OPEN JAZZ VIENNA: EIN JUNGES JAZZFESTIVAL GEHT IN DIE ZWEITE RUNDE

Die Zukunft des neuen Jazzfest Wien steht nach wie vor in den Sternen, aber aus den Bemühungen um dieses ist schon eine sehr positive Entwicklung gekommen: Das Festival Open Jazz Vienna steht für stilistische Vielfalt, spannende Formate und Vernetzung zwischen österreichischen und internationalen Musiker:innen. Nach einem erfolgreichen Start im November 2024 findet die zweite Ausgabe des Festivals von 20. – 21. November mit Österreich-Schwerpunkt an verschiedenen Spielorten in Wien statt. Philip Yaeger hat ein Gespräch mit den zwei Begründer:innen Marina Zettl und Niki Dolp geführt, über die Vergangenheit und Zukunft des Festivals, Nachhaltigkeit bei der Programmierung und das Pflegen von mehreren beruflichen Kochtöpfen.

Fangen wir mit dem offensichtlichsten an: Open Jazz Vienna findet jetzt am 20. und 21. November statt – erstmals 2 Tage, im Gegensatz zu letztem Jahr. War’s das für heuer, oder gibt’s einen Teil 2?

Marina Zettl: Aus verschiedenen Gründen: Die Vorlaufzeit, aber auch weil wir in einer wärmeren Jahreszeit starten wollen, haben wir uns gedacht, wir wollen das Festival aufteilen. Wir machen jetzt im November einen kleinen Teil, wobei der ja gar nicht mehr so klein ist, mit vier Events und 24 Künstler:innen. Teil 2 von Open Jazz Vienna findet dann von 18. bis 20. Juni 2026 statt.

Teil 2,5 also. Gab’s auch andere Faktoren, die zu dieser Entscheidung geführt haben?

Niki Dolp: Wir hatten eben heuer eine noch kürzere Vorlaufzeit als zuvor, weil wir auf Finanzierungzusagen warten mussten. Wir machen jetzt im November einen Österreich-Schwerpunkt und lassen das Festival dann auch im Sommerlicht erscheinen. Dann haben wir auch den direkten Vergleich, wie es sich in den verschiedenen Jahreszeiten anfühlt.

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Das Festival findet jetzt zum 2. Mal statt. Hat es Sachen beim ersten Mal gegeben, wo ihr gesagt habt, das wollen wir unbedingt wieder gleich machen? Oder auch: Das wollen wir auf keinen Fall wieder so machen?

Marina Zettl: Ich denke, jedes Festival hat eine Lernkurve und das erste Jahr ist immer das härteste. Wir starten jetzt schon von woanders weg; wir müssen uns zum Beispiel nicht mehr überlegen, wie das Logo aussehen wird oder wer unsere Werbepartner:innen sein werden. Das Feedback hat uns unter anderem gezeigt, dass es sehr gut angekommen ist, dass wir verschiedene Spielorte hatten. Das machen wir heuer wieder – zum Beispiel ein Walking-Konzert, wo man durch den öffentlichen Raum spaziert, oder auch ein Konzert im frisch eröffneten Club Lucia. Wir bieten dem Publikum die Chance, die Stadt Wien mit ihren Clubs auf eine andere Art kennenzulernen.

Es war uns persönlich auch wichtig, wieder ein Austausch- und Vernetzungsevent zu machen: Der Interview-Talk MEETUP bringt Menschen aus der Kunst- und Kulturszene zusammen. Also Menschen, die schon in der Szene verankert sind, berichten über Wünsche oder mögliche Problemstellungen.

Das November-Programm hat einen “Österreich-Schwerpunkt” – ist das ein Grundgedanke des Festivals?

Martina Zettl: Das war sowohl uns als auch unserem Fördergeber, der Stadt Wien, wichtig.

Niki Dolp: In dieser Hinsicht ist der Grundgedanke eigentlich, die österreichische Jazzszene der internationalen Szene auf Augenhöhe begegnen zu lassen. Dieser Aspekt wird in der Juni-Ausgabe präsenter sein, da haben wir internationale Gäste dabei. Die Fundierung des Festivals in der österreichischen Szene ist uns wichtig, aber auch die Zusammenschau mit der internationalen Szene. Wir sind überzeugt, dass die österreichische Szene sich überhaupt nicht zu verstecken braucht, dass sie auf einer Bühne mit der internationalen Szene gehört.

