GEMA holt Etappensieg gegen Open AI

In der Klage der deutschen Verwertungsgesellschaft GEMA gegen Chat-GPT-Betreiber Open AI hat das Landgericht München nun zugunsten der GEMA entschieden und damit einer kostenlosen Nutzung urheberrechtlich geschützter Inhalte durch KI-Systeme eine klare Absage erteilt. Nutzt eine Anwendung Künstlicher Intelligenz Liedtexte, ohne dafür eine Lizenz zu besitzen, verletzt der Entwickler das deutsche Urheberrecht, so das Gericht. Doch was bedeutet das in weitere Folge?

Das Urteil des Landgerichtes München ist deutlich: Open AI verletzt durch das Training und den Betrieb von ChatGPT geltendes deutsches Urheberrecht, wenn dafür Liedtexte ohne Lizenz verwendet werden. Die GEMA hatte als erste Verwertungsgesellschaft weltweit vor knapp einem Jahr Klage gegen Open AI eingebracht und damit einen wichtigen Schritt gegen die unlizenzierte Nutzung von geschützten Musikwerken durch Open AI gesetzt. Die Klage war in München eingebracht worden, weil man – nach der Logik des so genannten Internet-Gerichtsstandes – dort gegen eine Verletzungshandlung eines Internetdienstes vorgehen kann, wo dieser Dienst abrufbar ist. Da im Internet abrufbare Inhalte weltweit abrufbar sind, ergibt sich daraus, dass der in seinen Rechten Verletzte in seinem Heimatland klagen kann, auch wenn das Unternehmen, das die inkriminierten Handlungen gesetzt hat, in einem anderen Land sitzt. (Open AI hat seinen Sitz in den USA, die europäische Tochter sitzt in Irland.) Im konkreten Fall hat die GEMA die irische Tochtergesellschaft von Open AI in München geklagt.

Die Argumentation hinter der Klage fasste Kai Welp, Anwalt für Urheber- und Medienrecht und Chefjustiziar der GEMA, in einem Interview mit dem mica, so zusammen: „Ich kann ChatGPT sagen, mir ein bestimmtes Werk zu geben. Dafür braucht es eine Lizenz. Wenn bei Musikdiensten die Lyrics eingeblendet werden, braucht es ja auch eine Lizenz von der GEMA oder den Musikverlagen – je nachdem, wer die Rechte hält.“ Praktisch hat die GEMA bei der Suche nach geschützten Inhalten ihrer Mitglieder (konkret neun Liedtexte, u.a. von Helene Fischers „Atemlos“ und Herbert Grönemeyers „Männer“) zuerst einmal dafür gesorgt, dass ChatGPT nicht auch als Suchmaschine im Internet funktioniert. „Dann haben wir nach den Songtexten von vielen Werken gefragt, und Chat GPT war dazu in der Lage, viele Songtexte 1:1 wiederzugeben. Das waren also nicht nur Zusammenfassungen, sondern originalgetreue Wiedergaben“, was keinen anderen Schluss zulasse, so Welp, als dass das System damit trainiert wurde.

Das Landgericht München folgte dieser Argumentation nun und stellte in seinem Urteil unmissverständlich fest, dass OpenAI für das Training und den Betrieb von ChatGPT die Rechte an den eingeklagten Songtexten deutscher Urheberinnen und Urheber aus dem GEMA-Repertoire hätte erwerben müssen. In den Systemen seien Kopien der Originalwerke enthalten, so das Urteil, die auf einfache Prompts der Nutzerinnen und Nutzer ausgegeben würden. Die Tatsache, dass das System die Texte, mit denen es trainiert worden war, wieder ausgab, wertete das Gericht als Beleg dafür, dass es die Texte memorisiert haben muss. Eine zufällige Ausgabe sei ausgeschlossen. Die Daten wurden daher abgespeichert und damit vervielfältigt, was vergütungspflichtige Eingriffe in das Urheberrecht darstelle.

Feuer am Dach

Doch wie ist diese Entscheidung zu bewerten? Aus Sicht der UrheberInnen zunächst einmal positiv: Erstmals wurde in Europa die Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke durch generative KI-Systeme rechtlich bewertet und eindeutig zugunsten der Kreativen entschieden. Aus ökonomischer Sicht kam die Entscheidung auch keinen Tag zu früh, denn es ist Feuer am Dach: Einer globalen Studie zufolge, die der internationale Dachverband der Autoren und Komponisten Cisac in Auftrag gegeben hat, werden Urheber:innen von Musik und audiovisuellen Inhalten aufgrund generativer KI-Anwendungen bis 2028 rund ein Viertel ihrer Einnahmen verlieren. Von noch drastischeren Zahlen geht eine von GEMA und SACEM gemeinsam beauftragte Studie aus. Führt man sich vor Augen, wo derzeit schon überall KI-generierte Musik an öffentlich zugänglichen Plätzen läuft – von Baumärkten über Strandbäder bis hin zu Hotellobbys – wird man diese Schätzungen wohl bald schon nach oben korrigieren müssen.

