Wenn man darauf trommeln kann, ist die Wahrscheinlichkeit recht hoch, dass es Tobias Steinberger schon gemacht hat. Der Tiroler Perkussionist bespielt alles, was musikalisch schlagbar ist mit großer Virtuosität. Im Gespräch erzählt er von seiner Leidenschaft für Schlaginstrumente, dem Leben als freischaffender Musiker und davon, warum Live-Musik unersetzbar ist.
Tobias, wann war für dich klar, dass du Musiker werden möchtest?
Tobias Steinberger: Schon im Alter von 15 Jahren. Ich habe das Musikgymnasium in der Fallmerayerstraße besucht – da waren viele andere, die auch musikbesessen waren. Es gab auch nie einen echten Plan B. Aber wenn ich nicht Musiker geworden wäre, dann vielleicht Fitness-Trainer. Da wäre allerdings nie die gleiche Leidenschaft dahinter gewesen. Musik war für mich immer mehr als ein Beruf – sie war und ist eine Notwendigkeit.
Du hast später Schlagwerk am Mozarteum Innsbruck und der Anton Bruckner Uni in Linz studiert. Was hat dich in dieser Zeit geprägt?
Tobias Steinberger: Ich habe extrem viel geübt. Jeden Tag. Stundenlang. Es war nicht nur das Training an den Instrumenten, sondern auch das Suchen nach einem eigenen Zugang zur Musik. Inspiration kam von Leuten wie Jarrod Cagwin oder später Helge Andreas Norbakken. Norbakken hat eine eigene Klangästhetik geschaffen, die mich tief berührt hat. Auch die Musik von Antonio Sanchez zu Birdman war so ein Aha-Moment, weil sie zeigt, wie sehr Percussion ein ganzes Narrativ tragen kann.
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Gibt es aktuell Kolleginnen oder Kollegen, die dich besonders inspirieren?
Tobias Steinberger: Ja, viele. Bernhard Schimpelsberger zum Beispiel, oder Golnar Shahyar – eine wunderbare iranisch-kanadische Musikerin. Sie macht Musik mit einer Tiefe, die mich sehr berührt. Und dann natürlich auch Leute wie Manu Delago – seine 1500 Kilometer Recyclingtour während der Pandemie war für mich ein Lichtblick. Solche Projekte zeigen, was Musik auch gesellschaftlich leisten kann.
Wie würdest du heute deinen Zugang zur Musik beschreiben?
Tobias Steinberger: Musik ist für mich eine Abstraktionsfläche. Sie ist eine der offensten Kunstformen. Es gibt nicht die eine Aussage. Ich weiß oft selbst nicht, was sie alles in Menschen auslösen kann – und das ist das Schöne. Jeder und jede findet etwas anderes darin. Ich versuche, immer für die Menschen zu spielen. Das klingt vielleicht simpel oder abgedroschen, aber genauso ist es: Da gibt es ein Gegenüber, das Interesse an dem hat, was ich tue. Das ist eigentlich der Kern.
Ist dein Verhältnis zur Musik im Laufe der Jahre routinierter geworden?

Tobias Steinberger: Nein, überhaupt nicht. Ich versuche immer, Stücke neu zu spielen. Die Red Hot Chili Peppers haben mal gesagt, dass sie ihre Songs jedes Mal neu interpretieren – das versuche ich auch. Und Percussion ist so abwechslungsreich: Du kannst dich in tausend verschiedene Dinge reinhauen, immer vielseitiger und besser werden.
Wie ist das Leben als freischaffender Musiker?
Tobias Steinberger: Ganz ehrlich: es ist ein Daily Struggle. Die Gagen werden mit der Zeit zwar besser, aber man muss jedes Mal neu verhandeln. Sicherheit gibt es kaum. Ich habe immer wieder Nebenjobs gemacht: Ich arbeite als Industriekletterer, in einer Tischlerei oder gebe Workshops. Aber ich muss auch aufpassen – meine Hände sind mein Kapital. Da darf nichts passieren. Trotz alledem muss ich sagen: Es ist es wert. Ich kann genau das machen, was ich machen will. Und dieses Gefühl, wirklich am richtigen Platz zu sein, wiegt vieles auf.
