„[…] es ging uns immer darum, es uns selber recht zu machen.“ – KREIML & SAMURAI im mica-Interview

Die Zeit der Pandemie hat bei KREIML & SAMURAI, wie bei vielen anderen auch, die Dinge auf den Kopf gestellt. Eigentlich wollte das Wiener Duo viel auf Bühnen stehen und ihr Album „Auf olle 4re“ promoten. Leider musste die Tour aber noch vor ihrem großen Höhepunkt – dem Konzert im ausverkauften Gasometer – gecancelt werden. Es sollte das bis dato größte Konzert für KREIML & SAMURAI sein. Entsprechend groß war die Enttäuschung, dass nichts daraus wurde. „Lässt sich nicht ändern“, dachten die beiden und machten sich – auch mangels an wirklichen Alternativen – daran, an neuen Tracks zu arbeiten. Und das ganz ohne Druck und irgendeinen konkreten Plan, ganz einfach frei von der Leber weg. In dieser ungezwungenen Atmosphäre entstand eine Vielzahl von Tracks, die vor kurzem in gesammelter Form als Mixtape unter dem Titel „Und täglich grüßt das Untier“ bei Honigdachs erschienenen ist. Im Interview mit Michael Ternai erzählen KREIML & SAMURAI darüber, warum das neue Album vom Feeling her in gewisser Weise eine Rückbesinnung auf die Wurzeln ist, warum es für sie wichtig ist, dass ein Track knallt, und welchen Einfluss das Vaterwerden der beiden während der Pandemie auf die Entstehung des Albums gehabt hat.

Euer vor Kurzem erschienenes Album „Täglich grüßt das Untier“ scheint vom Sound her so, als wärt ihr in gewisser Weise wieder zu euren Wurzeln zurückgekehrt. Kann man das so sagen?

Samurai: „Täglich grüßt das Untier“ sagt es eigentlich schon. Es dreht sich eigentlich alles im Kreis. Wir haben die Entscheidung jetzt nicht bewusst getroffen, die Dinge haben sich, wie es bei uns oft der Fall ist, einfach ergeben. Die Tracks sind alle in Sessions entstanden. Und manche haben wir sogar an einem Tag geschrieben. Das erklärt vielleicht auch diesen spontanen Charakter des Albums. In gewisser Weise fühlt es sich wirklich ein wenig so an, als würden wir zu unseren Wurzeln zurückkehren.

Kreiml: Wir haben eigentlich nie von einem Punkt null weg auf das Album hingearbeitet, sondern haben immer wieder Sessions gemacht, bei denen meistens ein Track rausgekommen ist. Was dieses Mal im Vergleich zum letzten Mal anders ist, dass wir – vor allem was die Beats betrifft – wieder mit einer relativ großen Anzahl an Produzenten zusammengearbeitet haben. Unter anderem mit dabei war Alligatorman, der zu sieben Nummern Beats beigesteuert hat. Dadurch fühlt es sich, glaube ich, schon näher an den ersten drei Alben dran. Beim letzten Album richtete sich unser Fokus vor allem darauf, dass wir etwas Neues wollten, ein Album das klingt, als wäre es aus einem Guss.

Samurai: „Täglich grüßt das Untier“ ist definitiv auch dreckiger, vom Aufnahme-, Mix- und Master-Setting. Wir haben bewusst nicht extrem viel herumgefeilt. Es ist ja oft so, dass, wenn man zu sehr an den Dingen herumschraubt, auch schon etwas von der Ursprünglichkeit verloren geht. Dieses Mal hatten wir einen ziemlich direkten Approach.

Ist das auch vielleicht der größte Unterschied zum Album, bei dem ihr mit Brenk Sinatra zusammengearbeitet habt?

Samurai: Ja, definitiv. Bei dem Album haben wir wirklich viel hin und her überlegt. Wir wollten damals einfach etwas Neues machen. Und Brenk Sinatra ist ein echter Tüftler und Perfektionist. Wir haben da am Ende noch wirklich lange an Kleinigkeiten herumgefeilt. Aber es war cool und hat sich damals richtig angefühlt, es so zu tun. Wir sind auch froh, das gemacht zu haben. Aber jetzt hatten wir wieder einfach Bock darauf, ohne Druck, Perfektionismus und großes Konzept zu werken. Drum hat das neue Teil auch diesen Mixtape-Charakter.

