„Ich habe es immer sehr spannend gefunden, Melodien, Texte und Songs zu schreiben, die eingängig sind.“ – NIKI WALTERDORFER (CANDLELIGHT FICUS) im mica-Interview

Der Sound vergangener Zeiten in mitreißend frischer Form und modernem Ton dargebracht. Die Grazer Band CANDLELIGHT FICUS macht auf ihrem Debütalbum „Golden Life“ (VÖ 14.10.) auf eindrucksvolle Art vor, wie man Funk mit Elementen aus dem Soul, Latin und Pop neu aufmischt und so in die Gegenwart transferiert. Die Songs gehen mit ihren Melodien sofort ins Ohr, sie erwecken Lebenslust und animieren zum ausgelassenen Tanz. Das Schöne an der ganzen Sache ist, dass die Band das nicht auf seichte Art tut, sondern mit Stil und Eleganz. Im Interview mit Michael Ternai erzählte Sänger und Gitarrist NIKI WALTERSDORFER über die Liebe der Band zum Sound der 1970er und 1980er, wie der Vibe die Richtung eines Songs vorgibt und wie man mit Erwartungshaltungen umgeht.

Funk, Soul, RnB. Eure Musik ist, was den Sound betrifft, sehr vielfältig. Und doch schwingt in ihr auch viel aus vergangenen Zeiten mit. Inwieweit würdest du eure Musik selbst als retro beschreiben?

Niki Waltersdorfer: Unser Sound orientiert sich auf jeden Fall an Retromusik. Uns taugen vorwiegend Sachen aus den 1970ern und 1980ern und wir versuchen diesen Sound auch in unserer Musik zu verarbeiten. Aber eben auf unsere Art mit modernen Produktionsmitteln und mit eigenem Songwritingapproach. Dabei setzen wir uns auch keinerlei Grenzen. Und wir denken auch nicht daran, dass wir Dinge so und so schreiben müssen, damit sie funktionieren. Wir tun einfach.

Uns war von Anfang an wichtig, dass die Band immer für andere musikalische Einflüsse offen ist. Wir sind ja alle auch in anderen Projekten tätig und das hat natürlich zur Folge, dass jeder von diesen auch etwas zu Candlelight Ficus mitbringt. Das heißt, dass wir auf der einen Seite uns schon sehr bewusst an diesem Retroding orientieren, auf der anderen aber geben wir auch allen anderen Einflüssen jeden Raum. 

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Dem kann man nur beipflichten. Eure Musik ist nicht nur ein Aufguss von etwas Bekanntem, sondern beinhaltet auch sehr viel eigenen Charakter. In den Songs spielt sich sehr viel ab, sie sind sehr verschieden. Wo kommt ihr eigentlich alle her?

Niki Waltersdorfer: Was uns alle – vor allem Simon (Brugner; Anm.)und mich – eint, ist eine große Liebe zu Beat und Groove in den verschiedensten Formen. Wir sind alle sehr im Rhythmus gerootet, was natürlich viel damit zu tun hat, dass wir beide aus der Schlagzeug-Ecke stammen. Auch unser Bassist Frido Bassist (Fridolin Krenn; Anm.) hat früher viel Schlagzeug und Percussion gespielt.

Wenn man immer schon viel Musik gehört hat, entwickeln sich mit der Zeit natürlich auch Vorlieben heraus. Und wenn man auf Groove und Rhythmus steht, stößt man früher oder später unweigerlich auf Funk. Man denkt sich einfach: „Wow. Da kommt alles zusammen, was ich in der Musik geil finde.“ Dann versucht man eben, aus all dem sein eigenes Ding zu machen.

Eure Musik geht sehr schnell ins Ohr, auch wenn in den Songs sehr viel passiert. Ist diese Zugänglichkeit Teil eures Plans?

Niki Waltersdorfer: In gewisser Weise ist das schon beabsichtigt. Ich bin ja meistens für alle Texte und Melodien verantwortlich. Ich habe als Jugendlicher natürlich auch sehr viel Popmusik gehört. Und ich habe es immer sehr spannend gefunden, Melodien, Texte und Songs zu schreiben, die eingängig sind. Das heißt aber nicht, dass diese Dinge seicht sein müssen. Es ist schon möglich, Songs zu schreiben, die einerseits für die breite Masse eingängig und catchy sind, auf der anderen aber auch versiertesten Musikerinnen und Musikern etwas Interessantes bieten. Das kann auch nur ein undefiniertes Geräusch sein, das irgendwo zwischen der Melodie und der Stimme im Hintergrund mitschwingt. Bruno Mars zum Beispiel weiß so etwas extrem gut umzusetzen.

