Dieses Wochenende knarzt wieder der SÄGEZAHN! Noise trifft Skulptur trifft Performance trifft Club – und das bereits zum zweiten Mal im Wiener WUK. Die beiden Abende des transdisziplinären Veranstaltungsformats der beiden Kuratoren Samuel Schaab und Jacob Suske am 19. und 20. Dezember oszillieren zwischen Musik, Performance und visueller Kunst— und zielen auf kollektive räumliche Neuorientierung ab: Wo Konzerte und Performancekunst unterschiedlichster Künstler:innen an Genregrenzen zerren, dient eine Drehbühne als ungewohntes Ausstellungsdisplay, auf dem visuelle Arbeiten abwechselnd als performatives Ereignis auf- und abgebaut werden.
Der Bogen spannt sich in diesem Jahr von einer Chor-Performance zu headbangender Haarpracht, über Krautrock und noisigen Gabber-Kicks bis hin zu Neuer Musik an der Snare Drum. Mit Interventionen darf gerechnet werden.
Auch dieses Jahr folgt der SÄGEZAHN dem Credo: Noise is only space — oder — die Verschmelzung von Raum und Ereignis.
PROGRAMM:
F R E I T A G | 19.12.
Xenia Koghilaki with Noumissa Sidibé & Irini Georgiou / 𝘱𝘦𝘳𝘧𝘰𝘳𝘮𝘢𝘯𝘤𝘦
Slamming unplugged ist eine alternative Version der Performance Slamming von Xenia Koghilaki aus Athen. Drei Performer:innen verpflichten sich auf eine gemeinsame Vereinbarung: einen rituellen Tanz, der aus dem Slamming hervorgeht. Sie transformieren Moshpit-Praktiken und oszillieren dabei zwischen Wut und Sanftheit, Rohheit und Vertrauen, Gewalt und Zärtlichkeit. Diese Begriffe werden nicht als Gegensätze erforscht, sondern als miteinander verbundene Elemente innerhalb einer sui generis-Tanzform. Das Publikum „sieht“ den Schweiß tropfen, die Atemzüge intensiver werden und die Herzen schneller schlagen, während die drei Performer:innen mit voller Hingabe „caught into a mosh“ sind. Slamming wurde 2024 erstmals in Athen im Rahmen des Onassis Dance Days Festivals präsentiert.
Konzept, Choreografie: Xenia Koghilaki
Kokreation, Performance: Irini Georgiou, Noumissa Sidibé, Xenia Koghilaki
Musikkomposition: Giorgos Poulios
Tamara Kurkiewiecz / 𝘮𝘶𝘴𝘪𝘤 / 𝘱𝘦𝘳𝘧𝘰𝘳𝘮𝘢𝘯𝘤𝘦
Die derzeit in Stuttgart lebende Tamara Kurkiewicz ist eine polnische Perkussionistin und Performerin mit einem starken Fokus auf neue und experimentelle Musik. In ihrer Werkauswahl sind ein performativer Aspekt und ein außermusikalischer Bezug von großer Relevanz. Regelmäßig sucht sie in ihrer Arbeit als Musikerin/Performerin wie auch als Organisatorin die künstlerische Auseinandersetzung sowohl mit feministischen Anliegen als auch mit anderen gesellschaftlichen Fragestellungen.
Slumberland / 𝘮𝘶𝘴𝘪𝘤
Mit Slumberland präsentiert uns der belgische Musiker, Komponist und Instrumentenbauer Jochem Baelus seit 2013 obskuren, hypnotischen Krautrock und verzerrten Postpunk. Der taktile Sound von Slumberland wird durch eine Batterie von Nähmaschinen, Filmprojektoren und anderen zerlegten mechanischen Objekten erzeugt. Bislang hat er ein Soloalbum veröffentlicht, das 2019 erschienene „Sea, sea, sea Drifter // See, see, see Drifter“, zusammen mit zwei Schlagzeugern und einer kürzlichen Zusammenarbeit mit der tuwinischen Stimmkünstlerin Sainkho Namtchylak. Nun baut Jochem Baelus eine brandneue Klanginstallation, mit der er solo auf Tour geht. Freuen Sie sich auf rasselnde Drone-Klänge motorischer „Dudelsäcke”, begleitet von fesselnden, melodischen und minimalistischen Kompositionen und völliger Stille.
New Choir featuring Patrizia Ferrara, Milena Georgieva & Jakob Steinmann / 𝘮𝘶𝘴𝘪𝘤
New Choir wurde 2023 unter der künstlerischen Leitung von Pavel Naydenov gegründet. Gegen Konventionen und mit einer Neuinterpretation von Traditionen versteht sich New Choir als internationales Ensemble, das die Struktur der Chormusik queert und neu denkt — und dabei Klanglinien von Volkstraditionen bis zu sakraler Musik, von früher Mehrstimmigkeit bis zu experimentellen grafischen Partituren verwebt. Ob a cappella oder in Verbindung mit live-elektronischen Klanglandschaften: Wir erforschen das gesamte Spektrum klanglicher Möglichkeiten. Für uns ist Singen mehr als Performance — es ist Widerstand, Rückeroberung und Hingabe. Wir suchen unerwartete Räume zum Singen auf — und holen so die ursprüngliche gemeinschaftliche Kraft des Chors zurück: verwurzelt in Erde, Körper und Atem.
