mica- Interview mit Axel Petri

Axel Petri studierte an den Universitäten in Wien Germanistik, Musikwissenschaft sowie Musikerziehung, er hat 2005 den Mag. art. mit Auszeichnung erhalten. Nach einem Jahr als Teaching Assistant an einer New Yorker Uni lebt er seit 2007 wieder in Wien, wo er als freischaffender Autor, als Referent bei Lehrerfortbildungen und bei einem Schulbuchverlag arbeitet. Für den Verlag erarbeitet(e)  er z. T. bereits in Buchform erhältliche Unterrichtsmaterialien über mehrere zeitgenössische österreichische Komponisten. Heinz Rögl führte im Mai mit ihm darüber ein mica-Interview.

Diese didaktischen Aufbereitungen zeitgenössischer Musik sind für die AHS Oberstufe geplant. Der drittgrößte Schulbuchverlag in Österreich (Verlag E. Dorner) veröffentlicht sie bereits für das Schuljahr 2009/10 in Form von Zusatzbänden zum Schulbuch “Musik um uns”. Petri in seiner Bitte um Unterstützung durch das mica: “Ein derartiges Lehrwerk gibt es bis dato nicht, ist aber aus meiner Sicht und auch aus der Sicht des Verlages dringend nötig, da die zeitgenössische Musik im Unterricht ansonsten kaum bis gar nicht abgedeckt wird.

Leider ist ein solches Werk für einen Verlag wirtschaftlich nicht rentabel, weshalb ich mich an Sie wende, um die Möglichkeiten einer Förderung auch mithilfe des mica anzufragen, beziehungsweise Sie zu bitten, mir Hinweise auf andere Möglichkeiten zur Förderung zu geben” (zumindest diese Beratung durch verschiedene Fachreferenten im mica – musicaustria erfolgt mittlerweile).

Geplant von Petri und seinem Verlag sind vorerst 6 Module:

1. Neue Musik und Comic: Bernhard Ganders “Peter Parker”
2. . und bildende Kunst: Johannes Maria Stauds “Polygon”
3. . und Film: Olga Neuwirths “Lost Highway”
4. . und Literatur: Georg Friedrich Haas’ “Wer, wenn ich schriee, hörte mich.”
5. . und Populärkultur: Bernhard Langs “DW 2”
6. . und Philosophie: Klaus Langs “book of serenity”.

Besonders die Produktion der CD ist teuer, wies Petri hin, für den Einsatz im Unterricht sei eine solche nach seinem Dafürhalten aber unverzichtbar.  Ein Schulbuch, findet er (und wir auch) wäre DIE Möglichkeit, junge Menschen anzusprechen und für aktuelle Musik zu gewinnen. Und wir fügen dem hinzu: Es wäre an der Zeit, dieses Projekt wirklich großzügig zu fördern, damit auch die nächsten “Module” und viele andere mehr bald herauskommen können.

 

Ist „Musik um uns“ auch im Verlag Dorner erschienen, da es sich um Zustzbände handelt?

Axel Petri: Genau. Das ist ein zweibändiges Schulbuch für die Oberstufe. Und wie die meisten Oberstufenbücher behandelt es zwar das 20. Jahrhundert – aber nicht alle Strömungen – das endet irgendwie bei Ligeti vielleicht. Das heißt, aktuelle Musik und aktuelle zeitgenössische Musik aus Österreich ist nicht da.

Kennen Sie den heutigen Schulalltag?
Ich habe die erforderlichen Praktika für das Lehramt absolviert, momentan unterrichte ich aber nicht Musik sondern Deutsch, auch nicht an einer Oberstufe im eigentlichen Sinn, sondern am Jüdischen Beruflichen Bildungszentrum, einer Art AMS.

Wie waren Ihre Erfahrungen beim Lehramtsstudium Musik? Stehen Sie wie etwa Harnoncourt auf dem Standpunkt, wir müssen von früh auf hören lernen, dazu brauchen wir auch die Erwerbung von Grundbegriffen. Noten lesen können wäre nicht schlecht, ein Thema erkennen,  was ist Notation, was macht die europäische Musiktradition aus (Melodie, Harmonielehre, Kontrapunkt), selbstverständlich auch andere Musiken, was ist Volksmusik . Sehr wichtig auch die Konfrontation mit und das Hören “atonaler” oder Geräuschmusik schon im Vorschulalter, dann auch selber musikalisch aktiv sein, singen .
Mein Wunsch wäre, dass Musik insgesamt mehr und besser behandelt wird, aber auch Zeitgenossen. Dass das nicht so wie im Konzertbetrieb teilweise noch abgekoppelt wird – das ist dann extra die Neue Musik. Es sollte einfach selbstverständlich werden, wenn ich über Form spreche oder über ein Motiv, wenn ich Instrumentenkunde mache, dass da nicht nur Mozart oder Beethoven drankommen, oder Ravel, sondern auch ein Staud: wie setzt der eigentlich ein Saxophon oder was auch immer ein. Es sollte eine Selbstverständlichkeit werden, dass die neuesten Sachen automatisch auch dabei sind. Jetzt ist es halt so: Die neusten Sachen sind teilweise verlegt, teilweise nicht. Es gibt teilweise Aufnahmen, teilweise nicht, oder nicht so gängige. Gehen wir einmal davon aus, dass ich bei UE eine Partitur von Staud, beispielsweise “Polygon”, ausborgen kann und bei kairos eine CD dazu erhältlich ist. Dann hab ich als Lehrer immer noch eine Riesenmenge Arbeit vor mir. Und diese Arbeit tun sich die wenigsten bis vielleicht niemand an. Meine Anliegen und meine Idee war war, ich kenne mich aus,  auch in Didaktik, warum bieten wir den Lehrerinnen / Lehrern nicht Unterlagen an, die sie im Unterricht einsetzen können. Weil sonst wird es überhaupt nie passieren.