Kreiml: Wir haben einfach losgelegt und hatten dann irgendwann 17 Nummern beisammen. Und die haben sich durch den Gesamtspirit, der uns in dieser Zeit geleitet hat, und unsere direkte Herangehensweise gut zueinander gefügt.

Samurai: Wir haben ja zwischendurch auch immer wieder eine Nummer veröffentlicht, ohne zu wissen, wo die Reise hingeht. Das war lange nicht so klar. Diese Nummern haben wir aber bewusst auf dem Mixtape draufgelassen, weil sie ganz einfach auch Teil dieses zweijährigen Zeitraums sind.

Ihr wart vor der Pandemie live recht viel unterwegs. Das war in den letzten zwei Jahren nicht möglich. Ist dieser unmittelbare Sound des Albums vielleicht auch ein Ergebnis dieser Zeit?

Samurai: Ich glaube, da hat weniger die Pandemie reingespielt, als die Tatsache, dass wir beide in diesen zwei Jahren Väter geworden sind, und wir dadurch klarerweise weniger Zeit für die Musik hatten. Wir haben uns zusammengehockt und uns gesagt, dass wir wirklich an ganzen Tracks arbeiten wollen und uns nicht nur eine Zeile überlegen, an der wir drei Wochen weiterfeilen.

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Kreiml: Wir haben, ohne uns groß etwas zu überlegen, einfach gemacht und geschaut, was dabei herauskommt. Wenn uns der Track im Nachhinein nicht getaugt hat, haben wir ihn eben weggeworfen. Es ging uns wirklich darum, dass wir in der Zeit, die wir zusammen verbracht haben, probieren, das Beste rauszuholen.

Samurai: Das war einfach Zeit für uns und den Schweinehund, die wir wirklich genossen haben.Es ist ja nicht selten so, dass man sich mit einem gewissen Erfolg auch Druck macht. Aber das war bei uns überhaupt nicht der Fall. Uns war wichtig, dass wir einfach Gaudi haben. Es war ein echtes Feelgood-Projekt für uns.

Weil du gerade den Begriff Schweinehund verwendet hat. Worauf basiert er, was bedeutet er eigentlich?

Kreiml: Unser erstes Album hieß ja „Schweinehund“. Der Titel bezog sich auf die Chinesischen Tierkreiszeichen. Samurais Tierkreiszeichen ist das Schwein, meines der Hund.

Samurai: Wir interpretierten daraus, Samurai das Kampfschein und Kreiml der Hund und haben dann eben den Schweinehund abgeleitet. Wir dachten, das hat etwas Astrologisches und Mythologisches, dieses Krafttier. Und auch das Wienerische hat etwas reingespielt. Der Schweinehund passt gut zu Wien und auch zu uns. Das Tachinieren und Owezahn …

Kreiml: Das ist der Rote Faden, der sich bei uns inhaltlich – mal mehr, mal weniger – eigentlich stringent durchzieht.

Samurai: Es ist schwer zu sagen, wo der Begriff eigentlich genau herkommt. Er war einfach da. Der Schweinehund war das Maskottchen unseres ersten Albums und es hat uns irgendwie Glück gebracht. Drum sind wir dabeigeblieben. Vor drei Jahren, glaube ich, war ja laut dem Chinesischen Kalender das Jahr des Schweines, direkt gefolgt vom Jahr des Hundes. Und das war für uns wirklich eine coole Zeit. Wir wissen auch nicht mehr wirklich, warum wir Kreiml&Samurai heißen. Das hat sich einfach alles richtig schön gefügt.

„Wir sind in vielen Bereichen sehr offen. Egal, ob nun kulturell, menschlich, politisch oder musikalisch.“

Was auf dem neuen Album auch schön rauskommt, ist eure musikalische Offenheit. Man hört, dass ihr euch da in keinster Weise irgendwie einschränken wolltet. Es gibt mit euren Raps schon die gemeinsame Spange, die alles zusammenhält, nur klingen die Tracks wirklich alle sehr verschieden.

Samurai: Das ist eigentlich genau das, was uns immer ausgemacht hat. Wir haben einfach gemerkt, dass, wenn man versucht hat, uns künstlich einzuengen, wir uns keinen Gefallen tun. Es war nie so, dass wir es irgendjemanden Recht machen wollten, es ging uns immer darum, es uns selber recht zu machen. Wir hören einen Beat oder ein Sample, haben eine Idee und gehen der einfach nach und lassen es einfach laufen. Das entspricht einfach unseren Charakteren. Wir sind in vielen Bereichen sehr offen. Egal, ob nun kulturell, menschlich, politisch oder musikalisch. Ich selber höre von Gustav Mahler bis hin zu Punkrock- und Metal-Sachen eigentlich alles. Geile Musik kann alles sein.

