Der Singer-Songwriter Douglas Linton stammt aus Texas, lebt inzwischen in Wien und veröffentlicht im Jänner 2025 sein zweites Album „Lucky 13“. Mit Jürgen Plank hat Linton darüber gesprochen, warum die Albumpräsentation als Benefiz-Veranstaltung für die VinziRast im Porgy & Bess stattfinden wird und welche musikalischen Gäste am Album mitspielen. Etwa Hans Theessink, der bei einem Lied als Co-Autor fungiert hat und im Porgy ebenfalls live zu sehen sein wird. Außerdem erzählt Linton, welchen Einfluss der Dichter John Donne aus dem 16. Jahrhundert auf sein Songwriting hat.
Dein neues Album heißt „Lucky 13“, was ist der Glücks-Anteil bei dieser Sammlung von 13 Lieder?
Douglas Linton: Die einfache Antwort darauf lautet: es gab noch ein paar liegen gebliebene Aufnahmen aus dem Jahr 2016, die zum Teil nicht ganz fertig ausgearbeitet waren. Danach habe ich mit meiner Band als DOUGLAS LINTON & THE PLAN Bsein Album veröffentlicht und als ich ein bisschen Geld zusammen hatte, dachte ich: wenn ich mir eine neue Gitarre kaufe, macht mich das nicht zu einem besseren Gitarristen. Die angefangenen Lieder sollten aber nicht verloren gehen und so habe ich begonnen eine Song-Liste zu erstellen, mit 13 Liedern. Weil die Zahl 13 aber als Unglückszahl gilt, habe ich den Titel „Lucky 13“ gewählt.
Welche Antwort gibt es noch?
Douglas Linton: Nun, meine Lieder handeln oft von Momenten der Entscheidung oder von Momenten, in denen Menschen etwas realisieren. Etwa, worum sie ihr Leben in Jahrzehnten aufgebaut haben. Oder sie realisieren, dass sie gerade einen Schlüsselmoment in ihrem Leben erreicht haben. Es gibt solche Momente, die wir nicht als Wendepunkte erkennen, bis wir sie als solche erleben.
Glücklicherweise hast du auch Gast-Musiker:innen am Album. Wie ist es gekommen, dass Hans Theessinkmit dabei ist und bei einem Lied auch am Text mitgeschrieben hat.
Douglas Linton: Neben Hans Theessinksind unter anderem auch Erik Traunerund Helmut Mitteregger dabei. Hans Theessinkhat ein Konzert von mir und meiner Band in der Sargfabrik gesehen. An diesem Abend war ich zu Beginn des Konzertes als Boxer verkleidet und Theessink hat mich in dieser Aufmachung im Foyer gesehen. Ich habe zu ihm gesagt: es ist mir eine Freude, Sie zu treffen, bitte entschuldigen Sie mein outfit. Ich
habe ihn nach dem Konzert kontaktiert, mich bei ihm bedankt und gefragt, ob er im darauffolgenden Jahr mit uns auftreten möchte. Er war so freundlich im folgenden Jahr mit uns zu spielen und uns auch einzuladen bei seinem legendären Birthday-Bash-Konzert zu spielen.
„HANS THEESSINK IST EINE LEGENDE, FÜR MICH WAR ES AUFREGEND MIT IHM GEMEINSAM EIN LIED ZU SCHREIBEN“
Wie kam es in weiterer Folge dazu, dass Theessink eine Strophe zum Lied „Beautiful“ geschrieben hat?
Douglas Linton: Ich habe ihm das Lied geschickt, mit der Anmerkung, dass es großartig wäre, wenn er dazu auch etwas Text beisteuern könnte. Er hat sehr freundlich geantwortet, das Lied wäre gut, wie es ist. Etwa eine Woche später hat er mir geschrieben, ihm wäre doch eine Strophe zu meinem Lied eingefallen. Zu diesem Zeitpunkt war er gerade an der Nordsee. Die Strophe hat perfekt gepasst. Üblicherweise überlegt man beim Schreiben eines Liedes, welche Struktur es hat und worum es gehen könnte. Bei einem Lied über das Meer geht es zum Beispiel um den Strand und den Sand und die Meeresvögel. Und Hans hat eine Strophe über Vögel geschrieben. Perfekt! Hans Theessink ist eine Legende, für mich war es aufregend mit ihm gemeinsam ein Lied zu schreiben.
