mica-Interview mit Alexander Kukelka

Mit der vierten Film Composers’ Lounge am 18. Oktober, in deren Rahmen der Wiener Filmmusikpreis verliehen wird, und dem zwei Tage darauf an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien stattfindenden Austrian Film Music Day, versucht der Österreichische Komponistenbund (ÖKB) einmal mehr den Fokus auf die aufstrebende heimische Film- und Medienmusiklandschaft zu richten.Alexander Kukelka, der künstlerische Leiter der Veranstaltung und Vizepräsident des ÖKB im Gespräch mit Michael Ternai.

Ihr richtet die Film Composers Lounge nun inzwischen zum vierten Mal aus. Inwieweit hast du das Gefühl, dass eure Veranstaltung dazu beigetragen hat, die Bedeutung und Akzeptanz der heimischen Filmmusikszene, als immens kreativer Pool, zu heben und die öffentliche Wahrnehmung für diese zu schärfen.

Ich glaube, dass sich gerade innerhalb der letzten Jahre durch die Bemühungen des ÖKB im Bereich der Film- & Medienmusik in der öffentlichen Wahrnehmung einiges getan, bzw. verändert hat. Musik im allgemeinen, vor allem aber Filmmusik, hat auf das Publikum ja schon immer eine fast magische Anziehungskraft ausgeübt. Es scheint dem Menschen offensichtlich immanent, dass er Geschichten in Verbindung mit Musik emotional besser verdauen kann. Das zeigt nicht erst der breite Erfolg des Hollywood-Films. Und da liegt auch schon das Problem. Gerade beim audio-visuellen Medium fährt uns das Ganze so natürlich über die Ohren ins Gemüt, sprich: ins emotionale Zentrum, dass wir darüber gerne vergessen, dass hinter der eigentlichen Wirkung dieses audio-visuellen Gesamtkunstwerks, ja lebendige KomponistInnen wirken, die das, was uns da so unglaublich berührt, einmal geschaffen haben. Auf die Existenz dieser Berufsgruppe, mit all ihrer Kunst und ihren Bedürfnissen, wollen wir hinweisen.

Das Format der Film Composer´s Lounge z.B. bildet zur Sichtbarmachung der heimischen Film- & Medienmusik demzufolge eine von drei essentiellen Maßnahmen, die wir als Interessensvertretung zu betreiben haben. Man muss sich schon bewusst sein, dass international den großen Filmindustrien zur Bewerbung ihrer Talente ganz andere Mittel zur Verfügung stehen, als etwa unseren vergleichweise kleinen und bescheidenen Produktionen. Mit Werbe-Budgets in Hollywood-Größenordnung kann man hierzulande nicht konkurrieren. Obwohl inzwischen europaweit ziemlich gut vernetzt, können wir im Bereich der Film- & Medienmusik eigentlich nur auf nationaler Ebene agieren. Aus diesem Grund haben wir auch die inzwischen sehr erfolgreiche Veranstaltungsplattform der Film Composers´ Lounge ins Leben gerufen, mit dem Ziel, österreichisches Repertoire sichtbar zu machen. Vor allem aber wollen wir der ursprünglichen Idee des Gesamtkunstwerks Film als Ort der künstlerischen Begegnung Rechnung tragen, und all jene Partner zusammenbringen, die daran beteiligt sind. Ein Ort der Begegnung übrigens, an dem sich die Musik alleinig nicht herausnehmen kann. Im besten Falle dient Filmmusik dem Film auf umfassende Weise und damit der erzählten Geschichte.

Die zweite, der erwähnten Maßnahmen, ist unsere jährliche Ausrichtung des Wiener Filmmusik Preis im Rahmen der Film Composers´ Lounge. Dieser, mit Unterstützung der Stadt Wien über den Wiener Filmfonds mit 7.000,- Euro dotierte Nachwuchspreis, hat sich inzwischen zu einem wichtigen Werkzeug zum Aufspüren junger Talente entwickelt. Insgesamt haben in diesem Jahr wieder mehr als 100 KomponistInnen eingereicht, was nicht nur für die Wettbewerbs-Bearbeitung und -Abwicklung eine enorme Zahl darstellt, sondern höchstwahrscheinlich daher rührt, dass wir den Preis über geringfügig modifizierte Einreichkriterien erstmals für jene KünstlerInnen geöffnet haben, die nicht unbedingt aus einer akademischen Ausbildung zu kommen haben, um über ihre engagierte Ton- und Soundtüftelei – natürlich mit dem nötigen dramaturgischen Händchen ausgestattet – in den Film zu geraten. Dies freut mich persönlich ungemein.

