mica-Interview mit Franz Xaver und Jörg Parnreiter (Kulturverein Stadtwerkstatt)

Linz darf sich seit den frühen 1980er Jahren einer extrem lebendigen und vielfältigen Kultur- und Subkulturlandschaft rühmen. Der Kulturverein Stadtwerkstatt ist das älteste der (autonomen) Kulturzentren der Stadt, gegründet 1979 mit dem „Ziel der kritischen Auseinandersetzung mit den Bedingungen des Lebens in der Stadt und der Förderung kultureller Initiativen auf volksnaher Ebene“. Neben vielerlei Kunstprojekten, Videoproduktionen, dem Stadtwerkstatt-TV und dem Betrieb eines Hauses in Linz-Urfahr, das neben der Konzertbühne auch das freie Radio FRO, servus.at und das Cafe Strom beherbergt, stand und steht Musik im Zentrum der kulturellen Aktivitäten. Darüber sprach Stefan Parnreiter-Mathys mit Franz Xaver und Jörg Parnreiter. Angemerkt sei, dass zwischen Interviewer und einem der Interviewten ein Naheverhältnis besteht.

Wie ist das Projekt Stadtwerkstatt entstanden und gewachsen?

Die Stadtwerkstatt entstand aus einer Notwendigkeit, es gab  in der 70iger Jahren in Linz einfach gar nichts. Das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen, da waren nur ein paar kleine Jazzkeller. Dann noch ein so genanntes OP-Kino, Ohnepause-Kino, in dem man sich während des Schulschwänzens ab zehn Uhr aufwärmen konnte. Dann war da das Arabia Kaffee und der Schillerplatz als öffentlicher Raum. Kein einziges nicht-österreichisches Restaurant. Man wollte dieses triste Leben einfach verändern und mehr erleben, da bot die Kunst eine Möglichkeit, einen Fluchtpunkt und Handlungsraum. So wurde 1979 die Stadtwerkstatt gegründet, die dann 1980 in ihr erstes Haus einzog, da wo jetzt das Ars Electronica Center steht. Seit 1990 sind wir am aktuellen Standort, der Kirchengasse 4 in Urfahr.

Wie würdet Ihr die Stadtwerkstatt beschreiben, was sind ihre Aufgaben und Ziele?

Wir sind immer auf der Suche nach Neuem: Neuer Musik, neuen Technologien, neuem Essen, neuen Medien, neuem Denken. Aus dem Umgang mit den neuen Medien hat sich zum Beispiel das Radio FRO und wenig später der Provider servus.at, der Infrastruktur für Kulturschaffende anbietet, aber auch selbst kulturell und künstlerisch tätig ist, entwickelt. Beide sind inzwischen eigenständige Vereine und aus der der Linzer Kulturlandschaft nicht mehr wegzudenken.

Sind die genannten Initiativen Mieter bei Euch? Gehört das Haus der Stadtwerkstatt und ist die Vermietung Teil eures Geschäftsmodells?

Ja, diese Vereine sind Mieter im Haus Kirchengasse 4. Das Haus gehört aber der Stadt Linz und die Stadtwerkstatt selbst ist auch nur Mieterin. Und nein, Mieteinnahmen gehören nicht zu unserem Geschäftsmodell. In anderen Städten hat sich das ähnlich entwickelt, z.B. Graz, dort gibt es das Forum Stadtpark mit dem Radio Helsinki und dem Kulturprovider mur.at. Nur mit dem Unterschied, dass in der Stadtwerkstatt alle diese Verein unter einem Dach sind, das bringt uns auch durch direkte Kommunikation mehr und andere Möglichkeiten.

Woher kommen die Einnahmen zur Bedeckung des Kulturbetriebes und der Fixkosten? Wie hoch ist Euer Eigenfinanzierungsanteil?

Ich nehme an, da meinst du den Veranstaltungsbereich. Dort ist der Eigenfinanzierungsanteil unverhältnismäßig hoch. Fast unglaublich hoch. Ich glaube, ein guter Club sollte auch wirtschaftliche Interessen zeigen. Es gibt natürlich auch manche Veranstaltungen, wo man in den sauren Apfel beißen muss um mit einem kalkulierten Verlust den Horizont des Publikums zu erweitern. Ansonsten finanzieren wir uns über den Betrieb des Cafes im Erdgeschoss, dem Cafe Strom, sowie über Förderungen, vor allem des Bundes und der Stadt Linz. Trotz des hohen Eigenmittelanteils im Veranstaltungsbereich wäre gerade aber das hochwertige Konzertprogramm ohne Subventionen nicht durchführbar.