Außerdem ist als Gast Helmut Mitteregger dabei, er spielt unter anderem Mandoline und ist im Bereich Bluegrass ein Star und in ganz Europa mit seiner Band Nugget bekannt.
Douglas Linton: Helmut Mittereggerist nicht nur als Musiker herausragend, er ist auch ein unglaublich netter Mensch. Er ist wie ein weiser Mann oder ein musikalischer Guru. Ich sah ihn bei der Klangfarbe und er wusste, wer ich bin und was meine Band macht. Als ich einen Bluegrass-Song geschrieben habe, war mir klar, dass ich ihn fragen würde, ob er mitmachen möchte. „One more night“ ist ein Lied über einen LKW-Fahrer, der von einem Zug gerammt wird. Und auch bei „The Lovers“ hat er das Solo auf sehr berührende Weise gespielt. Ich kann sagen: alles, was er auf dem Album macht, hebt das Album eine Stufe höher.
„ICH NEHME EINEN SONG, SO WIE ER ZU MIR KOMMT UND BIN DANKBAR DAFÜR, DASS ICH IHN SCHREIBEN KANN“
Das neue Album geht für mich mehr in Richtung Blues, im Vergleich zum Debüt „Gloryland“. Inwiefern stimmst du mir zu und in welche Richtung entwickelt sich dein Songwriting gerade?
Douglas Linton: Es gibt diesen Ausspruch von Bob Dylan, der sinngemäß gemeint hat: es gab eine Zeit bevor Musik in Genres eingeteilt wurde. Ich denke, er hat versucht unbefangen von Zuschreibungen zu komponieren. Ich mag diese alten Folk-Alben, das können auch die fieldrecordings von JohnundAlan Lomax sein, die in der Zeit aufgenommen wurden, in der Radio entstanden ist. Die Musik hatte eine große Diversität und es ging nicht um Stilfragen. Ich nehme einen Song, so wie er zu mir kommt und bin dankbar dafür, dass ich ihn schreiben kann. Ich versuche einfach Lieder zu schreiben, die mir gefallen, ohne an einen bestimmten Stil zu denken. Ich komme aus einer Americana-Folk-Tradition, versuche aber nichts zu replizieren, sondern diese Traditionen in die heutige Zeit zu führen. Die Künstler:innen früher haben das auch gemacht: Leute wie Son House oderMississippi John Hurtwaren einfach sie selbst. Das versuche ich auch und ich bin gleichzeitig dankbar für das Erbe, das solche Leute uns hinterlassen haben.
Wie ist die Idee entstanden, die Albumpräsentation zugunsten der Einrichtung VinziRast zu veranstalten?
Douglas Linton: Als ich mich dem Thema Albumpräsentation angenähert habe, habe ich mich zu sehr im Mittelpunkt gefühlt. Also habe ich überlegt, was ich machen könnte. Meine Frau arbeitet als Freiwillige bei der Notschlafstelle der VinziRast und organisiert die Abenddienste. Ich bin ihrem Beispiel gefolgt und koche dort ungefähr ein Mal pro Monat. Hans TheessinksFrau Milica hatte die Idee zum Benefiz. Sie meinte: ihr solltet mal ein Benefiz-Konzert miteinander machen. An diese Idee habe ich mich erinnert und sie umgesetzt. Ein Benefiz zu machen, gibt einer Albumpräsentation eine größere Dimension.
Was kochst du in der VinziRast? Gerichte aus dem Süden der U.S.A. wie Red Beans And Rice?
Douglas Linton: Ja, schon eher texanische Küche, ich koche auch mal ein Gumbo, ein Chilli oder Peach Cobbler.
Ein Lied am Album trägt den Titel „I’ve Always Wanted to Play a Wedding“. Ist das eine wahre Aussage und hast du bereits auf einer Hochzeit gespielt?
