mica-Interview mit ddkern

ddkern kennt man, und zwar hauptsächlich als treffsicheren Schlagzeuger von Combos wie Bulbul, Fuckhead, Broken.Heart.Collector und Glutamat. Aber auch in der lärmigen Ecke der Impro und des freien Jazz hat er sich einen Namen gemacht, insbesondere mit Keyboard-Wizard Philipp Quehenberger. Doch die Seiten des Kern sind damit noch lange nicht gezählt. Er ist einer der wenigen Musiker, der auch mit internationalen Kapazundern locker mithalten und sogar musikalischen Gewalttätern wie Peter Brötzmann, Weasel Walter (Ex-Flying Luttenbachers) und Mats Gustafsson mit seinen Stöckchen einheizen kann. ddkern selbst gibt sich recht bescheiden und humorvoll – doch man sollte sich nicht täuschen lassen, wenn er nicht ständig betont, dass er zu den feinsten und professionellsten Kunden seiner Zunft gehört. Er macht einfach lieber, als blöd drüber zu reden und ist mit einem extrem strengen und in langjähriger Erfahrung herangezüchteten individuellen Bullshit-Detektor ausgestattet, der nie in Arroganz kippt, sondern eher arrogantes Geplappere zärtlich gegen die Wand tuschen lässt und dabei grinst. Das Gespräch mit dem umtriebigen Tausendsassa führte Clemens Marschall.
Du bist ja grade 40 geworden und da frag ich mich – hat es eine große Feier gegeben, bei der alle möglichen musikalischen Gäste aufgetaucht sind? 

ddkern: Ja, schon, bei mir daheim – und alle musikalischen Gäste waren am Plattenteller. [lacht] Nein, da hat es keine große Feier gegeben, eher davor und danach, wenn es grad gepasst hat und ich mit den richtigen Leuten im richtigen Moment eine Gaudi gehabt habt.

Klingt gut! Also dann 40 Jahre retour: Es gibt ja verschiedene Versionen von deiner Biographie: die eine sagt, dass du aus Vorarlberg kommst, die andere, dass du in einer Werkstatt in Attnang-Puchheim aufgewachsen bist. 

ddkern: Stimmen alle zwei! Es kommt ein bisschen drauf an, von welcher Seite man den Lebenslauf sieht. Die eine Version hat was mit Vorarlberg zu tun, der Fuckhead-Lebenslauf ist was mit Attnang-Puchheim. Da gibt es noch ein paar verschiedene Lebenslaufversionen, aber die kann ich jetzt nicht verraten, sonst fliegt alles auf.  Dein Aufwachsen hat dann wo stattgefunden?  ddkern: Hauptsächlich in Oberösterreich. Am Attersee… jetzt geb ich eh schon wieder zu viel preis! Da bin ich aufgewachsen. Schön war’s da: See, Hügeln, Berge, Kammerer Hansl.

Und ist da musikmäßig auch was passiert? 

ddkern: Blasmusikkapelle. Das war eher spooky, im Nachhinein betrachtet, aber man hat schon ein bisschen was gelernt.  Da hast du Schlagzeug gespielt zum ersten Mal? Also Schlagwerk.  ddkern: Schlagwerk, ja, ich hab die große Trommel gezogen und viel mit der Triangel zu tun gehabt, viele Takte gezählt und ab und zu gespielt. War eh eine gute Erfahrung, aber sozial ein Albtraum. Besonders als Nicht-Gleichgesinnter, weil ich schon damals eher Hardrocker war als… Bauern Jazzer.

Aber daraufhin hast du richtiges Schlagzeug gelernt? 