Das GEMA-Urteil ist daher als wichtiger Schritt in die richtige Richtung zu werten, damit die bisher unlizenzierten Nutzungen künftig lizenziert werden. Alles andere wäre auch aus rechtsstaatlicher Sicht problematisch: Jeder anderen nicht lizenzierten Nutzung durch einen Nichtberechtigten können die Berechtigten nämlich mit den Instrumentarien, die das Urheberrecht dafür vorsieht (u.a. Unterlassung, angemessenes Entgelt und Schadersatz) unterbinden, wieso nicht auch der Nutzung durch ein KI-System? Und falls sie aus technischen Gründen nicht unterbunden werden kann, muss sie zumindest eingepreist werden. Denn, wie Kai Welp im mica-Interview festhielt: „Die eigentliche Wertschöpfung geht weit über das bloße Training hinaus, und damit wird Geld verdient. Da geht es schon auch um die Zugänglichmachung der Werke im Internet.“

Zurück zum Urteil: Bemerkenswert ist auch, dass das Münchner Gericht selbst entschieden hat, sich also nicht dazu veranlasst sah, den Fall dem europäischen Gerichtshof vorzulegen. Das hat den Vorteil, dass es nun eine konkrete Entscheidung gibt, aber diese Entscheidung – und das ist bei aller Euphorie eine doch wesentliche Einschränkung – ist nicht rechtskräftig,  und das wird wohl auch eine ganze Weile noch so bleiben, denn es ist stark damit zur rechnen, dass OpenAI in Berufung geht. Das hieße, dass der Rechtsstreit in die nächste Instanz getragen wird. Bis zu einer rechtskräftigen höchstgerichtlichen Entscheidung kann daher noch viel Zeit vergehen – Zeit, die OpenAI in die Karten spielt. Zeit, in der geschützte Werke von Urheber:innen weiterhin lizenzlos und daher unentgeltlich durch KI-Systeme genutzt werden.

Der Druck wird erhöht

Selbst wenn nun aber die höheren Instanzen zum gleichen Schluss kommen sollten wie das Münchner Gericht, fragt sich, ob das tatsächlich „die Machtverhältnisse zwischen Kreativwirtschaft und den Technologieunternehmen ein Stück weit zugunsten der Urheber:innen und Rechteinhaber verschiebt“, wie die Süddeutsche schrieb. Denn um ein deutsches Urteil im Ausland vollstrecken zu können, bedarf es einer Anerkennung und Vollstreckbarerklärung des Urteils durch einen Hoheitsakt. Innerhalb der EU ist die Vollstreckung oft durch den Europäischen Vollstreckungstitel erleichtert. Wie realistisch es aber ist, dass man in den USA ein gegen US-amerikanische Tech-Konzerne gerichtetes Urteil eines deutschen Gerichts für vollstreckbar erklärt, möge jeder für sich selbst beurteilen. Dennoch: Der Druck auf die Tech-Konzerne wurde durch das GEMA-Urteil erhöht.

Vor allem die Zusammenschau mit den aktuellen Entwicklungen in den USA lohnt: Dort haben drei der größten Musiklabel Universal, Sony und Warner Suno und die Entwickler der Musiksoftware Udio AI verklagt, wobei sich Universal mittlerweile geeinigt haben soll. Insgesamt zwölf (!) Klagen u.a. der New York Times, diverser Autoren und Autorenverbände wurden unlängst in einem Sammelverfahren in New York zusammengefasst. Und auch die Entscheidung in einem weiteren Verfahren der GEMA (gegen Suno AI), die seit letztem Jänner anhängig ist, steht noch aus.

Der Druck auf die Tech-Konzerne steigt also, und es besteht die Hoffnung, dass über Entscheidungen wie die des Münchner Landgerichts ein gewisser Druck aufgebaut wird, der der Europäischen Union zu einer besseren Verhandlungsposition gegenüber den US-amerikanischen Tech-Konzernen verhilft.

Zusammenfassend kann man sagen: Das GEMA-Urteil ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, die Anliegen der Rechteinhaber ernst zu nehmen. Von einer Lizenzierung der zu Trainingszwecken herangezogenen urheberrechtlich geschützten Werke sind wir allerdings noch weit entfernt. Dazu – das steht wohl außer Frage – wird sich früher oder später die EU einschalten müssen.

Markus Deisenberger