Hattest du auch Zeiten des Zweifelns?
Tobias Steinberger: Klar. Oft sogar. Ich glaube, fast jeder Musiker kennt dieses Gefühl von Inkompetenz – das Imposter-Syndrom. Ich habe auch mal ein paar Wochen in New York studiert, bei großartigen Musikerinnen und Musikern, die sich alle irgendwie mit Nebenjobs über Wasser hielten. Und trotzdem war da immer dieser gemeinsame Wille zur Musik. Das verbindet. Zweifel gehören dazu – aber sie bringen dich auch weiter, wenn du lernst, durch sie durchzugehen.
Wie ist das bei Live-Auftritten – überwiegt da Freude oder Nervosität?
Tobias Steinberger: Beides. Ich bin immer nervös, kurz vor dem Auftritt geht mir die Pumpe (lacht). Aber genau das ist es, was ich liebe. Die Bühne ist kein sicherer Ort – selbst bei Stücken, die man schon hundertmal gespielt hat, ist jede Situation neu. Das macht den Reiz aus. Live-Musik ist unersetzbar. Vor Publikum zu spielen, ist wie eine Feedbackschleife der eigenen Performance. Man spürt sofort, ob etwas ankommt oder nicht. Es gibt Stücke, die fühlen sich sicherer an – aber auch darin kann Überraschung liegen.
Hast du ein konkretes Beispiel für diesen Nervenkitzel?
Tobias Steinberger: Ich hatte mal eine Konzertreihe mit einer Kollegin, bei der wir nur frei improvisiert haben. Null Plan, einfach zuhören und reagieren. Das war unberechenbar – aber meistens war’s mega, manchmal auch ein Reinfall. Aber es hat mich musikalisch sehr geschärft. Du musst im Moment sein. Komplett präsent. Und wenn es klappt, dann entsteht etwas Einmaliges. Genau für solche Augenblicke bin ich Musiker geworden.
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Wie schaffts du es, neben der Musik einen Ausgleich zu finden?
Tobias Steinberger: Da läuft bei mir ganz viel übers Sporteln. Ich gehe fast täglich ins Fitnessstudio, mache auch Jiu-Jitsu. Sport ist für mich therapeutisch. Egal, was mich beschäftigt – nach einem Workout sieht alles wieder besser aus. Manchmal gehe ich direkt vom Training auf die Bühne. Dann bin ich ausgepowert, ruhig und fokussiert. Für mich ist das eine gute Kombination. Und ich glaube, man muss gut auf sich selbst achten, wenn man künstlerisch arbeiten will. Das kommt immer mehr bei Musiker:innen und Kunstschaffenden an, die meisten leben sehr gesund, weil sie wissen, wie wichtig das ist.
Du arbeitest gerade auch an einem Duo-Projekt mit deiner Frau, die Luft-Akrobatin ist. Was dürfen wir da erwarten?
Tobias Steinberger: Etwas ganz Neues. Wir wollen Klang und Bewegung verbinden. Das ist gerade noch in der Konzeption, aber die Idee ist, eine gemeinsame Sprache zwischen Luftartistik und Percussion zu entwickeln. Auch das wird eine Herausforderung – aber ich liebe Herausforderungen. Es ist ein schönes Gefühl, wenn man mit jemandem, der einem so nah ist, etwas völlig Eigenes erschaffen kann.
Letzte Frage: Wenn du in einem Satz sagen müsstest, warum du das alles machst – welcher wäre das?
Tobias Steinberger: Ich mache Musik für die Menschen. Für ein Gegenüber, das sich berühren lässt. Und für die Möglichkeit, gemeinsam in andere Welten abzutauchen – zumindest für ein paar Stunden.
Interview: Jakob Häusle
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Auftritte:
Listening closely
Am 29. Mai ist Tobias Steinberger am Barockschlagwerk zusammen mit Giovanni Antonini und Sheng-Fang Chiu an den Blockflöten im Projekt „Travels in Time“ zu sehen. Innsbruck, IVB-Verwaltungsgebäude, 18.30 Uhr.
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Dieses Interview stammt aus einer Kooperation gemeinsam mit der Tiroler Straßenzeitung 20er (link: https://20er.at/).