ddkern: Ich hab mit 15 nach der Hauptschule eine KFZ-Mechaniker-Lehre angefangen und das war irgendwie auch gleich nicht das, was ich mir gedacht habe, das cool wäre zu der Zeit. Dann hat in Vöcklabruck eine Vereinigung namens „Brotherhood“ Konzerte gemacht und da habe ich auf einmal einen Haufen lustiger Bands wie Jesus Lizard, Bastro, Codeine, Hard-Ons und viele mehr gesehen. Da habe mir gedacht: „He, ich spiel doch Schlagzeug auch!“ Und ich hab dann schon mit diversen Leuten ein bisschen herumgejammt: da hat es einen Gitarristen gegeben, da war ein Bassist – aller mögliche Blödsinn ist uns eingefallen. Aber erst bei diesen Konzerten ist mir so richtig der Knopf aufgegangen, dass ich in einer Band spielen wollte und mir gedacht habe: „KFZ-Mechaniker – gut und schön, aber ich glaube das mit Schlagzeugspielen hat mehr Sinn und Zukunft!“ Ich war auch nie sehr geldorientiert, sondern hab eher geschaut, dass ich irgendwas finde, mit dem ich überlebe. Ich komme so aus dem klassischen Proletariat und da schaut man halt dem Papa zu, wie er jeden Tag von der Arbeit heimkommt und denkt sich: „Pffff… ist das erstrebenswert?!“ [lacht]

Hast du einen Schlagzeuglehrer gehabt oder hast du dir alles selber bzw. von Bands wie Jesus Lizard gelernt? 

ddkern: Teils, teils, aber insgesamt hat es drei Schlagzeuglehrer gegeben: Einer hackelt glaub ich noch immer und schon seit 30 Jahren im Raimund Theater. Der hat’s zwar gut gemeint mit mir, aber gleich wieder aufgegeben und mich an den nächsten von der Blasmusikkapelle weitergegeben – das war der Robert Aigner, ein super cooler Typ. Der hat mir nicht nur das Handwerk gezeigt, sondern auch ein bisschen meinen Kopf aufgemacht für diverse Sachen. Und dann hat’s den Peter Favretti gegeben, der war von der Musikschule und nicht mehr von der Blasmusikkapelle, da haben sie mich dann schon extra in die Vöcklabrucker Musikschule geschickt. Da hat es in der Volksschule in Lenzing ein kleines Kammerl gegeben und da haben wir gespielt. Peter Favretti hat mir dann wirklich das Hirn aufgemacht und gesagt: „Noten und alles ist gut und schön, aber wenn du’s nicht spürst, dann wird das nichts!“ Bei dem war ich am längsten, bis ich 18 oder 19 war.

Und jetzt unterrichtest du selber Kinder. 

ddkern: Ja, aber unterrichten würd ich das nicht nennen. Ich spiele mit ihnen und das sag ich auch den Eltern, wenn sie daherkommen und fragen, ob ich die Kinder unterrichten kann. Ich hab das eigentlich hauptsächlich deswegen angefangen, damit ich mich auch selber motivier, mich im Proberaum mit den Basics zu beschäftigen und nicht nur da unten zwei Stunden für mich dahinjamme. Wobei, das hat sich mit der Zeit auch wieder aufgehört.

Hast du andere Instrumente auch gelernt? 

ddkern: M-m. Sie wären mir mal mit Blockflöte gekommen, aber das hat mir nicht getaugt.

Was waren dann deine ersten Bands, die auch schon einen Namen gehabt haben? 

