Im Februar 2024 erscheint das zweite Album von HAKON UND DIE JUNGFRAUEN, das im Treibhaus in Innsbruck und im Chelsea in Wien präsentiert wird. Jürgen Plank hat mit dem Bandleader HAKON HIRZENBERGER, der die Liedtexte schreibt, über Reggae-Einflüsse genauso gesprochen wie über Aufgabenteilung innerhalb der Band. Der Wiener erzählt von besonderen Auftritten in Deutschland und vom Lied „Soliman“, das sich mit der ungewöhnlichen Lebensgeschichte des westafrikanischen Sklaven Angelo Soliman befasst, der in Wien als Hofdiener gearbeitet hat. Weil HAKON HIRZENBERGER auch Schauspieler und Regisseur ist, beantwortet er die Frage, warum Theatermacher in der Regel neidisch auf Bands in Bezug auf deren Live-Wirkung sind.
Euer Albumtitel „Welthits II“ suggeriert, dass du aus einer Vielzahl an Liedern ausgewählt hast. Wie bist du vorgegangen?
Hakon Hirzenberger: Das erste Album hieß ja „Welthits“. Wir haben eine Zeitlang wahnsinnig viel geschrieben, rund 100 Lieder. Die Lieblingslieder davon haben wir für das neue Album hergenommen. Die Reise ist schon eine ziemlich lange, in verschiedenen Konstellationen. Zuerst hieß die Band ja Hakon & Moritz, damals haben wir sehr viel gespielt. Etwa im U4, im Ostklub oder in Berlin im Roten Salon. In allen möglichen und unmöglichen Locations. Wie das halt so ist bei Bands, irgendwann treten Ermüdungserscheinungen auf. Eine Schülerin von mir hat dann gemeint, dass ihr die Musik so gut gefällt und so haben wir eine Frauenband um mich herum gegründet: das waren die Jungfrauen. Irgendwann kam dann Moritz für einen Gig am Donauinselfest zurück, aber die Frauenkleider sind geblieben und die Band wurde wieder männlich.
Wie ist denn aktuell die Aufgabenteilung bei euch?
Hakon Hirzenberger: Moritz Hierländer ist weiterhin für die Musik zuständig und ich für die Texte. Außerdem ist noch Jürgen Schallauer am Bass dabei und Lukas Klingseisen am Schlagzeug. In dieser Zusammenstellung werden wir die beiden Release-Konzerte spielen.
Moritz liefert verschiedene musikalische Ansätze: mal geht es in Richtung Punk oder Reggae und auch Singer-Songwriting ist dabei. Wie ergibt sich diese Mischung? Hat er musikalisch alle Freiheiten?
Hakon Hirzenberger: Prinzipiell wollten wir immer Musik machen, die uns gefällt. Die ist einfach frei von allen Stilen, denn mir gefällt ja auch nicht nur ein Stil. So kommt diese bunte Mischung zusammen: mal geht ein Song mehr in Richtung Reggae, mal Soul und auch mal Retro-Pop. Da ist alles kunterbunt gemischt, das ist für ein programmatisches Album wahrscheinlich nicht so gut. Aber ich finde, das Leben ist ja auch kunterbunt und ein Gemüsegarten und insofern wollten wir uns da nicht irgendwie einquetschen.
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Hast du eine Verbindung zu Reggae und der Karibik?
Hakon Hirzenberger: Ja, ich liebe die Karibik. Vor Hunderttausend Jahren, als ich noch sehr viel Theater gespielt und gedreht habe, bin ich mal abgehauen und war dann fast ein Jahr lang in der Karibik, auch zum Tauchen. Ich liebe die Region und habe eine große Affinität zu Jamaika, wo der Reggae ja herkommt. Ich war damals in Jamaika, in Guadeloupe, in Kuba, Tobago, auch auf den Cayman-Inselnund in Martinique.Da war ich noch relativ jung, etwa 23 Jahre alt.
Du hast gesagt, dass ihr eine Zeitlang sehr viele Lieder geschrieben habt. Was inspiriert dich denn zu einem Liedtext?
