Mit seinem gefeierten Debüt „Speedrunning“ machte PANDE alias Dominik Pandelidis erstmals auf sich aufmerksam – nun folgt mit „25/26 Missed One“ (VÖ: 13.6.) ein noch persönlicheres Werk. Das Album erzählt von einem verlorenen Jahr, von Trauer, Identität und Zugehörigkeit im digitalen Zeitalter. Musikalisch verwebt PANDE 90s-Indie, Post-Hardcore und modernen Pop zu einem emotional dichten Soundtrack, der zwischen Melancholie und Aufbruch changiert – intim, energiegeladen und schonungslos ehrlich. Im Interview mit Michael Ternai spricht der aus Oberösterreich stammende Musiker über seine offene musikalische Herangehensweise, seine Liebe zum fetten Drumsound und die tiefgründigen Themen, die er in seinen Songs verarbeitet.
Das letzte Interview, das du mit uns geführt hast, war vor einem Jahr – anlässlich deines Debüts. Jetzt sitzen wir schon wieder zusammen, um über dein neues Album zu sprechen. Wie kam es, dass es so schnell ging? Hattest du bereits viel Material parat, oder hat dich einfach die kreative Energie gepackt?
Pande: Das ist in gewissem Maße meiner Arbeitsweise geschuldet – und auch dem Umstand, dass einfach schon viel Material da war. Ich habe das Projekt quasi mit zwei Songs gestartet: „Speedrunning“ und „Happier“. Zu meiner Überraschung hat „Speedrunning“ auf Spotify nach kurzer Zeit schon einiges erreicht, und auch „Happier“ schaffte es ziemlich schnell in die FM4-Rotation.
Irgendwann wurde ich dann von Leuten vom GIKK gefragt, ob ich nicht meine erste Show bei ihnen im Kramladen spielen will. Ich habe natürlich zugesagt – obwohl ich eigentlich noch kaum weitere Songs hatte.
Deshalb habe ich mich im Sommer vor zwei Jahren intensiv dem Schreiben gewidmet – sehr stiloffen, weil es gar nicht anders ging. Am Ende hatte ich 15 Songs beisammen, die ich dann auch bei diesem Konzert gespielt habe. Aus diesen Songs ist dann logischerweise auch mein erstes Album entstanden. Auf dem neuen Album finden sich aber ebenfalls noch ein paar Stücke aus dieser ersten langen Writing-Session – ergänzt durch neue Songs, die sich stilistisch und thematisch gut einfügen.
Ein weiterer Aspekt, der das neue Album prägt und es vom Debüt unterscheidet, ist die Art der Produktion. Manche Songs habe ich – wie zuvor – komplett allein gemacht. Für andere bin ich für die Drums noch zu Marco Kleebauer (u.a. Leyya, Sharktank; Anm.), mit dem ich auch schon beim ersten Album zusammengearbeitet habe, ins Studio gegangen.
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Insgesamt sind also relativ viele Songs entstanden. Ich bin aber nicht jemand, der alles sofort rausbringt. Manchmal hat man so Wellen – und wenn dabei etwas entsteht, das einen wirklich begeistert, sollte man es nicht allzu lange liegen lassen.
Ich habe das erste Album ja nicht physisch herausgebracht – als kleiner oder mittelgroßer Artist ist man da immer ein bisschen limitiert. Am Ende hat man dann 100 Vinyls herumliegen, die man irgendwie an den Mann oder die Frau bringen muss. Diesmal habe ich mir gedacht: Gut, ich habe zwölf Songs, die gut zusammenpassen, sowohl stilistisch als auch thematisch. Die würde ich gerne auf eine Platte bringen – also mache ich das jetzt einfach.
Weil du gerade auch die stilistische Breite erwähnt hast. Auch das neue Album geht stark in diese Richtung. Es kommt in den Songs musikalisch sehr viel zusammen. Was letztlich überall aber durchschwingt, ist ein Vibe der 1990er Jahre.
Pande: Ich habe irgendwann gemerkt, dass ich musikalisch eigentlich nur das gut kann, was ich auch wirklich kenne. Meine großen Einflüsse waren vor allem Rock- und Indie-Sachen aus den 1990ern und den frühen 2000ern – egal ob Radiohead, Blur oder später dann die Arctic Monkeys. Mit dieser Musik bin ich einfach sozialisiert worden. Auch gitarrenlastigere Bands wie Bombay Bicycle Club haben eine wichtige Rolle gespielt.
Ich glaube, gerade wenn man in den Teenagerjahren oder frühen Zwanzigern musikalisch interessiert ist, prägt einen die Musik aus dieser Zeit besonders – und man lernt sie irgendwie intuitiv. Du überlegst dann nicht groß, wie man einen Song im Stil der 1990er oder 2000er schreibt – du machst es einfach.
