„Wir hatten das Gefühl, unsere Demos haben sich wie ein Lauffeuer verbreitet“ – Laurenz Nikolaus im Mica-Interview

In einer alten Mühle am Rand von Salzburg sitzen Laurenz, Moritz und Isaak und schreiben an neuen Songs. Zehn Tage Songwriting-Camp, wenig Empfang, viel Zeit – und im Hintergrund der Schatten ihres viralen Hits: „Du bist wie“. Gerade dieser Kontrast prägt das Gespräch mit dem Trio, das seit kurzem unter dem Namen Laurenz Nikolaus unterwegs ist und sich mit einem Schlag mitten in der deutschsprachigen Popöffentlichkeit wiedergefunden hat. Über Gefahren in geglätteten Produktionen, ihren musikalischen Background, potenzielle Gamechanger sprechen Moritz, Isaak und Laurenz mit Dominik Beyer im Mica-Interview

Vom Produzentenprojekt zur Band

Kennengelernt haben sich die drei über andere Projekte in der Wiener Szene. Moritz und Isaak arbeiten seit Jahren als Produzenten, Moritz etwa für Verifiziert, Isaak für unter anderem für Eli Preiss oder Makko. Laurenz bringt seine Texte und die Dialektstimme mit. Da haben alle gemerkt, da ist was. Ursprünglich war das Ganze eher als loses Projekt rund um Laurenz’ Songs gedacht.

„Es war gar nicht so, dass es plötzlich um mich gehen sollte, auch wenn der Name der Band mein Name quasi ist“, erzählt Laurenz. Vielmehr sei die Idee gewesen, rund um seine Art zu singen einen gemeinsamen Sound zu bauen – reduziert, live spielbar, mit echter Bandenergie statt der Produktion im Kopf. Aus diesem „Schauen wir mal“-Projekt ist dann Schritt für Schritt eine Band geworden.

„Du bist wie“ – Segen, Druck und Demo-Kult

„Du bist wie“ entsteht ursprünglich fast nebenbei. Ein Song ohne großen Plan, geschrieben aus einem Spaßmoment heraus, ohne Zielrichtung, ohne Kalkül. Genau das hört man – und genau das geht auf TikTok plötzlich durch die Decke.

Der Druck, sagen die drei, sei dann vor allem von außen gekommen: Mails, Anfragen, Erwartungen. Wie schließt man da jetzt an? Glücklicherweise haben sie vor dem ersten Release im Juli gleich mehrere Songs geschrieben, sagt Moritz, die im Februar als Annemarie-EP veröffentlicht werden.
Intern versuchen sie, den Kopf ruhig zu behalten und das Ganze eher als Chance zu sehen. Wichtiger sei gewesen, nicht in einen Modus zu rutschen, in dem plötzlich nur noch „für viral“ geschrieben wird. Songs sollen als Ganzes funktionieren – live, auf Platte, inhaltlich – und nicht als 15-Sekunden-Hook.

Wie sehr die Musik der Band davor schon zirkuliert ist, zeigte sich beim ersten größeren Auftritt: dem Konzert am Popfest, an dem die Crowd die Songs schon mitsingen konnten, obwohl an jenem ersten Konzert auch die erste Single Single erschienen ist. „Wir hatten das Gefühl, unsere Demos haben sich wie ein Lauffeuer verbreitet“, erzählen sie. Freund:innen gaben Links weiter, irgendwann mussten die Dateien mit Passwort geschützt werden. Marketingplan war das keiner – eher ein Nebeneffekt von Begeisterung im Umfeld.

Dialekt als neue Sprache

Alle drei haben früher viel auf Englisch geschrieben. Wie so viele Acts der 2010er-Generation war das irgendwie gesetzt. Erst mit den neuen Songs – und mit Laurenz’ Dialekt – merkt das Trio, wie sehr sich Themen verschieben, wenn man in der eigenen Sprache schreibt.

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Dialekt ist dabei keine Folkloregeste, sondern Werkzeug: reduziert instrumentiert, viel Platz für Stimme und Text, oft im Dreivierteltakt. „Vielleicht ist es genau diese Mischung – wenig Schicksals-Pathos, viel Direktheit – die unseren Sound ausmacht“, sagt Laurenz. Gleichzeitig wollen sie sich nicht in eine enge Austropop-Schublade stellen. Die Band hört quer durch Genres, und das hört man: Pop, Indie, Hip-Hop-Produktion und Songwriter-Tradition greifen ineinander.

Verbunden fühlen sie sich mit einzelnen Alben und Künstler:innen, aber sie sehen sich nicht als Teil einer klar abgegrenzten „Dialekt-Bubble“. Die eigenen Wurzeln liegen eher in verschiedenen Szenen, die sich jetzt über das Projekt kreuzen.

