mica-Serie "Urheberrecht": Interview mit Ursula Sedlacek (Austro Mechana)

Zwischen Lady Gaga und Peter Turrini – Ursula Sedlacek, ihres Zeichens Direktorin der Austro Mechana, spricht im mica-Interview über Provider-Verantwortlichkeit, den Druck der öffentlichen Meinung und die Ausdünnung der Kunst. Das Interview führte Markus Deisenberger.

Was sind für Sie die wichtigsten Eckpfeiler eines starken Urheberrechts?
Die grundlegende Festlegung, welche Rechte der Urheber hat, und die Umsetzung – aber damit unterscheidet man sich von keiner anderen Rechtsmaterie. Materieller Anspruch einerseits und Verfahren der Durchsetzung andererseits.

Und wie ist es um diese Eckpfeiler bestellt?
Im Grunde genommen kann man das Urheberrecht so belassen, wie es ist. Es mangelt aber an der Durchsetzung. Vor allem wenn man sich anschaut, wie es in Hinblick auf die neuen technischen Möglichkeiten aussieht. Muss man da etwas ändern? An der grundlegenden Rechten sicher nicht. Eher bei den Vergütungsansprüchen, die ja an bestimmte technische Möglichkeiten gekoppelt sind. Da muss man dann einfach nachjustieren. Und wie geht man mit der Internationalisierung um? Das alte Bild, wonach ich auf der einen Seite einen Urheber und sein Werk habe und auf der anderen Seite den Nutzer, und die sind alle im gleichen Land tätig und unterliegen dem gleichen Urheberrecht, gibt es einfach nicht mehr. Und da sehe ich auch noch leichte Haarrisse, wie man das durchsetzen kann.

Ist es nicht auch dadurch schwieriger geworden, dass viele Nutzer gleichzeitig auch Schöpfer sind und umgekehrt, d.h die Rollenverteilung nicht mehr so klar ist wie sie es einmal war?
Das sehe ich nicht so. Es mag schon sein, dass jeder kreativ ist. Und es mag auch sein, dass das Urheberrecht da streng ist, aber es gibt eben Bruchlinien, wo die eigentümliche Schöpfung beginnt, ab wann man von Originalität sprechen kann und ab wann eben ein neues Werk vorliegt. Nicht jeder, der irgendein Video mit Musik unterlegt, ist automatisch ein kreativer Schöpfer. Und nicht jeder, der einen Song covert, ist sofort ein Plagiator. Das sind feinere Haarrisse, die es hier gibt. An einer Verwertungsgesellschaft aber geht diese Diskussion völlig vorbei, weil es eine Debatte ist, die wir nicht führen müssen. Gegeben hat es das immer in irgendeiner Art und Weise. Kein Künstler erhebt doch auch den Anspruch, als Genie auf die Welt gekommen zu sein und von nichts und niemand beeinflusst zu sein, was vor ihm geschah. Künstler haben sich immer gegenseitig beeinflusst. Das was den Künstler und sein Werk aber ausmacht, ist das eigentümlich Neue, das er schafft.

Was hat sich aus Ihrer Sicht am dramatischsten geändert, seit sie den Job an der Spitze der Austro Mechana annahmen?
Die Einnahmen. Unsere Kerngeschäfte liegen ja im Offline-Bereich und in der Leerkassettenvergütung. Und in beiden Bereichen haben wir Rückgänge zwischen 10 und 20% zu verzeichnen. Und das nimmt langsam dramatische Formen für all jene an, die in den genannten Bereichen immer noch Einnahmen lukrieren.Natürlich nimmt der Online-Markt zu, aber das Wachstum von wenig ist noch immer wenig.

Das Wachstum im Online-Markt kann die Einbußen im physischen Bereich also nicht kompensieren?
Bei weitem nicht. Aufgrund einer mir aktuell vorliegenden Marktstudie ist auch bis 2017 nicht daran zu denken. Obwohl dann voraussichtlich die Online-Nutzungen die Offline-Nutzungen überholt haben werden, ist dennoch nicht davon auszugehen, dass es sich ausgleichen wird.