„Früher war es mit Sicherheit so, dass es mehr meine Songs waren, die wir in der Band gespielt haben.“

Wie entsteht bei euch ein Song. Ist es ein gemeinsamer Prozess oder gibst du als Songwriter die alleine Richtung vor?

Niki Waltersdorfer: Es beginnt meistens so, dass ich bereits mit einer Grundidee oder einem Demo zur Band komme. Und dann arbeiten wir die Sachen gemeinsam aus. Wir sind mittlerweile zwei oder drei Mal im Jahr für eine gebündelte Zeit im Studio. Wir haben ja mittlerweile unser eigenes Studio, in dem wir unsere Sachen produzieren. Dort passiert dann – was die Arrangements und die Struktur und den Ablauf der Songs betrifft – gemeinsam sehr, sehr viel. Früher war es mit Sicherheit so, dass es mehr meine Songs waren, die wir in der Band gespielt haben. Das hat sich in den letzten zwei Jahren aber doch stark verändert. Dadurch, dass wir viel Zeit gemeinsam im Studio verbracht haben, ist es viel mehr zu einem gemeinsamen Schreiben geworden. Unser Album ist auf jeden Fall sehr kollektiv entstanden.

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Hast du beim Schreiben schon eine konkrete Vorstellung von der Richtung, in welche der Song gehen soll?

Niki Waltersdorfer: Meistens habe ich schon eine Grundidee davon, welchen Vibe die Nummer haben soll. Der Text ergibt sich in weiterer Folge dann eben aus diesem Vibe. Wir haben ja letztes Jahr einige Songs für unser Album produziert und zwei von diesen waren dann in der finalen Runde bei der Songcontest-Vorausscheidung.  Bei „Lift me up“ – das war einer der beiden Nummern – war mir klar, dass die eine perfekte Mischung aus Disco und Latin sein und genau diesen Vibe und dieses Feeling vermitteln soll. Der Song war auf dem Laptop ganz lange auch unter dem Arbeitstitel „Disco Latin Shit“ abgespeichert. Wenn der Vibe einmal da ist, ergibt sich dann auch der Text und das Inhaltliche. So war es zumindest bei diesem Album meistens der Fall. Bei den neuen Sachen, die wir jetzt schon für später schreiben, passiert aber alles schon gleichzeitig.

Die Stimmung, die das Album verbreitet, ist auf jeden Fall eine sehr positive, obwohl manche Texte durchaus auch einen nachdenklicheren Ton anschlagen.

Niki Waltersdorfer: Genau. Wir wollen mit unserer Musik schon ein gutes Gefühl vermitteln. Wir selber stehen ja auch auf so eine Musik. Vor allem live ist uns das sehr wichtig. Der Spaß, den wir beim Spielen unserer Songs auf der Bühne haben, soll sich auch auf das Publikum übertragen. Aber es stimmt schon, wir wollten auf diesem Album nicht nur Feelgood-Mucke bieten. Zumindest inhaltlich.

Daher ist „Golden Life“ auch dieses große Überthema. Wir werfen in einigen Songs einen Blick auf unsere Gesellschaft und unsere Generation. Wir führen in unseren Breitengraden unsere Leben eigentlich im größten Luxus. Wir müssen das große Glück nicht wirklich suchen. Wir sind von diesem umgeben. Aber wir wissen mit diesen unbegrenzten Möglichkeiten, die sich uns eröffnen, und den unbegrenzten Ressourcen, die sich uns bieten, oft nichts anzufangen. Was gibt unserem Leben letztlich tatsächlich Sinn? Wohin wollen wir eigentlich? Die Fragen zu beantworten, ist manchmal gar nicht so leicht.

Bild Candlelight Ficus
Candlelight Ficus (c) Reithofer Media

„Wir improvisieren und jammen auch sehr gerne […]“

Ihr habt ja eigentlich als Liveband begonnen? Seit wann gibt es euch?

Niki Waltersdorfer: Als Candlelight Ficus gibt es uns schon seit 2017. Die Band ist eigentlich aus einem Spaßprojekt entstanden. Wir haben uns eigentlich nur für einen lokalen Bandwettbewerb gegründet, da unsere Hauptband damals in Pause war. Wir haben auf die Schnelle ein Programm mit irgendwelchen Nummern zusammengestellt und dann überraschenderweise auch gewonnen. Motiviert vom Sieg haben wir noch bei einem zweiten Wettbewerb mitgemacht und auch diesen gewonnen. Das war einfach wirklich geil. Vor allem auch deswegen, weil wir gesehen haben, dass wenn wir uns unsere Lockerheit bewahren und ohne Druck und einfach nur mit Spaß agieren, es plötzlich funktioniert.

