Filiah, bürgerlich Nina Schwarzott, gehört zu den spannendsten jungen Stimmen der österreichischen Songwriter:innen-Szene. Drei Jahre lang befand sie sich in einer kreativen Pause, die für sie ebenso herausfordernd wie heilsam war – eine Zeit, in der sie schon Musik gemacht hat, aber hauptsächlich an sich selbst gearbeitet hat. Dabei wird klar: Ihre größte Stärke ist der Glaube an die Kraft der Worte und an Musik als Raum der Verarbeitung. Offen spricht sie im Interview über Schreibblockaden, Burnout und den Prozess sich und die eigene Kunst auch wertzuschätzen zu können.
Was nach der EP geplant ist, mit wem und für wen sie nebenbei schreibt, produziert und performt erzählt sie Dominik Beyer im mica-Interview. Der Soundtrack zum Interview ist die heute erschienene Single „Mean Something“.
Schön, dass du da bist! Deine neue Single “Mean Something” ist gerade rausgekommen. Im Presseordner war auch schon deine EP. Die Schreibblockade scheint überwunden zu sein! Ist das alles neues Material, das jetzt aus dir sprudelt? Oder sind das ältere Songs, die du mittlerweile anders wertschätzen kannst und nun mit neuem Mindset veröffentlichst?
Filiah: “Mean Something” habe ich vor einem Jahr geschrieben – also nicht in dieser „schwierigen“ Zeit. Auf die EP wird auch ein Album folgen, und da kommen auch Songs drauf, die ich schon vor etwa sieben Jahren geschrieben habe. Songs entwickeln sich ja weiter. Für den Moment, in dem man sie schreibt, bedeuten sie einem etwas – und Monate später merkt man erst, was sie wirklich heißen. Oft wird einem die eigentliche Bedeutung erst im Nachhinein klar. Kunst verarbeitet oft schon das, was einem selbst noch nicht bewusst ist oder wofür man keine Worte findet. Das finde ich wahnsinnig spannend. Man entwickelt sich weiter – und manchmal eben auch die Bedeutung der Songs. Nicht immer. Alles Alte würde ich nicht veröffentlichen, aber manche Sachen fühlen sich bis heute frisch an. Deshalb fühlt sich das kommende Album für mich eher wie mein erstes an – auch wenn es eigentlich schon mein zweites ist. Momentan habe ich so viele Songs, dass ich erst mal auswählen muss, welche wirklich draufkommen.
Damit sich kein Song benachteiligt fühlt.
Filiah: Genau (lacht). Aber um die Frage zu beantworten: Die Songs, die jetzt gerade erscheinen, sind alle nach der Schreibblockade entstanden.
Mit welchen Ohren hörst du heute dein erstes Album?
Filiah: Ich mag die Songs immer noch wahnsinnig gern – aber hören tue ich sie nicht. Das ist sicher auch Selbstschutz. Sonst fällt einem nur auf, was man heute alles anders machen würde, und das kann den Stolz auf etwas Abgeschlossenes schnell verdrängen.
„Man muss zwischendurch auch leben, um Songs schreiben zu können“
Du hast vorhin die Schreibblockade erwähnt. Wie hast du deine längere kreative Pause erlebt?
Filiah: Die hat etwa drei Jahre gedauert. In der Zeit habe ich wenig veröffentlicht, aber Konzerte gespielt und in anderen Bands mitgearbeitet. Es war wie ein Reifeprozess. Zeit ist für mich sehr wichtig – und wird, glaube ich, oft unterschätzt. Gerade heute, wo alles immer schnell gehen muss, tut es gut, sich bewusst Raum zu nehmen. Man muss zwischendurch auch leben, um Songs schreiben zu können. Beim ersten Album habe ich alles selbst gemacht und war danach einfach ausgebrannt. Ich musste mir Zeit nehmen, um zu atmen, um herauszufinden, wohin ich überhaupt will. Das war essenziell für meine Entwicklung.
Natürlich spielt auch Geld eine große Rolle. Zudem habe ich mich selbst lange in eine Schublade gesteckt – als das Mädchen mit der Gitarre, die traurige Songs singt. Ich habe mir kaum Raum für Entwicklung gelassen und mich selbst in diese Rolle gezwängt. Die Pause hat mir geholfen, mich davon zu lösen. Ich habe wenig gepostet, aber trotzdem: Ich bin Musikerin – egal, ob ich gerade viel veröffentliche oder nicht.