Was halten Sie in diesem Zusammenhang von Spotify? Sind derlei Streaming-Dienste Segen oder Fluch für Musikurheber?
Alles, was nicht Piraterie ist, ist grundsätzlich einmal positiv zu beurteilen. Alle diese Dienste, die jetzt kommen, werden von der Musikindustrie und auch uns unterstützt, weil es dazu dienen kann, diese „Lost Generation“, von der man spricht, wieder in legale Angebote zu bringen. Von den Tarifen ist es natürlich mit der Situation, wie wir sie einmal Offline hatten, nicht zu vergleichen Und da kann man Spotify nicht einmal einen großen Vorwurf machen. Denn wenn das Konkurrenzangebot gratis ist, hab ich eine schwierige Vorgabe. Und wenn man sich dann auch noch ansieht, was ein akzeptables Preisangebot für solche Dienste ist, dann bewegt sich Spotify eh schon im oberen Segment.

Aber ist es nicht ein bisschen wie der Spatz in der Hand, der einem lieber ist als die Taube auf dem Dach?
Natürlich. Aber es gibt unterschiedliche Dinge, an die Problematik heranzugehen: Man kann bis zum Sankt Nimmerleinstag um höhere Tarife streiten, wobei nicht gesagt ist, dass die dann auch tatsächlich höher werden, oder man sorgt dafür, dass derlei legale Dienste mal auf die Beine kommen und schafft es so vielleicht, etwas Neues aufzubauen. Zu erwarten, dass damit das Tarifniveau gleich in die Höhe schnellt, ist illusorisch. Aber irgendwann wird es ein Massenmarkt werden. Vermutlich wird es in Summe weniger ausmachen als bislang. Aber wenn man entsprechende Mengen bewegt, lassen sich vielleicht annähernd wieder die alten Einkommensniveaus herstellen, mit wesentlich höheren Nutzungen freilich, aber mit dieser Perspektive ist es schon vertretbar. Bauchschmerzen hat man dabei immer, das ist klar. Aber es hat überhaupt keinen Sinn, solche Dienste aufzuhalten, denn ich kann ja wohl nicht einerseits Piraterie bekämpfen und es andererseits legalen Diensten schwer machen.

Ist man da nicht zu bescheiden geworden bzw. ist das Propagieren solcher Dienste ebenso wie das einer Festplattenabgabe nicht auch ein bisschen das Eingeständnis, dass man es anders einfach nicht mehr auf die Reihe bekommt?
Den Schluss würde ich nicht ziehen. Schon als kleines Mädchen habe ich die Diskussionen um die Leerkassettenabgabe nicht ganz verstanden, denn es war mir selbst als Kind einsichtig, dass man für das Kopieren irgendetwas zahlen muss. Und es bewegte sich ja auch immer in Regionen, die nicht wirklich dramatisch sind. Wenn ich aber heute eine Kopie erstellen kann, die die gleiche Qualität wie das Original aufweist, leichter und schneller herzustellen ist als es jemals der Fall war und man mittlerweile ein Angebot an Geräten hat, mit denen sich schlicht alles kopieren lässt und das ja auch so beworben wird, dann ist das noch einmal eine völlig andere Realität.

Wir stehen ja dazu, dass es diese Möglichkeit der Privatkopie gibt. Wenn man allerdings sieht, dass sich die Kapazitäten in den zehn Jahren zwischen 1995 und 2005 verzehnfacht, die Einnahmen aber nur verdoppelt haben, und sich seit 2005, wo wir keine Angabe auf Computer- Und Handy-Kopie hatten, die Einnahmen um 50% reduzierten, muss man ganz ehrlich den Schluss ziehen, dass man einfach die junge Generation nicht dabei hat. Neue Technologien lasen sich nicht aufhalten und zu Kopieren ist nichts Tragisches, nur sollte man auch dafür bezahlen.