Hakon Hirzenberger: Das Leben. Ausschließlich, das Leben. Und die Zeit und die Muse sich dann hinzusetzen, sich Gedanken zu machen und zu reflektieren und etwas in Form von einem Lied zum Ausdruck zu bringen.
„EIN TEXT IST DER VERSUCH DER POETISCHEN BETRACHTUNG DES ALLGEMEINEN IRRSINNS“
Handelt es sich um Reflektionen zu deinem eigenen Leben oder sind das eher Beobachtungen von gesellschaftlichen Prozessen?
Hakon Hirzenberger: Das ist alles Mögliche. Aus dem eigenen Leben und Beobachtungen. Ein Text ist der Versuch der poetischen Betrachtung des allgemeinen Irrsinns.
Versuchen wir den Moment herauszuarbeiten, in dem du tatsächlich einen Liedtext schreibst. Es gibt andererseits viele Momente, zu denen du nichts schreibst.
Hakon Hirzenberger: Ich habe ein Notizbuch, ganz altmodisch. Wenn ich merke, mich juckt etwas, dann zücke ich dieses Buch und schreibe etwas hinein. Das passiert manchmal mehrmals an einem Tag, manchmal gibt es zwei Tage Pause. Aber das Buch ist eigentlich immer dabei, das ist ein poetisches Tagebuch.

Ein Lied im Reggae-Format heißt „Soliman“ und bezieht sich auf die historische Figur Angelo Soliman. Ein West-Afrikaner, der in Österreich gelebt hat und es hier bis zum Hofdiener gebracht hat. Warum hast du dich mit dieser Geschichte befasst?
Hakon Hirzenberger: Der Song stammt aus einem Musiktheater, das ich geschrieben habe. Das heißt „Der letzte Ritter oder liebt Europa“. Dabei haben wir einige unserer Songs verwendet. Die Basis-Geschichte war, dass sich die alten Habsburger in der Kaisergruft treffen und nicht von ihren Särgen wegkönnen und einander für alle Ewigkeit aushalten müssen. Maria Theresia thront über allen und daneben sitzen Kaiser Franz Joseph und Sisi. Dann kommen Besucher:innen in diese Gruft, unter anderem Soliman. Diese Figur hat mich fasziniert und angeblich gibt es im Naturhistorischen Museum in Wien einige ausgestopfte Afrikaner:innen. Das war früher nicht unüblich. Schon etwas Besonderes, aber ausgestopfte Menschen wurden als Attraktion im Museum ausgestellt. Diese Figur Angelo Soliman hat mich fasziniert. Ich bilde mir auch ein, dass ich als Kind einen ausgestopften People Of Color-Menschen im Naturhistorischen Museum gesehen habe, der stand auf einer Treppe. Heute wird behauptet: da stand nie einer. Diese Art von fake news, die ich da im Kopf habe, ist insofern ganz lustig. Die Figur Soliman war für mich also immer ganz besonders.
Durch das Ausstopfen wird der Mensch zum Objekt gemacht, das transportiert eine rassistische Haltung. Ist euer Lied insofern ein aktuelles Statement zu unserer Zeit?
Hakon Hirzenberger: Es ist wahrscheinlich eine der traurigen Eigenschaften des Menschen, sich über andere Menschen zu setzen und sich selbst als besser anzusehen als die Nachbarn bzw. als Menschen mit einer anderen Hautfarbe. Das ist wahrscheinlich im Menschen drinnen und das finde ich wahnsinnig schade, weil das auch viel verhindert und kaputt macht. Soliman wurde als Sklave in eine Leibeigenschaft überführt und schließlich wurde ihm die Freiheit geschenkt und er hat dann in Wien auch geheiratet und hat mit seiner Frau ein kurzes Leben in Freiheit geführt. Das ist also schon eine besondere Geschichte.
Euren Song „Schön“ habe ich als ironische Nummer gehört, denn du singst: „Sei klein für die anderen, das gibt ihnen Mut“.