Haltung statt Bierzelt-Parolen

Wenn es um Inhalte geht, sind Laurenz Nikolaus bemerkenswert reflektiert. Sie sprechen darüber, wie schnell Dialekt-Pop in Klischees, Nostalgie und reaktionäre Bilder kippen kann – gerade in Österreich. „Wir sind sehr vorsichtig, dass wir keine Zeilen raushauen, die in die falsche Bubble rutschen können“, sagen sie.

Stattdessen interessieren sie sich für Themen, die nah an ihrem Alltag und ihren Beziehungen sind, ohne ins Betroffenheits-Klischee zu fallen. Manche Motive – mentale Gesundheit, Unsicherheit, zwischenmenschliche Schieflagen – werden bewusst eher andeutend behandelt, um Emotionen zu öffnen, nicht zuzukleben. Dass die Songs zuerst entstehen und erst später bewertet werden, ist Teil ihrer Arbeitsweise: Zuerst Gefühl, dann Reflexion.

Auf die Frage, welche Zeile sie sich selbst tätowieren würden, hat Laurenz eine trockene Antwort: „‚Der Teufel tanzt im Volksgarten‘ – am besten so, dass man es oft sieht und weiß, dass man da nicht hingehen sollte.“ Rein zufällig ist das auch der Titel der heute erscheinen erscheinenden Single.

Moritz ergänzt lachend, es sei praktisch, wenn man betrunken im Cafe Rüdigerhof noch schnell auf die Hand schauen könne, und somit gewarnt ist. Ersteres sei überhaupt eine Art Allegorie von Laurenz Nikolaus. Darin sind sich alle einig. 

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Label, Team und „Anne-Marie-EP“

Nach dem TikTok-Erfolg standen plötzlich viele Türen offen. Majors aus Deutschland, verschiedene Labels, Bookings – alle wollten „mitreden“. Das Trio nimmt sich dennoch die Zeit, die passende Konstellation zu finden. Am Ende entscheiden sie sich für eine Zusammenarbeit mit Irrsinn in Berlin und dem Wien-Ableger Upstairs. Wichtiger als der größte Vorschuss ist ihnen ein Team, das die Band versteht und nicht nur auf schnellen Erfolg aus ist.

Auch bookingseitig stellt sich ein stabiles Umfeld ein: In Deutschland kümmert sich eine große Agentur, in Österreich ist Richie Petz an Bord. „Jetzt haben wir ein Team, mit dem wir echt gern arbeiten“, sagt Moritz.

Musikalisch bündelt sich der bisherige Weg auf der kommenden „Annemarie-EP“, die im Februar erscheinen soll. Vorab-Singles wie „Du bist wie“ und „Der Teufel tanzt im Volksgarten“ zeichnen den Rahmen vor, weitere Songs schließen die erzählerischen und soundästhetischen Linien zusammen. Ende Februar folgt dann auch die Tour, mit der die Band zeigt, dass der Hype auch auf der Bühne trägt.

Zwischen Mühle und Zukunftsplanung

Im Salzburger Songwriting-Camp richten Laurenz Nikolaus den Blick bereits darüber hinaus. Die EP ist fertig, die Master sind abgegeben, die nächsten Singles terminiert – und im Mühlental entsteht gerade das Material von übermorgen. Diesmal allerdings ohne Vorgaben, ohne „Wir brauchen noch genau DEN Song“, wie Isaak erzählt.

Die Band probiert unterschiedliche Stimmungen aus, gemeinsames aufnehmen vs. overdubbing, und schreibt weiterhin ohne inhaltliche Leitplanken. Als erfahrener Produzent erzählt Isaak auch über die Kluft zwischen der Soundvorstellung von Artist und Produzent. Auch dass es eine Glücksache ist, ob die Produktion die Emotion des Songs verstärkt oder verwässert. Es tut daher gut die Produktion in diesem Fall auf ein Minimum zu reduzieren und ein Maximum an Gefühl und Charakter herauszuarbeiten.

Für Moritz sei es wichtig „viele Sachen neu auszuprobieren“ – so komme man im Eifer des Gefechts auch erst gar nicht zum Grübeln oder zweifeln. „Es ist sehr spannend gerade“, fassen sie zusammen. Im Grunde versuchen sie jetzt ihr Handwerk nicht „umzuschulen“ und so zu produzieren wie damals. Was davon auf ein Album wandert, wird sich zeigen. Klar ist nur: Das Projekt, das als lockerer Versuch begann und durch einen „Zufall“ im Netz explodierte, versteht sich immer mehr als eigenständige Stimme im neuen Austropop – mit Dialekt, Haltung und einem ziemlich guten Gespür für den Moment, bevor der Teufel wieder im Volksgarten tanzt.

Dominik Beyer

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