Wenn es so logisch ist, dass man eine Abgabe zahlen muss, wieso erkennt diese Notwendigkeit dann der Gesetzgeber nicht? Wäre es diesbezüglich – auch ganz allgemein gesprochen – nicht wünschenswert, wenn Gesetzgebungsinitiativen den Weg zu den Höchstgerichten ersparen würden?
Das Wort „Gesetzgeber“ ist hier äußerst relativ, denn es gibt hier mehrere Player. Und Beamte agieren nur dann, wenn es einen klaren politischen Willen gibt, ein bestimmtes Thema auch aufzugreifen. Das heißt, jemand in der Politik muss sich bereiterklären, ein Thema aufzugreifen und einen klaren Willen formulieren, dass diesbezüglich etwas geändert werden soll. Aber etwas zu ändern, was nachher mit mehr Abgaben für den Konsumenten verbunden ist als vorher, stellt immer eine heikle Angelegenheit dar – so plausibel und legitim es auch immer sein mag. Die Arbeiterkammer schreit sofort auf, sobald die armen Konsumenten zur Kasse gebeten werden sollen. Dass es auf der anderen Seite um Einkommen von Menschen geht, die kreativ arbeiten, ist da sekundär, spielt erst mal keine Rolle. Da weiß man von der Höhe der Belastungen noch gar nichts und auch der Umstand, dass eine solche Änderung auch Möglichkeiten für den Konsumenten mit sich bringt, bleibt außen vor.

Bei der Wirtschaftskammer, die seit nunmehr 31 Jahren unser Tarifpartner ist, gab es immer das Bekenntnis zu dieser Abgabe. Jedoch kommen hier jetzt neue, vor allem internationale Player dazu, die, wenn es keine ganz klare Regelung gibt, sagen: „Mit uns nicht!“ Diese internationalen Formen sind unisono der Meinung, mit dem europäischen Angabensystem nichts am Hut zu haben. Im Grunde genommen sind das aber ganz normale Wirtschaftskämpfe, die langsam nach Europa schwappen. Ich kenne das aus anderen Bereichen genauso. Sobald man es etwa im Umweltbereich, aus dem ich ja komme, mit globalen Unternehmen zu tun hat, ist es mit dem Verständnis für Zusatzabgaben nicht weit her. Das ist eine gänzlich andere Kultur. Einem Unternehmen wie amazon zu erklären, dass es diese Abgaben in Europa nun einmal gibt, ist vergebene Liebesmüh. Da ist der Zugang folgender: Wenn es nicht schwarz auf weiß irgendwo steht, dass der und der Betrag zu zahlen ist, wird nicht gezahlt.

In der Diskussion wurde immer wieder eingewendet, dass, käme diese Abgabe tatsächlich, man gegenüber ausländischen Anbietern nicht mehr wettbewerbsfähig sei. Hat sich diese Befürchtung bewahrheitet? Kam es zu Umsatzeinbrüchen?
Bei der Festplatte ist die Situation in den europäischen Nachbarländern sehr unterschiedlich. Ganz lassen sich die preislichen Unterschiede aber nicht auf die Abgabe zurückführen. Oder umgekehrt formuliert: Die Urheberechtsabgabe ist nicht Grund für die Preisdifferenzen. Da muss es auch andere Faktoren geben. Noch dazu gab es in Deutschland, wo man derzeit wieder neue am Verhandeln ist, ja auch eine Abgabe. Und da wäre ja dann das deutsche Gerät einmal von Haus aus teurer gewesen als das österreichische, was aber nicht der Fall war.

Was gerne übersehen wird ist, dass es auch in diesem Bereich eine Marktbereinigung gibt. Dass der PC-Markt leidet, ist daher nicht auf die URA zurückzuführen, sondern hat andere Ursachen. Vielmehr ist ein weltweiter Trend hin zu Applets und Cloud Services zu verzeichnen. Und ich habe auch schon lange nicht mehr gehört, dass wir am Einbruch des PC-Marktes schuld wären.

