„MOZART WAR EIGENTLICH EIN INFLUENCER, ODER?“ – BITSCHU BATSCHU IM MICA-INTERVIEW

BITSCHU BATSCHU ist Elias Zazjal. Ein 31-jähriger Wiener, der gerne wieder Kind sein will. Und eigentlich ist, weil er Spass hat und wir nicht. Über die erste große Liebe und einsame Hotelzimmernächte hat ZAZJAL mit Christoph Benkeser gesprochen. Über seine neue Bitschu-Batschu-Brand-Plattform PLANET B auch.

Wir sind gerade durch den Christkindlmarkt gegangen. War früher auch schöner, oder?

Elias Zazjal: Als Kind hast du einen anderen Blick darauf. Dieses Gefühl von damals, dieses Freiheitsgefühl … 

Ist der Bravo-Hits-Sound von heute?

Elias Zazjal: Der wird aber manchmal belächelt, nur: Er zeigt uns, wie frei wir mal waren. Da steckt so viel Emotion drin … 

Ich fand Safri Duo mit zehn auch besser als die Diskografie von Kraftwerk.

Elias Zazjal: Ich auch. Meine Eltern haben mich mit zehn auf ein spirituelles Event mitgenommen. Dort habe ich ein älteres Mädchen kennengelernt, das mir Trance und Hands-up vorgespielt hat. Das war meine erste Liebe. Und sie ist bis heute nicht vergangen, diese Liebe zu Trance. 

Du bist also … treu geblieben?

Elias Zazjal: Ich habe den Sound adaptiert. Als Kind habe ich klassisch Klavier gespielt, später Schlagzeug. Mein Vater kommt außerdem vom Jazz. All das integriere ich in meine Musik, weil: Es gäbe keinen House ohne Klassik und keinen Trance ohne House. Alles baut auf allem auf. 

Muss man die Musikgeschichte kennen, um Trance zu machen?

Elias Zazjal: Es gibt sicher Leute, die keine Ahnung haben und einfach Trance machen, weil es ein Hype ist. Aber die gibt es immer. Sie changen dauernd ihren Sound und sind nicht authentisch.

Wie bleibst du interessant?

Elias Zazjal: Ich verliebe mich immer wieder in die alten Sounds. Wirklich! Ich kann sie stundenlang hören. Sie werden mir einfach nicht zu blöd, auch wenn sie, na ja, auch kitschig und asozial sind. Das Ding ist: Gerade das finde ich geil. Weil ich merke, dass ich mich nicht zu ernst nehme. 

„ALSO SCHAUEN SIE COOL UND WOLLEN UNDERGROUND SEIN.”

Nehmen sich die Leute zu ernst?

Elias Zazjal: Viele! Meistens ist das aber nur ihre eigene Unsicherheit. Also schauen sie cool und wollen underground sein. Dabei ist das Coolste eigentlich die Ehrlichkeit zu sich selbst. Wenn man sich also nicht zu ernst nimmt und das tut, was dir eine Freude bereitet. Nur so kannst du auch anderen Leuten eine gute Zeit machen. 

Es geht also …

Elias Zazjal: Um das innere Kind. Das nimmt sich nicht ernst. Es will spielen.

Wie schafft man das, wieder Kind zu sein?

Elias Zazjal: Na ja, ich habe ja auch eine Zeitlang geglaubt, dass ich cool schauen muss und alles, um Teil von etwas zu sein. Irgendwann habe ich realisiert, dass es um echte Gemeinschaft geht und nicht um das, von dem man glaubt, es wäre Gemeinschaft. Trance ist diese echte Gemeinschaft für mich. Dort zählen nur Emotionen. Sie sind der Ursprung. Und unsere Kindheit. Glücklich sein und unbeholfen. Wenn du es schaffst, dass Leute sich so fühlen können …

Entflieht man der Realität?

Elias Zazjal: Es geht nicht ums Fliehen, nein. Das wäre: sich zumachen. Aber das ändert nichts. Nur wenn du die Emotion angreifst und sie rauslässt, machst du …

Therapie?

Elias Zazjal: Ja, du ersetzt sie damit zwar nicht, aber es ist der richtige Schritt. Wenn man sich mal zurückerinnert, an die Anfänge, die Loveparade und so weiter. Es war das erste Mal nach langen Nachkriegsjahren, dass Musik frei zugänglich war. Dahinter steckte Gemeinschaft, die ich aufleben lassen möchte. Weil man sich darin wieder frei fühlen kann. Auf einmal kommt man drauf, dass eine Britney Spears genauso aufs Klo gehen muss wie wir. Und dass sie uns trotz Hype und Verherrlichung und allem etwas zurückgibt. 

Was gibst du zurück?

Elias Zazjal: Ich will Leuten ermöglichen, in ihr Inneres einzutauchen, um etwas rauszulassen, das sie im Alltag nicht rauslassen können. Kleine Kinder schreien und zappeln, wenn sie Stress haben. Ich will die Leute zum Tanzen bringen. Weil das auch eine Art von Stressabbau ist, um alles kurz zu vergessen und danach Probleme anders anzugehen. 

Du gibst anderen eine gute Zeit. Wie kümmerst du dich um – dich?