Hakon Hirzenberger: Wenn man sich für den anderen kleiner macht, damit der sich besser fühlen kann, dann wird man vielleicht leichter Zugang zu Menschen finden. Man gibt den anderen die Chance, sich besser zu fühlen. Der Song stammt auch aus dem Habsburger-Stück, in dem Soliman vorkommt.
„WIR SIND AUF DER BÜHNE RELATIV PURISTISCH“
Du bist auch im Theaterbereich unterwegs: nun besteht deine Band ja aus Männern, die jeweils einen Brautschleier tragen. Wie inszenierst du die Band auf der Bühne?
Hakon Hirzenberger: Diese Schleier machen schnell eine gute Optik und unterstützen eine Performance und ergeben sofort das Bild einer Uniform, einer Gemeinsamkeit. Der Brautschleier ist ein Zeichen der Unschuld, der Naivität, der Freude, des Festes. Früher waren es Kleider, jetzt werden wir eher in die strengere Form des Anzuges verfallen, aber ich denke der Schleier wird als Attribut bleiben.
Inszenierst du für die Band auch Show-Elemente?
Hakon Hirzenberger: Wir sind auf der Bühne relativ puristisch. Die Show ist ja schon das Outfit. So lässt sich schon Einiges gestalten, wenn man zwischendurch etwas erklärt oder Geschichten erzählt. Ein Konzert von uns ist eine musikalische Reise, bei der die Musik im Vordergrund steht.
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Was ist für dich ein besonderes Lied am neuen Album?
Hakon Hirzenberger: Ich mag sehr gerne „Wer küsst mich“. Der Basis-Text ist von Ferdinand Raimund und den mag ich sehr. Der Text ist sehr alt und ich finde es spannend so alte Texte zu lesen, die aus der heutigen Zeit stammen könnten. Nur in einer Sprache, die uns fast schon abhandengekommen ist. Das zu ergänzen und mit einer Melodie zu versehen und daraus ein Lied zu machen, das hat mich in diesem Fall sehr gereizt. Es ist eine Ur-Sehnsucht, die ich in der Musik auch gerne habe, seine Sorge, seine Gedanken in einem Song zu komprimieren und den dann unter die Leute zu bringen, damit er vielleicht ein bisschen Trost bringt. Manches am Raimund-Text ist heute nicht mehr verständlich und ich habe einen Refrain dazu gemacht. Aber die große Basis stammt von Ferdinand Raimund.
Was ist dein Antrieb, Konzerte zu geben?
https://www.youtube.com/watch?v=bsg_iHbuZ20Man will hinausgehen und den Menschen eine Freude machen. Unsere Musik ist durchaus tanzbar und wahrscheinlich einer der schönsten Gigs war in Deutschland vor rund 1500 Menschen. Wir haben dort niemand gekannt und haben davor auch länger nicht geprobt und trotzdem rund zweieinhalb Stunden lang gespielt. Teilweise Lieder, die wir noch nie miteinander gespielt haben. Und die Menschen sind auf den Tischen gestanden und da habe ich mir gedacht: Ja, that’s it! Wenn das geht, dann passt es und macht den Menschen Freude. Das ist mir am Wichtigsten.
Du bist nicht nur Musiker, sondern auch Theatermann: Wie würdest die Frage diskutieren, dass Theaterleute oftmals in Bezug auf Bands bzw. Konzerte „neidisch“ sind, weil mit Live-Musik Wirkungen und Stimmungen – wie du sie eben beschrieben hast – erzeugt werden können, die man mit der Inszenierung eines Textes kaum oder nicht erreichen kann?
Hakon Hirzenberger: Das ist das Ungerechte und das Schöne an der Musik, dass sie halt direkt in den Menschen fährt und das schafft kein Wort der Welt. Das ist ungerecht, aber das ist so. Das liegt wahrscheinlich daran, dass wir uns früher angesungen haben und gar nicht gesprochen haben. Und davon ist etwas geblieben und deswegen ist das Singen wahrscheinlich der direkteste Draht zueinander.
Herzlichen Dank für das Interview.
Jürgen Plank
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Hakon und die Jungfrauen live:
21.02.2024, Treibhaus, Innsbruck
07.03.2024, Chelsea, Wien
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