Julian le Play zeigt sich mit seinem neuen Werk so nahbar wie nie: Mit „le Play unplugged“, das am 24. Oktober erscheint, legt der österreichische Popmusiker die Essenz seiner Songs frei – reduziert, poetisch und emotional aufgeladen. Begleitet von einem kleinen Orchester führt er sein Publikum durch drei musikalische Kapitel, die wie Lebensphasen klingen: Suchen. Finden. Loslassen. Zwischen intimen Arrangements, feinen Melodien und einer Stimme voller Wärme entsteht ein Album, das Vergangenes reflektiert und zugleich in die Zukunft weist. Statt großer Gesten setzt Julian le Play auf Nähe, Offenheit und die Kraft des Moments – ein persönlicher Klangraum, in dem Pop zur ehrlichen Erzählung über das Leben wird. Im Interview mit Michael Ternai spricht der Wiener darüber, warum er musikalisch wieder leisere Töne anschlägt, wie er das Liedermachertum für sich neu entdeckt hat und was hinter dem Konzept seines neuen Unplugged-Albums steckt.
Julian, wir führen das Interview hier in der Villa Lala. Es ist wirklich schön hier – und man spürt sofort die angenehme Arbeitsatmosphäre. Wie ist es eigentlich dazu gekommen, dass ihr euch mit euren Studios hier angesiedelt habt?
Julian le Play: Die Idee war, Musiker:innen ein Zuhause zu geben – weil so ein Ort, ein gemeinsamer Community Space, einfach extrem wichtig ist. Wo macht man Musik? Und vor allem: neben wem? Früher hatte ich immer das Gefühl, dass sich alle höchstens einmal im Jahr beim Amadeus Award treffen – und da waren dann alle sozial total ausgehungert, haben sich gefreut, sich endlich mal austauschen zu können oder überhaupt mit Leuten aus anderen Genres in Kontakt zu kommen. Vielleicht begegnet man sich noch backstage beim Donauinselfest oder auf einem Festival, aber sonst werkeln alle isoliert in ihren Studios vor sich hin.
Genau deshalb haben wir die Villa gegründet – um in Wien einen Ort zu schaffen, an dem echter Austausch passiert. Es gibt hier elf Studios, die fix an Residents vergeben sind. Das Schöne daran ist, dass sich hier eine richtige Familie von elf Produzent:innen gebildet hat, die jeweils mit ihren Künstler:innen arbeiten. Der eine arbeitet mit Sportfreunde Stiller, der nächste mit Bibiza, unten gerade doppelfinger – jeder hat sein eigenes Programm.
Drei Räume sind offen für alle – da kommen immer wieder Leute aus Deutschland oder den USA vorbei. Ab und zu finden hier auch Songwriting-Camps statt. Im Sommer gab es zum Beispiel ein Eurovision-Camp, bei dem Verlage und Labels das halbe Haus gemietet haben, um eine ganze Woche lang Songs zu schreiben. Das ist im Grunde das Konzept.
Nun zum eigentlichen Grund für das Interview. Du veröffentlichst ein neues Album. Es ist ein Unplugged-Album und zugleich aufgrund des Umfangs auch eine große Leistungsschau von dir. Wie bist du auf die Idee gekommen, das jetzt zu tun nach 15 Jahren?
Julian le Play: Ich hole ein bisschen aus. In den letzten 14 Jahren habe ich fünf Alben veröffentlicht – und in dieser Zeit hat sich unglaublich viel getan. Angefangen habe ich als klassischer Singer-Songwriter, mit Akustikgitarre und diesem klassischen Singer-Songwriter-Kostüm, das ich damals sehr mochte. Irgendwann wurde mir das aber zu eng – ich konnte es fast nicht mehr hören, wenn mich jemand Singer-Songwriter nannte. Nach und nach begann ich, mich stärker für Produktion und Synthesizer zu interessieren, habe viel herumprobiert und meinen Sound weiterentwickelt.
