Man kann den in Wien lebenden Salzburger Pianisten PHILIPP NYKRIN definitiv zu den Aktivposten der österreichischen Jazzszene zählen. Als Teil des Trios NAMBY PAMBY BOY seit einiger Zeit höchst erfolgreich, viel unterwegs und mit seinen anderen Projekten mehr als gefragt schlüpft der musikalisch vielseitig interessierte Mann an den schwarzen und weißen Tasten nach einer etwas längeren Zeit wieder in die Rolle eines Solokünstlers. Und zwar in Form seines neuen Albums „Songbook“ (Listen Closely) das im Rahmen des ihm gewidmeten und von ihm gestalteten Konzertabends im WIENER KONZERTHAUS am 22. Februar präsentiert wird. PHILIPP NYKRIN sprach mit Michael Ternai.
Sie kommen ja eigentlich aus dem Jazz und haben aber in der Vergangenheit in vielen verschiedenen Bandprojekten fernab des Jazzbereiches mitgewirkt. Auf „Songbook“ sind Sie mit Ihrem Klavier nun nach etwas längerer Zeit wieder solo unterwegs. Sind Sie mit diesem nun in gewisser Weise zu Ihren Wurzeln zurückgekehrt?
Philipp Nykrin: Das würde ich nicht sagen. Zumindest empfinde ich dieses Album nicht als ein Zurückkommen. Das akustische Klavier war, ist und wird für mich immer eine Konstante sein. Auch auf meinem letzten Album „Wire Resistance“ stand es eigentlich schon im Vordergrund, eingebettet im Bandkontext zwar, aber doch mit einer zentralen Rolle. Ich habe in den letzten eineinhalb Jahren immer wieder kleinere Solokonzerte gespielt, die mich dann schließlich dazu veranlasst haben, wieder vermehrt solo zu denken.
Was beim ersten Mal Durchören Ihres Soloalbums sofort auffällt, ist, dass Sie im Gegensatz zu Ihren anderen Projekten sehr reduziert an die Sache herangegangen sind und die Musik trotz aller klanglichen Reduktion dennoch ungemein vielfältig klingt.
Philipp Nykrin: Ich finde einfach, dass eine gewisse Reduktion auf einfachere Harmonien auf einem Soloklavier phasenweise auch einmal ganz guttut. Und ja, obwohl das akustische Klavier auf dem Album klanglich quasi den roten Faden bildet, erklingen die Stücke im Ergebnis schon sehr vielfältig. Ich habe lange überlegt, unter welchem Begriff ich das Album stilmäßig zusammenfassen kann. Herausgekommen ist der Ausdruck „Contemporary Instrumental Songwriting“. Ich glaube, der passt ganz gut.
Wie sieht eigentlich Ihr kompositorischer Ansatz aus?
Philipp Nykrin: Ich versuche, wenn ich komponiere, eine relativ einfache kompositorische Idee zu entwickeln, aus der ich dann das Maximale heraushole. So oder so ähnlich sind fast alle Stücke entstanden. Bei dem Stück “Final Boss” mit Martin Eberle an der Trompete ist es zum Beispiel ein neuntaktiger Synthesizer-Loop, der die Basis bildet. Der ist eigentlich durch Zufall beim Herumprobieren entstanden. Um den herum habe ich dann das Stück geschrieben.
Auch in stilistischen Fragen zeigt sich das Album als ein sehr vielfältiges.
Philipp Nykrin: Ja, die Stücke sind in ihrem Stil schon sehr verschieden. In „Home“ zum Beispiel klingt viel klassisch folkiges amerikanisches Songwriting durch. In „Das Leben anderer Leute“ mit Fiva greife ich auf Elemente aus der zeitgenössischen Popmusik zurück – das aber nicht mit Synthesizer oder anderen elektronischen Hilfsmitteln, sondern allein mit einem akustischen und präparierten Klavier. Dann sind auch noch relativ freie Stücke drauf, durch die sich einfache Harmoniefolgen ziehen. Und so weiter. Jedes Stück hat seine eigene Grundidee, seinen eigenen Klang, seine eigene Essenz.
„Und man weiß auch immer mehr, was man nicht will.“
Haben Sie das Gefühl, dass Sie mit diesem Album sehr nahe an das herangekommen sind, was Sie musikalisch immer schon umsetzen wollten?
Philipp Nykrin: Ich glaube, dass ich das immer schon versucht habe. Aber man wird Gott sei Dank mit der Zeit auch besser, in dem was man tut. Und man weiß auch immer mehr, was man nicht will. Was mir zum Beispiel nicht gefällt, ist, wenn Kompositionen stückhaft sind und die Teile einfach irgendwie aneinandergereiht wirken. Im Jazzbereich fällt mir das schon immer wieder auf, da habe ich manchmal das Gefühl, dass sich die Leute nicht genug Gedanken darüber gemacht haben, was sie mit dem Stück eigentlich aussagen wollen.
