AKI TRAAR sitzt vor einer Melange im Café Namenlos und denkt nach – über das, was er gerade gesagt hat und das, was er gleich sagen will. „Na, lass mich das zurücknehmen, ich hör nicht nur meine eigene Musik.“ Sein Blick driftet ab. Vor ein paar Tagen hat der Produzent und Sounddesigner „Helix Bruise“ veröffentlicht. Eine EP, die so klingt, als hätte sich der ELAK-Jahrgang an den FM4-Charts vergriffen. Kein Wunder: AKI TRAAR kennt beide Welten, die konzeptionelle und konsumorientierte. Am Burgtheater hat er zuletzt für „Die geschlossene Gesellschaft“ komponiert. In Ingolstadt hängt er sich demnächst für ein Shakespeare-Stück ans Mischpult. Warum er als studierter Elektroakustiker auch an einem neuen Pop-Approach bastelt, erzählt AKI im Gespräch mit Christoph Benkeser.
Club oder Theater?
Aki Traar: Darf ich gegenfragen? Gehst du viel ins Theater?
Nicht so oft wie in den Club.
Aki Traar: Ich frag, weil ich erstaunt war, wie empfänglich das Theater für diese Art von Musik ist. Klar, es kommt auf die Regisseur:innen an, trotzdem … Ich dachte am Anfang: Theatermusik, da wird halt jemand auf der Geige Mozart spielen. Tatsächlich ist man gerade im Theater offen für neue Musik.
Neue Musik heißt bei dir: experimentell, elektronisch.
Aki Traar: Dass junge Musiker:innen ihre Interessen ins Theater bringen können, ist doch gut. Ich hab als unbezahlter Praktikant am Burgtheater begonnen und dachte, dass ich mich verbiegen müsste. Dabei wurde ich aufgefordert, genau das zu machen, was ich ohnehin schon gemacht hab. Ich bin dabei geblieben und hab mich behauptet …
Dein Vater ist mit Martin Kušej, dem Direktor der Burg, befreundet.
Aki Traar: Das Burgtheater ist kein Ort, wo du ohne harte Arbeit weiterkommst.
Bist du ein harter Arbeiter?
Aki Traar: Schon. Ich genieß es, konstant an Projekten zu arbeiten.
Wie bist du zur Musik gekommen?
Aki Traar: Mit 10 hat mir Tokio Hotel getaugt, das Visuelle, der Lifestyle. Von 13 bis 18 war ich in einem Internat in Italien. Dort gab es zwar Internet, aber eine fette Firewall. Das Internet war so langsam, dass wir keine Musik streamen konnten. Also haben wir manchmal in Bars die Songs runtergeladen. Durch diese Unverfügbarkeit wurde Musik zu einem höheren Gut. Das hat dazu geführt, dass ich irgendwann selbst produzieren wollte. Zuerst hab ich auf dem iPad Beats gebaut. Als ich für den Zivildienst nach Wien zurückgekommen bin, war ich schon voll drin. Später hab ich gesehen, dass die MDW den Lehrgang für elektroakustische Musik anbietet. Ich bin reingekommen – es wurde serious.
Du hättest auch bei Preset-Pop landen können, bist aber zur experimentellen Musik gekommen. Warum?
Aki Traar: Meine Leidenschaft ist der Sound. Darin finde ich Emotion. Außerdem hat der elektroakustische Zugang an der ELAK viel ausgemacht. Durch den konzeptionellen Filter der geschützten Werkstatt bleibt man nicht bei Pop, sondern hinterfragt ihn.
Also eher Konzeption als Emotion?
Aki Traar: Gar nicht.
Du bist Theoretiker.
Aki Traar: Nein, hoffentlich denkst du das nicht über mich!
Verkopft?
Aki Traar: Ich glaub nicht, nein. Wenn ich mir anhör, welche Musik ich fürs Theater produziere, denke ich mir eher: Das ist wie einer meiner Tracks.
Wie unterscheidet sich deine Arbeit fürs Theater von deinem Soloprojekt?
Aki Traar: Im Theater begleite ich eine Handlung und reflektiere sie gleichzeitig musikalisch – zum Beispiel die Uridee eines Leitmotivs von einer Person. Bei der EP „Helix Bruise” …
Ist die Musik trotzdem nicht ziellos.
Aki Traar: Ich merke, wie die Musik von Release zu Release mehr will – aus dem Instrumentalen raus hin zu Collabs mit Sängerinnen und Rappern. Das gibt den Leuten was.
Was gibt es dir?
Aki Traar: Na, ich bin auch Zuhörer. Trotzdem hör ich nicht die ganze Zeit Ambient-Musik! Außerdem hab ich zum ersten Mal nicht nur Sounds, sondern ganze Projekt-Files ausgetauscht. Damit geb ich alle meine Production-Secrets preis, bekomm aber auch welche von Leuten zurück, die ich davor nicht kannte. Das ist Risiko. Ich hab aber keine Angst, etwas zu verlieren.
Hast du immer jemanden im Kopf, wenn du ein Projekt beginnst?
Aki Traar: Voll! Ich will immer mit den Ärgsten arbeiten. Meistens kommen die gar nicht aus Wien.
Weil du nicht in dieser kleinen Wiener Bubble drinnen bist?
Aki Traar: Ich bin nicht drin, das hat aber mit meinem Leben zu tun. Wenn ich spontan für fünf Wochen nach Graz muss, ist es schwierig, fixer Teil einer Szene in einer anderen Stadt zu sein. Ich leide aber nicht darunter, im Gegenteil: Meine Kreativität profitiert, wenn ich unterwegs bin.
Du brauchst die Veränderung.