Beim dritten Album wurde alles deutlich poppiger und aufwendiger arrangiert – statt 15 Spuren hatten die Songs plötzlich 100. Wir haben uns damals in einem Bauernhof in Frankreich eingemietet und dort acht Wochen lang produziert. Das war eine extrem inspirierende Zeit. Mit dem vierten Album ging es in diese Richtung weiter: Es wurde noch poppiger, weil ich richtig Lust darauf hatte. Synthesizer kamen stärker zum Einsatz, ein bisschen Future Bass, und ich begann, mit neuen Produzenten zu arbeiten. Ich wollte nicht einfach nur Instrumente aufnehmen und dann mischen, sondern wirklich tief in die Produktion eintauchen – in die Beats, die Synths, die Gitarren.
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Das fünfte Album war dann ein weiterer, noch expressiverer Schritt. Ich wollte das Singer-Songwriter-Image bewusst aufbrechen. E-Gitarren kamen dazu, und das Album – „Tabacco“ – wurde rauer und lauter. Viele haben gesagt, es sei mein lautestes Album, und das stimmt wahrscheinlich auch. Es passte perfekt zu meiner Lebensphase damals – sehr energiegeladen, viel unterwegs, sehr expressiv.
Irgendwann habe ich aber gemerkt: Das war für mich das Maximum in Sachen Lautstärke und Energie. Andere können das vielleicht noch weiter steigern, aber für mich war da eine Grenze erreicht. Und da erinnerte ich mich an eine Tour, die mir mitunter am meisten Spaß gemacht hat – meine erste Theatertour vor zehn, zwölf Jahren.
Wir spielten damals nur in diesen alten K&K-Plüsch-Theatern – ganz unplugged. Mit dieser Erinnerung stellte sich plötzlich auch das Gefühl ein, dass ich das, was ich in den letzten sieben, acht Jahren so vehement attackieren oder ablegen wollte, wieder annehmen konnte. Als ich mir dann alte Songs von mir anhörte, dachte ich: „Na ja, das war eigentlich eh gut.“ Ich wollte mich nur davon distanzieren – so wie sich ein Jugendlicher von seinen Eltern abgrenzt. Später, nach dieser Phase, freundet man sich wieder mit ihnen an und denkt sich: „Eigentlich sind sie ja eh super.“ Das hängt sicher auch damit zusammen, dass sich meine Lebensphase verändert hat – und ich selbst wieder begonnen habe, ruhigere Musik zu hören.
Außerdem habe ich mir auch mit Blick auf das Publikum gedacht: Noch einmal ein Arena Open Air? Ich hatte zu dem Zeitpunkt ja schon zwei gespielt. Also kam ich zum Schluss: Nein, jetzt braucht es wieder das Konzerthaus, jetzt braucht es wieder diese Plüsch-Theater. Und ich wollte auch musikalisch wieder zurück zu den Wurzeln – auf 80 Spuren reduzieren und mich nur auf das Wesentliche konzentrieren. Auf der neuen Platte ist jeder Ton live, alles ist ganz auf die Grundsongs reduziert. Das war letztlich die Erkenntnis: Ich bin wieder bereit, dieses klassische Singer-Songwriting auf die Bühne zu bringen.
Das stelle ich mir gar nicht so einfach vor – so mir nichts, dir nichts zurück zu den Wurzeln zu gehen, die 100 Spuren plötzlich wieder auf einige wenige zu reduzieren. War dieses Umdenken nicht auch eine Herausforderung?
Julian le Play: Zuerst schon. Auch als wir wieder im Proberaum standen und an den Arrangements gearbeitet haben, war das eine Umstellung. Es gab dann aber noch einen zusätzlichen Anstoß: In dem Sommer, in dem ich über diese Reduktion nachgedacht habe, wurde ich von den Symphonikern zu einem Crossover-Projekt eingeladen. Da habe ich zum ersten Mal mit einem großen Orchester gespielt und gemerkt, dass sich meine Musik extrem gut dafür eignet, Streicher dazuzuarrangieren.
Im Proberaum war es anfangs trotzdem schwierig, weil ich noch das Bedürfnis hatte, hier und da etwas dazuzuspielen – vielleicht noch ein paar Synths oder zusätzliche Sounds. Aber dann war es eigentlich meine Band, die ich extra für die Tour zusammengestellt habe, die gesagt hat: „Nein, komm, probieren wir’s mal pur.“
Irgendwann habe ich dann meine Sturheit aufgegeben und gemerkt: Stimmt, ihr habt recht – das braucht’s gar nicht mehr. Wir sind zu acht, vier Streicher plus die Stammband. Und ich glaube wirklich, dass ich in diesem Setting am besten bin – und dass ich mich dadurch auch wieder stärker unterscheide.