Da kann ich nur zustimmen. Beim Programm fällt vor allem die stilistische Bandbreite auf, die von Performance Art bis hin zu Afro-Jazz reicht. Wie funktioniert bei euch der Programmierungsprozess?

Marina Zettl: Niki und ich haben eine Riesenliste, die wir zum Teil auch vom letzten Jahr mitgenommen haben – Künstler:innen, die wir nicht gewinnen konnten, weil sie gerade auf Tour waren oder kurz davor oder danach in Wien gespielt haben. Zudem lernt man immer wieder neue Leute kennen, oder Bekannte haben wieder neue Projekte – uns werden jedenfalls die Ideen nicht ausgehen.

Niki Dolp: Es gibt verschiedenste Parameter, die wir in Betracht ziehen – wir schauen zum Beispiel, dass das Programm hinsichtlich des Alters und Geschlechterverhältnisses divers ist. Wir laden immer wieder Newcomer ein, das bringt eine gewisse Nachhaltigkeit in die Programmierung. Wir haben auch die Idee, eine “Reunion”-Konzertserie zu machen – also mit Bands, die sehr beliebt waren, aber aufgehört haben. Das wollten wir schon letztes Jahr mit Broken Heart Collector machen: Sie sind letzten Endes bei Wien Modern aufgetreten, weil wir terminlich nicht zusammengekommen sind, wir sind aber trotzdem froh, dass unseren Beitrag zur Wiederbelebung der Band was bewirkt hat [lacht].

Bild der Musikerin Mira Perusich
Mira Perusich © Jana Perusich

Es gibt am ersten Abend 2 “First Contact”-Konzerte, mit Musiker:innen die noch nie gemeinsam auf einer Bühne gestanden sind. Wie habt ihr die Menschen – und die Kombinationen – ausgewählt?

Marina Zettl: Wir haben viele Leute auf unserer Liste gehabt, von denen wir wussten, sie sind nicht nur super Musiker:innen, sondern es passt auch zwischenmenschlich. Wie etwa Golnar Shahyar – sie ist letztes Jahr bei unserem Festival erkrankt und sollte deshalb heuer spielen. Oder Judith Ferstl und Mira Perusich – die beiden fand ich schon immer spannend. Da haben wir uns gedacht, wir könnten diese Menschen doch zusammenwürfeln und fragen, ob sie miteinander auftreten wollen. Es waren auch alle, die bei den First-Contact-Konzerten auftreten werden, von der Idee begeistert und neugierig.

Niki Dolp: Es gibt so viele tolle Musiker:innen in Wien und in Österreich – wir sind froh, wenn wir eine neue Begegnungszone für sie schaffen können.

Ein weiterer Punkt im Programm ist das “Walking Concert” mit dem Viberqueen Duo, ein Projekt der Performerin Magdalena Hahnkamper. Das ist ein Format, dass auch einiges an Planung verlangt – und auch nicht immer ganz vorhersehbar ist. Weiß man schon, wohin der Spaziergang führen wird?

Marina Zettl: Es ist noch offen was genau passiert, das ist der Sinn der Sache. Es startet auf jeden Fall am Siebensternplatz und endet bei den Gürtelbögen. Keine Ahnung, ob wir dann nur zu Fuß unterwegs sind, oder eine Station mit der Straßenbahn fahren…Es wird spontan passieren und natürlich kommt es auch ein bisschen auf das Wetter an.

Niki Dolp: Eine Improvisationswanderung.

Der zweite Abend bezeichnet ihr als “Club Night” – das Quartett von Anna Tsombanis ist in letzter Zeit sehr aktiv, die Afro-Jazz-Truppe Katatropic war mir aber bisher unbekannt. Wie habt ihr die Band entdeckt?

Marina Zettl: Niki, du kennst den Schlagzeuger, oder?

Niki Dolp: Ja, den Bassisten auch…die Band ist mir immer wieder untergekommen; ich habe ihre Entwicklung im letzten Jahr u.a. auf Instagram verfolgt. Ich finde ihren Spirit super und bin sehr froh, dass sie spielen.