Wie steht es um die Bemühungen um eine Festplattenabgabe? Können Sie uns kurz ein Update über den Stand der Dinge geben?
Wir haben das Urteil erster Instanz bekommen, in dem die Richterin darauf verweist, dass es schon eine Entscheidung, nämlich Gericom, gibt und ersucht, der Gesetzgeber möge das Gesetz ändern. Der Gesetzgeber wiederum verweist darauf, dass es ein laufendes Verfahren gibt, in das man nicht eingreifen wolle. Die Frage ist daher, wer den politischen Willen hat, etwas zu ändern und dann auch hingreift, um sich möglicherweise Schläge sowohl von der Arbeiter- als auch der Wirtschaftskammer zu holen. Die Frage ist auch, was ein Politiker, der sich heute für Kunst und Kultur einsetzt, in der Debatte gewinnt. Wenn man konstatiert, dass sich die Politik an der öffentlichen Meinung oder den öffentlichen Meinungen orientiert, dann stehen wir denkbar schlecht da – vor allem in Zeiten, in denen es enger wird und ständig von Sparen die Rede ist.

Wie geht es weiter?
Man kann es nur weiter ausfechten. Das tun wir jetzt in der zweiten Instanz. Wir haben das aber auch verfassungsrechtlich prüfen lassen. Denn es ist ja schön und gut, dass es die Vergütung gibt, wenn aber der Boden dafür erodiert, weil jemand behauptet, das wären doch alles multifunktionale Medien, auf denen alles Mögliche darauf sei, greift ja die gesamte Vergütung nicht mehr. Auf europarechtlicher Ebene ist es zwar verankert, dass es für die Privatkopie eine Abgeltung geben muss. Nur wenn es so formuliert ist, dass es keine Rechtsgrundlage mehr dafür gibt und keine Anwendung, dann stellt es ein verfassungsrechtliches Problem dar, was uns mittlerweile Herr Prof. Mayer von der Universität Wien ja auch bestätigt hat. Es fragt sich natürlich, wie weit man das Ganze treiben muss…
Darüber hinaus fragt sich, wann eine entsprechende politische Schwungmasse zustande kommt, um sich dazu durchzuringen, wieder mal etwas für die Künstler zu machen. Es gab ja vor zwei Jahren die Enquete zur sozialen Lage der Künstler…

Kam es dabei eigentlich zu irgendwelchen verwertbaren Ergebnissen?
Es gab einen Zwischenbericht. Man hat in der Sozialversicherung eine Art Kundenzentrum eingerichtet. Und im Schauspielergesetz gab es Änderungen. Aber wenn sie mich fragen: Auf den großen Wurf wartet man noch. Wenn die öffentlichen Gelder für die Kunst immer geringer werden, gleichzeitig 50% der Leerkassettenrückvergütung in den SKE-Fonds für soziale Zwecke gehen, wäre, wenn man etwas für Künstler machen will, da am schnellsten etwas zu machen.

Warum wird diese Diskussion beinahe ohne die Urheber selbst geführt? Schließlich geht es ja um ihr Geld.
Vor sieben Jahren, als ich den Job annahm, habe ich mir eine Gewerkschaft für Künstler gewünscht. Die Frage, die Sie stellen, ist eine, die wir sehr oft im Vorstand diskutieren. Und da gibt es unterschiedliche Meinungen der Vorstandsmitglieder, die ja selber Künstler sind.

Erstens: Den politischen Künstler an sich haben wir hierzulande nicht. Österreichische Künstler halten sich aus verschiedenen, teilweise auch durchaus nachvollziehbaren Gründen eher von der Politik fern.

Zweitens:  Wenn ich eh schon um mein Leiberl zu kämpfen habe – und als Künstler ist es ja auch nicht mein Hauptjob, mich um urheberrechtliche Belange zu kümmern, sondern kreativ zu sein, fehlt die Zeit, sich mit urheberrechtlichen Belangen zu beschäftigen. Natürlich gibt es auch einige, die gut informiert sind und bei politischen Diskussionen entsprechend auftreten, aber das ist die Minderheit.