Mir fällt da natürlich gleich ein “Deal” zwischen uns ein: Dass wir in Hinkunft in den mica-Musiknachrichten, die sich ja feuilletonistisch, lesbar  und ausführlich auch an das allgemein musikinteressierte “Publikum” wenden, regelmäßig über Ihre  bereits vorhandenen und geplanten Projekte berichten, für sie werben und die Materialien in die Bibliothek stellen und einsehbar machen. Und Sie könnten in den Schul-Modulen auch auf unsere Interviews mit lebenden Komponisten von Peter Ablinger bis Judith Unterpertinger (also eine erkleckliche Anzahl von Urhebern aus Österreich) hinweisen.
Ich bin offen für jede Zusammenarbeit und Unterstützung! Wir werden ja auch von  der Fachinspektorin Dr. Christine Gürtelschmied und von der Leiterin ARGE Musikerziehung Wien, Dr. Leonore Donat, unterstützt. Organisiert von der ARGE über die Pädagogische Hochschule konnte ich zwei Lehrerfortbildungen machen und die ersten Module des Projekts vorstellen.

… gibt´s schon welche, die bereits erhältlich sind?
Das erste über Bernhard Gander ist gerade erschienen. Das nannten wir „Musik und Comics“. Für jeden Komponisten haben wir auch quasi einen  außermusikalischen Bezugspunkt herangestellt. Bei Gander geht es in dessen Klavierstück um „Peter Parker“: Der Bernhard hat in dem Stück versucht Bewegungsabläufe dieses Comics, wie sie auch in den „Spiderman“-Filmen vorkommen ins Musikalische einzubringen und zu übersetzen. Unser Modul hat – das halte ich immer für wichtig – einen fächerübergreifenden Ansatz, damit die Dinge als zusammengehörig erlebt werden und es nicht immer zu dem furchtbaren „Kastl“-Denken kommt.

Auch die zweite Fortbildungsveranstaltung über Staud, da geht es um “Musik und bildende Kunst”, war sehr erfolgreich und womit ich nicht rechnete: Das war eine Musikerzieher-Veranstaltung, es waren aber mehr bildnerische Erzieher da als Musikerzieher und das war dadurch sehr spannend. Es entstand dort auch besonders der Wunsch, “wir brauchen viel mehr Fächerübergreifendes, das hängt ja alles zusammen!”

So etwas ist ja auch bei Wien Modern 2008 dem Berno Polzer gelungen, als sehr viele Leute eigentlich wegen der Vorträge von Hirnforschern gekommen sind, dann aber sehr neugierig im zweiten Teil der Abende sitzen geblieben sind, um zum ersten Mal in ihrem Leben aktuelle Musik, etwa von und mit Peter Ablinger oder Alvin Lucier zu hören.
Ja. Und junge Leute interessieren sich vielleicht und kennen alle “Spiderman”, es geht darum, sie von dort, wenn nicht sogar abzuholen, ihnen zumindest ein Stück entgegen zu kommen. Darin liegt ja die Aufgabe von Pädagogen.

Wie kommt Neue Musik generell bei den Musiklehrern an, haben Sie da Erfahrungen?
(Lacht.) Es ist optimierbar. Es hätten bei den Fortbildungskursen mehr auch kommen können. Die Höchstzahl von Teilnehmern wäre 25, es waren aber nicht so viele, vielleicht hat es da auch bei den Anmeldungen noch nicht so gut funktioniert.

