Viel beschäftigt und dick da, auch bei den Wiener Festwochen, im kommenden Sommer und in der nächsten Saison, ist das Radio-Symphonieorchester Wien. Allein in den nächsten Tagen und Wochen im Juni absolviert es unter den Dirigenten Bertrand de Billy, Peter Eötvös und Gottfried Rabl (er führt im Radiokulturhaus noch einmal alle „Orchesterminiaturen“ vor) verschiedene anspruchsvolle Konzertprogramme. Nicht genug damit: Vier junge Absolventen der Dirigentenklasse der Musikuniversität dürfen im Musikverein im Konzert am 23.6. ihre Künste mit dem Orchester erproben. Aber nun zu Martin Grubinger und Bruno Hartl.
„Anfänglich sollte das Konzert für Schlagzeug nur ein Marimbafonkonzert werden, das ich auf Wunsch des Solisten aber schließlich um Vieles an Schlaginstrumenten erweiterte… Als ich mir in meinem Skizzenbuch ein erstes Konzept zurechtlegte, war mir sofort bewusst, dass ich inhaltlich kein programmatisches Stück schreiben wollte. Vielmehr interessierte mich das Experiment, jedem einzelnen Solo-Schlaginstrument ein eigenes Thema oder Motiv zu widmen, um aus ihnen eine strukturelle Basis zu erfinden. Es entstand eine Vielzahl von Einzelteilen, welche ich anschließend zusammensetzte und sie bewusst in klassisch anmutende Formen setzte. Die so ineinander greifenden Teile von Variationen, Ostinati und Ronden sollten an ein splittriges Puzzlespiel erinnern, dessen Zusammensetzung zwar kompliziert, aber dennoch logisch zu verfolgen wäre.” Das schreibt Bruno Hartl in einer Vorschau auf das Konzert auf der RSO-Website. Höchste Zeit, den Komponisten Hartl – gleichzeitig der jüngste Schlagzeuger der Wiener Philharmoniker – in den Musiknachrichten vorzustellen!
Das sind einige die Reaktionen von Internet-Usern im Netz auf seine Musik, von der es (noch) kaum Einspielungen gibt: „Heute Mittag lief in der Pause des Neujahrskonzerts der Wiener Philharmoniker eine Einspielung mit einem Ausschnitt des Schlagzeugkonzertes von Bruno Hartl“, schreibt „Zappa1“ aus München im Forum ‚rollingstone.de’,. „Der Name war mir völlig unbekannt, aber bereits nach den ersten Klängen war ich vollends fasziniert. Das Ensemble bestand aus Mitgliedern der Philharmoniker, es waren die verschiedensten Schlagwerke (auch Ambosse) im Einsatz, wobei die Marimba tonangebend war. Das ganze hatte schon fast zappaeske Züge und klang eigentlich unspielbar. Vor allem die Marimba. Hätte ich das ganze nur gehört, hätte ich sofort an Ruth Underwood gedacht, denn wer außer ihr sollte das Instrument noch so beherrschen. Inzwischen habe ich rausgefunden, dass Bruno Hartl der bisher jüngste Solo-Pauker der Wiener Philharmoniker ist und schon 25 eigene Kompositionen erstellt hat.“
Das stimmt. Hier die Biographie Hartls samt gehörtem Werk und Opuszahl, die ‚Zappa the yellow shark’ im Netz gefunden hat: „Konzert für Schlagzeug und Orchester OP. 23 | 2000/01. Der Komponist:.Bruno Hartl, geboren 1963 in Wien, ist Solo-Pauker der Wiener Philharmoniker und hat sich in den letzten Jahren darüber hinaus auch als kreativer Komponist profiliert. Im Alter von sechs Jahren erhielt er ersten Klavierunterricht, später ging er zu den Wiener Sängerknaben. Bereits in diesen jungen Jahren entstanden dabei seine ersten Kompositionen. Die Faszination für das Paukenspiel führte ihn im Alter von 13 Jahren schließlich an die Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Wien, wo er Schlagzeug, Klavier, Trompete und Komposition studierte. Sein erstes Engagement erhielt er 1980 als Erster Schlagzeuger und Stellvertretender Solo-Pauker im Mozarteumorchester Salzburg. Hartl war damals gerade 17 Jahre jung. 1984 wurde er dann Mitglied des Wiener Staatsopernorchesters und von den Wiener Philharmonikern aufgenommen, als jüngster Pauker in der Geschichte des Orchesters.