ddkern: Eigentlich ist es gleich mit Pest losgegangen, da war ich so 19. Alles davor ist nicht spruchreif… Pöndorfer Wichtelficker war die einzige Gruppe davor. [lacht] Und da hab ich gesungen, weil der Typ, dem der Proberaum gehört hat, das Schlagzeug gehabt hat und das gespielt hat. War eine Gaudi im Proberaum, aber ich glaube, wir haben nie ein Konzert gehabt. Pest, mit Michael Strohmann von Fuckhead und Johnny Truong. Den hab ich vom Sehen her schon ein Zeiterl gekannt. Wie ich zehn Jahre alt war, habe ich mit einem Typen ein Schlagzeugduo im Kino in Lenzing gespielt, weil 100 Jahre Musikschule Vöcklabruck oder so was gefeiert wurde. Da war auch der Ratzenböck da und hat uns nachher recht gratuliert, dass das so super war. Und da hat der Johnny Truong ein Solo-Gitarrenstück gespielt – und das war der einzige, der nicht im Anzug oder Pullunder dahergekommen ist, sondern ein Ledergelee mit Fransen angehabt hat, lange Haare, Cowboyboots, und mit der akustischen Gitarre etwas extrem Cooles gespielt hat, ich hab irgendsoein Flamenco-mäßiges Ding im Kopf. Das war ganz anders als alles, was an dem Nachmittag dort sonst so passiert ist und der hat einen Eindruck hinterlassen. Und ein paar Jahre später hab ich dann mit ihm zu tun gehabt. Den hab ich bei diversen Konzerten getroffen und der hat schon immer gewusst, dass ich Schlagzeuger bin. Er hat dann mal bei mir daheim vorbeigeschaut, da war ich aber noch sehr Hardcore orientiert  – da hat er sich gedacht, das kann noch nichts. Aber nachdem ich dann zweimal Naked City in Wels gesehen habe hat er gemeint: „OK, der Kern ist jetzt langsam soweit.“ Dann haben sie mich gefragt, ob ich bei Pest mal vorbeischau, wir haben schon bald eine Demokassette aufgenommen, ein paar Konzerte gespielt und eine Platte auf Trost rausgebraucht. Das weiß ich noch, die haben wir abgeholt in Prag im Presswerk und der Zöllner hat sich gleich die erste gekauft weil’s eine Picture Disc war und der hat das überhaupt nicht glauben können: „Eine farbige Platte, so was hab ich überhaupt noch nicht gesehen! Was ist denn da für Musik drauf?“ Und wir haben gesagt: „Ganz schöne, mit Ziehharmonika, Cello,…“ [lacht] – und der hat dann beinhart 169 Schilling dafür bezahlt.

[lacht] Ah, super! 

ddkern: Und beim Zoll sind sie uns dann auch ein bisschen entgegengekommen, weil die schon mitgekriegt haben, dass wir mit dem Geld nicht ganz zusammenkommen.  Und da haben wir innerhalb von einem Jahr alle Platten bei Konzerten verkauft. Da haben wir dann schon im Fuckhead-Proberaum gespielt. Der Raum war extrem klein, da waren auch noch die Passengers, das war ein Albtraum da drinnen, weil ich hab das Schlagzeug immer wegräumen müssen in dem kleinen Schlauch. Und dann war ich auf einmal bei Fuckhead auch schon dabei und es ist schön langsam und sicher vom einen Wahnsinn in den nächsten gegangen.

Was waren denn für dich die wichtigsten Bands, also chronologisch: Pest, Fuckhead, Bulbul,… 

ddkern: Wichtig sind eigentlich alle Bands, in denen ich spiele. Im Nachhinein vielleicht nicht mehr ganz so, aber wenn in dem Moment was dahergekommen ist, war es immer wichtig.

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Was waren denn da zu der Zeit noch für Bands, in denen du aktiv warst?

ddkern: Lass mich mal überlegen…In Linz ist dann viel mit Techno passiert, jetzt bin ich da auf einmal reingekippt. Nachdem sie uns aus dem Linzer Proberaum rausgeschmissen haben, weil wir mit Pest ewig lang illegale Untermieter waren, ohne dass die es gewusst hätten, und der Strohmann da auch einmal einen Sommer im Proberaum gewohnt hat – denen hat das dann irgendwann gereicht! [lacht]  Da hat es dann ein paar junge Leute wie den Sigi Ganhör, Gewi, Sascha Sadat-Guscheh und Alex Jöchtl (Castle Mastering) gegeben, die Sachen mit Techno probiert haben und das war eine extrem motivierte Zeit. Ich hab mir dann eine billige Drummachine um 500 Schilling irgendwo aufgestellt und dann hab ich da viel herumprobiert im Proberaum. Da hat es eine alte Gesangsanlage mit einem Tape-Delay auf dem Mischpult gegeben – huch! Da sind die Mollies – das waren die Proberaumnachbarn – irgendeinmal zusammen gerannt, die Tür geht auf und der eine schreit zu seinen Kollegen: „Stellt’s euch vor, das ist nur einer!“ [lacht]

Hast du damals in Linz gewohnt? 

ddkern: Mhm! Ich bin vom Attersee über Attnang-Puchheim über den Zivildienst nach Linz gekommen. Und da hat es auch den Schachinger Günther vom Plattenladen Wahn&Sinn und ein paar andere Leute wie den Wöginger Christian, Harri Greindl gegeben, die sozusagen erste musikalische Mentoren für mich waren. Das waren drei Leute, die mir schon damals ziemlich viel ziemlich gute Musik zukommen haben lassen.