Ich versuche zwar immer wieder, auch modernere Einflüsse einfließen zu lassen, und das hört man teilweise auch. Aber das ist gar nicht so leicht. Am Ende greifst du doch auf das Vokabular zurück, das du beherrschst – das ist gewissermaßen deine musikalische Muttersprache. Es sind die ersten Dinge, die mich begeistert haben – und die für mich nach wie vor am besten funktionieren.
Trotz der stilistischen Vielfalt wirkt das Album in sich sehr stimmig und rund. Wie gelingt es dir, all diese Einflüsse unter einen Hut zu bringen und in einem gemeinsamen Sound zu vereinen? Hast du da eine Art Zauberformel?
Pande: Ich glaube, in meinem Fall liegt es vor allem daran, dass ich viele stilistische Vorlieben habe, die unabhängig von bestimmten Genres sind. Zum Beispiel mag ich wuchtige Drums lieber als solche, die dünn klingen. In modernen Trap- oder Pop-Produktionen ist ein eher dünner, luftiger Drumsound oft Standard, weil er viel Raum lässt – aber das ist nicht das, womit ich aufgewachsen bin. Ich mag es, wenn das Schlagzeug richtig groß klingt.
Außerdem stehe ich auf luftige Vocals, wahrscheinlich, weil ich früher viel Coldplay und Radiohead gehört habe. Und dann natürlich fette Gitarren – wenn ich das Gefühl habe, dass ein Part „aufgehen“ sollte, sind fette Gitarren oft das Erste, was mir in den Sinn kommt.
Stilistisch kann das dann zwar weit auseinandergehen, aber wenn man solche Eckpfeiler hat und die Songs selbst produziert, fügt sich das am Ende trotzdem gut zusammen. Der Song „Do It Yourself“ zum Beispiel ist deutlich rockiger als die anderen. Er hat Einflüsse aus Punk und Metal, aber durch den Drumsound – den Marco genau richtig getroffen hat – funktioniert er für mich einfach.
Das Schöne an den Songs ist, dass sie einerseits – auch wegen der nachdenklichen Inhalte und Texte – eine melancholische Stimmung haben, andererseits es aber auch nicht an helleren, uplifting Momenten fehlt. Das ergibt eine wirklich schöne Balance.
Pande: Das ist wirklich witzig, weil ich genau das auch am häufigsten zu hören bekomme: auf der einen Seite die Schwere in den Texten, auf der anderen die Leichtigkeit in der Musik. Ich muss aber sagen – das passiert einfach. Darüber denke ich überhaupt nicht nach. Die Texte, die mir gefallen, gehen meistens in diese Richtung. Wenn ich etwas sehr Persönliches schreibe, versuche ich, es auf eine möglichst universelle Ebene zu bringen – auch wenn es eindeutig um Dinge wie persönlichen Schmerz oder innere Gedanken geht.
Das gilt auch für Themen, die gesellschaftskritisch sind, wie zum Beispiel im Song „Currents (25)“. Ich hatte mich davor eigentlich nie wirklich mit Konzepten für ein modernes Leben beschäftigt, aber in dem Fall hat es einfach gut gepasst.
Wie gesagt: Die Songs entstehen einfach so. Am Ende ist es das, was mir selbst gefällt. Andere Songs von mir gefallen mir dann wahrscheinlich weniger. Ich schreibe wahnsinnig viel – und das hier sind eben die, die hängen bleiben.
„Missed One“ ist im Vergleich zum Debüt ein sehr persönliches Album, mit einigen Themen, die doch ziemlich in die Tiefe gehen. Wie sehr ist Musik für dich ein Katalysator, um Dinge zu verarbeiten?
Pande: Ich versuche es am besten über den Entstehungsprozess des Albums zu erklären. Ich hatte bereits viele Songs fertig, als mir auffiel, dass sich inhaltlich viele um einen bestimmten Abschnitt in meinem Leben drehen – einen Moment, der sich für mich ein bisschen wie ein zweites Coming-of-Age angefühlt hat. Diese Phase war bei mir mit einigen ziemlich einschneidenden persönlichen Ereignissen verbunden. Es war die Zeit in den Mittzwanzigern, in der man endgültig von der Ausbildung ins ernstere, verantwortungsvollere Berufsleben übergeht. Bei mir fiel das mit einigen persönlichen Turbulenzen zusammen, die plötzlich über mich hereingebrochen sind – etwas, das ich in dieser Form noch nicht erlebt hatte. Andere machen solche Erfahrungen vielleicht an ganz anderen Punkten in ihrer Biografie – oder im besten Fall gar nicht.
Gab es einen bestimmten Moment, in dem dir klar wurde: Okay, das ist mehr als nur eine Sammlung von Songs – das ist im Grunde mein eigener Prozess in Musik gegossen?
Pande: Jedenfalls wurde mir klar: Ich habe eine ganze Reihe Songs geschrieben, die sich thematisch alle in dieser Lebensphase verorten lassen. Vieles davon entstand letzten Sommer, etwa zur selben Zeit, als ich wieder mit einer Therapie begonnen habe. Ich habe mich mit Themen auseinandergesetzt, die etwas ernster waren und mehr Ehrlichkeit von mir verlangt haben – etwa Fragen rund um Selbstbild oder Bodyimage, wie im Song „The Same“. Auch eine reale Verlusterfahrung wird auf dem Album verarbeitet, im Stück „But Without You“.
