Nach längerer Pause melden sich die enfant terribles der Salzburger Musikszene mit dem unschlagbaren Namen The Helmut Bergers wieder lautstark zurück. Auf ihrem neuen Album „Abracadabra“ (Las Vegas Records) servieren sie uns laut Selbstdefinition einen „Mish-Mash“ all ihrer Einflüsse und Vorlieben als ewiges Gerangel zwischen Begierden, Abstürzen, Weltschmerz und Hedonismus. Ob das nun melancholische Post-Rave-Depressions oder doch eher wilde Tänzchen auf Vulkanen sind (oder beides), kann dabei gerne selber entschieden werden. Gute Pop-Musik war ja schon immer uneindeutig und allein den Album-Titel suggeriert eine gewisse Verzauberung und Magie. Über all dies und noch mehr hat sich Didi Neidhart für mica mit Sänger Paul Konarski zum Interview getroffen.
Das letzte Album „Another Glass Of Lemonade“ kam 2018 heraus. Wieso hat es jetzt so lange bis zum neuen Album „Abracadabra“ gebraucht?
Paul Konarski: Stimmt. Das letzte Album ist schon ein paar Jahre her – da sieht man, wie die Zeit verfliegt. Im Prozess achtet man gar nicht wirklich darauf, wie lange oder wie schnell man liefert. Hauptsache, man macht es ordentlich und genügt am Ende auch seinen eigenen Ansprüchen.
Natürlich wäre es wünschenswert, gute und eingängige Tracks wie ein Legebatterie-Huhn zu legen, doch ich persönlich sehe es ähnlich wie Stanley Kubrick: „Vielleicht produzieren wir nicht viele Alben, dafür aber mit Liebe fürs Detail.“ Das alles auch gerne mit kryptischen Lyrics, gleichbleibender Herznote der Sounds sowie einer gesunden Bedienung aller möglichen Genres.
Ihr hattet ja immer auch (viele) Besetzungswechsel. Gehören die quasi zur Band mit dazu, oder sind The Helmut Bergers halt so?
Paul Konarski: In dem Fall ist es nicht selbst ausgesucht. Menschen entscheiden sich halt für neue Schritte im Leben, und bekanntlich soll man Reisende nicht aufhalten. Es schmerzt immer, wenn jemand die Band verlassen möchte.
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Seht ihr die Band mittlerweile eher als losen Verbund von Gleichgesinnten oder doch eher als Familie?
Paul Konarski: Menschlich sowie musikalisch ist die aktuelle Besetzung das Beste, was passieren konnte. The Helmut Bergers sind jetzt eine Truppe aus fünf Freunden – sprich, wir sind eine echte Band, die nur so strotzt vor positiver Energie, Begabung und Charme. File under: Fünf Freunde.
Mittlerweile gehört ihr ja schon zu den Aushängeschildern der Salzburger Musik-Szene. Aber wie sehr seht ihr euch da als Teil von etwas Größerem?
Paul Konarski: Na klar doch! Die Salzburger Musik-Szene hat die letzten Jahre so großartige Bands und Solo-Artists hervorgebracht – da kann man nur stolz darauf sein, ein Teil davon zu sein. Es bedarf keiner Namen, die sind bereits allen gut bekannt und würden womöglich den Rahmen sprengen, aber unsere Ambitionen bleiben natürlich weiterhin hoch bzw. höher gesteckt.
„So ein Name ist auch reine Interpretationssache.“
Wie seid ihr zum Albumtitel „Abracadabra“ gekommen? Steckt da mehr dahinter oder geht es eher um den griffigen Oberflächenreiz?
Paul Konarski: Der Albumtitel „Abracadabra“ war einfach nur eine Idee in einer Bar. Da kann man so viel hineininterpretieren – nennen wir es einfach einen Heilungszauber (lacht).
