„Der besondere Moment dauert an“ – BERND RICHARD DEUTSCH im mica-Interview

BERND RICHARD DEUTSCH geht konsequent seinen Weg. In den letzten Jahren haben sich hochkarätige Preise und Auszeichnungen aneinandergereiht und der Werkkatalog ist kontinuierlich mit prominent uraufgeführten Stücken gewachsen. Am 26. November erklingt sein neues Orgelkonzert im WIENER MUSIKVEREIN. Christian Heindl sprach mit dem Komponisten.

Auch wenn man allmählich dem Vierziger zugeht, gilt man damit für einen Komponisten durchaus noch als jung und Aufführungen im Großen Saal des Wiener Musikvereins sind alles andere als selbstverständlich. Ist die Uraufführung Ihres Orgelkonzerts „Okeanos“ am 26. November ein besonderer Moment in Ihrer beruflichen Laufbahn?

Bernd Richard Deutsch: Der „besondere Moment“ dauert jetzt schon seit 2011 an, beginnend mit dem 2. Preis beim Toru Takemitsu Composition Award. Ein Höhepunkt war sicher der Schwerpunkt bei Wien Modern 2013, der Erste Bank-Kompositionspreis und die damit verbundene Produktion einer Porträt-CD mit dem Klangforum Wien, die heuer bei „Kairos“ erschienen ist. 2014 der Hindemith-Preis, einer der wichtigsten deutschen Musikpreise. Natürlich ist eine Aufführung im Musikverein immer besonders, aber ich hatte ja auch schon 2013 die österreichische Erstaufführung von „subliminal“ dort und 2014 die Uraufführung meines Tripelkonzerts für Trompete, Posaune, Tuba und Orchester mit dem Tonkünstler-Orchester Niederösterreich.

Wie kam es zu dem Projekt des Orgelkonzerts „Okeanos“, das nun im Zyklus des ORF Radio-Symphonieorchesters zur Uraufführung gelangt?

Bernd Richard Deutsch: Das war ein Auftrag der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien und des RSO Wien. Die Idee ist, dass die seit 2011 im Musikverein vorhandene neue Rieger-Orgel verstärkt präsentiert werden soll. Dementsprechend gab es auch bereits eine Reihe an Orgelkonzerten im großen Saal.

Was war die Grundidee zur Komposition und wie sind Sie an die Aufgabe herangegangen?

Bernd Richard Deutsch: Es war ziemlich schnell klar, dass es ein viersätziges Werk wird. Ausgangspunkt war ein Akkord, mit dem das Stück beginnt und aus dem sich das Folgende entwickelt. So beruht dann jeder Satz auf seiner eigenen, aus jeweils eigenem Material bestehenden Idee. Es ist natürlich eine schwierige Besetzung und eine Herausforderung, die Orgel gegenüber dem Orchester hervorzuheben. So habe ich mich um Vielschichtigkeit bemüht. Vor allem sollte es auch ein wirkliches Konzert werden – nicht einfach nur ein „Stück mit Orgel“. Die Orgel hat einen sehr umfassenden Part. In den Sätzen kommen sämtliche Dichtegrade vor und es gibt auch das typisch „konzertante“ Frage-Antwort-Spiel.

Das Konzert ist für großes Orchester gesetzt, es enthält große Bläserbesetzung, Harfe, Celesta und einen für vier Spieler angelegten Schlagwerksatz. Daraus lässt sich schließen, dass es gezielt für den Konzertsaal und nicht für eine allfällige Aufführung in einer Kirche geschrieben wurde?

Bernd Richard Deutsch: Das Sakrale habe ich von Anfang an bewusst ausgeschlossen. Das Stück braucht den Konzertsaal. Speziell hervorheben kann man, dass das Schlagzeug wirklich eine große Rolle spielt, was bei mir oft der Fall ist – zuvor etwa im Tripelkonzert war das noch stärker als hier. An manchen Stellen wird die Orgel nur mit Schlaginstrumenten kombiniert.

Standen Ihnen Modelle aus der Konzertliteratur Pate oder gingen Sie völlig unbefangen an die Aufgabe heran?

Bernd Richard Deutsch: Es gibt wenige wirklich gute Orgelkonzerte. Unter den großen Namen im 20. Jahrhundert beispielsweise Poulenc, Hindemith. Von den neueren Werken ist zum Beispiel James MacMillans „A Scotch Bestiary“ sehr interessant. Es arbeitet so wie meines mit einem sehr großen Apparat. Ich habe mir das alles und vieles mehr angeschaut, aber es gibt keine Vorbilder im eigentlichen Sinn.

