Bei Josef Aichinger & Albert Hosp (Ö 1 übertrug live insgesamt sieben Stunden des fünftägigen Festivals) wurde man herzlich und in toller Atmosphäre begrüßt. Der Wein war auf der Kremser Sandgrube super (etwa der “Riesling von den Terrassen”). Wir berichten hier vor allem von dem Konzert, das Komponist Bernhard Lang mit der zur “Weincapelle” verstärkten Trachtenkapelle Rossatz ausgerichtet hat; es folgte am 22.7. noch die Osttiroler Gruppe Franui und das Bonsai Garden Orchestra. Wir reisen aber auch nach Finnland (Fokus Helsinki), wo nicht zuletzt das Finnish Music Information Center mithilft, die tolle Musikszene dort zu organisieren. Zuletzt noch ein Abstecher nach Äthiopien.
Das 13. Festival Glatt & Verkehrt ist von den Kuratoren wieder daraufhin ausgerichtet gewesen, dass die auftretenden Künstler einen überzeugenden Bezug auf ethnische Traditionen haben sollen. Diesmal wurde die Programm-Idee noch einen Schritt weitergedacht. Jeder Konzerttag bei den Winzern folgte einem Thema: Natürlich ist es ein besonderes Anliegen der Organisatoren, der österreichischen Szene neue Impulse zu entlocken und heimischen Projekten ein Podium zu geben. Dazu diente auch eine “Musikwerkstatt” in der Minoritenkirche in Stein, im Schloss Spitz und bei der Musikantenwerkstatt in Göttweig.
Der Eröffnungsabend in Krems war “Wachauer Begegnungen” gewidmet. Mit einer 72stimmigen (!) Trachtenkapelle (4 Marketenderinnen inklusive) und Loopgenerator bestritt Bernhard Lang ein(e) Konzert(installation) zur Eröffnung. Da traten im Schauweingarten die Flötistenen der “Weinlandcapelle” an, da marschierte von draußen mit Trommeln die Trachtenkapelle ein – die Trachtenkapelle Rossatz ist ja schon so etwas wie “Ensemble-in-residence” bei Glatt & Verkehrt. Im Zeltsaal im Hof selbst dann eine Art Klang-Atomisierung des musikalischen Ausgangsmaterials bei Lang: das Lied “Zwischen Krems und Stein”. Weihevoll fast – mit getragenen Bläserklängen wie bei einer Totenehrung oder einer Gedenkveranstaltung oder einem Gottesdienst – endete diese eindrucksvolle Installation, vier Klarinettisten beendeten sie dann mit besinnlichem Auszug aus der Halle, bei “Parsifal”-Festspielen könnte es nicht schöner und “stimmiger” ausfallen, nur hier halt nicht nur weihevoll und mit Langschem Augenzwinkern. Das hat gut gefallen, auch den Interpreten, die komplizierteste Akkordverbindungen und – nicht immer genau notengleiche – “W iederholungen” aufeinandertürmten (Leitung: Günther Weiss).
“Griaß eng” – “Griaß enk Gott”: Als Conferencier der Osttiroler Gruppe Franui führte einer der beiden Trompeter (und Sänger) in bestem Tirolerisch “Franuis Ständchen der Dinge” ein. “Mia san mir aus Innvervillgraten. Jo. Dös is a Tal in Oschttirol, do fahrt ma links auffi, weann ma von Toblach kummt, rechts, wann ma vo Lienz kimmt”, sagte er, schüchtern ,links’ und ,rechts’ mit Armen und Fingern andeutend. “Mia ham friaha imma nur Trauermärsche gspüt hauptsächli, jetzt spün ma manchmoi a andere Socha. So haben wir einen gewissen Franz Schubart eingloden, dass er bei uns sei Musik mocht, weu de Liada vo dem ham uns guat gfoin. Oba der is ned kumma, iatzt hammas hoid söba gmocht und irwingdwia instrumentiert. An Brahms moch ma a iatzt. Und wia der ORF bei meiner Muatta angrufen hod, mia sölln wos üban Haydn komponiern fia ,glatt und verkehrt’ do in Krems, do is uns dös goa ned so schwar gfolln. Weu der Haydn hod a so Numman verwendt bei seine Symphonien und so, dös samma gwöhnt vo insare Trauermärsch’ und die Marschbüachln, woraus ma früha sonscht imma gspüt hom.” Gesagt getan – da kam eine “Bearbeitung” von “Nur wer die Sehnsucht kennt, weiß was ich leide” oder von der “Taubenpost”, wo der Sänger eine Brieftaube in seinem Sold hat, die bei Tag und Nacht ergeben zur Geliebten fliegt, wenn er es will und die dennoch treu ist. Weil sie immer zu ihm zurückkehrt, und die er deshalb an seiner Brust hegt . . .