Kreiml: Wir haben uns bei diesem Album wirklich in keinster Weise eingeschränkt. Es kam auch vor, dass da ein Beat war, der uns zwar getaugt hat, aber nicht ganz zum Rest gepasst hat. Wir haben ihn aber trotzdem verwendet. Es war uns dieses Mal wurscht, ob etwas super reinpasst oder nicht. Es musste einfach nur Gaudi machen.

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Samurai: Natürlich mussten die Sachen schon einen gewissen Qualitätsanspruch erfüllen, aber mehr im Sinne dieses Oldschool-Ninties-Keep-It-Real-Dings. Es geht uns nicht mehr primär um lyrische Ausgefeiltheit. Die zehnsilbigen Reime und irgendwelche technisch anspruchsvollen Patterns haben wir schon durch. Dieses sportliche Competition-Ding ist schon weniger geworden.Diese Schule haben wir schon durchgemacht, wir haben schon gezeigt, dass wir unser Handwerk verstehen. Jetzt war es so, dass wir es einfach laufen lassen haben. Auch durch die Zusammenarbeit mit verschiedenen Leuten in den vergangenen Jahren, wie etwa mit Voodoo Jürgens, haben wir unseren Horizont erweitert. Voodoo Jürgens ist, wie ich finde, ein Meister des Storytellings. Er erzählt Geschichten, wie kein anderer. Und so einen Anspruch stellen wir auch an uns. Wie wollen eine Gschicht erzählen und nicht nur Tracks gespickt mit technischen Finessen, die eh keiner versteht.

„Es ist wichtiger, dass das, was man sagt, irgendwie knallt […]“

Kreiml: Man durchläuft eine gewisse Schule bzw. eine Zeit, die einen prägt. Die hat man einfach intus. Diese Dinge bekommt man nicht mehr los. Aber so, dass man sich darauf aufhängt und zum Beispiel einen zehnsilbigen Reim vor die Aussage oder die Punchline stellt, ist nicht unser Ansatz. Es ist wichtiger, dass das, was man sagt, irgendwie knallt, als das sich jemand denkt: „Wow, das ist jetzt ein arger Reim oder das ist jetzt der ur anspruchsvolle Doubletime-Flow.“

Es ist ja auch so, dass – und das ist im Hip-Hop nicht anders – die Nummern immer kürzer werden. Nicht so bei euch. Ihr lasst einen Track so lange dauern, solange er eben braucht.

Kreiml: Das war auch nie unser Ding. Wir haben uns in diesem Punkt, wie auch in vielen anderen, nie den Regeln der Industrie unterworfen. Auch wenn sie manchmal vorgegeben zu sein scheinen. Wie etwa auf Spotify, wo du anscheinend mit einem zwei Minuten Track besser aussteigst, weil die Aufmerksamkeitsspanne vieler nur mehr für 15-sekündige TikTok-Clips reicht. Wir haben uns immer geweigert, sich dem zu fügen. Ich glaube, wenn jeder nach den Regeln spielt, nur noch Zweiminuten-Tracks produziert, die Hook und den Verse so anpasst, damit sie catchy sind, dann klingt irgendwann einmal alles sehr ähnlich.

Samurai: Auf dem Mixtape finden sich dieses Mal auch wieder mehr Tracks als gewöhnlich. Bei siebzehn Tracks wird es sicher auch einige geben, die sagen, dass kann man sich nicht in einer Wurscht geben. Ich glaube, die Aufmerksamkeitsspanne der Leute wird immer kürzer, aber das ist uns wurscht. Wer es sich nicht in einem anhören kann, der tut das eben nicht. Ich finde, man kann „Täglich grüßt das Untier“ sogar im Kreis anhören. Im Endeffekt geht es darum, dass es dir selber taugt. Man kann auch von Leuten wie dem Ostbahn Kurti sehr viel lernen, wenn du dich mit seiner Biographie auseinandersetzt. Er hat sich auch für seine Inhalte eingesetzt. Und er hätte wohl auch viel größer bzw. kommerziell noch erfolgreicher werden können. Hat er aber, glaub ich, bewusst nicht gemacht, sondern alles in einem gesunden Rahmen, in dem er sich wohlgefühlt hat und er selbst bleiben konnte, gehalten. Er hat mit Leuten gearbeitet, mit denen er gern gearbeitet hat, und Themen besungen, mit denen er sich selbst identifizieren konnte. Das hat ihn meiner Meinung nach auf Dauer zu einem glücklichen Menschen gemacht. Und das wollen wir ja irgendwie alle. Insofern ist er ein absolutes Vorbild für uns und viele andere. Sein Schaffen ist von Dauer und wird nicht so schnell verpuffen wie irgendein kommerziell erfolgreicher Schaas.

