NANA D. – „no suicide today“

Dem Titel nach ist das neue Werk der oberösterreichischen Sängerin NANA D. ein durch und durch österreichisches Album: Alles ist schlecht, eigentlich hilft nur der Strick. Das ist aber nur die halbe Wahrheit von „no suicide today“ (schwarzschaf records).

Ein Walzer und Schwermut, das passt seit jeher gut zusammen – auch wenn die Strauß-Familie uns etwas anderes weismachen möchte. nana d. sieht es wie die russischen Komponisten und verbindet den Dreivierteltakt mit stimulierender Melancholie, sprich mit dem Wunsch, dem Leben ein Ende zu bereiten. Proaktiv versteht sich. Der dem Album einen Namen gebende Titel „no suicide today“ handelt von missglückten Versuchen durch schlechte Planung, z. B. beim Erhängen im Wald (Seil zu kurz, Ast zu hoch, Leiter nicht dabei), klingt derbe und wirkt dabei wie eine groteske Solonummer in einem düsteren Musikfilm von Tim Burton. (Interessant am Rande ist die subtile äußerliche Ähnlichkeit der Künstlerin – zumindest auf den Bildern im Booklet – mit einer jungen Ausgabe von Burtons Ex-Lebensgefährtin und Muse Helena Bonham Carter.)

Stimulierende Melancholie: „no suicide today“ ist ehrlich, tragisch, aber witzig

Das ist natürlich nur eine musikalische Facette des am 1. März 2015 erschienenen Albums, auch wenn die Instrumentierung mit (maximal) Keyboard, Gitarre, Bass, Schlagzeug und Glockenspiel nicht gerade ausufert. Der Kompass zeigt in durchaus konträre Stilrichtungen: nana d. offenbart Spielarten zwischen reduzierter Anti-Ballade, Country-Pop (mit herrlichem texanischem Timbre: „my mother told me“) und Songs mit Spielkonsolen-Sound. Konstante ist die fragile Stimme der Dame mit Spitzendeckchen um den Hals.

Der tägliche Blick in den Spiegel braucht einen fröhlichen Soundtrack

Textlich gibt es aber auch einiges, an dem man sich festhalten kann. Im Kontrast zur meistens aufheiternden Musik, geht es inhaltlich um die unerwünschten Konstanten, mit denen man lieber brechen sollte, um Dinge, die zu ändern so viel Kraft und Mut erfordern. Zuvorderst in der Liebe, aber auch im restlichen Leben. Warum sind wir eigentlich noch zusammen? Bin ich heute da, wo ich vor zehn Jahren sein wollte? Es geht um den täglichen Selbstbetrug, das unehrliche Leben mit lauwarmen Illusionen. Da könnte einem beim Hören ganz anders werden, wenn eben nicht die meistens fröhlichen Melodien wären, die einem ein Lächeln ins Gesicht zaubern – und sich obendrein im Gedächtnis festbeißen. Wem also der Text zu stark sein sollte: Bei Liedern auf Englisch kann man an dem ja auch ein bisschen vorbeihören. So hat „no suicide today“ durch seine zwei Gesichter mit jeder Nummer Material für alle Tage: die guten wie die schlechten.

„no suicide today“ ist ein tolles Album zum (Bandcamp-)Preis von nur 4,25 Euro. Nach Bekunden der Linzer Künstlerin ist das der Geldwert eines Kaffees bei einer amerikanischen Franchise-Kette. Was der mit Album gemein hat, ist das interessante Zusammenspiel von Süß- und Bitterstoffen. Mehr Herz steckt aber sicher in den Songs. Außerdem halten sie länger und wirken auch ohne Koffein und künstliches Aroma.

Peter Mußler

https://www.facebook.com/nanadmusic