademie St. Blasius aus Innsbruck wird die „Texte und Töne Ausgabe 2013“ mitgestalten. Als Solist interpretiert Andreas Ticozzi unter anderem Bert Breits „Concerto funebre“ für Bratsche und Kammerorchester. Das Werk ist den Opfern der Reichskristallnacht am 9. November 1938 gewidmet und stellt ein passendes Gedenken an die Ereignisse vor 75 Jahren dar.

Uraufführungen

Im Mittelpunkt von Kammerkonzerten mit MusikerInnen des Symphonieorchesters Vorarlberg stehen zwei Uraufführungen. In seinem neuesten Werk „Flow“ wurde Murat Üstün vor allem von Tänzen aus der Gegend des Schwarzen Meeres inspiriert. „Für diesen Tanz typisch ist das abwechselnde Vorpreschen und Zurückweichen, welches ich durch diese Struktur erreichen wollte.“ Gleichzeitig spricht er im Werktitel auch seine eigene Emotion während des Entstehungsprozesses an und diesen „Flow“ wünscht sich Murat Üstün auch für die Zuhörenden.

Die drei Duos für Violine sind Beispiele für Gerald Futschers derzeitige Kompositionsweise. Den Werken liegt eine strenge, auf mathematischen Modellen beruhende Ordnung zugrunde. In vierteltönig angelegten melodischen Linien und einer ausdifferenzierten rhythmischen Organisation entwickeln sich die polyphonen Linien der beiden Instrumente.

Uraufführung eines Torsos

Im Programm angekündigt ist die Uraufführung der Kammeroper „La Scuola degli Amanti“. Doch lediglich die ersten zwei Szenen mit den beiden Protagonistinnen Fiordilligi und Dorabella werden in konzertanter Form präsentiert. Opernkundige werden an dieser Stelle aufhorchen, denn diese beiden Damen spielen auch die Hauptrollen in Mozarts „Così fan tutte“ nach einem Text von Lorenzo da Ponte. Dieses Libretto machte sich Gerald Futscher zunutze und transferierte die Szenerie in eine Zahnarztpraxis. „Die Verführbarkeit jedes Menschen, die in diesem Libretto dargestellt wird, hat mich angesprochen. Deshalb habe ich den Text verwendet, um den Liebesschmerz als Thema ins Zentrum zu stellen. Einen Fokus wollte ich überdies auf orale künstlerische, musikalische und bildhafte Aspekte lenken“, erklärt Gerald Futscher, der das da Ponte-Libretto „wie einen Steinbruch benutzt“, die Sätze aus dem ursprünglichen Zusammenhang gelöst und in seinen Kontext übergeführt hat. So wird der alte Philosoph und Verführer Don Alfonso bei Gerald Futscher zu einem Zahnarzt.

Der musikalische Part ist fein verwoben und wird strukturiert mit Klavierschlägen und –klängen, die an die Trommeln im japanischen No-Theater erinnern. Weil dieses Werk lediglich als Torso und noch dazu konzertant zur Uraufführung gelangt, fehlt allerdings die Quintessenz der Oper. Doch Gerald Futscher stört sich nicht daran, denn auch das Konzept allein hat ihm Werkcharakter genug.

Ein Wiederhören

Das Symphonieorchester Vorarlberg bietet Vorarlberger Komponisten die Möglichkeit, Orchesterwerke und Konzerte als Folgeaufführung zu erleben. Diese sind ebenso bedeutend wie die Uraufführungen selbst, weil sich erst bei mehrmaligen Aufführungen die Qualität eines Werkes herauskristallisiert. „Episoden“ für Orchester komponierte Michael Buchrainer vor mehr als 30 Jahren. Beim Kompositionswettbewerb der Stadt Innsbruck 1986 wurde das Werk mit dem ersten Preis ausgezeichnet. Peter Herberts Konzert für Violoncello und Kammerorchester „timeless“ wurde im Rahmen eines Porträtkonzertes bei den Bregenzer Festspielen uraufgeführt. Vor zehn Jahren interpretierte der Cellist Friedrich Kleinhapl den Solopart. Der Titel „timeless“ verweist auf die Struktur des Werkes, denn die ersten beiden Sätze changieren zwischen pulsorientierten und pulslosen Sequenzen. Nun spielt Melissa Coleman, die Cellistin des Koehne Quartetts, das schon mehrere Projekte mit Peter Herbert realisiert hat, den Solopart. „Jede Interpretin bringt ihre eigene Version ein und das ist sehr schön zu erleben. Melissa Coleman hat dieses Konzert schon mehrmals aufgeführt, zuletzt letztes Jahr mit dem Philharmonic Orchestra Qatar in Doha“, erzählt der Komponist.