Ist der Orgelpart speziell auf den Solisten Wolfgang Kogert ausgerichtet, haben Sie sich bei der Komposition mit ihm abgesprochen?

Bernd Richard Deutsch: Unbedingt! Wir haben uns schon sehr früh an der Orgel im Musikverein getroffen und er hat sie mir im Detail demonstriert. Ich habe ihm dann jeweils die Sätze geschickt, zuerst den ersten, dann den vierten und zuletzt jetzt im Sommer entstanden der zweite und dritte. Wir haben das detailliert besprochen und es gab auf seinen Rat hin auch geringfügige technische Änderungen, etwa gewisse Pedaldinge.

Seit Kurzem werden Sie von einem großen internationalen Verlag vertreten, der seine Hauptsitze in London, Berlin und New York hat – für einen österreichischen Komponisten eine außergewöhnliche Situation, da in der Regel nichts schwerer ist, als mit seinem Schaffen über die Grenzen zu gelangen. Gibt es bereits erste Früchte dieser Zusammenarbeit, bemerken Sie ein gesteigertes Interesse an Ihrer Musik auch in anderen Ländern?

Bernd Richard Deutsch: Seit 2014 bin ich mit meinen Arbeiten bei Boosey & Hawkes, was mich natürlich sehr freut. Darüber bin ich sehr glücklich. Der Verlag ist sehr daran interessiert, mich auch im Ausland bekannt zu machen. Es ist bereits eine Aufführung des Orgelkonzerts in Manchester geplant und es sind schon mehrere Aufführungen anderer Werke in Großbritannien und den USA im Gespräch. Demnächst werden auch diverse Kaufausgaben erscheinen – vom Klaviersolo bis zum Streichquartett.

2002 erhielten Sie im Wiener Rathaus den Ernst-Krenek-Preis, vor wenigen Wochen wurde bekannt, dass Sie heuer den Musikpreis der Stadt Wien erhalten, dazwischen lagen neben Förderungspreisen und Stipendien auch weitere hohe Auszeichnungen, die Sie zum Teil vorhin genannt haben: der Würdigungspreis Ihres Heimatbundeslandes Niederösterreich, der Erste-Bank-Kompositionspreis und im Vorjahr der Paul-Hindemith-Preis. Ist es eine gewisse Genugtuung, wenn man sein Schaffen auch von dieser Seite her so geschätzt sieht?

Bernd Richard Deutsch: Die Preisverleihung für den Musikpreis der Stadt Wien ist übrigens am 30. November, also nur vier Tage nach dem Orgelkonzert. Natürlich ist das alles extrem erfreulich. Der 2. Preis beim Takemitsu Award war ein großer Schritt, das ist ja der größte Kompositionswettbewerb für Orchester weltweit. Kurz darauf der Erste-Bank-Preis mit der CD-Produktion, der Hindemith-Preis.

Steigt einem diese Serie zu Kopf?

Bernd Richard Deutsch: Nein, dazu bin ich zu erdverbunden. Ich konzentriere mich auf meine Arbeit. Das ist das Wichtigste und wenn das gewürdigt wird, freut es mich natürlich.

Welche Aufgaben warten nun nach dem Orgelkonzert oder sind schon in Arbeit?

Bernd Richard Deutsch: Das nächste große Projekt ist ein sehr ungewöhnliches, nämlich für Orchester und ein rund fünfzehnköpfiges Ensemble für den Steirischen Herbst 2017. Damit beginne ich gerade. Es ist eine große Herausforderung, es so anzulegen, dass diese Gegenüberstellung akustisch Sinn ergibt. Ich habe jetzt eigentlich viele Konzerte gemacht habe – zuerst das Tripelkonzert mit drei Blechbläsern, das Orgelkonzert, jetzt Orchester und Ensemble. Fix plane ich ein Hornkonzert und ein Cellokonzert.
In diesem Sommer haben das GrauSchumacher Piano Duo, Jesús Porta Varela und Thomas Schwarz beim Schleswig-Holstein Musik Festival ein Stück für zwei Klaviere und zwei Schlagzeuger uraufgeführt. Es dauert rund dreizehn Minuten und ich habe vor, es noch zu erweitern. Ich denke auch an ein größeres Orchesterwerk, aber da ist noch nichts konkret geplant.

Vielen Dank für das Gespräch.

Christian Heindl

 

Foto Bernd Richard Deutsch 1: Helmut Lackinger
Fotos Bernd Richard Deutsch 2 und 3: Stefania Amisano

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