MATTHIAS LEBOUCHER: Der Salzburger Landesstipendiat 2017 im mica-Porträt

Mit seinem aktuellen Projekt einer musikalischen Interaktion von fünf Musikern mit dem Computer errang der aus Frankreich stammende und in Salzburg lebende MATTHIAS LEBOUCHER das Landesstipendium 2017, welches ihm die Verwirklichung dieses Quintetts ermöglichen soll.

Die Verknüpfung zweier Welten

Vor einigen Jahrzehnten galt es in Europa noch als kleine Sensation, wenn ein Künstler wie der US-Amerikaner George Gershwin die Verknüpfung zwischen seiner kompositorischen Arbeit und des Wirkens als Pianist zeitgenössischer Musik und des Jazz betrieb. Heute nimmt man es kaum mehr als außergewöhnlich wahr, wenn jemand vor diesem Hintergrund sein schöpferisches Wirken betreibt. In der Rezeption heißt es dann bei der Aufführung lapidar etwa, ein Stück zeige Einflüsse experimenteller Tendenzen ebenso wie des Jazz. Damit wird zwar der Mangel an verbalen Möglichkeiten im Beschreiben Neuer (oder: neuer) Musik demonstriert, der Musik selbst wird man aber meist nur oberflächlich gerecht. Musik seit Zeiten in „E“ (ernst) und „U“ (unterhaltend) zu unterscheiden, ist längst zum Fluch geworden. Musik um der Musik wegen lautet der neue Slogan, und er kann auf Matthias Leboucher durchaus Anwendung finden.

Studienzeit in Frankreich

1985 im französischen Vendôme geboren, erhielt Leboucher seine Ausbildung zunächst noch in seinem Heimatland, wobei vieles auf den Schwerpunkt Klavier hindeutete. 2010 wurde ihm eine Mention-Spéciale Maurice Ohana beim neunten Concours International de Piano XXe siècle d‘Orléans zuerkannt. 2011 schloss er das Studium dieses Instruments an der Pôle Supérieur Paris-Boulogne-Billancourt bei Marie-Paule Siruguet ab. Weitere Studien betrieb er bei Françoise Thinat, Alexandre Tharaud und Paul Badura-Skoda. Parallel zum Klavier spielte für Leboucher auch das Komponieren früh eine gewichtige Rolle. Ebenfalls noch in Frankreich absolvierte er Studien in Tonsatz, Analyse und Orchestration bei Alain Louvier, Komposition bei Jean-Luc Hervé sowie dem für ihn wichtigen Aspekt elektroakustischer Musik bei Yan Maresz und Denis Dufour.

Ein Franzose in Salzburg

Unmittelbar nach Abschluss seines Kompositionsstudiums übersiedelte Leboucher nach Salzburg, wo er an der Universität Mozarteum weiterführenden Unterricht bei Tristan Murail und Achim Bornhöft erhielt. Da für ihn stets auch das eigene Konzertieren eine zentrale Rolle spielte, gestaltete er regelmäßige Auftritte mit dem Jazzgeiger Florian Willeitner und engagierte er sich in der Leitung von Combos wie „Good question“ oder „Royal Pump“. Am Mozarteum gründete er mit Josef Ramsauer und weiteren Musikerinnen und Musikern „New Art and Music Ensemble Salzburg“. Dass dieses mittlerweile besser unter dem Namen NAMES bekannt ist, zeugt von rascher Akzeptanz im Musikbetrieb, gelten darin doch die abgekürzten Bezeichnungen als eine Art Popularitätsbeweis. Residence-Teilnahmen etwa bei Festivals in Italien, Litauen oder Korea zeigen den hohen Qualitätsgrad von NAMES.

Dass ausgerechnet Salzburg für Leboucher zum aktuellen Lebensmittelpunkt wurde, erklärt sich rasch, wenn man seine Arbeit in Zusammenhang mit den Lehrerpersönlichkeiten am Mozarteum sieht: Achim Bornhöft leitet dort das Studio für Elektronische Musik, Tristan Murail gilt seit langem als zentrale Persönlichkeit im Bereich der Spektralmusik, beides Bereiche, die für das Schaffen Lebouchers von Bedeutung sind, sieht er sich hierbei doch als Fortsetzer der darin bestehenden Tradition und er misst seinen Lehren auch den entsprechenden Einfluss zu.

