Ernst Molden & Neue Wiener Concert Schrammeln: „Mei Liab“

An einem Album über die Liebe haben sich schon viele versucht, selten aber ist die Operation am offenen Herzen so gut gelungen wie auf „Mei Liab“. Dafür sorgt schon die Kombination: Ernst Molden hat sich für die Aufnahmen mit den Neuen Wiener Concert Schrammeln zusammengetan, diesen so ambitionierten wie feinfühligen Erneuerern des Wienerlieds, um acht eigens dafür neu geschriebene Stücke mit vier älteren (darunter etwa das berühmt berüchtigte, von Molden gemeinsam mit Resetarits und Soyka und Wirth oft gesungene „Liad ibas Losziagn“) zu kombinieren.

Drei Liedern leiht Tini Kainrath dabei ihren Gesang, und – was soll man sagen – es klingt so, als habe diese Formation bereits ein paar Jahrzehnte gemeinsam auf dem Buckel. Schon mit dem Titelstück eröffnet das Ensemble fulminant und Molden zeigt textlich, worum es auf diesem Album geht, nämlich die „Liab“ – komme was wolle – „in der Mittn“ zu tragen. „Zwaa“ ist ein wunderbares Lied über das Älterwerden und Durchhalten in der Liebe und das sich verlassen können auf einen Partner geworden, der ein Leben lang zu einem steht. Das geht unter die Haut, wie auch das gleichnamige Lied, „Untad Haut“, eine fast schon beschwörende Liebeserklärung, die eindringlicher nicht sein könnte.

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Oft auf „Mei Liab“ hängt der Himmel voller Geigen, es wird gesungen, gesudert und geschrammelt, dass es eine Freude ist, dann wird´s plötzlich dunkel, die Idylle bekommt einen Riss, aber nie zu lange, bevor es wieder in Richtung Wärme und Versöhnung geht. Herzzerreißend gesungen und gespielt ist das, aber zu all der ausgelassenen Freude über ein so gelungenes Werk gesellt sich natürlich auch ein wenig Wehmut, sind es doch die letzten Aufnahmen, auf denen der jüngst verstorbene Walther Soyka zu hören ist.

Dass nach dem Tod von Willi Resetarits, dem erst neulich durch die Veröffentlichung des Live-Albums aus dem Wiener Stadtsaal eindringlich gedacht wurde, ein weiteres Mitglied von Molden/Reesetarits/Soyka/Wirth nicht mehr lebt, ist ein harter Schlag, den man erst einmal verdauen muss. Es ist letztlich daher nicht nur ein Album über die Liebe und das „gemeinsam losziagn“ geworden, sondern auch eines übers Abschiednehmen („boid miass ma gehen“). Dem Erstaunen darüber, wie schnell es vorbei sein kann, wird in „es Lem“ Ausdruck verliehen. „Alles könnt das letzte Mal sein“ und „Was du heut noch nicht glauben kannst, wird morgen schon der Fall sein“ heißt es da. Und der Schluss, der daraus zu ziehen ist, fällt so logisch wie lebensbejahend aus: „drum nimm dir´s, da liegt´s: dein Lem.“ Vor allem aber „sollt ma sich´s ordentlich geb´n“, bevor es vorbei ist. Raus in die Welt also, zum heurigen, wo im besten Fall jemand wie Soyka die Knöpferlharmonika für einen spielt.

Ein paar Mal, vor allem auf „Schleppa“ und „Vuaschbü zum Lem“ muss man sich da schon eine Träne verdrücken, so wunderbar, so wichtig, so prägend ist Soykas Spiel und so schmerzlich wird es in Zukunft vermisst werden. Aber so ist das beim Wienerlied: Liebe und Trauer, Leben und Tod sitzen auf einen Spritzwein oder auch zwei beisammen und es darf ebensoviel gelacht wie geweint werden. Wenn es der Tränen zu viel werde sollte, muss man sich nur den im Falter abgedruckten Nachruf Ernst Moldens auf seinen Mitmusiker und Freund Walther Soyka in Erinnerung rufen.

Darin erzählt Molden, wie die liebevoll „Viererbande“ genannte Band(Molden/Resetarits/Soyka/Wirth) nach einem Konzert am Land noch gemeinsam aus war und Soyka fast erfroren wäre, weil er beim „Sternderlschauen“ an der Friedhofsmaiuer lehnend eingeschlafen war. Der Veranstalter hatte den Harmonika-Virtuosen durch Zufall noch rechtzeitig von der Friedhofsmauer gepflückt. Sonst wäre er wohl schon viel früher von uns gegangen. Die Geschichte zeigt nicht nur, dass die Beziehung der Musiker:innen weit über das bei gemeinsam Musizierenden Normale hinausging, sie stimmt letztlich auch ein wenig tröstlich. Denn es hätte auch Soykas Geschichte schon früher zu Ende gehen können. Durch einen dummen Zufall, ein Missgeschick. So ist das Leben. Dann aber wäre uns u.a. diesem wunderbaren Stück versagt geblieben, auf dem wir noch einmal genießen können, wie bei hervorragenden Musiker:innen eines ins andere greift, wenn sie sich spüren, und man ist geneigt ist trotz des großen Verlustes das Glas Spritzwein nicht halb leer, sondern halb voll zu sehen.

Selbst für Menschen, die dem Wienerlied nicht geneigt sein sollten, ist dieses Album mit seiner Spielfreude und Tiefe eine schwere Empfehlung.

Markus Deisenberger

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Ernst Molden & Neue Wiener Concert Schrammeln live
04.05. Stadtsaal, Wien

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