Drittens: Es war vielleicht zu lange vorherrschendes Verständnis, dass sich darum ohnedies die Verwertungsgesellschaften kümmern. Meine Meinung ist aber, dass den Verwges zunehmend die Kraft dafür fehlt, weil wir als Institution, nicht aber als Stellvertreter für die Künstler, die hinter uns stehen, wahrgenommen werden. Das muss man wieder viel mehr in den Vordergrund rücken. Und da sind wir gerade dabei.

Womit wir beim vielzitierten Imageproblem von Verwertungsgesellschaften angelangt wären…

Nicht unbedingt. Das würde ich nicht miteinander vergleichen. Was das Institutionelle betrifft, sind wir ja auch immer so aufgetreten. Da geht es uns nicht anders als einer Wirtschaftskammer. Wenn ich mit einer Stimme sprechen kann und das such der Meinung entspricht ist das ja schön und gut. Wenn sich das aber immer mehr abhebt und man sich unter den Künstlern fragt, wer da eigentlich dahinter steht, dann gilt es, den Künstler, der die Verwges letztlich trägt, wieder mehr in den Vordergrund zu rücken und vor allem: die Künstler auch selber sprechen zu lassen. Was aber wiederum nicht so leicht ist, denn wenn man täglich zehn Stunden damit beschäftigt ist zu überleben, hat man mitunter einfach keine Kraft mehr, sich um derlei Dinge zu kümmern. Das muss man den Leuten einfach auch zugestehen.

Aber den Künstler in den Vordergrund zu rücken, wird doch auch dem allgemeinen Image zuträglich sein und diesen eher biederer Ruf im Sinne verwaltender Behörden, der Verwges nun einmal vor allem unter Künstlern anhaftet, verbessern, oder nicht?
Ich muss Sie auf den 25. Jänner vertrösten, wo wir in einer Pressekonferenz eine neue Initiative mit dem Titel „Kunst hat Recht“ präsentieren werden, bei der es genau darum geht, den Künstler wieder mehr in den Vordergrund zu rücken und der Öffentlichkeit die Anliegen der Künstler nahe zu bringen. Und entweder nimmt man diese Anliegen dann ernst oder es wird eben Konsequenzen geben, die niemand so richtig will.

Nämlich?
Dass es immer weniger künstlerische Inhalte und Leistungen geben wird. Wenn man nicht mehr davon leben kann, muss man sich einfach etwas anderes überlegen.
Und da wären wir noch nicht einmal bei der Frage der falschen Berufswahl, denn es trifft durchaus Leute, die gut und bekannt sind. Was den „biederen“ Ruf anbelangt, will ich die Arbeit der anderen Verwges nicht kommentieren. Was aber stimmt ist, dass wir einfach verwaltende Aufgaben haben, die nun einmal nicht besonders sexy sind. Noch dazu haben wir die unangenehme Aufgabe, zwischen den Rechtenutzern zu stehen, denen wir Geld abringen müssen, und den Künstler, die gefühlt immer zu wenig bekommen – genau so wie der Staatsbürger gefühlt immer zu viel Steuern zahlt. Was die Transparenz betrifft: Alleine unsere Verteilungsregeln umfassen dreißig Seiten – ein über die Jahre entwickelter Kompromiss, der nun einmal Ergebnis des komplexen Spiels zwischen Verteilungsgerechtigkeit und –genauigkeit ist.

Trotzdem weiß jeder, wie viel er warum bekommt. Aber ich gebe zu, dass es für einen normalen Künstler, der sich nicht überdurchschnittlich viel damit beschäftigt, schon schwierig sein kann nachzuvollziehen, warum er etwas bekommt oder nicht bekommt. Wie das Werk funktioniert, da muss man sich schon damit beschäftigen Dass wir wahnsinnig hohe EDV-Kosten haben, weil wir ein überaus kompliziertes und daher kostenintensives Abrechnungs- und Dokumentationssystem zur Verknüpfung von Abrechnungsdaten und Zahlungsdaten, muss auch einmal kommuniziert werden. Und genau deshalb ist es unsere Aufgabe, im Service umso besser zu sein. Das heißt, selbst wenn sich jemand ungerecht behandelt fühlt, weiß er, er bekommt hier Auskunft, er wird umgehend zu jemandem verbunden, der sich auskennt und ihn kompetent beraten kann. Damit ist dann schon einiges gewonnen. Durchaus selbstkritisch muss ich aber auch zugeben, dass wir hier auch noch einige Hausaufgaben zu machen haben. Den Anspruch, dass man uns bedingungslos liebt, den werden wir nie erfüllen.

