"Szene Unser" – Fred Kendlbacher im mica-Interview

“Szene Unser – 17 Pongauer Schattenseiten”, so heisst der auf dem extra dafür gegründeten Brimborium Label erschienen Sampler mit “Pongauer Musikkultur abseits des Mainstreams, Volks- oder Volkstümlichen Musik”. Initiiert wurde diese regionale Musikrundschau (die dabei auch bis in die 1980er zurückgeht) von Thomas Schlögel, Friedl Göschel und Fred Kendlbacher, nachdem sie 2012 einen Kulturförderpreis erhalten haben. Mit dem Geld wurde dann das Lebal Brimborium gegründet und der “Pongau-Samplers” in Angriff genommen. Für mica unterhielt sich Didi Neidhart mit Fred Kendlbacher über “Szene Unser”.

2012 habt ihr einen Kulturförderpreis “für die Erhaltung der Pongauer Musikkultur abseits des Mainstreams, Volks- oder Volkstümlichen Musik gewonnen”, dem dann 2013 die Gründung von brimborium records gefolgt ist. Gab es zuvor schon die Idee zu einem “Pongau-Sampler”?

Fred Kendlbacher: Die Idee gab es schon einige Jahre. Konkret über die Umsetzung wurde aber erst ab dem Ansuchen für die Kulturförderung nachgedacht. Bis dahin gab es nur die Idee einer “Best of”-CD, die dann um Label und Archiv erweitert wurde.

Welche Ziele hat das Label?

Fred Kendlbacher: 1. Regionale Ressourcen erkennen und fördern. 2. Interessante Musik zu veröffentlichen.

“Szene Unser – 17 Pongauer Schattenseiten” erscheint auch als Doppel-Vinyl. Was steckt hinter dieser Entscheidung? Ist das nur nostalgische Liebhaberei?

Fred Kendlbacher: Der Gedanke ist nicht neu. Durch die digitale Wegwerfgesellschaft, die komprimierten Formate, gratis Downloads und Songs die irgendwo in schlechter Qualität unsichtbar auf Festplatten, Handys und Mp3-Playern liegen, hat die Musik quasi ihren Wert verloren. Wir setzen dem durch das Vinyl wieder etwas Handfestes entgegen und folgen somit einem Trend, den die internationalen Verkaufszahlen bestätigen. Ein Doppelvinyl ist es aus Platzgründen geworden.

Auf dem Sampler sind 17 Acts aus dem Pongau mit Aufnahmen von 1980 bis 2012 vertreten. Wie hat sich da eigentlich die Recherche-Arbeit gestaltet? War es schwer an einzelne Aufnahmen zu kommen?


Fred Kendlbacher: Die Recherche – und gleichzeitige Sichtung –  begann im September 2012 und endete Mitte März 2013. Danach würde das Ergebnis kategorisiert und ca. 60 Songs einer Jury übergeben, die die Endauswahl traf. Die Recherche erfolgte über Telefon und Email und gestaltete sich größtenteils unkompliziert. Sie war aber aufgrund der großen Menge an Material sehr zeitaufwändig.

Euer Online-Archiv zu “alternativer Pongauer Musik” (http://szene-unser.brimborium.at) versammelt aktuell 45 Bands und 115 MusikerInnen. Ist das schon alles, oder gibt es im Pongau noch mehr Bands? Wenig ist das ja nicht.


Fred Kendlbacher: Schätzungsweise sind noch drei- bis viermal so viele Daten zu recherchieren. Deshalb haben wir das Archiv so konzipiert, dass man es beliebig erweitern kann. Als Primärziel haben wir momentan die Erweiterung der Hörbeispiele und somit der Playliste unseres Webradios “Radio Pongau” auf 80 bis 100 Lieder. Das wird aber nicht von heute auf morgen passieren.

Wie stellt sich die Situation für die Pongauer Musikszene neben Mainstream und Volkmusik überhaupt dar? Gibt es neben Veranstaltungsorten wie der “kultur:plattform” (St. Johann) oder dem (eher auf Jazz spezialisierten) “Sägewerk” (Bad Hofgastein) noch andere Orte, wo sich die “Szene” treffen bzw. auftreten kann?


Fred Kendlbacher: Traditionell gibt es im Pongau wenige Auftrittsmöglichkeiten und ich möchte mich an dieser Stelle bei allen bedanken, die Konzerte veranstalten und diesem Trend ein bisschen entgegen steuern. Was ein viel größeres Problem darstellt ist, dass es so gut wie keine Nachwuchsmusiker bzw. -bands im alternativen Bereich gibt.

Kommen wir einmal zu den Stadt-Land-Unterschieden: Was läuft am Land besser bzw. schlechter als in der Stadt? Anders gesagt: Was sind die Potentiale regionaler Szenen wie jener im Pongau?


Fred Kendlbacher: Da hat das Land eigentlich keine Vorteile. Sowohl bei Auftrittsmöglichkeiten, vorhandenen Proberäumen und Publikum gewinnt die Stadt eindeutig.