Douglas Linton: In einem Jahr habe ich mit meiner Band auf zwei Hochzeiten gespielt. Eine davon war die Hochzeit meiner Tochter und so ist die Idee zu diesem Lied entstanden. Aus dem Gedanken heraus: es ist cool auf einer Hochzeit zu spielen. Das Lied erzählt die Geschichte von einem Menschen, der sozusagen schon alles erlebt hat. Nur auf einer Hochzeit zu spielen, fehlt diesem Menschen noch als Erfahrung und das ist eine lustige Ambition. Ich habe das Lied natürlich auch auf der Hochzeit meiner Tochter in Texas gespielt, das war schön: Der Himmel war blau und ich habe versucht, nicht zu weinen.
Von welchen Sänger:innen bzw. Songwriter:innen lässt du dich inspirieren?
Douglas Linton: Manche meiner Liedtexte sehe ich wegen der verwendeten Metaphern wie Gedichte, ich will damit nicht sagen, dass ich ein Poet bin. John Donne, ein Poet aus dem 16. Jahrhundert, hat diese wunderschönen Gedichte geschrieben, die reich an Metaphern sind. Auch die Gedichte von William Blake haben eine visionäre Kraft. Diesen Geist versuche ich aufzugreifen. An der Universität hatte ich einen guten Professor für Poesie aus dem 16. Jahrhundert und wir haben viele Gedichte gelesen, die mich inspiriert haben. Lieder wie „Roanoke“ oder „When the morning comes“ sind für mich mehr wie Gedichte.
Welche Inspirationen gibt es noch für dich?
Douglas Linton: Als ich „When the morning comes“ geschrieben habe, habe ich gerade die Autobiographie von Ulysses Grantgelesen. Er war ein General der Nordstaaten im Amerikanischen Bürgerkrieg und später Präsident der Vereinigten Staaten und er beschreibt die Brutalität des Krieges. Das Lied ein Lied über Angst. Es beginnt mit jemandem, der in unserer Gesellschaft Ängste verspürt und es transformiert sich dann hin zu jemanden, der im Mittelalter in den Krieg zieht. Die Figur weiß, dass sie nicht überleben wird. Auch solche Quellen inspirieren mich, wenn ich mit Metaphern und Bildern in Liedtexten arbeite.
„ICH MÖCHTE, DASS DIE LIEDER STRIKING SIND“
Wie sieht es aus mit anderen Musiker:innen als Inspiration?
Douglas Linton: Da fällt mir eine Geschichte zum Lied „Birds“ ein. Ich habe mich immer wieder mit meinem Freund Garry Brennandgetroffen und wir haben miteinander Musik gemacht. Garry hat einige CDs selbst produziert, die er an Freunde und Arbeitskolleg:innen verteilt hat. Durch ihn habe ich begonnen mich meinem eigenen Songwriting zu nähern, „Birds“ haben wir miteinander geschrieben. Auf Texte hat er nicht besonders viel geachtet, aber er hat mit einem Riff herumgespielt und dazu das Wort birds gesungen. Und daraus habe ich dann das Lied „Birds“ gemacht. Garry ist leider recht jung verstorben, aber er hat mir beigebracht, wie man Lieder schreiben kann. Er hatte einen großartigen Humor und Charakter und er fehlt mir jeden Tag.
Was möchtest du beim Songwriting umsetzen?
Douglas Linton: Ich möchte, dass die Lieder striking sind. Dass sie eine rhythmische Komponente oder eine andere überraschende Wendung beinhalten. Meine Lieder sollen eine gewisse Intensität haben. „Lucky 13“ ist kein ruhiges, reflektiertes Album. Es ist auch herausfordernd und versucht intensive Momente zu erzeugen, zum Beispiel mit dem mehrstimmigen Gesang. Manchmal singe ich die zweiten Stimmen selbst, ähnlich wie bei den Louvin Brothers oder bei den Everly Brothers.
Herzlichen Dank für das Interview.
Jürgen Plank
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Live:
10.1.2025, Porgy & Bess, Wien, 20:30h
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