Die dritte, und vielleicht nachhaltigste Maßnahme, die wir heuer setzen, ist die Errichtung des Austrian Film Music Day an der mdw-Universität für Musik und darstellende Kunst, ein Fachtag der Österreichischen Film- & Medienmusik, in dessen Rahmen wir unserer Klientel die relevanten Strukturen, Bedingungen und bestehenden Netzwerke der österreichischen Film- & Medienmusik europaweit zur Kenntnis bringen. Es ist nicht zuletzt das Verdienst der jüngst ins Leben gerufenen Fachgruppe, mit der wir im Anschluss an die heimische Filmlandschaft letztlich auch im Dachverband der Österreichischen Filmschaffenden als Ordentliches Mitglied vertreten sind – was meines Erachtens einen durchaus historischen Akt darstellt.

Kann man das als Ergebnis eurer Bemühungen sehen.

Unbedingt. Es handelt sich um Maßnahmen, die allesamt das Ziel haben, die essentielle Bedeutung und Rolle der Österreichischen KomponistInnen im Kontext bzw. im Wirkungskreis des Films aufzuzeigen, sowie deren Repertoire sicht- und hörbar zu machen. Gleichzeitig zeigen wir bestehende Vernetzungsstrukturen und bieten unserer Klientel eine öffentliche Plattform bis Cannes. Darüber hinaus werden im Rahmen des Austrian Film Music Day die aktuellen Hot Topics, eben solch prekäre Themen wie Neue Medien, Urheberrecht, Online-Verwertung, Common oder Cultural Content diskutiert. Die Musikschaffenden sollen vor allem dahingehend informiert und ermuntert werden, sich in diesen Belangen klar zu artikulieren und zu positionieren. Wir wollen zeigen, dass (Film)Musik etwas wert ist und etwas einbringt. Und zwar in jeder Hinsicht der Bedeutung – als Musik an sich, als Musik zum Film, künstlerisch, ästhetisch, produktionstechnisch, rechtlich und wirtschaftlich. Und zwar dies allen, die am Gesamtkunstwerk Film beteiligt sind. Vor allem aber soll durch all diese Maßnahmen ein Forum und Klima geschaffen werden, in dem die Partner, gerade im Nachwuchsbereich, nachhaltig aneinander geraten.

Da will ich auch gleich nachhaken. Talentierte KomponistInnen hat es ja immer schon gegeben, eine Schnittstelle zwischen ihnen und den Filmschaffenden jedoch nicht. Warum beginnt sich erst jetzt an dieser Situation etwas zu ändern?

Weil sich die hiesige Kultur bis heute nur sehr langsam von dem erholt hat, was vor 70 Jahren in diesem Land abgegangen ist. Das war ja regelrecht eine Kampfansage an die idealistische bürgerliche Kultur schlechthin und damit ein enormer Bruch für alle nachfolgenden Generationen. Kulturträger einer Kultur sind Menschen, und wenn man diese auslöscht, gibt es gar nichts mehr. Ein enormer Schaden, über den man sich meines Erachtens nur mit dem Einsatz seiner eigenen schöpferischen Energie hinwegsetzen kann.

Wie ich schon sagte, begreift sich Österreich aus dieser Entwicklung gesehen, musikalisch in erster Linie immer noch als Konzert-Land. Durch das – dank Albert, Ruzowitzky, Haneke und Seidl – langsame Aufkeimen eines neuen (Selbst)Bewusstseins als Film- & Medien-Land, wächst nun auch langsam die Bedeutung der heimischen Film- & Medienmusik, die äußere Wahrnehmung und damit insgesamt das Selbstbewusstsein der Branche. Eine wirklich nachhaltige Schnittstelle zwischen den talentierten KomponistInnen und den Filmschaffenden kann es neben der Branche selbst, den essentiellen Initiativen von Interessensvertretungen wie unserer, eigentlich nur auf dem Ausbildungssektor, an den Musikuniversitäten selbst geben. Eine außerordentlich gute Vorarbeit dafür ist die schon seit Jahren bestehende Kooperation zwischen den Instituten der mdw „Komposition und Elektroakustik/Medienkomposition“ und der „Filmakademie Wien“ mit dem ÖKB. Filmarbeit ist eben „Teamwork“ – die eigentliche Vernetzung beginnt ja schon beim Erarbeiten des „Film-Stoffes,“ mit der ersten Begegnung eines/er Filmemachers/In mit einem/er Komponisten/In.

Dieses Land hat ja schon in der Vergangenheit weltweit Talente gestiftet. Wenn man nicht zusehen will, dass diese zunehmend abwandern, muss man den Kunstschaffenden hier wirklich ein kontinuierliches Leben mit und durch ihre Kunst ermöglichen.