Können Sie Näheres zu der bevorstehenden Aktion sagen?
Noch nicht. Aber wir arbeiten alle mit voller Kraft auf die Pressekonferenz am 25. Jänner hin. Der Grundtenor ist: Kunst hat Recht. Die Anliegen der Künstler stehen im Vordergrund und es geht uns allen darum, das Urheberrecht in Österreich wieder zu stärken. Mehr kann ich jetzt noch nicht sagen.

Kann das Image angesichts der gegenwärtigen Probleme überhaupt das größte Problem sein? Oder sagt man sich da nicht eher: So ist das nun mal, wir haben derzeit wirklich andere Probleme, nämlich wie man die Kassen wieder voll macht?

Das geht schon Hand in Hand. Natürlich muss ich mich darum kümmern, ob wir am Markt noch vorhanden sind und alles ausschöpfen, was ausgeschöpft werden kann. Das ist mein Auftrag: Kann ich die großen Rechteinhaber, denn die Rechte werden ja bei den großen Verlagen schon ziemlich gebündelt, bei der Stange halten. Und da bin ich dann aber eh schon beim Service und beim Image, denn die meisten Verleger würden ja ebenso wenig behaupten, dass die Verwertungsgesellschaften ihre besten Freunde wären. Da gibt es auch etliche Scharmützel.

Ich bin aber der Meinung, mit guter Arbeit und gute Service kann man einiges wettmachen. Grundsätzlich ist es natürlich auch so, dass eine schlechte Nachricht durch zehn gute aufgefangen werden muss. Aber das ist überall so. Damit muss man leben. Indem wir uns auch durch die kommende Aktion näher zu den Künstlern hin bewegen, wird auch das Image besser werden. Wenn sich die Künstler von uns entfernen, ist das das Schlimmste, denn dann haben die Künstler keine Lobby und wir keine Schlagkraft. Damit ist niemandem gedient.

Gibt es Ihrer Meinung nach Bedarf für Überarbeitungen oder Änderungen im Urheberrecht? Falls ja, in welchen Bereichen?

In der Rechtsdurchsetzung gerade im Internet-Bereich. Stichwort Provider-Verantwortlichkeit. Es kann nicht sein, dass man alles tauschen kann, und wenn sich dann die Frage erhebt, wer das denn ermöglicht hat, die lapidare Antwort kommt, man könne nichts dafür. Andererseits verdient man aber ganz gut daran. Das kann es nicht sein. Bei der Privatkopie erhebt sich die Frage nach den Handys und den Festplatten, gleichzeitig aber fragt sich auch, wie es dann mit Cloud Computing weiter geht. Da befinde ich mich dann schon in der nächsten Dimension. Wie geht man damit um, dass es immer internationaler wird, es um Firmen geht, die keinen Sitz im Inland habe, wo Werke in großem Ausmaß genutzt und getauscht werden? Und das ist ein Thema, dass nicht nur uns interessiert. In Cannes erlebe ich es jetzt schon das dritte Jahr, dass es ganze Gesprächsrunden zum Thema „Monetize the Internet“ gibt, in denen man der Frage nachgeht, wer denn, jetzt wo wir dieses wunderbare Instrument habe, eigentlich etwas damit verdient. Spotify und Youtube jedenfalls sind (derzeit) nicht kostendeckend. Wer verdient dann überhaupt daran? Und es betrifft nicht nur das Urheberrecht und die Verwertungsgesellschaften, sondern alle, die sich in dieser Wertschöpfungskette befinden. Die Möglichkeiten durch das Internet sind da. Aber wie kann man diese tollen Möglichkeiten jetzt in Einnahmen für die Kreativen ummünzen?