Marina Zettl: Wie gesagt, wir wollen immer wieder Newcomer einladen, heuer haben wir gedacht: Warum nicht gleich eine Großbesetzung? Da können wir gegenseitig voneinander profitieren: Sie bekommen von uns eine Bühne und Außenwirkung; sie werden dafür ein neues Publikum mitbringen, das vielleicht sagt: “Aha, ich wusste gar nicht, dass ihr auch bei einem Jazzfestival spielen könntet!”

Ihr seid beide Musiker:innen, Open Jazz Vienna kann man mitunter als Musiker:inneninitiative bezeichnen – wie seht ihr euch in Relation zu größeren Festivals, wie z.B. Saalfelden?

Marina Zettl: Alle Festivals, ob klein oder groß, haben ihre Berechtigung. Wohin unsere Reise geht, wissen wir noch nicht. Unsere Visionen sind riesig, die Zeit wird uns zeigen, ob wir diesen Weg gehen werden – und ob wir das wollen und können. Umso größer ein Festival wird, desto mehr Verantwortung es trägt, desto mehr Leute werden gebraucht [um es zu realisieren]. In unserer jetzigen Größe haben wir die Freiheit zu tun und lassen, was wir wollen. Wir sind beide auch nicht hauptberuflich FestivalorganisatorInnen. Ich finde es gerade schön, verschiedene Töpfe am Herd zu haben und in verschiedene Rollen schlüpfen zu können, ob auf oder hinter der Bühne.

Man darf auch nicht vergessen, wie Open Jazz Vienna eigentlich begonnen hat – ganz am Anfang, wie wir die ganze Szene eingeladen haben, sich mit uns auszutauschen, war die Idee, ein neues Jazzfest Wien zu etablieren. Das Ganze hat jetzt eine andere Form angenommen, aber das ist ja auch in Ordnung. Deshalb sage ich auch: Ob klein oder groß spielt keine Rolle – es ist wichtig, dass es die ganzen Festivals gibt.  Hauptsache, man tut aktiv was, anstatt immer nur zu jammern.

Niki Dolp: Es wird wahrscheinlich in Zukunft immer schwieriger, nur zu spielen, nur Jazzkonzerte zu veranstalten. Ich bin überzeugt, dass die meisten Leute im Jazzbereich – wie Marina sagt – mehrere Kochtöpfe am Herd haben werden. Ob das gut oder schlecht ist, würde diesen Rahmen sprengen…aber es bringt nichts, lange darüber zu sinnieren; es ist wie es ist. Es befruchtet sich auch alles gegenseitig, und solange man noch Spaß hat und den Sinn darin erkennt, ist es auch wertvoll.

Gibt es für die Zukunft schon konkrete Pläne oder Ideen? Wie wird Open Jazz Vienna in 5 oder 10 Jahren aussehen?

Marina Zettl: Ich weiß nicht wo ich mich selbst sehe in der Zeit, geschweige denn Open Jazz Vienna. Es wäre natürlich ursuper wenn’s das noch gibt. Am allerwichtigsten wäre jetzt einmal, dass Leute unseren Österreich-Schwerpunkt jetzt im November feiern und uns dann auch im Juni unterstützen, denn ohne Publikum geht’s ja nicht. Wenn Leute mit ihrem Erscheinen sich nicht gegenseitig unterstützen wollen, brauchen wir gar nicht zu reden, dann gibt’s in 10 Jahren vielleicht gar keine Festivals mehr. Es ist wichtig eine Vision zu haben – aber Schritt für Schritt!

Niki Dolp: Es ist auch wichtig zu sagen, dass wir Open Jazz Vienna als “Vehicle” für unsere Ideen sehen – allem voran, um österreichische und internationale Musiker:innen gemeinsam auf eine Bühne zu bringen. Schlussendlich geht’s um die Inhalte. Es ist unmöglich zu sagen, wo wir in fünf Jahren sind – aber die Ideen sollten auf jeden Fall existent bleiben.

Danke für eure Zeit!

Philip Yaeger

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Open Jazz Vienna 2.0 findet von 20. – 21. November statt; Teil 2.5 folgt von 18. – 20. Juni 2026.
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