Toll gespielt. Bis auf ..
Naja, die Schlusspointe des schönen Lieds “Die Taubenpost” aus Schuberts “Schwanengesang” hat Franui vielleicht noch nicht ganz erfasst. Wir geben sie hier daher für unsere Leser textlich (er stammt von Friedrich Rellstab) nach Gehör wieder: “Sie heißt – die Sehnsucht! Kennt ihr sie – kennt ihr sie? Die Botin treuen Sinns.” Also, Franui – kennt ihr sie nicht? Aber sonst war’s eh schön, unterschiedlich. Ahso, was ich auch nicht wusste, aber es steht im Programmheft: Franui ist eine Almwiese oberhalb des Dorfes Innervillgraten auf 1402 m Seehöhe. Und – was eh jeder weiß -Franui wird beim Label col legno auf CD verlegt.
Am Ende des Eröffnungsabends als dritter Akt dann das Bonsai Garden Orchestra – das BGO besteht aus den Instrumenten Geige und Manola (Klemens Bittmann), Gesang, Gitarre und Steeldrum (Klaus Trabitsch), Gesang, Ukulele und Gitarre (Kirby Keough), Perkussion (Peter Rosmanith) und diversen weiteren Ukulele-Virtuosen (eine Bonsai-Gitarre) eben. Sehr genehm!
Ein pures Ukulele-Orchester hörte man auch am Abschlussabend: The Ukulele Orchestra of Great Britain. Mit lauter schönen alten “Hadern”, die sogar ein “Klassik-Sandler” und gewesener Pop-Fan der Siebzigerjahre wie der Autor dieser Zeilen kennt: The Who, Steppenwolf, Nirvana, aber auch J.S. Bach und die Filmmusik aus “The Good, the Bad And the Ugly.” Wird von Ö1 zur Gänze im Oktober übertragen.
Finnland und Äthiopien
waren (neben Brasilien -ausverkauft!) zwei weitere Stationen der Reise bei “glatt&verkehrt”. Da waren Eero Turkka & Trepaanit mit einem Abend aus dem sonnigen Norden in Helsinki, weiters Maria Kalaniemi (Akkordeon) und Pekka Lehti (Kontrabass). Die Kalaniemi kuratiert auch Festivals und hat zum Beispiel mit Otto Lechner in Österreich schon viele Konzerte gegeben. Am besten gefiel mir am letzten Abend das “Tsuumi Sound System”, u. a. mit Esko Järvela (Violine). “Järvela”, muß man wissen (auch Arto, Gründungsmitglied der Gruppe Järvelan Pikkupelimanitt, gehört dazu) ist in Finnland ein Markenzeichen. Beim letzten Konzert der Abende wird ein Teil der Bestuhlung aus dem Festzelt ausgeräumt und man kann auch abtanzen. Das tat sogar ich – und war erstaunt, doch wieder einmal (Pop)-Musik zu erleben, die quasi durch den Körper geht.
Über Äthiopien konnte man am Samstagabend sehr viel lernen. Etwa über den letzten äthiopischen Kaiser Heile Selassie, der auch selbst angeblich die äthiopische Kastenleier Begena – auch “König Davids Harfe” – (hier gespielt von Alemu Aga) spielen konnte. Nicht zuletzt deshalb war die Begena in den Jahren der kommunistischen Diktatur (1974-91) in Äthiopien aus dem öffentlichen Leben verbannt. Gegenstück zur himmlischen Begena ist übrigens die kleinere, laut Legende vom Teufel geschaffene Leier Krar (hier in den Händen von Alemayehu Fanta, der Äthiopien schon 1959 beim “Black Arts-Festival” in Dakar vertrat).
1991 blühte, nach dem Sturz Mengistus, die immer schon reiche Musikszene Äthiopiens wieder auf. Eine junge Frau – Ejigayehu “Gigi” Shibbaw macht sich just zu diesem Zeitpunkt auf, sich ganz auf die Musik zu konzentrieren. In den USA musizierte sie später mit Wayne Shorter und Pharaoh Sanders. Mit von der Partie am Samstag Bill Laswell (Bass), der auch mit Brian Eno und Peter Brötzmann gearbeitet hat. Mit der ausdrucksstarken Sängerin Sintayehu “Mimi” Zenebe klang dieser “Back-to-Africa”-Abend aus.
