MORGEN ES WIRD SCHOEN – „capriole“

Melancholische, nicht visuelle Filmmusik: So könnte man „capriole“ (Label77) von MORGEN ES WIRD SCHOEN kurz und knapp beschreiben. Die Gruppe hat auf ihrem Debütalbum nicht nur massig Emotionen verarbeitet, sondern auch eine Bandgeschichte aufgewärmt, die längst vergessen schien.

Urbane Legenden sind moderne Geschichten, die man einander erzählt, um eine Meinung zu unterstreichen, dem anderen Angst zu machen oder um einfach zu unterhalten. Und die Geschichte um morgen es wird schoen klingt auch ein wenig nach moderner Sage, obwohl alles so geschehen ist. Es sind die 1980er, als sich Dirk Schaetzler und Peter Obroni treffen.

Lange Geschichte, Happy End

Cover “Capriole”

Wie der Beginn einer heillos romantischen Geschichte findet ihr zufälliges Aufeinandertreffen in einem Zug, der über Wien umgeleitet wird, statt. Die zwei Männer übernachten im Hotel und knüpfen dann erste Kontakte zur Künstlerszene in Wien. Wahrscheinlich ist es Liebe auf den ersten Blick, zwei Seelen, die gemeinsam Musik machen wollen und sofort einen Draht zueinander haben.

Es dauert noch Jahre, insgesamt sechs, bis sie dann auf einer Bühne stehen, die im Hotel ihres ersten Treffens aufgebaut wurde. 1988 beginnen die beiden, sich zu präsentieren. Immer mehr Konzerte werden gespielt, mal in U-Bahnen, mal auf der Straße, mal in Bahnhofshallen. Man wird auf die Band aufmerksam, die sich morgen wird es schoen nennt und aus zwei avantgardistisch angehauchten Männern besteht. 1992 gipfelt der Werdegang des Duos in der ersten EP „false stars”. Und dann trennen sich Dirk Schaetzler und Peter Obroni plötzlich und ohne Angabe von Gründen.

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Nun, 25 Jahre später, erscheint mit „capriole“ die Debütplatte der Band, natürlich mit einer anderen Besetzung, aber dem ursprünglichen Stil sehr ähnlich. Sänger sind Alfred Themel, Alex Atschimov und vor allem Mani Obeya, der den Sofa Surfers seine Stimme leiht. Für das Songwriting verantwortlich zeigt sich Stefan Frankenberger, der von Peter Obroni schon vor Jahren mit der Aufgabe betraut wurde, für die passende Klangkulisse zu sorgen und damit morgen es wird schoen neues Leben einhauchte.

Die Songs sind wie eine Zeitreise, aber ohne sich auf eine ganz bestimmte Zeit festlegen zu wollen. Sie klingen nach dem düsteren Trip-Hop-Sound der 1990er-Jahre, sie klingen nach Liebesliedern aus den 1970ern und nach moderner Filmmusik. Wobei vor allem Letzteres die Musik wohl am besten umschreibt. Es ist wie Filmmusik, die gänzlich auf das visuelle Element verzichtet.

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Experimenteller Sound, aber zugänglich

Und dann ist alles noch so experimentell, ohne die Zugänglichkeit zu verlieren. Wie etwa bei „Givenbirth“, das mit seiner vielseitigen, dicht gewebten Atmosphäre an moderne David-Bowie-Songs erinnert. Dann wiederum kommen starke Roxy-Music-Vibes auf (oder besser gesagt: Brian-Ferry-Vibes), wenn auf „Elsewhere“ überromantisierte Musik auf eine genießerische Männerstimme trifft. Zwischendurch mischen aber ganz deplatziert wirkende Songelemente mit rein: „Read My Diary“ hat was von den epischen und theatralischen Heavy-Metal-Melodien à la Ghost.

„capriole“ ist ein Album, das wie ein Buch für die Ohren ist. Die Geschichten lauern nicht nur in den Zeilen und der Musik, sondern stürzen sich schon beim ersten Hören in die Gehörgänge des Publikums. Denn selbst wenn man den Lyrics nicht jedes Mal so viel Aufmerksamkeit schenkt, hat man das Gefühl, die Emotionen der einzelnen Songs auch so ganz deutlich zu verstehen. morgen es wird schoen hat hier eine Perle an den Tag gefördert, die nicht in Vergessenheit geraten wird.

Präsentieren werden morgen es wird schoen ihr Debüt am 14. Juni 2017 in der Galerie HATSOV im 1. Wiener Gemeindebezirk.

Anne-Marie Darok

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