Aber die dringend notwendige Lehrer-Fortbildung ist doch so, dass man dafür sogar vom Unterrichten freigestellt wird .
Das stimmt und ich bin sehr dankbar, von Frau Gürtelschmied und vor allem von Leonore Donat, die das organisiert  besonders unterstützt zu werden: Die Fortbildung zu Bernhard Gander wird auch im Wintersemester wiederholt werden. Wir hoffen, dass sich das herumspricht und mehr Leute kommen.
Die Module sind so aufgebaut, dass ich eine immer eine kurze Biographie an den Anfang stelle und dass ich soweit vorhanden eine ganze oder einen Teil der Werkbeschreibung des Komponisten oder der Komponistin hineingebe. Und dann gibt es Bausteine aus kleinsten methodischen Schritten. Das heißt, ich habe verschiedene didaktische und methodische Zugänge zum Werk in kleinsten Methoden, wie zum Beispiel “Form”, oder beim Gander etwa “Musik- und Filmtechniken”, wo wir uns dann genau die filmische Abfolge eines Abschnitts des Stückes – zum Beispiel Schnitte, Überblendungen – ansehen oder eben auch, wie sich ein Bewegungsablauf von einem Bild in Musik verwandeln kann: Da gibt es zum Beispiel eine Übung, wo ich sieben Bilder aus diesem Comic herauskopiert habe und dazu gibt’s sieben kleine Ausschnitte aus dem Werk und man versucht dann durch den Höreindruck zuzuordnen, welche Klangaktion welchen Bewegungsablauf meint.

Es ist  auch so, dass zu jedem Modul eine CD hinzugefügt werden sollte .
Ja . Beim ersten Modul hat sich der Verlag umentschieden und entschlossen, dass man das kostenlos downloaden kann [auch die Unterrichtsmaterialien Gander und Staud selbst sind unter www.axel-petri.at als Power-Point-Präsentation downloadbar und beim Verlag erhältich, hr].

 

 

 

Und das geht mit kairos?
Das ist so ausgemacht und die Lizenz wird auch bezahlt. Das ist nicht mehr das Problem. Aber es ist vielleicht nicht optimal, weil es eine Zusatzarbeit für die Lehrerinnen und Lehrer bedeutet.

Eine Zusatzfrage: Bernhard Gander ist ja ein irrsinniger Heavy-Metal-Fan. Ist das dabei auch in dem Modul?
Das könnte man auch einmal machen, wie ich überhaupt denke dass sich Bernhard Gander sehr gut für die Schule eignet. Und die Umsetzungen von ihm sind ja immer alles andere als banal, die sind genial finde ich. Zu CD-Produktionen noch: Es ist halt leider so dass wir sehr auf Förderungen angewiesen sind. Dieses erste Modul hat der Verlag allein finanziert, mit einer Förderung vom SKE-Fonds. Ökonomisch geht sich das immer nur auf Null Gewinn aus. Meine Betreuerin vom Verlag Dorner hat aber gesagt, sie findet es total wichtig, dass so etwas für die Schule gemacht wird und das erste Modul finanzieren wir auf jeden Fall, egal was es kostet und das wird als Marketing-Aktion gratis dem normalen Schulbuch beigelegt. Für alle weiteren Module brauchen wir Förderungen und es liegt der Antrag an das Bildungsministerium leider schon seit einem Dreivierteljahr.

Es wäre auch die Aufgabe des mica, Ihnen da zu helfen, dem Antrag nachzugehen.
Mir wurde auch beim Österreichischen Komponistenbund (ÖKB) geraten, im Land Tirol zu fragen, da Gander und Staud Tiroler sind. Das war eine ziemlich chaotische Sache dann, weil die einen haben gesagt da sind sie nicht zuständig, die anderen, wir sollten zur Stadt Wien gehen und dort ansuchen – herausgekommen ist dann im Endeffekt nix.

Gander ist heraussen .
Staud ist fertig, habe auch die Vorstellung in der Fortbildung gemacht. Aber es gibt eben momentan überhaupt noch kein Geld für die CD. Die anderen Projekte [s.oben] sind geplant und zum Teil mit den Komponisten auch  abgesprochen. Es bestehen Kontakte mit allen.

Mit allen gibt es gute mica-Interviews! Noch kurz zu Ihrer Person. Sie sind 28,  wo kommen sie her und wie sind Sie zur Musik, namentlich zur Neuen,  gekommen?
Ich bin sehr musikinteressiert aufgewachsen, es ist nicht so, dass meine Eltern Musiker waren. Besonders mein Vater war sehr musikalisch, wir haben immer zu Hause gesungen. Das ist auch etwas, dass langsam abhanden zu kommen scheint, das so wichtig wäre. Ich war in der Vorschulerziehung, habe mit 6 Jahren angefangen Klavier zu spielen, habe Klarinette gelernt. Also das ist sehr gefördert worden.

Danke für das Gespräch und auf gute weitere Zusammenarbeit!

 

http://www.axel-petri.at/
http://www.dorner-verlag.at/reihe.php?schultyp=AHSO&gegenstand=24&reihe=76
https://www.musicaustria.at/musicaustria/liste-aller-bei-mica-erschienenen-interviews