So Captain Beefheart, Residents, …? 

ddkern: Ja, wobei das hab ich damals noch eher ignoriert, da ist es erstmal mit dem Hardcore und Techno-Zeug losgegangen. Diverse HipHop-Sachen waren auch recht wichtig zu der Zeit.

Hast du im Wahn&Sinn auch mal selber gehackelt? 

ddkern: Nein, aber er war der Nachbar von meiner Zivildienststelle und da hab ich den Großteil von meinen Mittagspausen verbracht und bin am Abend ab und zu mal hängengeblieben, manchmal hab ich auch dort geschlafen.

Als Musiker hast du mittlerweile schon sämtliche Genres abgedeckt: von Hardcore, Noise Rock, Free Jazz, Impro, Techno über sonst was. Gibt es für dich eine musikalische Homebase, wo du dich am wohlsten und sichersten fühlst? 

ddkern: Am wohlsten und am sichersten ist nicht unbedingt dasselbe.  Am wohlsten fühle ich mich dort, wo Musik passiert, die mich am meisten im Moment antörnt. Das variiert, das ist mal Bulbul, das ist mal Fuckhead, das mit dem Quehenberger Philipp, Broken.Heart.Collector. Die Impro Sause ist auch oft sehr inspirierend.

Wenn wir schon von Genres reden: Das sind zwar keine, die man musikalisch bestimmen kann, aber die Teilung von E- und U-Musik findet ja noch immer statt, was den Effekt hat, dass der absolute Großteil von Kulturförderungen in den E-Bereich geht und die U-Sachen eher belächelt werden. Das heißt im Grunde, dass massig Kohle in Leute reingepumpt wird, die schon seit Jahrhunderten unter der Erde liegen und die Leute, die jetzt spannende und interessante Sachen machen, müssen kämpfen – für die ist keine oder ganz, ganz wenig Kohle da. Wie ist das für dich als aktiver Musiker? 

ddkern: Ich krieg das auf jeden Fall mit, dass für die so genannte Hochkultur immer wieder ein Batzen Geld da ist, oder auch für Sachen, die für den Fremdenverkehrsverband eher interessant sind als irgendein „dreckiges Beisl“, wo in deren Augen ein furchtbarer Sound gespielt wird. Da käme man vom hundertsten ins tausendste, da geht es ja nicht nur um Kulturkohle, sondern, dass da hauptsächlich crooks am Werken sind oder irgendwelche dudes, die das vielleicht wegen dem Prestige machen oder vielleicht sogar ideologisch – aber wenn, dann definitiv auf der falschen Seite unterwegs sind. Ich halte mich aus dem Politischen da meistens raus. Normalerweise schlägst du die Zeitung auf und es trifft dich der Schlag. Momentan bestes Beispiel, Schl8hof Wels.

Wie oft spielst du in einer durchschnittlichen Woche Konzerte, damit sich das für dich ausgeht, als Musiker zu leben? 

ddkern: Ich lebe mehr oder weniger vom Live-Musizieren, was als Schlagzeuger irgendwie möglich ist. Dazu sollte ich sagen: mein Vehikel ist ein Fahrrad, ich hab jetzt zehn, zwölf Jahre in WGs gewohnt, ich brauch normalerweise nicht viel Geld.  Es kommt drauf an… In einer durchschnittlichen Woche spiel ich ein, zwei Mal live.

Das glaub ich dir jetzt nicht! [lacht] Du spielst schon mal am Montag im Celeste, dann… 

ddkern: … na ja, auch nicht jeden Montag, da braucht es oft auch ein bisschen Abstand. Mit den Proben ist es natürlich viel mehr, da verbring ich extrem viel Zeit. Im besten Jahr hab ich ca. 200 Konzerte gespielt, das war aber ein Ausnahmejahr.