Beim SÄGEZAHN performen New Choir gemeinsam mit:
Patrizia Ferrara – Stimme solo
Milena Georgieva – Elektronik
Jakob Steinmann – Drehleiher
Kasho Chualan & Omid Darvish / 𝘮𝘶𝘴𝘪𝘤
Das in Wien lebende Duo erschafft eine kathartische Umgebung, ein Totenritual, das vergessene Geschichte konfrontiert. Durch eine rohe Collage aus Schmerz und Verzerrung, Field Recordings, gebrochenen Melodien und unerbittlichem Puls stellen Omid Darvish & Kasho Chualan menschliches Leid nicht als Konzept, sondern als klangliche Erfahrung in den Mittelpunkt. Es gibt keine Filter. Nur Bloßlegung. Nur Entladung. Fragmente von Klang, die älter wirken als Worte. Eingebettet in das „dark halparke“ lädt das Duo das Publikum in einen geteilten Raum voller Spannung und Transformation ein — einen Ort des Trauerns, des Erinnerns und des Fühlens.
S A M S T A G | 20.12.
Alyona Pynzenyk / 𝘮𝘶𝘴𝘪𝘤
Alyona Pynzenyk ist eine ukrainische Geigerin mit Wohnsitz in Wien. Ihr Schwerpunkt liegt auf freier Improvisation, zeitgenössischer Musik und Performance. In ihren eigenen Projekten – meist im Bereich der freien Improvisation und zeitgenössischen Musik – erforscht sie kontinuierlich neue Ansätze zu Improvisation und Klangästhetik. Dazu gehören die Projektreihe Impro Gang, das Duo VV mit Stefan Voglsinger (Elektronik), ein Duo mit Philipp Kienberger (Kontrabass), das Trio Pynzenyk/Duit/Rosilio (Violine/Schlagzeug/Bass) und weitere Formationen. Außerdem ist Alyona Mitbegründerin von Coincidence, einem kollaborativen Ensemble für zeitgenössische und performative Musik.
DRUG SEARCHING DOGS / 𝘮𝘶𝘴𝘪𝘤
Die DRUG SEARCHING DOGS markieren ihr Revier, indem sie die Limits der PA deines Lieblingsclubs überstrapazieren. Inspiriert von Gabber, Harsh Noise und Punk feuert das Wiener Trio ein Amalgam aus massiv verzerrten Basswänden, kreischendem Feedback und messerscharfen Vocals ab.
DSD entstand Ende 2022, als drei Streuner:innen zufällig zusammentrafen – nur um den albernen Sticker einer polizeilichen Hundeeinheit zu entdecken. Da sie nichts zu verlieren hatten außer ihren Ketten, wurden von diesem Moment an alle Leckerlis geteilt.
Nach dem selbstbetitelten Debüt auf Free Christian Ringtones im Jahr 2023 und zahlreichen Demos veröffentlichten DSD am 1. Oktober 2024 ihr zweites Full-Length-Album und ihre erste Vinyl-LP über Interstellar Records. Unverändert stellen sie sich mit ohrenbetäubendem Gebell gegen jegliche Form von Unterdrückung – um den War on Drugs endgültig zu beenden.
DRUG SEARCHING DOGS sind:
Borderline Collie – Drum Machines, Feedback FX
Fleabag – Guitar, Destruction Pedals
Riotweiler – Vocals, No Input Mixing Boards
Manu Mayr / 𝘮𝘶𝘴𝘪𝘤
Low Interval Limits – An explorative approach to hidden kitsch
Durch sich verändernde mikrotonale Interferenzen im klanglichen Tieffrequenzspektrum entfaltet sich für geduldige Zuhörer:innen eine eigene Schönheit. Eine physische Sinusklang-Massage, die darauf abzielt, deine individuellen Blockaden und Spannungen aufzuspüren. Bewege deinen Körper durch den Raum, um einen Ort zu finden, an dem du dich wirklich wohlfühlst. Dann bewege deinen Kopf ganz leicht — für maximale Wirkung.
Manu Mayr
Michael Fehr & Rico Baumann / 𝘸𝘰𝘳𝘥 / 𝘮𝘶𝘴𝘪𝘤
Vier Hände, zwei Schlagzeuge, eine Stimme: Die beiden Schweizer Michael Fehr und Rico Baumann reduzieren Klang und Texte bis zur brachialen Essenz, bis nur noch der Geschmack bleibt, die Intensität. Sogar die Töne sind bis auf Fehrs Reibeisenstimme und Baumanns selbstgebautes Saitenschlaginstrument fast gänzlich abhandengekommen. Die Inhalte sind noch existenzieller geworden. Genüsslich, aber präzise leuchtet Fehr das Spektrum des Menschlichen und Zwischenmenschlichen aus. Das ist die Ritualmusik vieler archaischer Religionen, das sind Tschinellen-Crescendi und unerwartete Stille. Es sind Geschichten, die in ihrem eigenen Sound aufgehen, bis sie plötzlich verschwinden.
Martina De Dominicis & Manuel Riegler / 𝘱𝘦𝘳𝘧𝘰𝘳𝘮𝘢𝘯𝘤𝘦
De Dominicis & Riegler konstruieren ein Live-Apparatus, in dem Musik, Kochgeräusche und gepfiffene Soliloquien ineinander übergehen und sich zu einer Konzertperformance verweben. Die Praxis nutzt häusliche Werkzeuge als Teil eines größeren Systems, das von verschiedenen Formen von Druck geprägt ist – physisch, klanglich und vielleicht sogar sozial. Das Pfeifen wird dabei zu einer Art Geständnis des Systems, einem dünnen Luftschrei, der die fortlaufende Aushandlung zwischen Intention und Widerstand nachzeichnet.
Mit visuellen Arbeiten von
Ju Aichinger, Cäcilia Brown, Melanie Ender, Alfred Lenz, Karin Ferrari, Anna Lerchbaumer & Michèle Pagel