Ein Tip: Landschaftsopern in Zwentendorf und im Kamptal
Sommerzeit ist Ferienzeit – und für den Autor dieses Beitrags Radlfahrzeit. Am heißesten Tag dieses Sommers (Fr., 24.7.) machte er sich von Stein an der Donau am Donauufer in Richtung Traismauer auf (kommt angeblich schon im Nibelungenlied vor, beschrieben wird eine “Mure” (Burg) an der Traisen vermutlich des Rüdiger von Bechelaren alias Pöchlarn, wo es von Hunnen wimmelte, und die den Helden Schutz bot ). Wenn es so heiß ist, kann man sich im Donau-Stausee (kühler als die Alte Donau beim Gänsehäufel) beim Kraftwerk Altenwörth schwimmend zwischen Enten vergnügen und auf der Wiese mit Schmetterlingen spielen. Und sodann nach Zwentendorf zum ehemaligen AKW radeln, jetzt CO2-freies Solarkraftwerk, aber Gebäude und Schlot sind gleich geblieben (Autor war dort zuletzt 1978 als Demonstrant). Dort wurde gerade eine Bühne mit 2.600 Plätzen errichtet, weil – so ein noch un-uniformierter ,Security’ Mann (Alter ca. 20 Jahre) – da am Sonntag ein Bruder vom Michael Jackson bei der Gala “Save the World Awards” auftreten sollte. Der Event wurde auch gestern vom ORF 2 übertragen.
Man konnte sich erinnern, dass einen die Zwentendorfer 1978 freundlich von den Zäunen aus mit Trinkwasser versorgten und einen sogar auf Wunsch mit dem Gartenschlauch abspritzten (heiß war’s damals, bis zum Haupteingang zu pilgern – eine Art Prozession; ich schrieb dann in den SN, nicht den Salzburger Nachrichten (, sondern den “Sozialistischen (!)Nachrichten”/ das war das Zentralorgan des VSStÖ Salzburg, einen Artikel mit dem Titel “Fronleichnam in Rot”.
In Zwentendorf aß ich 3 Kugeln Fruchteis (Zitrone, Waldbeere und Pistazie). Das mit dem Gartenschlauch bestätigte mir der Cafetier im Kaffeehaus, der sich an die Zwentendorf-Demo, die nicht nur das Atomkraftwerk, sondern auch Bruno Kreisky zu Fall brachte (Volksabstimmung!), erinnern konnte (“. das war da vorn am Eck mit dem Schlauch, ich war damals 30”).
Auch sonst gibt es Musik und Kultur im Zwentendorf von heute. In einer Woche spielt etwa das “Stoakogler Trio” in einem Zelt am Sportplatz. Und eine gute integrative Volksschule steht gleich neben dem AKW. Gut, dass da nicht so etwas wie in Tschernobyl passieren kann.
Noch schöner ist es aber im Kamptal. In Langenlois, aus Hadersdorf am Kamp (Bahnstation) kommend, kann man sich im Loisium stärken. Mit Wein zu ab-Hof-Preisen, solchen konnte man übrigens natürlich auch bei den vorzüglichen Winzern Krems am Festivalort genießen, dazu vielleicht Tandoori-Grillhuhn. Dann kann man – wie ich – nach Straß im Straßertale fahren, den Manhartsberg, der zwei Viertel Niederöstereichs bekanntlich voneinander scheidet erklimmen (nicht so steil, man kann zwischendurch ja schieben) und eine märchenhafte Abfahrt nach Schönberg am Kamp machen.
Oberhalb von Schönberg, wo man allein schon wegen der schönen Aussicht stoppen sollte, befindet sich ein von Grünplanern gestalteter Landschaftspark. Der stellt den typischen “Kamptal-Mischwald” dar: Ein Robinienausschlagwald mit Hainbuche, Eiche und Sträuchern, weiters Schwarzkiefer, Robinie (= falsche Akazie), Feld-Ulme. Und bei Wind (den gab’s am Samstag vor dem Sturm) rauscht es fast so schön, nein schöner noch als in Peter Ablingers “Landschaftsoper” bei Ulrichsberg, wo die Bäume ja noch jünger sind (siehe diesbezüglichen mica-Artikel [Link: Peter Ablinger & auch die Ulrichsberger Bewohner machten die “Landschaftsoper Ulrichsberg“),Und für im Kamptal gefährdete Vogelarten (Sperber, alle möglichen Arten von Meisen) haben die Landschaftsplaner Nistplätze in Form von südöstlich ausgerichteten Häuschen an den Bäumen befestigt. Oberhalb Schönbergs, nachdem man bei der “Urlaubung” (Straßenschild bei Marterl, errichtet 1742 -Jesus nimmt von Mutter Maria Abschied, um für uns zu leiden) hinuntergefahren ist in den Ort – und dann nach einem kleinen Stück Hauptstraße wieder -rechts hinauf, kommt man nach Mollands (sehr schöner Terrassenheuriger mit Weinbeißerei und vorzüglichen Weinen).
Heinz Rögl