Ich hab gedacht, das wär für dich normal. Du spielst ja oft drei Tage hintereinander in verschiedenen Combos an verschiedenen Orten… 

ddkern: Mhm, aber so wie jetzt gibt es dann auch wieder drei Wochen, wo ich nur einmal spiele. Ich seh das jetzt nicht als normalen Job, sondern ich tu das, was mir taugt mit Hingabe. Ich für meinen Teil muss mich beschäftigt halten. Ich brauch auch einen Grund, warum ich in der Früh aus dem Bett raus muss, weil sonst würde das ja stimmen, was mein Vater gesagt hat und ich wäre ein Grattler. Aber ich bin kein Grattler, ich bin ein Musikant! [lacht] Ich verbringe sehr viel Zeit hinterm Schlagzeug – ob das jetzt auf der Bühne ist oder im Proberaum ist mir ab und zu auch wurscht. Im Proberaum geht’s ab und zu leichter von der Hand, weil da die Nervosität wegfällt.

Du bist ja nicht nur Schlagzeuger, sondern auch DJ, hast eine riesige Plattensammlung und machst viele Field Recordings und Kassetten, hast auch dein kleines Kassetten-Label NaWoatNa, wo’s aber schon länger nichts mehr Frisches gegeben hat, oder? 

ddkern: Nein, NaWoatNa ist eher eine Gaudi. Da sind eigentlich nur Bulbul-Proberaumaufnahmen rausgekommen. Als Label hab ich das nie bewusst betrieben, ich glaub die größte Auflage von einem NaWoatNa-Tape sind 32 Stück – und das war aufgrund der Nachfrage, im Grunde war’s auf 25 limitiert. Da gab’s dann ein paar Raubkopien.

[lacht] Nummer 32 von 25! 

ddkern: Ja, genau, so hab ich das dann auch beschriftet, „32/25“.

Ich finde Kassette ist ein super Medium. 

ddkern: Super! Ich bin damit aufgewachsen und es wird wahrscheinlich immer wichtig für mich sein. Wenn irgendwer fragt: „He, kannst du mir das und das brennen?“ Dann frag ich im Normalfall: „Hast einen Kassettenrekorder?“ – weil ich mehr Freude dabei habe, mich hinzusetzen und wem eine Kassette aufzunehmen, als da einen doofen Rohling in den Computer reinzuschieben und schauen, wie der Balken rüber marschiert.  Ich hab nach wie vor keinen Bezug zu CDs. Dann archiviert man was auf CDs und drei Jahre später kannst du’s weghauen, weil’s „klick-klick-klick-klick-klick“ macht. Und die Kassette rauscht noch immer so munter wie am ersten Tag und alles hat seine Richtigkeit. Mir gefällt das Haptische, Analoge… Platten und Kassetten.

Bei dir kommen immer mehr Anfragen aus dem Kulturbereich, was ich so sehe: Gigs im MUMOK, Leopold Museum, Diagonale-Auflegerei, auch Film-Live-Vertonungen… 

ddkern: Ja, das kommt alles aus verschiedenen Ecken, ist aber super, dass es daherkommt, weil ja nie die Rockerei alleine war. Mir taugt das sehr, wenn es verschiedene Betätigungsfelder gibt. Gerade das mit der Filmvertonung – da gibt es den Karl Wratschko vom Filmarchiv – da hab ich ein paar extrem schöne Abende gehabt. Ich steh auf Vintage Footage, altes Filmmaterial. Es ist ja schwierig, sich vorzustellen, einen heutzutagigen Film zu vertonen, wo alles schön bunt ist mit Handlung, Zeit,… Bei den alten Filmen ist das oft ein bisschen vager und man hat mehr Interpretationsmöglichkeiten.

Mehr Zeit, die Schnitte sind nicht so schnell. 

ddkern: Stimmt, und wenn sie schnell sind, dann ist das super zum Anschauen, wie damals probiert worden ist, das Medium zu beschleunigen, dem einen kleinen Twist zu geben. Man sieht das Handwerkliche noch total gut bei so alten Filmen. Aber wo war ich? Genau, das mit dem MUMOK hat damit zu tun, dass der Philipp [Quehenberger] und ich lange für Franz West musiziert haben.