Der Bandname weckt ja immer noch Assoziationen zu einem gewissen Lifestyle zwischen Dekadenz, Aufgekratztsein, Müßiggang und selbstbewusster Arroganz gegenüber kleingeistigen Lebensumständen. Aber ist sowas heutzutage überhaupt noch möglich? Kann daraus überhaupt noch etwas Produktives herausdestilliert werden?
Paul Konarski: Uhhh… Unser Bandname ist „einer der besten Österreichs“, wie der Falter mal geschrieben hat. So ein Name ist auch reine Interpretationssache – dank Helmut Berger. Aber wir sind in erster Linie Musiker*innen. Wenn es um die Helmut Bergers geht, kümmert uns ausschließlich die Musik. Das heißt jetzt aber nicht, dass wir nicht reflektiert durch die Welt segeln. Unser Lifestyle ist es, Spaß zu haben – und Spaß zu geben. Einfacher gesagt: Wir sind die Hyper-Speed- & Super-Fun-Destillerie.

Was beim Album auffällt, ist eine stärker als bisher durchschimmernde Art von Nostalgie als Reflexion über Gewesenes. Die Grundhaltung ist zwar immer noch „kühl, lasziv, sexy“ (wie es im Pressetext steht), aber verbirgt sich dahinter mittlerweile nicht doch mehr aufgekratzte Melancholie?
Paul Konarski: Nicht wirklich. Ein Song wie „Look Where We Are Now“ schnappt das Thema Nostalgie ein bisschen auf, aber ansonsten ist das gesamte Album eher als Hommage an das Leben zu deuten. Da nimmt man halt mehrere Phasen mit, und Fragezeichen sind treue und bleibende Wegbegleiter. Musikalisch ist es einfach der Bergers-Style.
„Wir sind die Hyper Speed- & Super Fun-Destillerie.“
Ihr spielt ja auch bei den Tracks mit Retro-Elementen. Beim Titelsong „Abracadabra“ gibt es 80s-Synth-Licks (aber auch ein psychedelisches Gitarren-Solo), bei „Acid House“ erklingen Rave-Gitarren in einem Italo-House-Ambiente, „How To Get There“ besticht durch ein Wave-Pop-Memorabilia-Synthesizer-Solo und „Blue Hour“ mixt Sixties-Rock’n’Roll mit krautrockiger Sequencer-Motorik. Wie kommt es eigentlich zu solchen Mixturen? Wie wählt ihr diese Sounds aus?
Paul Konarski: Die Helmut Bergers waren immer schon bekannt dafür, genreübergreifend zu komponieren, um die Romantik nicht zu zerstören. Das heißt: Wir machen uns schon viele Gedanken, aber das meiste entsteht dann doch eher aus reiner Intuition. Alle Tracks auf „Abracadabra“ sind miteinander verwandt. Warum das so ist, weiß aber nur der liebe Gott. Stilistisch ist es uns allerdings wichtig, jeder Nummer einen positiven Touch zu geben. Also: immer ein bisschen Hoffnung, immer ein bisschen von allem. Hauptsache, es knallt!
Bei all dem scheint ihr aber immer noch an so etwas wie „Rock’n’Roll“ zu glauben. Was bedeutet das eigentlich für euch? Ist das ein Lifestyle, eine Art Verhältnis zur Welt, ein Musikgenre oder generell eine Herangehensweise an Musik? Oder ist das nur noch ein Wort, ein Begriff?
Paul Konarski: Ja, natürlich! Rock’n’Roll ist ein Lebenselixier. Es geht natürlich nicht um Rock’n’Roll-Musik per se, sondern um den dazugehörigen Lifestyle, alles etwas lockerer und cooler zu nehmen. File under: Ein bisschen gut, ein bisschen böse, ein bisschen alles – aber mit Charme. Ein bisschen Rock’n’Roll eben. (lacht)
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Könnte ganz forsch gesagt werden, dass sich all die Ambivalenzen aktueller Lebenserfahrungen und Weltwahrnehmungen diesmal mehr als bisher in eure Songs eingeschrieben haben? Viele Songs sind ja durch die Gleichzeitigkeit von Widersprüchlichkeiten geprägt: Will ich jetzt Hedonismus oder einfach nur ein „Sweet Nothing“? Wie verhalten sich Arroganz zu all den Selbstzweifeln (den Post-Rave-Depressionen)? Ist das zufällig entstanden, oder gab es da quasi ein Konzept zur inhaltlichen Ausrichtung des Albums?