Eine klassische Stammband-Besetzung kann mittlerweile fast jeder in Österreich – davon gibt es wirklich viele. Aber diese Art von Show, also etwas Erzählerisches, dieses Reduzierte, in Theatern mit Streichern, das gibt es eher selten. Und ich glaube, genau das ist eigentlich mein Kern.
Auf jeden Fall bekommt man von dir dieses Mal wirklich viel Musik zu hören. Das Unplugged-Album ist in drei große Teile unterteilt: Suchen, Finden, Loslassen. Spiegeln diese drei Kapitel auch in gewisser Weise dein musikalisches Schaffen wider. Du warst am Anfang ein Singer-Songwriter auf der Suche, hast dann den Pop für dich gefunden und lässt diesen mit eben diesem neuen Album wieder los.
Julian le Play: Eigentlich war die Motivation hinter diesen Kapiteln etwas sehr Persönliches. Aber ja, stimmt – ich habe noch nie wirklich darüber nachgedacht, doch im Grunde ist es so: Wenn du eine lange Karriere haben willst, egal wie erfolgreich sie ist, musst du musikalisch immer weitersuchen – oder dich selbst. Denn am Ende ist Musik nur dann echt, wenn sie wirklich ein Ausdruck von dir ist.
Sich zu suchen und im besten Fall auch zu finden – das gehört einfach dazu. Ich habe noch nie ein Album veröffentlicht, ohne vorher das Gefühl zu haben: Das ist es! Das ist das Geilste der Welt, was ich gerade mache. Manchmal zieht sich so eine Phase über zwei Alben, aber irgendwann musst du wieder loslassen und etwas Neues wagen.
Momentan beschäftige ich mich viel mit der Frage, wie man heute überhaupt als Newcomer durchkommt – das ist ja ein großes Thema, und es ist wirklich schwer. Ich hatte Glück. Aber genauso spannend finde ich die andere Seite: Wie geht man damit um, wenn man schon etabliert ist? Wie hält man sich oben? Ich glaube, es geht immer wieder darum, Dinge loszulassen und sich selbst neu zu sehen – fast so, als wäre man wieder ein Newcomer.
Ich beschäftige mich gerade viel mit diesem Thema, weil – wenn du das Gefühl hast, du bist schon jemand und hast schon einiges erreicht – das auch ziemlich viel Druck erzeugt. Wenn du dann aber bewusst sagst: Nein, ich tue jetzt so, als wäre ich wieder ein Newcomer, der gerade sein erstes Album schreibt, und alles, was du bisher gemacht hast, loslässt, dann entsteht plötzlich wieder ganz viel Freiraum.
Das ist ja auch ein interessantes Thema, das du ansprichst. Wie gehst du damit um? Du warst relativ schnell erfolgreich, wurdest im Radio gespielt und warst in aller Munde. Das bist du ja immer noch – aber von Album zu Album baut sich natürlich auch Druck auf. Wie bist du mit diesen Erwartungshaltungen umgegangen?

Julian le Play: Viel von dieser Erwartungshaltung ist eigentlich Einbildung – weil sie in Wahrheit vor allem aus einem selbst kommt. Ich bin ja nicht Prince, von dem die ganze Welt irgendetwas erwartet. Wenn ich morgen beschließen würde, mit dem Musikmachen aufzuhören, würde nichts Dramatisches passieren. Natürlich gäbe es Menschen, die das schade fänden, aber im Grunde wäre es egal. Und genau das zeigt: Die größte Erwartung ist immer die eigene.
Im Moment geht es mir damit sehr gut. In der Zeit, die du beschreibst, habe ich mit großen deutschen Labels gearbeitet, da war extrem viel los. Es wurde ständig vermittelt: Jetzt müssen wir die Welt erobern!, und dafür müsse man alle zwei Jahre ein neues Album veröffentlichen. Und ja, so war es auch.
Das hat sich jetzt aber verändert.