Wie ist das überhaupt zustande gekommen? 

ddkern: Der Philipp hat irgendwo mal ein Konzert gespielt und der Franz war da auch im Publikum oder bei der Party, und der Philipp ist nachher auf ihn zugegangen und hat ihm eine Platte in die Hand gedrückt. Ein paar Tage oder Wochen später hat sich der Franz die Nummer vom Philipp organisiert und gefragt, ob er nicht einmal spielen möchte für ihn. Und nach zwei, dreimal spielen für ihn hat der Philipp dem Franz gesagt: „He, da hab ich einen Typen mit dem ich mich viel herumtreibe.“ – und ab da, wo ich das erste Mal für den Franz gespielt habe, war ich schon mit im Paket. Der Franz war ständig auf der Suche nach was Neuem.  Das war eh ein Wahnsinn, dass uns der Franz da öfter in so superkleine Galerien mitgenommen hat, wo mit Schlagzeug und Keyboard sich nur mehr 15, 20 Leute ausgegangen sind, die dann was ziemlich Schräges vor’n Latz gekriegt haben und völlig verwirrt oder erstaunt waren – dem Franz hat’s getaugt!

Habt ihr nicht auch mal bei ihm im Krankenzimmer gespielt? 

ddkern: Zwei-, dreimal waren wir dort.

Wie war das? Ist er in einem Einzelzimmer gelegen? [lacht] 

ddkern: Da gibt’s nix zu lachen. [ernst] Ja, ist er. Ich hab eine Snare und Kleinplunder mitgehabt und der Philipp so einen Miniverstärker und sein kleines Keyboard. Ich glaub ich bin auf dem Katheter-Wagerl gesessen und der Philipp hat einen Hocker gehabt und dann haben wir eine Stunde Musik gemacht.  Der Franz ist ein extrem guter Typ. Es war nie so ein Arbeitgeber/Arbeitnehmer-Verhältnis, sondern der war völlig interessiert an unserer Kunst und an dem, was wir zusammenmusiziert haben. Es hat nie Vorschriften oder Auflagen gegeben, was zu machen wäre. Maximal hat er einen Vorschlag gegeben, dass es vielleicht einmal ein bisschen leiser sein könnte. [lacht]

Er hat euch vertraut. 

ddkern: Ja, er ist da gesessen und hat gelauscht, teilweise bis zu vier Stunden! Da hat’s dann schon Marathons gegeben, wo mir stellenweise der Plan ein bisschen ausgegangen ist. Das sind super Erfahrungen, das hat es sonst nur bei der Blasmusikkapelle gegeben, und da hat man es dann nicht mehr recht mitbekommen, weil man schon einen leichten sitzen gehabt hat vor lauter Doppler, die vorbeigekommen sind. [lacht] Grade am Sonntag, in der Mittagssonne beim Frühschoppen… da hat man schnell einen Schwipps gehabt.

Wie wohl fühlst du dich in Wien? 

ddkern: Unterm Strich ok.

Aber hast du mal über einen Umzug nachgedacht? 

ddkern: Ja, immer wieder mal.

Gäb’s da ein interessantes Fleckchen? 

ddkern: Pffff… weiß ich nicht. Melbourne ist mir vor elf Jahren massiv gut eingefahren. Wir waren mit Fuckhead unterwegs und da unten läuft der Schmäh irgendwie anders als bei uns. Mir kommt vor, die sind viel offener und leiwander und verrückter drauf. Das hat mich damals sehr angetörnt, aber ich war halt während der Festivalzeit dort und alle haben gesagt: „Ja ja, jetzt ist alles bunt hier, aber während des restlichen Jahres – pfff!“  Außerdem wohnen dort die giftigsten Viecher! [lacht]

Jetzt warst du ja erst in Chicago und hast dich dort mit der Jazz-Szene zusammengehaut. 

ddkern: Das hat mir schon recht getaugt, aber ich bin mir nicht 100% sicher, ob ich in Amerika leben möchte. Mir kommt vor, dass die Amis hauptsächlich in Europa touren, damit sie ihre Kohlen verdienen.