Elias Zazjal: Ich habe ein positives Mindset, aber natürlich stressen mich manche Dinge. Ich vergleiche mich zum Beispiel zu oft auf Social Media … Dafür schaue ich auf eine gesunde Ernährung, mache Sport, gehe in den Wald spazieren und wenn es gar nicht geht: echte Therapie. Ich habe mit meiner Freundin auch eine Partnerin, mit der ich viel darüber reden kann. Das ist wichtig. Ein Umfeld zu haben, das einen auffängt, wenn man exhausted ist.

Wann bist du exhausted?

Elias Zazjal: Ich stehe im Club, 300 Menschen feiern mich ab, bam bam, bumm, bumm. Eine Stunde später liege ich allein im Hotelzimmer und soll abschalten, weil ich in fünf Stunden aufstehen muss, um zum nächsten Gig zu traveln. Das ist so schwer. Manchmal fange ich in solchen Situationen sogar an, Musik zu produzieren, um irgendwie runterzukommen. 

Und, funktioniert das?

Elias Zazjal: Wenn ich auf Social Media lande und die Selbstzweifel beginnen? Nein. Ich befasse mich zwar damit, aber …

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Ich finde es gut, wenn du darüber sprichst. DJs tun das selten.

Elias Zazjal: Es geht immer um die Party. Nie um das danach, wenn man allein ist. 

Warum?

Grafil eines lachenden Smileys
Grafik © Bitschu Batschu

Elias Zazjal: Weil man sich öffnet. Das ist heute – auch als Mann – akzeptierter als früher. Damit befasse ich mich. Ich kann nämlich nicht erwarten, dass Leute sich vor mir verletzlich zeigen oder glücklich, wenn ich es nicht bin.

Bitschu Batschu ist ein fröhlicher Smiley. Kein trauriger. 

Elias Zazjal: Dass er traurig sein könnte, darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht. Meistens muss ich das auch gar nicht. Nur wenn der Social-Media-Stress kommt und mir alles zu langsam geht und ich mich bewusst in Geduld üben muss.

Bitschu Batschu ist auch durch die Socials bekannter geworden, nein?

Elias Zazjal: Ich habe früher tätowiert und gemalt. Social Media hat aber auf jeden Fall geholfen, als Producer und DJ zu starten. Ob ich deswegen ewig im Club stehen muss? Sicher nicht jedes Wochenende. Mein Sound soll auch in der Freizeit funktionieren. Das ist jedenfalls der Gedanke, den ich über mein neues Label „Planet B” habe. Es soll eine Brand werden, mit anderen Künstler:innen und Events und dem Freiheitsgefühl, das alles möglich macht.

„SO HABE ICH MIR EINE EIGENE REALITÄT GESCHAFFEN.”

Von diesem Gefühl reden wir heute oft, aber noch nicht darüber, was es für dich bedeutet.

Elias Zazjal: Es waren keine Probleme da, keine Geldsorgen, kein Stress, um den man sich kümmern muss … Es war einfach nur das Spielen. Gerne auch allein. So habe ich mir eine eigene Realität geschaffen. Eigentlich war es genau das, was ich heute tue.

Dein neues Label heißt: „Planet B”. Eine Parallelrealität?

Elias Zazjal: Ja, es ist kein anderer Planet, sondern ein Universum, das parallel existiert, sofern man es zulässt. Mir ist wichtig, dass das die Leute checken.

Dass es parallel existieren darf?

Elias Zazjal: Dass es um mehr geht als asoziales Partymachen.

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Was lässt dich glauben, dass Leute das verstehen?

Elias Zazjal: Mein Optimismus. Und der Glaube, dass meine Vision funktionieren kann. 

Falls nicht? In einem Paralleluniversum hättest du auch Koch werden können, habe ich gelesen.

Elias Zazjal: Mir ist Essen wichtig, ja. Meine Mutter hat mir das Kochen beigebracht. In meinen WGs habe ich immer gerne für alle gekocht.

Bei dir heißt kochen aber nicht nur Nudeln und Tomatensauce.

Elias Zazjal: Ja. Ich bin so einer, der Sachen einlegt und sich mit anderen Köchen austauscht und so weiter. Aber nur als Koch arbeiten? Wär schon anstrengend …

Anstrengender als DJ?

Elias Zazjal: Na ja, es ist ja mittlerweile jeder zweite DJ. Ich will das gar nicht abwerten, ich bin ja auch Teil davon. Das Ding ist: Mit Social Media hast du die Möglichkeit, leichter Erfolg damit zu haben. Klar kann man sagen: Ist es okay, dass Nerds seit 20 Jahren geile Musik machen, aber nicht so gut mit Social Media umgehen können, während andere seit einem halben Jahr Trance hören und damit Erfolg haben, weil sie Social Media checken? Keine Ahnung, aber so ist es halt. 

Ja?

Elias Zazjal: Ja, und so war es schon immer. Sogar Mozart war eigentlich ein Influencer, oder? Er war in Hofdramen verwickelt, hat sich bewusst selbst vermarktet. Kein Mensch würde den heute kennen, hätte er sich damals nicht so an die Öffentlichkeit getragen. Heißt das, dass ich deswegen gerne andauernd TikToks mache? Eh nicht. Aber es gehört halt dazu. Und das ist schon okay, irgendwie.

Danke für deine Zeit!

Christoph Benkeser

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Links: 
Bitschu Batschu (Instagram)
Bitschu Batschu (SoundCloud)
Bitschu Batschu (Bandcamp)
Bitschu Batschu (Spotify)