Das Schallwende-Festival im Feldkircher Saumarkttheater geht am 19. und 20. September 2025 in die siebente Auflage und nimmt weiter an Fahrt auf. Dietmar Kirchner und Wolfgang Lindner gründeten die Konzertreihe 2019 mit dem Ansinnen, der neuen Musik in Vorarlberg ein Podium zu bieten. Das Resümee der vergangenen sechs Ausgaben fällt positiv aus, betont Dietmar Kirchner. „Die Zuschauerzahlen gehen stetig nach oben, wir werden national wie international immer mehr wahrgenommen, was für eine gute Vernetzung spricht, und Vorarlberger Komponist:innen werden in anderen Bundesländern gespielt.“
Wichtig ist den Initiatoren die Verbindung von künstlerischer Avantgarde und technologischer Innovation. Dietmar Kirchner ergänzt, dass auch KI-Modelle neuartige Klangwelten eröffnen und ungewohnte formale Möglichkeiten bieten. Auch in diese Richtung soll sich die Schallwende weiter entwickeln. Auf der Suche nach neuen Impulsen lernte Dietmar Kirchner die aus Vorarlberg stammende und in Graz tätige Tontechnikerin, Komponistin und Klangkünstlerin Anna Maly kennen. Im vergangenen Jahr wurde erstmals ein Werk von ihr im Rahmen von „texte & töne“ aufgeführt. Beruflich ist Anna Maly in der Klangfeldforschung und Audiotechnologie tätig. Ihre Kompositionen entwickelt sie im Bereich der akustischen Signalverarbeitung am Computer.
Anna Maly ist neu im Kurator:innenteam
Als Dietmar Kirchner sie fragte, ob sie das Kurator:innenteam ergänzen wolle, habe sie sich für die Antwort ein paar Tage Bedenkzeit genommen. Aber die Freude auf diese Aufgabe blieb und so war bald klar, dass sie zusagte. „Von Anna Maly kommen starke neue Impulse: Für uns muss neue Musik im Hier und Jetzt entstehen – dort, wo das wirklich Neue seinen Ursprung hat. Die Zusammenarbeit mit ihr erweist sich als äußerst fruchtbar und inspirierend“, freut sich Dietmar Kirchner.
Die Komponistin scheint prädestiniert für die Aufgabe als Programmgestalterin, denn Elektronik ist aus der zeitgenössischen Musik kaum mehr wegzudenken. Sie wolle die ganze Bandbreite zeigen: „Von rein instrumentaler Musik über reine Elektroakustik bis zu den spannenden Mischformen dazwischen“, kündigt Anna Maly an. „Für mich gehören diese Welten längst zusammen – und ich möchte helfen, die letzten gedanklichen Trennlinien zwischen ihnen zu lösen“, präzisiert sie ihre Intentionen.
In Graz genießt Anna Maly die lebendige Szene der zeitgenössischen Musik und den intensiven Austausch mit Musiker:innen und Komponist:innen. Mit der Schallwende wolle sie drei Dinge verbinden: „Besondere Musik nach Vorarlberg bringen, Begegnungen zwischen Musiker:innen und Komponist:innen ermöglichen und die Musikvermittlung stärken, damit diese Klänge noch mehr Menschen erreichen.“
Galgenhumor als Motto
Erstmals findet ein Konzert der Schallwende unter einem thematischen Schwerpunkt statt. Unter dem Motto „Galgenhumor“ wurden Komponist:innen beauftragt, sich mit diesem tiefgründigen Begriff auseinanderzusetzen. Der Galgenhumor gelte als eine spezifische Reaktion auf Situationen, in denen es kaum Möglichkeiten der persönlichen Bewältigung gebe. Über Schreckliches zu lachen, könne eine gewisse Distanz schaffen, die emotionale Widerstandskraft stärken und Betroffene aus der Opferrolle führen, erklärt Dietmar Kirchner die Idee.