Julian le Play: Gott sei Dank habe ich dieses Tempo mittlerweile etwas reduziert. Was mir wirklich extrem geholfen hat, war dieser Ort hier – die Villa. Als ich hergekommen bin, hatte ich schon drei Alben veröffentlicht, und da war der Druck am größten, weil alles so gut funktioniert hatte. Ich hatte fast ein bisschen den Grund verloren, warum ich überhaupt Musik mache. Es ging plötzlich nur noch darum, anzuschließen – wieder ins Radio zu kommen, das passende Label zu finden, auf Verkaufszahlen zu schauen.
Wenn du so viel Zeit mit Menschen verbringst, die in dieser Denkweise sind, übernimmst du das automatisch ein Stück weit. Im Rückblick sehe ich es als Glück, dass mein damaliges Major-Label den Vertrag nicht verlängert hat. Das war im ersten Moment natürlich enttäuschend, aber im Nachhinein war es ein Segen. Es hat mir die Möglichkeit gegeben, kurz innezuhalten und zu sagen: Okay, ich habe jetzt keinen Druck. Niemand erwartet in acht Wochen ein neues Album. Ich habe dann eine Pause gemacht – und genau in dieser Zeit hat alles hier in der Villa begonnen. Plötzlich hatte ich viele junge Musikerinnen und Musiker um mich, viele Newcomer – und das hat mich enorm inspiriert.
Ein Bibiza zum Beispiel ist hier aufgetaucht – er hatte gerade seine ersten Sachen gemacht. Und auch andere. Da habe ich plötzlich wieder gesehen, worum es eigentlich wirklich geht: um Spaß und um Gemeinschaft. Genau so war es bei mir damals, als ich mit 16 in Australien mit einer Schulband angefangen habe, Musik zu machen. Plötzlich hatte ich dieses Gefühl wieder.
Hier in der Villa herrscht eine total labelfreie, erwartungsfreie Atmosphäre. Alle pushen sich gegenseitig, inspirieren einander – und viele stehen gerade erst am Anfang. Das hat mich unglaublich inspiriert. Und plötzlich hat es sich wieder richtig angefühlt zu sagen: Weißt du was, ich möchte einfach wieder so tun, als wäre ich ein Newcomer. Ich habe dann auch begonnen, mit ganz neuen Leuten zu arbeiten, und auf einmal war es mir überhaupt nicht mehr so wichtig, ob ich ein Riesenkonzert ausverkaufe. Viel wichtiger war, dass mir die Musik, die ich gerade mache, wirklich gefällt. Es war einfach ein großartiges Gefühl, wieder einen spielerischen Zugang zum Musikmachen zu haben.
Ich habe mir selbst vorgeschrieben: Die einzige Erwartungshaltung, die es geben darf, ist, dass es mir im Moment Spaß macht, Musik zu machen. Und das hat unglaublich viel Spaß gemacht – einfach hier mit Freunden spät nachts abzuhängen und einen Song zu schreiben.
Und dann ist auch die Erwartungshaltung an den Erfolg viel geringer geworden. Wenn du beim Musikmachen keinen Spaß hast, sondern eher unter Druck arbeitest, willst du zumindest den Erfolg erzwingen, um es „wieder gutzumachen“. Aber wenn du sowieso die allerbeste Zeit beim Musikmachen hast, dann ist der Erfolg eher ein Bonus. Diese Sichtweise hat sich hier stark verändert.
Das war ungefähr die Zeit rund um das vierte und fünfte Album. Es war tatsächlich dieser Ort hier, der das möglich gemacht hat. Ich will es jetzt nicht zu dramatisch ausdrücken, aber dieses Erlebnis hat mir zumindest wieder gezeigt, warum ich überhaupt mit dem Musikmachen begonnen habe und was wirklich wichtig ist. Es hat mich geerdet – und das merkt man, glaube ich, auch.
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Du bist ja dafür bekannt, dass du sehr viel Wert auf die Texte legst. Du hast einen sehr poetischen Zugang, der sich wunderbar mit deiner Stimme, deinem Gesang, deinem Ausdruck und der Musik verbindet. Wenn man nun auf dein Schaffen zurückblickt, erkennt man auch ganz deutlich Brüche und Entwicklungen – und ich glaube, genau das spiegelt sich sehr gut in diesen drei Kapiteln wider. Das ist das Suchen, das etwas Aufgewecktere, dann das Finden – man hat etwas gefunden und ist zufrieden – und das Loslassen, das meist mit Melancholie oder Trauer verbunden ist. War von Anfang an klar, dass du es so aufbauen willst, und was steckt tatsächlich hinter diesem Konzept?