Die Stadtwerkstatt ist ein gemeinnütziger Verein und betreibt das Cafe als einen wirtschaftlichen Hilfsbetrieb, um mehr bewegen zu können. Über diesen Hilfsbetrieb und den Veranstaltungsbereich sind ca. 20 Personen angestellt. Darüber hinaus gibt es laufend Projekte mit Mitarbeiterinnen die großteils Künstlerinnen sind, selbstständig arbeiten, und uns somit Honorarnoten stellen. Der Vorstand der Stadtwerkstatt, also des Vereines, arbeitet ehrenamtlich.

Wer ist für das Booking zuständig, welche musikalischen Schwerpunkte habt ihr?

Unser Veranstaltungsteam ist zuständig für unser musikalisches Programm, das eine der vielen Schnittstellen zu der Öffentlichkeit ist. Wir haben drei Booker im Team, von denen jeder für einen speziellen Bereich zuständig ist: Andreas Heissl für Elektro, Punk und Rock, Felix Vierlinger für Elektronik und die Future Sound Clubreihe sowie Jörg Parnreiter für Rock, Noise, Impro.

Auf jeden Fall war und ist dabei ein Schwerpunkt klar: Die Musikindustrie meiden. Für die konkrete Programmgestaltung sind viele Faktoren maßgeblich, großes Augenmerk legen wir aber darauf, dass Bands in die Stadtwerkstatt passen, also zum restlichen Programm, zum Geist des Hauses und nicht zuletzt auch zum Publikum. Eine gewisse Begeisterung für die Band muss aber auf jeden Fall vorhanden sein bei der Bookinggruppe. Somit klappt das Booking auf Basis von Leidenschaft zur Musik, trotz unterschiedlichen Alters der Proponenten bei uns im Haus und Umfeld sehr gut.

Welche Kriterien muss eine (österreichische) Band erfüllen, um bei Euch spielen zu können?

Sie muss gut  sein. Und, wie gesagt, sie muss ins musikalische Programm der Stadtwerkstatt passen und uns gefallen.

Wie sehen die Deals mit den Künstlern aus? Besteht heute ein größeres Risiko eine unbekannte Band zu buchen, als früher? Stichworte Kosten und Publikumsakzeptanz.

Wir bemühen uns, den Künstlern angemessene Gagen für ihre Leistungen zu bezahlen – oft, gerade bei größeren Ensembles, ist das aber nicht wirklich möglich. Generell können wir schon feststellen, dass die Bereitschaft des Publikums sich auf neue und unbekannte Bands einzulassen nachlässt.

Bemerkst du in den letzten Jahren einen Anstieg bei Bookinganfragen, Stichwort: Umsatzrückgang bei Tonträgerverkäufen, und eine Veränderung der Rolle des Veranstalters?

Die Flut der Anfragen ist selbst zu dritt kaum noch zu bewältigen, live spielen ist einfach die einzige Möglichkeit für unbekannte Bands zumindest minimale Einnahmen zu lukrieren. Vermutlich steigt dadurch schon auch die Macht der Veranstalter. Ich beobachte auch, dass die freien, nicht gewinnorientierten Veranstalter immer weniger werden, es gibt eine Marktkonzentration auf wenige große Agenturen, die einen Großteil des Marktes abdecken, das Konzerterlebnis verkommt dadurch zum Konsumerlebnis. Wir setzten aber immer sehr stark auf persönliche Kontakte zu Bands und kleinen Agenturen, da entstehen dann langjährige Beziehungen. Ist eine Band nur über die großen Player zu haben, wird sie nicht in der Stadtwerkstatt spielen, wir sind nicht Teil dieser Welt und wollen es auch nicht sein.

Manche Veranstalter „lösen“ das Problem der Geldknappheit indem sie z.B. die Bands, gerade die lokalen, eine bestimmte Anzahl Karten verkaufen lassen. Was haltet ihr von dem Modell?

Diese Modelle lehnen wir ab, auch lokale, oft unbekannte Bands sollen für ihre Arbeit bezahlt werden, und zwar direkt vom Veranstalter. Wie auch die meisten Bandwettbewerbe ist das nur der Versuch von Veranstaltern auf Kosten der Bands hohe Umsätze und / oder Erlöse zu erzielen.

Ich kenne und liebe eure gute Küche – wie wichtig ist deiner Meinung nach gute Hospitality, gutes Serivce für die Musiker?

Das ist eine Frage von Gastfreundschaft und gehört einfach dazu. Wir erwarten  von Bands ein gutes Konzert, dafür unternehmen wir auch viel, dass die Bands sich bei uns wohl fühlen – gutes Essen ist da einfach eine Grundlage.

Ich bedanke mich für das Gespräch!

 

Foto erste Stadtwerkstatt: STWST
Foto neue Stadtwerkstatt: STWST

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