Hartl war seitdem auch als Komponist erfolgreich tätig. Sein Œuvre umfasst heute 25 Werke, wobei viele von ihnen in renommiertem Rahmen uraufgeführt wurden, wie etwa im Wiener Musikverein, im Wiener Konzerthaus, bei den Wiener Festwochen, der Jeunesse Musicale oder im Brucknerhaus Linz. Naturgemäß sind viele von Hartls Kompositionen Schlaginstrumenten gewidmet, wie etwa die drei Sonaten für Pauken und Klavier, das Xylophonkonzert oder das Konzert für Schlagzeug und Orchester. Darüber hinaus hat er auch mit seinen Schlagzeugarrangements von Strawinskys Le sacre du printemps und Chatschaturjans Spartacus bemerkenswerte Erfolge gefeiert.“
Also nichts wie am 11. Juni ins Konzerthaus! Hier noch eine genauere Charakterisierung des Werks, dessen überarbeitete und revidierte Fassung nunmehr (ur)aufgeführt wird: „Das Konzert für Schlagzeug entstand in den Jahren 2000/01 als Auftragswerk für Martin Grubinger, dem die Komposition auch gewidmet ist. Im Oktober 2002 wurde es von ihm mit großem Erfolg in Bergen gemeinsam mit dem Bergen Philharmonic Orchestra unter Rafael Frühbeck de Burgos uraufgeführt und gleich auch in mehreren österreichischen Städten präsentiert.
Das Hauptquartmotiv des ersten Satzes, symbolisiert durch vier harte Gongschläge, ist die Basis für das ganze Stück. Dem folgen in bewusst gegensätzlichen Charakteren Seitenthemen und Nebenmotive, welche das Hauptmotiv umspielen und in verdichtender Weise zu musikalischen Höhepunkten führen. Der Solist stimmt mit vielen lyrischen Marimba-Passagen, aber auch aggressiven Trommelschlägen in das variantenreiche Orchesterkolorit ein. Mit mysteriösen Klängen endet der erste Satz und leitet ohne Unterbrechung in eine große Schlagzeugkadenz über. In ihr kann der Solist seine ganze musikalische Interpretation und technische Virtuosität entfalten.
Dem zweiten Satz liegt ein Ostinatorhythmus zugrunde, welcher vom Schellenspieler des Orchesters bis zum Ende gespielt wird. Wie Mosaiksteine kehrt das Hauptquartmotiv des ersten Satzes in vielen Varianten wieder zurück. Die verschiedenen Instrumentalgruppen des Orchesters spielen einander den Motivball zu, und in langsamer Steigerung erreichen sie den anfänglichen Ostinatorhythmus, welchen sie bis zum Schluss des Satzes beibehalten. Der Schlagzeugsolist versucht, mit irritierenden Gegenrhythmen das Orchesterspiel zu stören. Mit der Steigerung des Orchesters wird der Kampf über die Dominanz von Rhythmus und Motiv immer wilder und letztendlich vom Solisten mit den harten Gongschlägen des ersten Satzes symbolisch beendet.
Dem Solisten werden in dem Stück keine Ruhepausen gegönnt, und viele unspielbar scheinende Stellen entstanden auf Wunsch Grubingers. Immerhin betätigt er 24 Schlaginstrumente, und viele in rasenden Tempi auch gleichzeitig. Bei allem technischen Schnick-Schnack, welche die Solostimme abverlangt, wird es trotzdem die große Kunst bleiben, den richtigen musikalischen Ausdruck der anspruchsvollen Komposition dem Publikum zu vermitteln.“ (hr-online)
Nur ein Pressauszug (ebenda), wer Martin Grubinger ist: „Er ist ein Wunderkind, auf dem Weg zum Weltstar: Martin Grubinger, neue Percussion-Ikone, geboren 1983 in Salzburg.“ Und die nmz schrieb in ihrer Februar-Ausgabe am 12.02.2010: „ Ein Musiker für das 21. Jahrhundert. Eindrücke von einem Konzert mit Martin Grubinger. Anders Koppel und Bruno Hartl sind zweifelsfrei Zeitgenossen, aber ihre Konzerte für Marimbaphon und Streicher stellen wahrlich keine unüberwindlichen Schwierigkeiten an das Abopublikum. Genau genommen hat das Phänomen Martin Grubinger mit der Frage nach der Vermittelbarkeit Neuer Musik auch gar nichts zu tun. Es ist vielmehr dort angesiedelt, wo manuelle Virtuosität unmittelbar in die Urkraft des Musikalischen umschlägt.“
Das RSO ist unter Peter Eötvös auch schon am 8. Juni im Radiokulturhaus zu hören (Klassische Verführung mit Wilhelm Sinkovics). Zu hören sein und besprochen wird die Symphonie Nr. 1 (1921) von Kurt Weill, die dieser als Schüler von Ferrucio Busoni schrieb, aber nicht zur Aufführung freigab. Erst 1957 wurde sie wieder entdeckt und uraufgeführt. Sie wird auch Teil 1 des Programms am 11. Juni Im Konzerthaus sein. (hr).
Fr, 11. Juni 2010
19:30 Uhr
Wiener Konzerthaus
Kurt Weill
Symphonie Nr. 1 (1921)
Witold Lutoslawski
Konzert für Orchester (1954)
Bruno Hartl
Konzert für Schlagzeug und Orchester op. 23 (2008) ÖEA
Martin Grubinger Schlagzeug
Peter Eötvös Dirigent