Julian le Play: Nein, zu Beginn war mir das noch nicht klar. Die Idee kam mir, als ich beschlossen habe, musikalisch ein paar Schritte zurückzugehen und eine Art „Anpacktour“ zu machen. Nach fünf Alben hatte ich einfach Lust darauf.
Dann war für mich schnell klar, dass es keine gewöhnliche Unplugged-Tour werden sollte. Klassische Unplugged-Konzerte finde ich oft ziemlich langweilig: Man nimmt die Songs, spielt sie auf Akustikgitarren hintereinander, stellt eine Stehlampe hin und legt einen Teppich auf den Boden – in so einem Setting habe ich schon einige richtig fade Abende erlebt.
Wenn wir schon ins Theater gehen, sollen die Abende eine eigene Dramaturgie haben. Ich merke selbst, dass mir solche Abende dann viel mehr Spaß machen, wenn ich quasi ein „Drehbuch“ oder Playbook habe, an dem ich mich orientieren kann. Also habe ich überlegt: Welche Kapitel oder Themen im Leben kennt eigentlich jeder, mit denen ich arbeiten kann?
Vor zehn Jahren habe ich zum Beispiel die Vier Jahreszeiten verwendet und fand das einfach großartig. Das wollte ich aber nicht wiederholen – ich brauchte etwas Neues. Und dann entstand die Idee eher aus persönlichen Gründen: Damals musste ich selbst etwas loslassen und habe mich stark mit dem Thema beschäftigt. Ich dachte mir: Jetzt muss ich schon wieder etwas loslassen.
Da kam mir der Gedanke, dass das vielleicht der ewige Kreislauf im Leben ist: suchen, finden, loslassen – und dass man sich damit einfach abfinden sollte, statt sich dagegen zu wehren. Ich habe mich umgeschaut und gedacht: Ja, so ist es – dieser Kreislauf zieht sich durch jedes Lebensgebiet.
Bei der Liebe sucht man, findet, lässt wieder los. Im Beruf sucht man etwas, findet etwas, und dann merkt man, dass man auch hier wieder loslassen muss. Ein Wohnort, ein Zuhause, ein Bild von sich selbst – alles unterliegt diesem Muster.
Und plötzlich saß ich eines Nachts da und hatte eine Art Eingebung: Das sind eigentlich die drei Zustände – und quasi jede Emotion lässt sich einem dieser Kapitel zuordnen. Diese positive Freude, die schöne Neugier, einfach hinauszugehen, etwas zu suchen, etwas zu finden – in einem Moment sich bei einem Menschen wohlzufühlen, auf einem Konzert allein anzukommen und wieder loszulassen. Dann habe ich meine Songs vor mir ausgebreitet und gedacht: Das könnte ein Konzept für die Tour sein, weil es auch so stark publikumsbezogen ist. Ich wollte die Leute ein Stück weit abholen, weil ich auf meinen Konzerten schon ganz deutlich gespürt habe, dass sie mit ihren eigenen Geschichten kommen.
Die Menschen erzählen mir das ja immer wieder, woran sie gerade sind: dass sie eine schwere Zeit durchgemacht oder gerade einen Verlust erlebt haben oder sie berichten mir von ihrer Beziehung, weil sie gerade geheiratet haben. Sie erzählen mir immer irgendetwas über Suchen, Finden, Loslassen.
Ich dachte mir, es wäre wirklich schön, einen Konzertabend zu gestalten, bei dem die Leute sich nicht nur in einzelnen Songs wiederfinden, sondern gemeinsam mit mir durch diese Themen gehen. Und dann ist es eigentlich ganz von selbst entstanden. Ich habe jeden Song, den ich geschrieben habe, durchgeschaut und konnte ihn tatsächlich jedem der drei Kapitel zuordnen.

Es gab ein paar Grenzfälle, weil sich Suchen und Loslassen oft überschneiden. Man hat schon losgelassen, und es geht quasi wieder von vorne los. Bei einigen Songs war das der Fall, aber ansonsten war klar, wohin ein Song kommt.
