„DAS GEFÜHL, DASS ICH ES ALLEIN SCHAFFEN KANN” – BUENOVENTURA (BERNHARD HAMMER) IM MICA-INTERVIEW

„Eigentlich ist es verrückt”, sagt BERNHARD HAMMER und meint – sein inneres Kind, einen ziegenbärtigen Anarchistenstrizzi: BUENOVENTURA. Und weil der also gaga ist, darf er sich einiges leisten. Zum Beispiel: ein gelbes Gitarrenalbum (VÖ: 23.5.2025, palazzo recordings), das nichts mit Lagerfeuertralala zu tun hat. Sondern eher mit einer guten Technoplatte. Nur, na ja, ohne Bumbum und Brimborium. Denn BERNHARD HAMMER, der – bitte dazusagen – Gitarrist der sehr guten Band ELEKTRO GUZZI, hat die Bässe rausgedreht und eine: mittige Geschichte erzählt. Wie die geht? Hat BUENOVENTURA besprochen.

Christoph Benkeser

Du hattest letztes Jahr eine Schulteroperation, konntest nicht Gitarre spielen. Wie hat sich das auf deine Musik ausgewirkt?

Buenoventura: Ja, die OP hat mich ein paar Monate ausgeknockt. Als dann der erste Guzzi-Gig kam, konnte ich meine Hand noch gar nicht richtig heben. Die Kollegen haben mir die Gitarre umgehängt. Das war schon komisch. 

So komisch, dass du die Gitarre gleich umgehängt gelassen hast?

Buenoventura: Na ja, „Gelb” entstand eher aus anderen Gründen. Vincent Pongracz hat mich gefragt, ob ich mit ihm in der Radiokulturhaus-Reihe SoloTogether auftreten möchte. Daraus wurde eine Deadline für mich, um ein Album zu produzieren. Das Gute ist: Unter dem Namen Buenoventura kann ich machen, was ich will. Angefangen habe ich mit Techno und House. Jetzt ist es eine Gitarren-Platte geworden. 

Wieso?

Buenoventura: Mein körperlicher Fokus ist nach oben gewandert. Nach der Schulteroperation konnte ich mich nämlich nur schwer bücken. Also habe ich mein Pedal-Board vom Boden auf einen Keyboard-Ständer gestellt. Das hat mir geholfen, weil: Durch das stundenlange Sitzen und Bücken ist das Problem mit der Schulter ja erst aufgetreten.

Du hattest ein Haltungsproblem?

Bild des Musikers Buenovenutra
Gebückt, gebeugt, Gitarre © Astrid Knie

Buenoventura: Die meisten Leute, die Schulterprobleme haben, haben ein Haltungsproblem. Meine Erkenntnis daraus ist: Ich spiele nur noch stehend – auch zu Hause. Und im Studio steht ein höhenverstellbarer Schreibtisch.

Was hat das Oben-Spielen verändert?

Buenoventura: Ich bin näher am Sound. Das kommt mir prinzipiell entgegen, denn was ich am elektronischen Spielen immer cool fand, war: Du kannst viel mehr zuhören, weil du nicht mit der technischen Umsetzung der Bewegungen bist. Es läuft also zum Beispiel der Sequencer einer Drum Machine durch – und ich kann mich auf das Drehen eines einzelnen Knopfes konzentrieren, um gezielt am Sound zu tüfteln.

Und was hat das mit dem höhenverstellbaren Schreibtisch zu tun?

Buenoventura: Veränderung ist immer gut. Alles andere führt früher oder später zu Verschleiß und dadurch – wieder – zu einem Haltungsproblem. Trotzdem habe ich die Platte nicht aus diesem Gedanken gemacht. Ich hatte einfach eine Deadline. Und: In meinem künstlerischen Schaffen sind greifbare Ziele wichtig. 

Weil es sonst …

Buenoventura: Na ja, auch wenn das Album auf unserem Guzzi-Label palazzo erscheint, muss das Projekt – wie jedes andere auch – durch die strenge Jury der Band. Dazu muss ich sagen: Bernhard (Breuer; Anm.) und Jakob (Schneidewind; Anm.) sind für mich die besten Musikkenner überhaupt. Gleichzeitig sind sie meine Freunde. Dementsprechend war ich ein bisschen, na ja … nervös, weil ich mich gefragt habe: Wird ihnen das wirklich taugen? Gerade Bernhard hat mir anschließend aber ein so gutes Feedback gegeben, dass aus einer geplanten EP ein ganzes Album wurde.