In Verbindung mit Lyrik schufen Elfie Aichinger, Roozbeh Nafisi und Christoph Cech, Viola Falb sowie Dietmar Kirchner, Gerda Poppa und Anna Maly neue Kompositionen für Violine, Klarinette und Kontrabass. Vertont wurden unter anderem Gedichte von Robert Frost, Karl Kraus, Heinrich, Heine und Marlene Streeruwitz. Als Sprecherin konnte die in Vorarlberg allseits bekannte Renate Burtscher gewonnen werden.
Satire und Lachen, das im Hals stecken bleibt
Drei Passagen aus Karl Kraus’ „Die letzten Tage der Menschheit“ vertonte Dietmar Kirchner. Es seien Texte voll abgründigem Witz, „die zeigen, wie schwachsinnig dieser Erste Weltkrieg war – wie alle Kriege sind. In Zeiten wie diesen, mit Blick auf Kriege wie jenen in der Ukraine, wirken Kraus’ Worte unheimlich gegenwärtig – als hätte sich der Wahnsinn nie verabschiedet. Humor als Waffe gegen den Wahnsinn. Die Dialoge zeigen, damals wie heute, wie das Wahnsinnige zur Normalität wird“, so Dietmar Kirchner.
„Juckreiz“ nennt Gerda Poppa ihre Komposition. Lange habe sie recherchiert und gesucht, aber keinen Text gefunden, der ihren Vorstellungen entsprochen hätte, erzählt die Komponistin. Deshalb habe sie den Text schließlich selbst verfasst und sich in einer Satire mit dem Wesen des Menschen – Einzahl und Vielzahl – auseinandergesetzt. „Text und Musik sind oft verschränkt, spielen sich immer wieder den Ball zu und ergänzen einander.“
Anna Maly widmete sich in ihrem Werk „ein Lachen – von innen“ dem ‚erzwungenen Lachen‘. Dafür zeichnete sie ihr eigenes Lachen auf und verwendete es als Rohmaterial. „Ich habe die Aufnahme analysiert, verlangsamt, ihre Tonhöhen und Energieverläufe herausgefiltert und sie als Filter für andere Klänge eingesetzt. Lachen ist ja nicht nur Freude – oft ist es ein sozialer Reflex, um Konflikten auszuweichen oder anderen ein gutes Gefühl zu geben.“
Gute Zusammenarbeit mit dem Janus Ensemble
Bereits zum dritten Mal gastiert das Janus Ensemble beim Schallwende Festival. „Das Janus Ensemble ist ein Pool von Musiker:innen, die sich der Interpretation neuer Musik verschrieben haben. Virtuos im Umgang mit erweiterten Spieltechniken, sensibel für die Ästhetik zeitgenössischer Klänge und vertraut mit elektronischen Medien, steht ‚Janus‘ für Offenheit, Neugier und Experimentierfreude“, erläutert Dietmar Kirchner die Vorzüge des Ensembles. Ein Alleinstellungsmerkmal ist überdies der Fokus auf die Interpretation von Werken aus der Schnittmenge von neuer Musik und Jazz.
Silvia Thurner
Dieser Artikel ist zuerst in der Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft, im September 2025 erschienen.
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Termine
Freitag, 19. September 2025, 19:30 Uhr
Theater am Saumarkt Feldkirch
Schallwende Porträtkonzert.
Musik von Elfie Aichinger, Simon Hladik, Natascha Hecher, Dietmar Kirchner, Matthias Kohler, Gerda Poppa, Judith Unterpertinger und Raimund Vogtenhuber;
Janus Ensemble unter der Leitung von Christoph Cech
Samstag, 20. September 2025, 19:30 Uhr
Theater am Saumarkt Feldkirch,
Galgenhumor
Musik von Elfie Aichinger, Christoph Cech, Viola Falb, Dietmar Kirchner, Anna Maly, Roozbeh Nafisi, Gerda Poppa u.a.,
Janus Ensemble, Sprecherin: Renate Burtscher
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Links:
Schallwende – Festival für neue Musik
Theater am Saumarkt