Und nach dieser Pause – ist das Gefühl, „vielleicht nichts bahnbrechendes zur Musikwelt beizutragen“, verschwunden?
Filiah: Das Gefühl kennen, glaube ich, viele. Gerade heute, wo man permanent Zugang zu allem hat. Social Media ist da auch eher kontraproduktiv. Aber ich versuche, mich immer wieder daran zu erinnern, warum ich Musik mache. Es geht mir nicht darum, wie viele Leute das hören oder ob’s im Radio läuft, sondern darum, dass ich Worte liebe. Dass ich Dinge ausdrücken und verarbeiten kann. Das ist mein heiliger Ort. Ich mach das für mein inneres Kind.
Du hast so ein Ding mit Worten hast du gesagt. Was macht für dich einen gelungenen Text aus? Manche zerschneiden ihre Verse, legen sie neu zusammen, um sich selbst zu überraschen.
Filiah: Bei mir passiert das Schreiben meistens sehr schnell – manchmal in zehn Minuten. Ich spüre einfach, wenn es passt. Es ist schwer zu beschreiben, aber wenn das Gefühl da ist, weiß ich, dass der Text für mich stimmt. Beim Songwriting bin ich mir ziemlich klar darüber, was ich mag und was nicht.
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Und dieses Gefühl hat sich in deiner kreativen Pause nicht einstellen wollen?
Filiah: Doch, schon.
Dann war es ja eher eine Schaffenspause als eine Schreibblockade.
Filiah: Jein. Es war auch Überforderung dabei. Dinge mussten raus, aber sie konnten nicht. Das hat mich irritiert, weil das Schreiben sonst immer mein Ventil war, um mit Dingen fertigzuwerden. Anders gesagt: Es war wahrscheinlich ein Burnout. Das muss man nicht schönreden.
„Social Media […] killt meine Kreativität“
Das tut mir leid. Im Pressetext steht, ein Songwriting-Camp habe dich geheilt. War es wirklich so einfach?
Filiah: Das – und jahrelange Therapie (lacht). Ich wünschte, Therapieplätze wären leichter zugänglich und für alle erschwinglich. Jeder sollte Therapie machen, oder es zumindest einmal versuchen. Ich habe gelernt, mich selbst besser zu verstehen und mich dafür zu interessieren, warum andere so sind, wie sie sind. Hätte ich nicht Musik gemacht, hätte ich bestimmt Psychologie studiert. Aber nur verstehen reicht nicht – man muss auch lernen, damit umzugehen. Mein erster Instinkt ist immer, ins Gespräch zu gehen, nicht irgendwas zu posten. Social Media tut meiner Psyche meistens nicht gut – und es killt meine Kreativität.
Weil der Blick automatisch so stark nach außen gerichtet ist und die innere Stimme übertönt?
Filiah: Bestimmt sogar.
„Lieber konzentriere mich auf das, was ich gut kann.”
Was erwartest du heute von deiner Musik?
Filiah: Ich versuche, mir nicht zu viel zu erwarten, sondern mich über alles zu freuen, was passiert. Ich mache Musik, seit ich 13 bin – also schon sehr lange. Es ist leicht, sich in Gedanken wie „Was sollte ich bis jetzt erreicht haben?“ zu verlieren. Aber ich will langfristig Musik machen und einen nachhaltigen Weg gehen. Ich habe gelernt, dass ich mich nicht schlecht fühlen muss wegen Dingen, die ich gerade nicht schaffe. Lieber konzentriere mich auf das, was ich gut kann, und versuche, dass es mir damit bestmöglich geht.
Dabei freue mich über alles, was passiert. Ich hätte nie gedacht, dass ich dieses Jahr am Reeperbahn Festival spielen werde. Gerade passieren auch viele spannende Dinge fürs nächste Jahr. Ich bekomme so schöne Nachrichten von Leuten und so viel zurück bei Konzerten. Deshalb will ich mich nicht auf Zahlen oder monatliche Hörer:innen fixieren – auch wenn man sich natürlich wünscht, dass die Arbeit und die Liebe, die Menschen in ein Projekt stecken, entsprechend honoriert werden.
„[…] man lernt Menschen auf eine Art kennen, wie ich es mir immer wünsche.”