Aki Traar: Brauchen nicht, aber sie hilft.
Mit der Aussage kannst du in der ZIB2 was reißen.
Aki Traar: Na, schau. Ich freu mich schon, wenn ich wahrgenommen werde. In den letzten Jahren hab ich mich aber versteckt.
Ja?
Aki Traar: Nicht bewusst, denk ich. Ich hab aber nicht öffentlich gearbeitet.
Weil?
Aki Traar: Wenn du viel kochst, ist es manchmal schön, etwas für sich allein zu haben. Außerdem geh ich nicht so oft fort. Techno im Club? Na ja …
Ja, eh.
Aki Traar: Weißt du, was mir gar nicht taugt? Wenn ich fortgeh und keinen Release hab. Verstehst du, was ich mein?
Noch nicht.
Aki Traar: Wenn ich im Club bin und was Cooles hör, denk ich mir: Ich brauch auch was, das man hier spielen könnt. Deshalb muss ich immer arbeiten. Macht das Sinn?
Du hast Angst, dass du nichts herzeigen kannst, meinst du?
Aki Traar: Ich bin als Künstler an das gebunden, was ich gestaltet hab. Das Kreieren ist mir wichtiger als …
Das Konsumieren?
Aki Traar: Absolutely! Ich hör mehr meine eigene Musik als alles andere.
Total selbstreferenziell.
Aki Traar: Na, wart, ich muss das zurücknehmen. Es geht mir eher um den Prozess des Musikmachens als um das Hören der eigenen Musik.
Kannst du dich lange fokussieren?
Aki Traar: Überhaupt nicht! Deshalb sind meine Live-Sets so sporadisch. Das hat mit meinem Lifestyle zu tun … Wenn du auf TikTok unterwegs bist, ist alles fragmentiert.
Was hat TikTok mit deinem Leben gemacht?
Aki Traar: Es ist addictive, gleichzeitig aber eine Bereicherung, weil es mich inspiriert.
Wie kann man TikTok subversiv nutzen?
Aki Traar: CoreCore!
Core was?
Aki Traar: Auf TikTok wurde 2022 alles zu einem Mikrotrend. CoreCore ist der Versuch, diese Trends zu reflektieren. Das ist cool – CoreCore!
Äh, sorry. Aber was?
Aki Traar: Es ist eine Meta-Reflexion von Trends und der Welt im digitalen Raum. Überleg: Du scrollst ewig runter. Manche Leute machen dan Posts wie: „Take a minute to rest.“ Plötzlich brichst du aus dem Loophole aus.
Es ist eine Gegenbewegung zum Konsum. Das erinnert mich an Hyperpop.
Aki Traar: Ich liebe das Label PC Music und die Musik von SOPHIE. Ich stör mich nur am Begriff Hyperpop. Wieso heißt das so? Weil wir alle dermaßen desensibilisiert sind, dass man „Hyper“ sein muss, damit die Leute darauf aufmerksam werden. Vielleicht find ich deshalb Leute interessant, die Post-Genre-Musik machen, weil sie bestehende Genres verwenden, aber revolutionär denken.
„EIN POPBEAT IST IN DER ELAK NICHT SPANNEND GENUG.“
Dabei wird Post-Genre doch auch zum Genre? Das ist so wie Normcore, das zur Norm wird.
Aki Traar: Ja, eh. Die Leute denken in the box, nicht außerhalb. Deshalb muss man machen, was einen bewegt. Das kann auch Popmusik an einem elektroakustischen Klassenabend sein.
Stoßt man damit an?
Aki Traar: Natürlich, allerdings nicht, weil alle denken, dass Popmusik scheiße ist. Der Gegenwind kommt vom Approach, sich während des Studiums mit innermusikalischen Phänomenen auseinanderzusetzen. Ein Popbeat ist in der ELAK nicht spannend genug. Trotzdem kann man intervenieren.
Die Intervention kommt aber nicht von Leuten, die ihren Laptop aufklappen und 40 Minuten die Masterspur laufen lassen.
Aki Traar: Den Laptop auf der Bühne muss man lieben. Für mich trifft er einen soft spot im Herzen, weil ich Computermusik studiert habe. Von einem Performance-Aspekt ist er aber uninteressant. Außer man macht es wie Vegyn, einer der Producer von Frank Ocean. Er hat in Paris eine Show gespielt, seinen Laptop aufgeklappt und sich daneben auf die Bühne gelegt. Die Leute haben es gehasst.
Dabei ist das ehrlich!
Aki Traar: Ehrlich und geil! Ich erinner mich grad an eine i8i-Showcase in Wien. Fitnesss hat einen Midi-Controller an den Full-Body-Harness gebunden, sich in den Moshpit geschmissen und die Leute angeschrien: „Press the Buttons!“ Das war mega, muss man sich aber trauen!
Würde das zu dir passen?
Aki Traar: Ich überdenke mein Live-Konzept, brauch geile Visuals – im Stil von Daniel Swans „Idyll“. Außerdem würd ich gern live singen.
Lass mich zum Abschluss fragen: Was magst du an dir?
Aki Traar: Das ist eine Tinder-Date-Frage, oder?
Mich interessiert, wie du darüber nachdenkst. Nicht, was du darauf antwortest.
Aki Traar: Weißt du, was ich gar nicht pack? Social Climbing und switching for opportunities. Ich bin ein loyaler Typ, der hart arbeiten kann und nicht auf alles scheißt.
Das magst du an dir?
Aki Traar: Dass ich urgern ins kalte Wasser spring, mag ich! Ich versuch immer, den comfort zu meiden.
Dann hören wir hier auf. Danke dir!
Christoph Benkeser
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Links:
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