Gehen wir noch mal zur Durchsetzung: Die betrifft Ihrer Meinung nach in erste Linie die Herausgabe von Providerdaten?
Das ist ein erster Schritt. Damit sind aber noch keine Probleme gelöst.

Und worum geht es in zweiter Linie?
Da muss man auf mehreren Ebenen agieren. Das erste ist, die Génération perdue an Bord zu holen. Das französische Modell etwa basiert auf Warnung, indem man den Leuten einmal klar macht, was sie überhaupt tun – eine Art pädagogischer Ansatz, wenn man so will.

Wie funktioniert dieses Modell?
Das fängt mit auf den Nutzerdaten basierenden Mahnschreiben an, die darüber informieren, dass man an diesem und jenen Tag etwas konsumiert hat, was in dieser Form nicht OK ist, leger gesprochen. Diese Schreiben werden dann immer deutlicher bis zur angedrohten Websperre…

Die auch tatsächlich verhängt wird?
Ich kenne keinen Fall in Frankreich, bei dem das tatsächlich gemacht wurde. Man setzt primär auf Bewusstmachung. Ein bisschen ist es doch auch mit dem Zeitungsklau am Sonntag vergleichbar.

Ich bin ja da eher pragmatisch: Nicht jeder Gesetzesverstoß ist gleich schlimm. Nur wenn es in einem solch großen Ausmaß passiert, muss man einmal klar machen, was es für die gesamte Wertschöpfungskette bedeutet; klarmachen, dass irgendwann das Geld einfach nicht mehr das sein wird, um alles in gleicher Form weiterzuführen. Momentan fehlt dafür einfach das Bewusstsein, weil eben alles da ist. Die Frage aber ist, wie es in zehn Jahren aussieht, ob wir da nicht eine Ausdünnung erleben, die uns allen nicht lieb sein kann.
Für jene ambitionierten MusikerInnen, die jetzt in eine Band spielen, Talent haben und sich irgendwann in naher Zukunft entscheiden müssen, ob sie einen gesicherten Job annehmen oder sich ganz der Kunst verschreiben, wird die Entscheidung dann ziemlich sicher gegen die Kunst ausfallen, weil man einfach nicht mehr davon leben kann. Das heißt man wird in Zukunft die Musik als Hobby betreiben und irgendwann gar nicht mehr, weil es schließlich Familien zu erhalten gilt. Das sehe ich als die größte Gefahr an: Dass die Kunst ausgedünnt wird.

In Deutschland erwecken Branchen-Promis wie Tim Renner den Eindruck, man könne auch ohne GEMA Erfolg haben. Zoe Leela, eine der Künstlerinnen seines Labels Motor Music, ist nicht bei der GEMA und wirbt damit. Können Sie das nachvollziehen?
Ja und nein. Die Haltung im Vorstand bei uns war immer: Wenn jemand in der Lage ist, seine Rechte selbst wahrzunehmen, dann soll er das tun. Ich denken, das ist von Künstler zu Künstler verschieden. Ich persönlich kann es mir kaum vorstellen, wie sich im Detail jede Rechtenutzung nachvollziehen und abkassieren lässt. Aber möglicherweise greifen die Selbstvermarktungsmöglichkeiten, was ich sehr begrüßen würde. Ich habe bislang leider die Gelegenheit verpasst, Tim Renner persönlich kennenzulernen. Ich hätte gerne seine Meinung dazu gehört.
Meine ist: Verwertungsgesellschaften sind nicht zwingend notwendig für das Überleben des Künstlers. Sie sind aber da, um dem Künstler das Leben zu erleichtern.