Mit großem Erfolg wurde Richard Dünsers Werk „Canti Notturni“ für Bassetthorn und Streichquartett kürzlich in Deutschland aufgeführt. Nun hat Richard Dünser den Streichquartettpart für Kammerorchester gesetzt. Martin Schelling, dem die Solostimme auf den Leib geschrieben ist, wird die Komposition in dieser Besetzung zur Uraufführung bringen. Inhaltlich passt diese Komposition hervorragend zum Festival, denn Richard Dünser nimmt in vielen seiner Werke Bezug auf die Literatur. Den „Canti notturni“ beispielsweise liegen Gedichte von Giacomo Leopardi, Nikolaus Lenau, Johann Wolfgang von Goethe und japanische Haikus zugrunde.

Silvia Thurner

Dieser Artikel ist zuerst in der Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft, November 2013 erschienen.
Factbox

Festival „Texte und Töne“ 2013
ORF Landesstudio Vorarlberg, Dornbirn

Samstag, 9. November 2013 ab 14:00 Uhr
Sonntag 10. November 2013 ab 11:00 Uhr

Programm
14:00 Uhr, Begrüßung
14:15  Uhr Eröffnungskonzert „Im Geflecht der Sprachen“
Lieder von Wilhelm Stenhammar, Rudi Spring, Christophe Looten und Johannes X. Schachtner
Monika Lichtenegger, Sopran; Rudi Spring, Klavier

15:30 Uhr LESUNG, Verena Rossbacher

16:00 Uhr Kammermusik mit Musikern des Symphonieorchesters Vorarlberg
Werke von Ingo Ingensand und Michael Floredo
Florian Rohn, Andreas Hodasz, Martina Wieser, Violoncello; Bernd Konzett, Kontrabass; Yukie Togashi, Klavier; unter der Leitung von Ingo Ingensand,

17:00 Uhr LESUNG, Wolfgang Bleier

17:30 Uhr Kammermusik mit Musikern des Symphonieorchesters Vorarlberg
Werke von Murat Üstün (UA) und Gerald Futscher (UA)
Phillipp Wenger, Anita Martinek, Violine; Monika Bazgier, Viola; Jessica Kuhn, Violoncello

18:00 Uhr LESUNG, Christian Futscher

19:30 Uhr Symphonieorchester Vorarlberg
Werke von Michael Buchrainer, Peter Herbert, Ingo Ingensand und Richard Dünser (UA)
Solisten: Melissa Coleman, Violoncello; Martin Schelling, Bassetthorn
unter der Leitung von Ingo Ingensand

22:00 Uhr Konzertante Aufführung der erste Szene aus der Kammeroper „La Scuola Degli Amanti“ von Gerald Futscher (UA)

Monika Lichtenegger, Sopran; Nina Amon, Mezzosopran
Ensemble Plus: Phillipp Wenger, Violine; Jessica Kuhn, Violoncello; Anja Baldauf, Flöte; Markus Beer, Klarinette; Claudia Bär, Horn; Katharina Felder, Fagott; Claus Furchtner, Schlagzeug; Yukie Togashi, Klavier
Leitung: Gerald Futscher

Sonntag, 10. November, ORF Landesstudio Dornbirn
11:00 Uhr Kammerorchester Akademie St.Blasius
Konzert von MFP Huber
Andreas Ticozzi, Viola d’Amore, unter der Leitung von Karlheinz Siessl

11:30 Uhr „frisch aus der Werkstatt“
Werke von Murat Üstün und Michael Floredo
Phillipp Wenger, Anita Martinek, Violine; Monika Bazgier, Viola; Jessica Kuhn, Violoncello
Werkbezogene Textbeiträgen Junge Szene Literatur Vorarlberg

12:30 Uhr Kammerorchester Akademie St. Blasius
Konzert von Bert Breit
Andreas Ticozzi, Viola, unter der Leitung von Karlheinz Siessl

 

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http://www.ensembleplus.at
http://www.akademie-st-blasius.at/
http://www.symphonieorchester-vorarlberg.at/