Mittlerweile haben bereits mehrere Spezialensembles für Neue Musik Werke Lebouchers in ihr Repertoire aufgenommen, und natürlich ist NAMES einer der wichtigsten Vermittler seiner Musik. Die für 2017 erfolgte Zuerkennung des mit 10.000 Euro dotierten Jahresstipendiums Musik des Landes Salzburg sichert die Ausführung ganz konkreter Pläne. Bei der Überreichung hob Kulturlandesrat Heinrich Schellhorn den „beidseitigen Gewinn“ hervor: „Die Künstlerinnen und Künstler können ihre künstlerischen Projekte realisieren. Dafür bekommt das Kulturland Salzburg erstklassige Kompositionen, die viele Generationen überdauern.“

Auf den Spuren Tristan Murails

Aus der Begründung der für die Stipendienentscheidung zeichnenden Jurymitglieder Sabine Reiter (Geschäftsführende Direktorin, mica – music austria, Wien), Heidemarie Klabacher (Chefredakteurin DrehPunktKultur, Salzburg) und Harald Schamberger (Geschäftsführer oenm – Österreichisches Ensemble für Neue Musik, Salzburg) : „Matthias Leboucher sieht sich selber in der Tradition der Spektralmusik, einer in Paris entstandenen, sehr klangsinnlichen Musiktradition, beheimatet. Deshalb wechselte er auch an die Universität Mozarteum Salzburg, um bei Tristan Murail zu studieren, dem er einen maßgeblichen Einfluss bescheinigt. Über Tradition und Einfluss hinaus lässt sich jedoch schon jetzt eine sehr individuelle Handschrift durch interessante Instrumentation, analytisch ausgeprägte Form und farbige Klanglichkeit feststellen. Lebouchers Werke lassen sich dabei aber oft nicht auf eine rein musikalische Ebene reduzieren, sondern fügen auch – etwa durch die Integration von Live-Electronics – zusätzliche Aspekte hinzu.“

Interaktivität zwischen Instrument und Computer

Das zentrale Stück, das Leboucher auf Basis des Stipendiums erarbeitete ist ein Instrumentalquintett für Flöte, Klarinette, Violine, Violoncello und Schlagwerk mit Elektronik. Zum Konzept erläuterte Leboucher: „In diesem Stück werde ich eine spezielle interaktive Verbindung zwischen Instrument und Computer (elektronischen Klängen) untersuchen. […] Den fünf Instrumentalisten wird je ein elektronischer ‚Ghost‘ zur Seite gestellt, der in Echtzeit auf den live gespielten Klang reagieren soll. Die Entwicklung künstlicher Intelligenz ist zwar noch immer Zukunftsmusik, schreitet aber mit riesigen Schritten voran. Die Komposition wird somit auch die gesellschaftspolitische Frage aufwerfen, inwieweit ein Computer als eigenständiger Musiker fungieren kann.“

Ist das neue Quintett für sein Ensemble NAMES gedacht, so befindet sich weiters ein Trio für Viola, Klarinette und Klavier in Arbeit, angedacht sind ein Klavierstück mit Live-Elektronik sowie ein Werk für Klarinette und Elektronik, das für eine Video-Reihe mit Miniaturstücken geplant ist.

Zur nächsten Aufführung Lebouchers kommt es schon am 9. November im Wiener Schoenberg Center, wo ebenso das Ensemble NAMES spielen wird, wie beim Crossroad Festival am 15. und 16. November in Salzburg. Schließlich steht dann auch für 28. November ein Festakt mit der Aufführung zweier Stücke in der Salzburger Residenz bevor. Man geht vielleicht nicht fehl in der Annahme, dass auch in den kommenden Jahren spannende Projekte auf Basis dessen entstehen werden, was die Zuerkennung des heurigen Stipendiums ermöglichte.

Christian Heindl

Links:
Matthias Leboucher
Matthias Leboucher (mica-Datenbank)
Ensemble Names