Da trafen wir dann die Entscheidung, ernsthaft mit dieser Band weiterzumachen. Und dieses Ereignis erklärt auch, warum das Livemusizieren für uns das Wichtigste ist. Uns geht es gar nicht so sehr darum, das perfekte Pop-Reisbrett-Projekt auf die Bühne zu bringen. Wir improvisieren und jammen auch sehr gerne, so wie man es etwa im Jazz tut.  Daher glaube ich, dass wir live dann doch noch eine andere Geschichte sind, wie etwa auf einem Album. Das sind bei uns ein bissl zwei unterschiedliche Dinge, die wir aber beide extrem gerne machen.

Ihr habt schon vorab einige Singles und Videos herausgebracht. Beim Video „Furniture Store“ möchte ich aber schon sehr gerne ein wenig nachbohren. Wie kommt man auf die Idee, ein Video in einem IKEA zudrehen?

Niki Waltersdorfer: Da muss man ein wenig auf den Bandnamen zurückkommen. An dem Tag, an dem wir uns für den ersten Bandwettbewerb anmelden mussten, waren Simon und ich zufälligerweise in Graz beim IKEA. Wir hatten zu diesem Zeitpunkt ja noch keine Idee für einen Bandnamen, den wir aber für den Wettbewerb brauchten, und haben uns dann irgendwann irgendwo zwischen der Deko- und Pflanzenabteilung für Candlelight Ficus entschieden. Da wir generell ganz gern beim IKEA sind, haben wir dann den Song „Furniture Store“ geschrieben.

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Wir dachten uns, ein Video zu der Nummer in einem Möbelhaus wäre einfach geil, und haben diverse Möbelhäuser angeschrieben. Und dann hat sich eben der IKEA in Graz bei uns gemeldet, was uns natürlich sehr gefreut hat. Wir sind dann einmal um fünf in der Früh dorthin und haben den ganzen Morgen und Vormittag drehen dürfen. Das hat wirklich Spaß gemacht. Der Song ist einfach ein humoristischer Song über den Einkauf in einem Möbelstore. Daher passt das Video auch ganz gut.

Ihr habt ja schon bislang einiges an Staub aufwirbeln können. Wie sieht es mit den Erwartungen für das Album aus?

Niki Waltersdorfer: Ich würde sagen, dass dieses Jahr mit einigen wirklich super Gigs schon einmal sehr erfolgreich für uns war. Wir haben gemerkt, dass es dann gut zu laufen beginnt, wenn wir den Erwartungsdruck herausnehmen. Wir waren zu Beginn ja vor allem in unserer eigenen Bubble unterwegs und haben auch versucht, den Erwartungen dieser zu entsprechen. Das hat hier in der lokalen Szene und in unserer Community auch gut funktioniert. Unsere Fanbase ist stetig gewachsen.

So richtig losgegangen ist es aber erst, als wir ganz bewusst mit diesen Erwartungen gebrochen haben und begannen, das zu tun, was uns wirklich taugt. Plötzlich waren wir auch für Leute außerhalb unserer Bubble interessant. Wir haben gemerkt, dass unsere Musik nicht nur ausschließlich im Popbereich ankommt, sondern immer mehr auch im Funk- und Jazzbereich. Wir haben in diesen Sommer unter anderem beim Jazzfestival Saalfelden gespielt. Und auch unser Releasekonzert findet jetzt im Porgy & Bess in Wien statt. Wir hatten selber nicht erwartet, dass wir unser Publikum in die Richtung erweitern können. Das hat uns schon überrascht.

Daher spielen Erwartungen jetzt auch nicht so eine große Rolle. Wir denken eher in so Zwei-Jahres-Schritten und setzen uns kleinere Ziele. Wir haben jetzt nicht die Ambition, morgen gleich durch die Decke zu gehen. Wir setzen uns kleinere Ziele, wie etwa, dass wir mal in der oder der Location spielen wollen.

Was uns diesbezüglich, glaube ich, helfen wird, ist, dass wir ins NASOM-Projekt des Außenministeriums aufgenommen worden sind. Das ist ein Projekt, im dessen Rahmen Konzerte im Ausland gefördert werden. Wir hoffen, dass wir dadurch in den nächsten beiden Jahren vermehrt auch auf internationalen Jazzfestivals spielen können. Das wäre eine wirklich feine Sache.

Herzlichen Dank für das Interview!

Michael Ternai

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Candlelight Ficus live
13.10.2022 Dom im Berg, Graz
14.10.2022 Porgy & Bess, Wien

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