Aber hast du dir nicht mal gedacht, dass du das auch so machen könntest, wie zum Beispiel Peter Brötzmann oder Mats Gustafsson, dass du das ganze Jahr um den Erdball kreist und überall in verschiedenen Konstellationen spielst? 

ddkern: Das würde mir massiv taugen, wobei ich nicht so super verrückt bin, wenn’s ums Reisen geht. Es hat sich noch nicht so richtig ergeben, dass jemand gesagt hat: „Hey, komm mal ein paar Monate nach Chicago und dann tüfteln wir das und das aus, erobern die Welt [lacht] – und dann fliegst du wieder zurück.“ Das mit Chicago im letzten Jahr war eher ein Urlaub, wo dann halt Konzerte dahergekommen sind, weil ich dort ein paar Leute dort kenne.  Aber ich bin mir nicht 100% sicher, ob das jetzt erstrebenswert ist, dass man die Impro Kapazunder nach der Reihe abklappert. Am interessantesten finde ich es doch, wenn man irgendwelche… Oder sagen wir so: Am schwierigsten an der Musiziererei finde ich ist es, dass man Gleichgesinnte findet, mit denen der Funke dann soweit springt, dass man sich denkt: „Yeah, Baby, so geht’s! Um das geht’s glaub ich!“ Und das hab ich dann eher mit dem Philipp Quehenberger, Michael Strohmann, Bulbul und mit meinen diversen Konstellationen. Wobei natürlich Konzerte mit Paul Lovens etc., da sagt man dann auch nicht nein.

Du hast ja auch schon mit einem Haufen verschiedenster Leute zusammengearbeitet, in verschiedensten Formen. Kannst du kurz zu den Leuten was sagen, die ich jetzt aufzähle? Als erstes Mal: Peter Weibel.

ddkern: Lustiger Zeitgenosse der leider nie bei den Proben auftaucht (lacht)

Jandek.

ddkern: Sehr freundlich, ein bisschen distanziert.

Habt ihr da vorm Auftritt geprobt?

ddkern: Nein, es hat eher zeitliche Anweisungen gegeben und dass es schon eher auf der rockigen Seite daheim sein kann, aber generell hab ich volle Narrenfreiheit gehabt.

Mayo Thompson.

ddkern: Der ist ein Wahnsinn. Aber das ist so ein klassisches Beispiel: Beim ersten Mal, wie der Philipp und ich mit ihm gespielt haben, da hab ich schon gewusst, wer er ist, mich aber nicht groß eingehört und wir sind relativ relaxed in die Session reingegangen und es ist super Material dabei rausgekommen. Zwei Monate später hat er gesagt, er ist wieder da und würde gern wieder aufnehmen mit uns. Da hatte ich auf einmal Stress, weil der Mayo Thompson auf einmal gegenüber sitzt…  Aber habt ihr dann was aufgenommen?  ddkern: Ja ja, wir haben zwei ganze Studiosessions aufgenommen.

Gibt’s das irgendwo zum Hören?

ddkern: Hmm… nein. [lacht] Philipp und ich sind eigentlich der Ansicht, dass es eine Mini-LP gibt, aber da ist leider noch nichts passiert. Wir hätten eigentlich auch mal alle zwei nach Los Angeles sollen, bei einer Franz West-Ausstellungseröffnung spielen und beim Mayo dann wohnen – da hab ich dann aber mit Bulbul eine Tour gehabt, die war schon fix. Aufgrund dessen wurde das leider nix.

Dann ist der Philipp alleine gefahren und hat beim Mayo gewohnt. Da sind dann schon Pläne geschmiedet worden, man hat dann den Mike Watt getroffen und dies und das – aber seit der Zeit ist leider die Kommunikation ein bisschen abgebrochen… Wobei es nach wie vor super wäre, wenn da was passieren würde.

Shibuya Motors.

ddkern:
Supernette Bande aus Bratislava, mit denen ich seit ca. zwei Jahren gemeinsam musiziere. Das sind Miro Tóth, seines Zeichens ein Saxophon-Wizzard und super Komponist, der sich die Kohlen mit Unterrichten und Komponieren verdient, und Slávo Krekovič, Organisator vom Next Festival und noisiger Elektroniker. Wir spielen immer wieder mal Konzerte gemeinsam und da wird auch noch das ein oder andere Ding passieren!