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Inwieweit war die Arbeit an diesem Album auch Therapie oder Ablenkung. Ihr wart ja vor der Pandemie richtig gut unterwegs. Dann hieß es, etwas kleinere Brötchen zu backen.

Samurai: Man kann durchaus sagen, dass wir auf einer Erfolgswelle waren. Wir haben viel gespielt, es ging so richtig dahin.  Das ist mit der Pandemie weggebrochen. Wir haben alles ein bissl reduziert und den Blick auf uns selber gerichtet. Therapie war es insofern, dass wir uns bewusst für uns Zeit genommen und uns mit uns beschäftigt haben.

Kreiml: Es ist einem ja auch nicht viel geblieben. Das Livespielen ist ja weggefallen. Da ist uns nichts anderes übriggeblieben, als uns darauf zu besinnen, warum wir eigentlich mit dem Ganzen begonnen haben. Und das waren die Momente des Schreibens und Zusammenhockens, das waren die Sessions, hinter denen keine großen Pläne oder Ziele standen. Diese waren in den zwei Jahren der Pandemie soundso etwas Abstraktes. Man macht halt etwas, weil es einem taugt und nicht, weil man etwas erwartet. Wir haben damals nicht aus dem Antrieb heraus begonnen, planmäßig das und das genau so zu machen, um irgendwann eine Halle zu füllen. Es hat sich einfach alles nach und nach organisch ergeben. Und drum ist es uns vielleicht leichter gefallen. mit der Situation umzugehen, weil wir im Grunde genommen schon kannten.

„Wir spielen uns gegenseitig den Ball zu, bis ihn einer versenkt.“

Was hat euch dieses Mal zu euren Texten inspiriert?

Kreiml: Manchmal hast du ganz einfach diese zwei, drei Zeilen im Kopf. Und das ist dann oft schon ein Anfang und der Rest ergibt sich von selbst. Manchmal sitzt man im Studio und ein Beat rennt und plötzlich hat einer von uns einen Flash und lässt Freestyle mäßig etwas raus, was dann schon eine Hook ist, die wiederum schon das Thema vorgibt. Es war eigentlich selten so, dass wir im Vorhinein ein Thema bestimmt hätten.

Samurai: Mittlerweile ist es auch einfach so, dass wir ein gut eingespieltes Duo sind. Wir spielen uns gegenseitig den Ball zu, bis ihn einer versenkt. Wir haben schon eine gewisse Dynamik, die sich über die Jahre entwickelt hat. Und die haben wir bei der Arbeit an diesem Album echt genossen und ausgelebt. Drum ist es wirklich leiwand mit Kreiml zusammenzuarbeiten, weil er oft wirklich leiwande Ideen hat und mich auch inspiriert.

Kreiml: Dieses Lob muss ich an dieser Stelle zurückgeben.

Ihr habt vor Kurzem ein paar Konzerte gespielt. Unter anderem eines im Radiokulturhaus. Was steht in den nächsten Monaten livetechnisch sonst noch auf dem Programm? Eine Tour.

Samurai: Wir planen im Grunde genommen die Tour nachzuholen, die bereits vor zwei Jahren stattfinden hätte sollen, aber wegen Corona unterbrochen werden musste. Da wären noch ein paar wirklich coole Konzerte auf dem Programm gestanden, wie etwa das im Gasometer. Das wäre die größte Show gewesen, die wir jemals selbst veranstaltet hätten. Sie hätte auch jetzt im vergangenen März nachgeholt werden sollen, nur war da die Lage immer noch recht unsicher und wir hatten noch nicht wirklich ein besonders gutes Gefühl. Deswegen haben wir uns entschieden, noch ein wenig zu warten und im Sommer jetzt einige Festivals zu spielen und das Konzert im Gasometer am 28.10.2022 hoffentlich endlich nachzuholen. Die restliche Tour wird dann im Frühjahr 2023 stattfinden.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Michael Ternai

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