Gab es irgendwelche Auswahlkriterien?


Fred Kendlbacher: Ja. Zuerst musste definiert werden, was denn nun eine alternative Band ist. In unserem Fall waren dass alle unsubventionierten Musikprojekte, also keine Klassik oder Volksmusik. Danach stellten wir klar was eine Pongauer Band ist. Also wie viele PongauerInnen mitspielen müssen um eindeutig sagen zu können, diese Band kommt aus dem Pongau und nicht von irgendwo anders. Coverbands waren natürlich ausgeschlossen. Dann haben wir geschaut, dass wir alten, historisch wichtigen Aufnahmen den Vorzug geben. Wir haben nach Jahrzehnten kategorisiert, wobei die 2010er Jahre fast vernachlässigbar waren. Also ein Song, der in den 1980ern auf Kassette veröffentlicht wurde, von einer Band, die es lange nicht mehr gibt, hatte bessere Chancen, als ein neuer Song von einer aktiven Band. Die Verwendung des Pongauer Dialekts und ein Regionalbezug wären auch noch positiv zu bewertende Kriterien gewesen, aber da gab es sehr wenig. Ich persönlich warte immer noch auf die erste Pongauer Dialekt-Rockband. Soundqualität war auch ein Kriterium, obwohl wir in einigen wenigen Fällen einen Spagat zwischen Songqualität und Aufnahmequalität schaffen mussten. Weiters war es wichtig, das gesamte stilistische Breitenspektrum einzufangen, das der Pongau zu bieten hat und dann in die richtige Dramaturgie zu bringen. Ich denke, das ist uns sehr gut gelungen.

Mit Foggy Dew feat. Fritz Messner (Querschläger), Mel, Blueswuzln sind ja durchaus auch überregional bekannte Acts auf dem Sampler vertreten. Aber wie schwer ist es aus dem Pongau raus zu kommen. Nach Salzburg und darüber hinaus?

Fred Kendlbacher: Ich kenne wenig Bands die es nicht zumindest nach Salzburg geschafft haben. Aber in Zeiten der globalen Vernetzung ist es sicherlich kein Problem mehr gleichgesinnte Bands – im Extremfall weltweit – zu finden und sich gegenseitig bei Konzerten zu supporten. Das Problem, welches wir in Österreich nach wie vor haben, passiert aber auf nationaler Ebene, weil die Radiostationen die Tantiemen lieber ins Ausland fließen lassen anstatt der heimischen Szene Gehör zu verschaffen.

Musikalisch ist das Spektrum ja durchaus sehr rockig, jedoch breit gefächert. Das reicht von Country/Blues-Rock (Lucky Oil, Bluesbrauser, Blueswuzln, Dionysos, Xanadu), Rock (Waynsgarden, Chelsea Hotel, The Backhill Natives), über HipHop (D.K. Six) und Dialekt-Rap (Tumanix) bis hin zu Jazz/Funk/Fusion (BMP mit Mitgliedern von u.a. The Talisman Collection, Parametrix), Alternative (The Maybe Men mit Kreisky-Bassist Gregor Tischberger sowie die Frauenband Marsh Marigold) sowie Heavy Metal (Divination). Gibt es so etwas wie eine spezifischen “Pongau-Sound”? Elektronisches kommt z.B. ja eher nicht vor.

Fred Kendlbacher: Man merkt schon, dass der Sound der Pongauer Bands stark von außen beeinflusst ist. Vor allem daran, dass wir fast keine Lieder im Dialekt gefunden haben und die meisten Bands englische Texte benutzen. Das interessante an der Sache ist es zu beobachten, wie lange ein Stil braucht, bis er in die Köpfe der Pongauer MusikerInnen eingesickert ist und übernommen wird. Das kann in einigen Fällen schnell gehen, kann aber auch zwanzig Jahre oder länger dauern. Was elektronische Musik betrifft, hätten wir zwei potentielle Beiträge von Exilpongauern in Wien in Betracht gezogen. Beide Herren zeigten aber wenig Interesse an einer Zusammenarbeit. Für mich aber verständlich, weil für einen allein arbeitenden Elektroniker da einfach die Bezugspunkte zur Musikerszene fehlen.

Am 05. Oktober 2013 wurde der Sampler in der “kultur:plattform” in St. Johann präsentiert. Wie war der Abend? Wie wird der Sampler aufgenommen?

Fred Kendlbacher: Der Präsentationsabend war gut besucht und die Verkaufszahlen über den Erwartungen. Allerdings stocken wir jetzt – vor allem durch fehlende Medienpräsenz – ein bisschen. Das gute an der Sache ist, dass wir ja finanziell nicht unter Zugzwang stehen. Trotzdem wäre es schön, wenn wir, sagen wir in den nächsten fünf bis zehn Jahren ausverkauft sind.

Gibt es schon Pläne für kommende Releases?

Nein.

Danke für das Interview.

http://records.brimborium.at/