Lauert dann hier wieder die Gefahr, sich dem Markt anzupassen um das ganze profitabler zu gestalten? Also vom Künstler zum Dienstleister. Wie schaffst du es dir treu zu bleiben, auch wenn die eigene Musik nicht genug Geld lukriert um das Team auch finanziell zu honorieren?
Filiah: Ich müsste lügen, wenn ich sagen würde, es wäre leicht, alles zu finanzieren. Aber ich arbeite nicht nur an meinem eigenen Projekt. Ich produziere gerade die neue EP meiner besten Freundin ÄNN. Yannay, der Gitarrist meiner Band, bringt auch bald ein Album raus, an dem ich überall mitgeschrieben habe. Ich spiele Bass bei der Band Freude, habe im Rahmen des welovemoldies-Camps mit Marina & The Kats gearbeitet, mit Sanna, und beim neuen Nnoa-Song “My Season”.
Mit Colin Bracewell, einem amerikanischen Künstler, habe ich einen Song gemacht. Letztes Jahr die Magenta-Sommerwerbung produziert und auch die Ghost Ambulance-EP, die 2023 rauskam. Ich liebe Songwriting-Camps. Manchmal kennt man die Leute erst zehn Minuten, und es entsteht gleich eine sehr persönliche Atmosspäre. Dadurch entstehen spannende Sachen. Und man lernt Menschen auf eine Art kennen, wie ich es mir immer wünsche. Ich liebe es, mich in andere einzufühlen und zu helfen.
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Wofür rufen dich die meisten Leute an?
Filiah: Texte, Toplines und Vocal-Arrangements.
„Mir hat es sehr geholfen, ein Team aufzubauen”
Druck von Verlagsseite hast du aber keinen?
Filiah: Nein. Ich mache, was ich schaffe. Priorisieren ist schon öfter ein Thema. Da musste ich lernen, auch mal Nein zu sagen. Das war ein großes Thema in meiner Therapie. Zu erkennen: Es gibt einen Grund, warum ich hier bin. Nicht nur, um für andere da zu sein, sondern auch, weil ich in dem, was ich tue, gut bin. Auch wenn mein Kopf mir jahrelang das Gegenteil erzählt hat. Es ist nicht immer leicht, aber mit langem Atem und Mut ist es möglich. Man könnte sagen: Ich bin davon geheilt. Ich versuche, Dinge möglich zu machen. Wenn man das nicht versucht, landet man immer wieder an denselben Punkten und wächst nicht darüber hinaus.
Das beantwortet fast schon meine nächste Frage: Welche Botschaft möchtest du anderen Musiker:innen in ähnlichen Phasen mitgeben?
Filiah: Mir hat es sehr geholfen, ein Team aufzubauen, das ich wirklich gern habe. Menschen, mit denen ich nicht nur arbeite, sondern auch über vieles reden kann. Sobald das möglich ist, werden Hürden kleiner. Egal ob beim Songwriting, in Beziehungen oder Freundschaften. Meine Band ist meine „Chosen Family“. Natürlich auch mein Booker, mein Label, meine Freund:innen. Ich habe auch großes Glück, mit meinem Co-Producer Thomas Böck an der EP und am Album zu arbeiten. Wir verstehen uns auf einer tiefen Ebene – musikalisch wie menschlich. Diese Offenheit und das Vertrauen in der Arbeit ist genau das, was ich mir immer gewünscht habe.
Muss man deiner Meinung nach leiden, um kreativ zu sein?
Filiah: Ganz im Gegenteil. Ich finde es schön, wenn Kunst aus einem stabilen Zustand heraus entsteht. Vor drei Jahren habe ich eine Depression diagnostiziert bekommen, bin in Therapie gegangen, habe Medikamente genommen und viel in mich investiert. Heute geht es mir stabil – und meine Kunst ist besser denn je.
Vielen Dank für das Gespräch
Dominik Beyer
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Links:
https://www.instagram.com/thisisfiliah
https://www.musicexport.at/artist/filiah
https://inkmusic.at/artist/filiah/
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Live:
14/09/25 Ship Festival // Sibenik, HR
17/09/25 Reeperbahn Festival // Hamburg, DE
03/10/25 Waves Festival // Vienna, AT
13/10/25 Scherbe // Graz, AT
17/10/25 Bertholdsaal // Weyer, AT
04/11/25 Szene (Support for Now) // Vienna, AT
13/01/25 Fluxbau // Berlin, DE