Nächster Kandidat: Austrofred. 

ddkern: Weltmeistergestalt. 100% Respekt. Großartig, privat wie auch als Austrofred. War eine massive Ehre bei „Giving Gas“ und „Learning English with Austrofred“ mit dabei zu sein. Das war eine großartige Geschichte, wobei leider die besten Sachen immer bei den Proben passiert sind und nie auf der Bühne. Da habe ich ein paar slapstickreife Unfälle gebaut! Das ist live leider nie passiert. Aber bei der Probe – köstlich!

Weasel Walter. 

ddkern: Ähnlich unique wie der Austrofred, würd ich mal sagen.

Albin Julius. 

ddkern: Clevere Wahl! [lacht] Er hat mich gefragt, ob ich beattechnisch für ihn was machen will, hab meine riddim abgeliefert und seitdem nichts mehr von ihm gehört.

Was sind deine nächsten Vorhaben für dieses Jahr, das ja noch relativ frisch ist? 

ddkern: Uhuuu! Ja wie immer: einen Haufen motivierten Krawall machen! Es gibt schon seit einem Zeidl eine ziemlich gute Sause von der Maja Osojnik, vom Raumschiff Engelmayr, vom Dennis Tyfus und von mir, wo wir mal gejammt haben.

Was hat Dennis da gemacht? 

ddkern: Seine Devices gespielt, hauptsächlich gesungen, ein bisschen Ziehharmonika gespielt, Klavier – was halt so herumgelegen ist. Das ist ein holzwildes Field Recording, aber das macht’s ziemlich aus! Da hätten wir mal geredet, dass vielleicht auf Ultra Eczema eine Single kommt. Mit Bulbul sind wir grade dran, dass wir neues Material machen, ebenso mit Broken.Heart.Collector. Philipp [Quehenberger] und ich haben diverse Schweinereien vor. Wir werden höchstwahrscheinlich zum 15. Mal ins Studio gehen, wieder einen Haufen gutes Material heimbringen – und wieder nichts rausbringen. [lacht] Mit Glutamat schauen wir, dass wir die Platte vom letzten Jahr, die ausgezeichnet geworden ist, jetzt endlich mal verkaufen. Wir haben einen wunderschönen Tonträger gemacht, ich war für die Band im Studio eine produktionstechnische Hilfe, aber es passiert irgendwie nichts rundherum – weder vom Label noch von uns.  Mit Fuckhead sind wir auch am Herumtüfteln – da sollte im Herbst mal was auf Noise Appeal rauskommen. Und auf Rock is Hell kommt dieses Jahr eine LP, mit Mats Gustafsson und mir im Duett.

Machst du heuer beim Donaufestival irgendwas? 

ddkern: Mit Glutamat spielen wir bei einer Produktion namens Miasma mit – das wird ein Riesentheater, Ramba Zamba. Und Hotel Morphila Orchester spielt.  Gut, das sind die kurzfristigen Annoncen.

Und was hast du längerfristig vor? 

ddkern: Schauen, dass es nach wie vor eine Gaudi ist auf der Bühne bzw. hinterm Schlagzeug! Irgendein netter junger Herr ist einmal an mich herangetreten und hat gefragt, ob es nicht vielleicht mal an der Zeit wäre, eine Dokumentation über mich zu machen – aber  für sowas bin ich glaub ich noch zu jung. [lacht] Längerfristig schau ich, dass ich meine Miete zahlen kann, im besten Fall mit Musizieren.

Das klingt eigentlich recht bescheiden. 

ddkern: Ja, nein… Ich spar auf kein Auto. Fernseher geht mir auch nicht wirklich ab. Ich freu mich aber trotzdem über angemessene Gagen. Schön wäre, wenn der Kachelofen wieder ginge, aber da hat uns der Rauchfangkehrer einen Strich durch die Rechnung gemacht, der Hundling. Nein, Ziele sind gesund bleiben und Essen am Tisch – ab und zu was Warmes!

[lacht] Na passt, dann hoff ich, dass der Kachelofen bald wieder geht, damit du dir einen Bratapfel machen kannst!  

ddkern: Mhjammm!

Fotos: Marlies Panciera, Peter Rauchecker