Paul Konarski: Sehr gute Frage. Lyrisch ist definitiv ein roter Faden da. Bei „Abracadabra“ schwimmt viel Intuition mit. Da haben sich Themen eigentlich ganz spontan beim Akt des Schreibens entwickelt, aber sicherlich mit einer unterbewussten Führung.
Aber es gab ganz und gar nicht irgendeinen Plan einer gebuchten All-Inclusive-Reise bezüglich der Songtexte. Unser neues Album baut auf dem Fundament des Hedonismus auf – und wächst in die Höhe wie ein Kartenhaus.
„Wir wollen Hoffnung geben, vielleicht weil wir sie auch manchmal verlieren.“
Trotz all der Zweifel und den kleinen Dramen und Komödien zum Thema „Aufruhr der Gefühle“ endet das Album mit dem Song „What I Need From Life“ in einem fulminanten Finale, bei dem es schlichtweg nur um Frühlingsgefühle und Glücksmomente geht. Habt ihr diesen optimistisch daherkommenden Chillout-Song bewusst an den Schluss gesetzt?
Paul Konarski: Ganz plump: Die Reihenfolge des gesamten Albums hat der gute Mr. Windows Media Player alphabetisch für uns ausgesucht. Nennen wir es Fügung oder Faulheit – für uns hat es so gepasst. Der Zufall hat entschieden.

Im PR-Text ist auch von der „Positive Power of Leichtigkeit“ die Rede. Wie seht ihr das? Bzw. wie verträgt sich das für euch mit den doch bandtypischen Vorlieben für großes (schweres) Pop-Pathos?
Paul Konarski: Wir sind durchflutet mit dem Trank des Optimismus! In Zeiten, in denen zumindest im österreichischen Indie-Sektor die Negativität oder die Suche nach Lösungen in der Schwermut verortet werden, machen wir eigentlich das, was wir immer schon gemacht haben und auch weiter machen werden: Wir wollen Hoffnung geben. Vielleicht, weil wir sie auch manchmal verlieren – und dann aber auch wiederfinden müssen.
Wie wurde das Album eigentlich finanziert? Gab es Subventionen?
Paul Konarski: Ja. Wir bedanken uns sehr für die Salzburger Musiksonderförderung für Tonträger!
Wie läuft die Arbeit mit dem Label Las Vegas Records?
Paul Konarski: Las Vegas Records ist ein super motiviertes Wiener Indie-Label, das Bands wie Kommando Elefant, Leyya, Pippa oder Like Elephants unter Vertrag hat. Unser erstes Album „Sweet Sensation“ haben wir auch bei Las Vegas Records released.
Und ein paar Jahre und ein Telefonat mit Labelboss Andreas Jantsch später haben sich die Bergers und Las Vegas Records auf eine neue Kooperation auf Augenhöhe und mit ganz viel Respekt geeinigt – und sich wieder dazu entschlossen, zusammenzuarbeiten, um gemeinsam das neue The-Helmut-Bergers-Album „Abracadabra“ auf Spur zu bringen. Mal sehen, was der Fortuneteller parat hält … Aber es macht einen Riesenspaß und es sind gute Leute.
Wird es eine Tour zum Album geben? Live macht ihr euch ja eher rar.
Paul Konarski: Wir hoffen natürlich, dass wir auch bald spielen werden. Wann, ist noch abzusehen. Aber wir freuen uns darauf.
Danke für das Interview.
Didi Neidhart
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