Können Sie Stimmen verstehen (z.B. Parlamentsfraktion der österreichischen Sozialdemokraten), die das derzeitige Urheberrecht als Innovationsbarriere in künstlerischer Hinsicht auffassen? Halten Sie Regelungen zur Vereinfachung von künstlerischer Weiterentwicklung von Inhalten für vereinbar mit dem Urheberrecht?
Ich kann das nicht nachvollziehen. Das Urheberrecht und das Persönlichkeitsrecht gibt es nicht erst sei gestern. Und das Recht hat bisher niemanden daran gehindert, innovativ zu sein. Noch einmal: Nicht jeder, der einen Film mit Musik unterlegt, ist automatisch kreativ.
Schlimm finde ich aber, wenn man plötzlich das Urheberrecht abschaffen will. So viel Respekt vor künstlerischer Leistung sollte man schon haben, dass man den Künstlern zugesteht, mit ihren Werken so umzugehen, wie sie das wollen. Manche gehen ohnedies sehr locker damit um.

Da gibt es Lady Gaga, die nichts dagegen hat, dass ein kleines Mädchen ihre Songs bearbeitet und damit Geld verdient, und dann gibt es den Peter Turrini, der bei der Verleihung des Nestroypreises sagt, er verbiete es sich, dass jemand in seinen Stücken herum schreibt. Beides hat seinen Anspruch, beides soll auch so sein. Und beides sollte man kreativen Menschen zugestehen.

Was halten Sie vom Programm der Piratenpartei, in dem die Abschaffung des Urheberrechts propagiert wird, gleichzeitig aber das Persönlichkeitsrecht erhalten werden soll?
Man kann auf die böse Musik- und Unterhaltungsindustrie schimpfen. Ich sehe aber eher das Problem, das man die bestehende Wertschöpfungskette untergräbt. Die Frage ist nun, ob man es schafft, es so anders zu organisieren und strukturieren, dass es auch funktioniert. Muss es wohl auch. Die Gefahr dabei ist aber, dass nachfolgende Generationen nicht mehr in der Lage sein werden qualitätvolle Kunst zu machen und davon zu leben. Ich bin mir nicht sicher, ob die Piratenpartei das bis in die letzte Konsequenz durchdacht hat.
Mich beschäftigt die Frage, wovon ein Künstler leben soll, wenn alles frei und gratis ist. Andere Leute offenbar nicht im gleichen Ausmaß.

Spiegelt das österreichische Urheberrecht aus Ihrer Sicht derzeit noch die gesellschaftliche Realität wider?

Da muss ich ganz ketzerisch die Gegenfrage stellen: Welches Recht spiegelt überhaupt die gesellschaftliche Realität wider? Wenn man eine Fülle an Verstößen zum Anlass nimmt, über die Abschaffung eines Gesetzes zu diskutieren, dann müsste man auch über die Abschaffung der Straßenverkehrsordnung diskutieren. Von anderen Gesetzen ganz zu schweigen. Ich sehe die Gesamtsituation trotzdem eher positiv: Wir leben in einer spannenden Zeit mit sehr viel Umbrüchen. Insofern aber als gute Leute künftig auf der Strecke bleiben werden, spiegelt das Recht für mich die Gesellschaft leider nicht wider. Ob man diesem Dilemma mit Strafen oder anderen Konsequenzen begegnet, ist eine Frage des Menschenbildes. Wenn aber schon einmal Leute wie Peter Jenner mit rauchenden Köpfen und einem großen Fragezeichen da sitzen, habe ich allerdings große Bedenken, ob noch einmal der zündende Funke kommt und wir uns alle gemeinsam ein Modell einfallen lassen. Alle jetzigen Versuche haben allesamt ihr Für und Wider. Die Schwierigkeit für die Austro Mechana liegt darin, dass wir immer mehr Bezugsberechtigte und immer weniger Einnahmen zu verteilen haben. Unsere Arbeit wir immer mehr und komplexer.

Und worin liegt das Besondere?
Mit Kultur und Identität zu tun haben und nicht nur mit Zahlen. Wir sind keine Bank.

Vielen dank für das Gespräch.

Link:
Austro Mechana