„Songbook“ ist ja in relativ kurzer Zeit entstanden. Fühlt man sich, wenn man so wenig Zeit hat, nicht irgendwie unter Druck gesetzt?
Philipp Nykrin: Eine gewisse Anspannung baut sich dann schon auf, das ist klar. In dem Fall stellte sich aber einfach die Frage: „Mach ich das jetzt, oder nicht?“ Ich hatte mit Namby Pamby Boy und anderen Projekten davor ja relativ viel zu tun. Wir spielten viele Konzerte und es hat auch Aufnahmen gegeben, die einfach fertig werden mussten. Man wünscht sich wahrscheinlich immer mehr Zeit für solch eine Produktion, ich bin aber sehr zufrieden wie das Endresultat geworden ist. Ich kann glücklicherweise wenn es darauf ankommt, recht schnell komponieren.
Bei diesem Album war es wirklich so, dass ich einfach drauflosgeschrieben habe und dann geschaut habe, wie die einzelnen Sachen auf dem Album zusammenpassen und welche Dinge man eventuell noch probieren könnte. Aus diesem Workflow ist dann schließlich auch die Idee mit den verschiedenen Solisten entsprungen. Bei manchen Sachen hatte ich nämlich dann doch irgendwann das Gefühl, dass ein zusätzlicher Solist der ganzen Sache doch guttun würde.
„[…] man merkt irgendwann dann schon, dass es auch gut tut, sich einmal auf einige wenige Projekte zu konzentrieren […]“
Sie sind ja in vielen unterschiedlichen Projekten tätig. Welchen Wert messen Sie unter diesen Ihrem Soloprojekt zu?
Philipp Nykrin: Es ist definitiv so, dass mein Soloprojekt und Namby Pamby Boy meine persönlichsten Projekte sind. Und zwar deswegen, weil es genau die Bands sind, in denen „Philipp Nykrin“ am meisten zu hören ist. Natürlich ist es schön, in vielen verschiedenen Projekten dabei zu sein und viel Verschiedenes machen zu können. Aber man merkt irgendwann dann schon, dass es auch gut tut, sich einmal auf einige wenige Projekte zu konzentrieren und diese voranzutreiben. Ich habe jetzt auch beschlossen, dass ich in Zukunft – wann genau, weiß ich noch nicht – definitiv eine wirkliche Soloplatte aufnehmen werde.
Aber ganz auf andere Projekte werden Sie nicht verzichten.
Philipp Nykrin: Natürlich nicht. Es ist wichtig, die eigene Vielseitigkeit zu erhalten. Auch weil man damit verhindert, in eine Art Betriebsblindheit zu verfallen.
Ist es eigentlich angedacht, mit der Platte auch auf Tour zu gehen?
Philipp Nykrin: Ja, mit Sicherheit. Ich fokussiere mich aber im Moment auf das Konzert im Wiener Konzerthaus. Aber ja, es ist definitiv ein Projekt, das ich weiterverfolge und mit dem ich auch unterwegs sein werde.
Wie ist es eigentlich zu diesem Konzert gekommen? Wer ist an Sie herangetreten?
Philipp Nykrin: Das geht auf einen Impuls von Peter Polansky vom Konzerthaus zurück. Er hat eine Reihe ins Leben gerufen, in deren Rahmen ausgewählte österreichische Musikerinnen und Musiker einen Abend gestalten können. In meinem Fall hat man mir gesagt, dass ich so viel Verschiedenes mache und es wirklich einmal spannend wäre, dies einmal in geballter Form abzubilden. Mir war klar, dass ich auf jeden Fall solo und mit Wire Resistance spielen will. Und dann kam vom Konzerthaus auch noch die Anfrage, ob ich nicht etwas gemeinsam mit Fiva machen könnte. Sie war von der Idee auch angetan und hat mitgemacht. Insofern wird es ein sehr vielschichtiger musikalischer Abend, einer, an dem möglicherweise viele Leute Musik präsentiert bekommen, die sie davor vermutlich noch so nicht gehört haben.
Was steht neben dem Konzert und der neuen Platte in naher Zukunft noch auf dem Programm? Es steht ja auch eine neue S.K.-Invitational-Platte vor der Veröffentlichung, oder?
Philipp Nykrin: Genau. Davor spielen wir aber noch eine Minitour. Wien, Salzburg, Linz und München. Sonst arbeite ich weiter an meinen Projekten. Mit Namby Pamby Boy wird es weitergehen. Da haben wir eine ganz gute Kooperation mit Babel Label auf den Weg gebracht. Die wollen wir ausbauen.
Vielen Dank für das Gespräch
Michael Ternai
Carte Blanche Philipp Nykrin
22.2.2017 – 19:30
Wiener Konzerthaus