„WIR SIND KOMPROMISSLOS IN UNSEREM QUALITÄTSSTANDARD.”

Kannst du gut Kritik annehmen?

Buenoventura: Mit Bernhard und Jakob produziere ich monatlich auch eine palazzoRadiosendung auf RES.Radio – und zwar mit Giorgio (Pantalone; Anm.). Er ging mit Jakob in die Schule, ist ein wahnsinniger Digger  und hat uns übrigens damals, 2002 oder 2003, zum ersten Mal Techno vorgespielt. Was ich damit sagen will: Auch in der Radiosendung gibt es einen ernsten Kampf um jedes Lied. Wir sind kompromisslos in unserem Qualitätsstandard. Das taugt mir sehr.

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Dieser Standard, von dem du sprichst. Verändert sich der?

Buenoventura: Die akustische Herangehensweise verfolgt mich allein schon deswegen länger, weil wir mit Elektro Guzzi seit zwei Jahren an einem neuen Album arbeiten. Darauf wollen wir uns stärker auf den Raumsound fokussieren. „Gelb” ist Teil dieser Suche, nach einem rauschigen, mittigen Sound. Dort also, wo sich eine Geschichte erzählen lässt. 

In der Mitte?

Buenoventura: Ja, mit dem Bass kannst du keine Geschichte erzählen. Mit dem Bass erzeugst du ein körperliches Gefühl. Für mich war diese Mitte jedenfalls eine Neuentdeckung. Ich habe gemerkt, wie viele Details ich erzählen kann. Das habe ich davor ein bisschen verloren. Auch weil ich weniger mit der Gitarre und mehr mit Synthesizern gespielt habe. Das hat sich durch „Gelb” verändert. Mittlerweile spiele ich so viel Gitarre wie nie. 

Trotzdem klingt es nicht nach Bob Dylan, sondern nach Synthesizermusik.

Buenoventura: Das war das Ziel. Ich denke da an eine Platte von Stefan Goldmann, auf der er nur Gitarrensamples verwendet hat. Das Album von Kisling finde ich auch großartig. Es geht dabei um die Phrasierung von elektronischer Musik. Das hat mich auf der Gitarre immer mehr interessiert, als besonders virtuos zu spielen. 

„UND FÜR DAS EGO IST ES AUCH GUT.”

Dieses Spielen, funktioniert das für dich ohne Elektro Guzzi anders?

Buenoventura: Nein, aber ich kann mich nur anders ausbreiten. Das geht im Bandkontext nicht. Dort muss ich große Ohrwascheln haben für den Moment und mich der Situation hingeben können. Wenn ich allein arbeite, kann ich mir viel mehr Platz nehmen. 

Auch live?

Buenoventura: Ich habe gerade in Graz gespielt und merke: Allein bin ich tatsächlich nervös. Und zwar schon Tage davor. Es hat zwar was, allein hinzufahren und mit den Leuten zu reden und für das Ego ist es auch gut …

Weil du den Applaus nicht teilen musst?

Buenoventura: Das mein ich gar nicht. Es ist eher das Gefühl, dass ich es allein schaffen kann. Das hatte ich davor ja nie. Trotzdem, ich weiß noch nicht, ob ich das so will. Ich bin einfach mehr Bandtyp.

Eine letzte Frage zu Buenoventura. Die Beschreibung, die Fotos. Wie viel Ironie steckt da drin?

Buenoventura: Na ja, es ist schon … selbstironisch, aber: Ich war 2005 in Barcelona auf Erasmus, dort kommst du unweigerlich mit Anarchisten in Kontakt. Jedenfalls gab es früher diesen Anarchistenboss, Buenaventura Durruti. Aus der Faszination ihm gegenüber habe ich bald die Persona Buenoventura entworfen. Gleichzeitig hat mich als Mitte-20-Jähriger das Meer, die See, das weite Reisen als Vorstellung interessiert. Buenoventura verkörpert für mich deshalb einen Zugang zu einem kindlichen, naiven Gefühl. Eines, das alles zulässt und nichts verbietet. 

Danke für deine Zeit!

Christoph Benkeser

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Links:
Bernhard Hammer (music austria)
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palazzo recordings (Bandcamp)