Letztlich ist es, glaube ich, eine sehr besondere Show geworden, weil ich auch viel mit den Leuten rede. Klar geht es um die Musik, aber ich erzähle auch die Geschichten hinter den Songs und generell viel über die einzelnen Kapitel. So entsteht ein richtiger Dialog zwischen dem Publikum und mir. Ich frage sie: Wer sucht etwas? Wer hat etwas gefunden? Wer muss etwas loslassen? Und da kommen oft unglaublich offene und schöne Antworten. In manchen Rezensionen von Besucher:innen habe ich gelesen, dass das Konzert fast schon wie eine kleine Therapiesitzung wirke, weil sich die Menschen so gemeinsam öffnen.
Du bist alle deine Lieder durchgegangen, um zu sehen, welche ins Konzept passen. Gab es dabei vielleicht den einen oder anderen Lieblingssong von dir, der dem Konzept zum Opfer gefallen ist?
Julian le Play: Es ist tatsächlich der ein oder andere Hit auf der Strecke geblieben – ganz einfach, weil manche Songs akustisch nicht so gut funktioniert haben wie andere B- oder C-Sides. Ich habe auch ganz bewusst gesagt, dass ich mit dem Album und dem Programm ein paar Songs wieder ins Licht rücken möchte, die nicht die großen Hits waren, mir aber sehr am Herzen liegen. Ich wollte von jedem Album ein paar dieser kleinen Juwelen ausgraben, die ich ewig nicht gespielt habe.
Und wie bist du ihnen begegnet, als du sie wieder gespielt hast?
Julian le Play: Wie alten Freunden, die man nach langer Zeit wiedertrifft. Es gab Stücke aus den ersten beiden Alben, bei denen ich mir dachte: „Wow, das habe ich mit 22 geschrieben?“ – und ich war manchmal wirklich stolz darauf. Da sind Songs dabei, die teilweise besser sind als manches, was ich heute mache. Ich habe mich beim Wiederhören oft gefragt: Wer war eigentlich der Typ, der das geschrieben hat? Vor allem bei manchen Texten. Heute weiß ich gar nicht mehr, wie ich damals auf solche Ideen gekommen bin. Dieses Durchhören war wie ein Wiederverbinden mit meinen Anfängen.
Deine Alben sind von einer stetigen musikalischen Entwicklung geprägt. Inwieweit gibt das Unplugged-Album vielleicht auch einen Hinweis darauf, wohin es künftig gehen wird?
Julian le Play: Die Frage stelle ich mir natürlich gerade selbst – ich bin mitten im Schreibprozess und kann sie deshalb noch nicht endgültig beantworten. Im Moment zieht es mich in verschiedene Richtungen.
Was ich aber merke: Ich habe große Lust, Songs zu schreiben, die wie Klassiker klingen. Nicht, weil ich glaube, dass sie es werden, sondern weil sie diese Zeitlosigkeit haben. Mich zieht es gerade sehr zu Musik hin, die Bestand hat – die man auch in zehn Jahren noch gerne hört.
Alles, was laut, grell und zu sehr dem Zeitgeist hinterherläuft, stößt mich im Moment eher ab. Am meisten Freude macht es mir gerade, einfach wieder am Klavier oder an der Gitarre zu sitzen und ganz reduziert Musik zu machen. Und wenn man einmal entdeckt hat, wie schön Streicher und klassische Elemente klingen können, dann lässt einen das schwer wieder los.
Vielen Dank für das Interview.
Michael Ternai
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Julian le Play live:
07.12.25 Wien, Konzerthaus (LE PLAY UNPLUGGED – Weihnachtsshow)
13.03.26 Knittelfeld, Kulturhaus Knittelfeld (le Play Unplugged)
14.03.26 Wiener Neustadt, Stadttheater (le Play Unplugged)
18.03.26 Salzburg, Szene (le Play Unplugged)
19.03.26 Linz, Brucknerhaus (le Play Unplugged)
20.03.26 Amstetten, Johann-Pölz-Arena (le Play Unplugged)
21.03.26 Innsbruck, Congress – Saal Innsbruck (le Play Unplugged)
18.06.26 Graz, Kasematten (le Play Unplugged)
03.07.26 Wien, Arena Open Air & Große Halle (töchtersöhne Fest)
04.07.26 Wien, Arena Open Air & Große Halle (töchtersöhne Fest)
04.07.26 Latschach, Burgarena Finkenstein (le Play Unplugged)
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