Ich glaube, wir können stolz auf das sein, was es hierzulande an (film)musikalischer Substanz gibt. Wenn ich mir die Wettbewerbs-Einreichungen der letzten Jahre anschaue, die da alle im ÖKB gelandet sind, muss ich  sagen, das ist einfach sensationell. Es gibt da nach wie vor ein reiches musikalisches Bewusstsein, welches sich in unglaublichen Facetten niederschlägt.

Inwieweit glaubst du, dass die Wahrnehmung von Außen auf die österreichische Filmmusiklandschaft eine positive ist?

Ich glaube, dass sie weitaus besser ist, als es manchen bewusst ist. Nimmt man z.B. den Dachverband der Österreichischen Filmschaffenden her, so sieht man schnell, dass dieser im Land selbst nicht in der Form wahrgenommen wird, wie etwa im Ausland. Dabei handelt es sich um eine wirklich einzigartige Initiative: 11 Verbände der wichtigsten Film-Disziplinen, die sich mit dem einigenden Ziel zusammengetan haben, den österreichischen Film voranzutreiben, eine solche Solidarität findet man wirklich nicht überall.

Im klassischen Musikbereich leben wir von unserem, historisch bedingten, guten Ruf. An die immens gute Reputation, die wir inzwischen als Film-Land genießen, müssen sich manche hierzulande noch erst gewöhnen. Und zum anerkannten Filmmusik-Land dauert es womöglich auch noch ein Weilchen, obwohl es bei der hier wirkenden Substanz eigentlich ein leichtes wäre, innerhalb kürzester Zeit zu zeigen, was zeitgenössische Musik in allen Genres, also auch im Filmmusik-Genre, noch alles zu bieten hat, außer den göttlichen Mozart und Schubert. Es ist einfach unübersehbar, wie in den letzten Jahren der österreichische Film international immer mehr an Bedeutung gewonnen hat. Es wäre also unklug, hier mit der heimischen Filmmusik nicht mitzuziehen.

Ich glaube, dass für die zeitgenössische Kunst in Österreich immer noch ein ganz ausgezeichneter und fruchtbarer Boden vorhanden ist, und es endlich an der Zeit wäre, diesen auch ausgiebig zu beackern und die verdienten Früchte ohne schlechtes Gewissen zu ernten, sprich: zu verwerten. Man wundert sich eher von Außen, warum man hierzulande so hartnäckig auf der eigenen Geschichte hockt, anstatt sie mit aller Kraft voranzutreiben.

Um jetzt noch einmal den Bogen zum Austrian Film Music Day zu ziehen. Inwieweit kann man die Veranstaltung als eine Art Gütesiegel sehen.

Ein solches stellt die Veranstaltung absolut dar. Durchaus vergleichbar mit dem AMA-Gütesiegel. Wir machen mit dem Austrian Film Music Day ganz bewusst Werbung für die Qualität, Güte und Identität der Marke „Österreichische Film- & Medienmusik“. Auch für den Wiener Filmusik Preis-Gewinner 2010 Christof Unterberger stellt die Auszeichnung „einen guten Anstoß für die Laufbahn eines Filmkomponisten“ und eben eine Art „Gütesiegel für die eigene Arbeit, das einige Türen öffnet“, dar.

Der Austrian Film Music Day entwickelt sich als Fachtag der Österreichischen Film- & Medienmusik immer mehr zu einem umfassenden Informationstag der Szene, an dem wir vor allem auf die Vielzahl heimischer Talente aufmerksam machen wollen, die sowohl im Nachwuchs-, als auch im bereits etablierten Bereich arbeiten und verstärkt den Weg in die Branche suchen. Die hiesige Film- & Medienmusik-Landschaft ist inzwischen österreich- und europaweit ziemlich gut vernetzt. Der „Austrian Film Music Day“ will mithelfen, dass vor allem die jungen Talente in diese Netzwerke geraten.

Generell lässt sich sagen: die Szene ist im Aufbruch. Ausbildung, Branchen und Interessensvertretungen können nur ihr Scherflein dazu beitragen. Die überwältigende Beteiligung am Nachwuchswettbewerb Wiener Filmmusik Preis 2012 spricht eine deutliche Sprache und zeugt vom enormen Interesse der jüngeren Generation am Thema Film- & Medienmusik.

Danke für das Gespräch.

Zur Person:

Alexander Kukelka
Komponist
Vize-Präsident ÖKB/Vorsitzender Fachgruppe Film- & Medienmusik
Lecturer Universität für Musik und darstellende Kunst/Filmakademie Wien
Künstlerischer Leiter Film Composers´ Lounge & Austrian Film Music Day

 

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