Es war also so, dass ich zunächst unbewusst über gewisse Dinge geschrieben habe. Und als ich sie dann im Rahmen der Therapie bewusster aufgearbeitet habe, konnte ich tiefer in diese Themen eintauchen. Im Zuge dessen ist dann auch noch ein weiterer Song entstanden, der diese Entwicklung aufgegriffen hat – und plötzlich ergab sich wie von selbst ein thematischer roter Faden durch das ganze Album. Mir wurde klar, worum es eigentlich geht.
Im größeren Kontext geht es um ein verlorenes Jahr – ein Jahr, in dem ich nichts gemacht habe. Ich glaube, viele erleben während ihrer Studienzeit eine Phase, in der wenig vorangeht. Dazu gibt es ja inzwischen auch einiges an Forschung – Stichwort: Prokrastination. Hinter dem Nichtstun oder vermeintlicher Faulheit steckt meist etwas Tieferes. Oft ist es ein unerfüllter Anteil in einem selbst, der einen beschäftigt. Ich bin überzeugt, dass viele Menschen solche Lebensphasen durchlaufen – aus ganz unterschiedlichen Gründen. Und genau das ist der universellere Aspekt, den ich meine.
Ganz konkret geht es bei mir aber um dieses eine Jahr. Daher auch der Titel „25/26 Missed One“ – weil ich in diesem Lebensjahr kaum etwas auf die Reihe bekommen habe, da ich sehr mit mir selbst gerungen habe, mit den Dingen, die passiert sind.
Das Songschreiben war als ein Katalysator.
Pande: Ja, schon. Aber es war dieses Mal wirklich auch das erste Mal, dass die Songs für mich bewusst diese Funktion auch erfüllten.
Wie sieht bei dir eigentlich das Songwriting aus. Ist zuerst eine Songidee, zu der du dann Musik schreibst, oder beginnt es mit der Musik?
Pande: Das ist ganz unterschiedlich. Oft habe ich schon eine konkrete Vorstellung von einem ganzen Song – eine Ahnung davon, wie er sich anfühlen und welches Thema er behandeln soll. Andererseits kann auch einfach ein starkes Gitarrenriff der Ausgangspunkt sein. Bei „Currents“ zum Beispiel wusste ich, dass ich etwas machen wollte, das ein wenig das moderne Lebensgefühl in der digitalen Welt einfängt – und was das gesellschaftlich und kulturell bedeutet. Mir war schnell klar: Ich möchte Akkorde, die nach Aufbruch klingen, eine etwas verspieltere Melodie – aber einen Text, der das Thema kritisch beleuchtet. Und genau so habe ich es dann auch umgesetzt.
Bei „The Same“ hingegen war das Gitarrenriff der Ausgangspunkt – ein recht typisches Riff für mich: vier Akkorde mit eingebetteter Melodie. Aber der letzte Ton ist die vierte Stufe in Moll, was dem Ganzen einen bittersüßen, fast schon leidenden Charakter verleiht. Dramatischer, als ich es sonst bei Harmonien angehe. Es ist eine bekannte Akkordfolge mit einem kleinen dramatischen Twist.
Dann beginnt man zu singen – und plötzlich ist man in einem Moment, in dem man wirklich das ausspricht, was man gerade fühlt. Ich habe im letzten Jahr 20 Kilo abgenommen, und da denkt man natürlich mehr über Bodyimage nach – besonders im Rückblick. Und plötzlich sind die Worte einfach da. So ist auch die sehr direkte erste Zeile entstanden: „I eat while I’m sad, that’s why I look like that.“ Man kann solche Zeilen dann noch verändern oder einfach weiterfließen lassen. Aber meistens ist der erste Impuls schon ziemlich gut.
Marco Kleebauer hat dich bei diesem Album produktionstechnisch unterstützt. Wie sehr hat er – im positiven Sinne – Einfluss gehabt. Oder bist du jemand, der konsequent sein Ding durchzieht?
Pande: Ich konnte mich teilweise ein bisschen zurücklehnen, weil ich das, was er gemacht hat, bewusst so annehmen wollte, wie es war. Im Mix wollte ich die Sounds, die er beigesteuert hat – egal ob Schlagzeug oder andere Produktionselemente – nicht großartig verändern. Beim Schlagzeug habe ich eigentlich nur auf der Grundlage weitergearbeitet, die er mir geliefert hat, also hauptsächlich gemixt.
Ich habe versucht, das Drumming gedanklich auszublenden und mich einfach darauf zu verlassen, dass er das richtig gut macht. Und genau das hat er auch – weil das etwas ist, was er wirklich unglaublich gut kann.
Vielen Dank für das Interview.
Michael Ternai
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