„Da wir mit weißen Plastikanzügen auftreten, kommen wir nicht in Verlegenheit, die alten Zeichen und Codes zu reproduzieren.“ – DAS WRACK im mica-Interview

Mit „Vogue“ (Off Label Records/Broken Silence) legt das Salzburger Synthie-Punk-Trio DAS WRACK nach der Single „Spülmaschine“ nun ihr LP-Debüt vor und zeigt dabei wie frisch, aktuell und unverbraucht Musik aus Versatzstücken der 1980er klingen kann, wenn sich dabei jenen Genres gewidmet wird, schon damals mit den Verhältnissen nicht einverstanden waren. Live zu erleben ist all dies auch Rahmen der Reihe „Performing Sound“, wo das Das Wrack zusammen mit dem grandiosen Multi-Media-Projekt „Ethan Pope“ am 06. Juni 2024 auftreten wird. Für mica hat Didi Neidhart ein Interview mit DAS WRACK geführt.

Wie seid ihr eigentlich zusammengekommen?

Nana Cravallo: Wir haben vor Das Wrack schon in einer Band zusammengespielt. Das waren die legendären Stroodles.

Ursprünglich war ja wohl nur ein Konzert geplant. Wie ist dann daraus die Band Das Wrack geworden?

Julio Aktivio: Meine Konzertgruppe Klub77 hat die grandiose Band Front nach Salzburg geholt und wir brauchten noch eine Vorband. Die Idee war, innerhalb kürzester Zeit, einen Gig auf die Beine zu stellen, so wie es die jungen alten Punkbands damals auch gemacht haben. Die haben oft nach drei Wochen Proben ihren ersten Gig gespielt und sich danach zerstritten und aufgelöst. Das wollte ich auch erleben…

Nana Cravallo: Das Publikum ließ uns danach nicht mehr gehen.

Wieso dieser Bandname? Die Musik klingt dann ja doch nicht ganz so abgewrackt.

Nana Cravallo: Nach einer durchzechten Nacht ist Julio eines Tages morgens aus dem Bad gekommen und hat gesagt: „Mir ist da gerade was eingefallen“…hat sich wohl im Spiegel gesehen.

„Aus musikalischer Sicht gibt es schon viele Produktionen aus den 80ern die mich abschrecken.“

Als jemand, der die 1980er als 20something miterlebt hat, frag ich mich ja schon auch immer, was gerade an diesem Jahrzehnt so spannend und cool gewesen sein mag, dass die „80s“ nun scheinbar ewig wieder aufbereitet werden. Wie ist euer Verhältnis zu dieser Zeit?

Herrmano Kaputto: Aus musikalischer Sicht gibt es schon viele Produktionen aus den 1980ern, die mich abschrecken. Wenn ich an Punkbands denke, gab es die Tendenz zu überproduzierten Metalschlagzeugsounds und Gitarren, die in den Ohren schmerzen.

Julio Aktivio: Die sogenannten Metal-Years!

Herrmano Kaputto: Vor allem mit Fortschreiten des Jahrzehnts, wo härter und schneller anscheinend nicht unüblich war. Trotzdem entstanden zu der Zeit auch Perlen, wie in jedem Jahrzehnt. Beispielsweise die Platte, wegen der ich mir wahrscheinlich meinen ersten Bass zulegte, weil ich Steve Soto als Vorbild durch die blaue Platte von Adolescents für mich entdeckte.

Nana Cravallo: Ich hab von den 1980ern nicht viel mitbekommen. In meiner Teenie-Zeit waren die 1980er retrospektiv das Uncoolste, was das 20.Jhdt zu bieten hatte.

Julio Aktivio: Ich bin als Kind und dann als blutjunger Teenager in den 1980ern musikalisch sozialisiert worden. In den 1990ern habe ich dann die 1980er etwas ablehnender betrachtet. Mit der Zeit haben wir uns dann wieder angenähert. Unser zweiter Frühling sozusagen…

Bild Das Wrack
Das Wrack (c) mho

In einschlägigen Magazinen wie ZAP werdet ihr mit Punk/New Wave-Ikonen wie Östro 430 oder Bärchen und die Milchbubis verglichen, das legendäre Trust Fanzine vergleicht euch gar mit „Ideal, Neu! oder der experimentelleren Seite von Falco“. Wie seht ihr solche Vergleiche? Sind die stimmig, nostalgisch oder wollt ihr dort ansetzen, wo all die Genannten (in den 1980ern) mal aufgehört haben?

Julio Aktivio: Ich weiß gar nicht genau, wo die Alten aufgehört haben. Oft hatte ich als Teenager nur ein Album oder einen Song von den Bands auf Tape. Alles, was danach kam, habe ich oft nicht mitbekommen.

Herrmano Kaputto: Beim Songwriting haben diese Bands vielleicht bei den Lyrics und Gesang Vorbildwirkung. Das restliche Arrangement ergibt sich durch internalisierte musikalische Strukturen, die von Nana und mir eher weniger durch diese Bands beeinflusst sind.

Nana Cravallo: Wir wollen auf keinen Fall irgendwas reproduzieren oder imitieren. Die musikalischen Einflüsse sind natürlich da, aber zu der Zeit, als ich z.B. Östro oder Bärchen gehört hab, da kannten das die Leute aus meiner Generation meistens gar nicht. Und außerdem war das alles schon längst retro.

„Ich persönlich hab grundsätzlich nichts gegen Pop als Musik.“

Das Trust-Magazin schreibt zu eurer Single „Die beiden Stücke sind LoFi und BombastPop zugleich“. Jetzt würde mich mal euer Verhältnis zu Pop interessieren? Das war ja auch damals durch eine ambivalente Hass-Liebe geprägt – ein Magazin wie Spex hatte bei den Jahrescharts ja auch lange die Rubrik „Peinlichster Lieblingssong“ – bis sich die dann auch in den offiziellen Heft-Charts fanden. Weil eine gewisse Fähigkeit für griffige Slogans und Refrains habt ihr ja schon auch. 

Nana Cravallo: Danke. Es ist wie in jedem anderen Genre auch: Es gibt immer gute und schlechte Songs. Ich persönlich hab grundsätzlich nichts gegen Pop als Musik. Und Kommerz ist heutzutage sowieso genre-unabhängig.

Herrmano Kaputto: Ich mag Pop. Modernen Pop wie Santigold oder Bleached höre ich schon zeitweise exzessiv.

Julio Aktivio: Ich finde guten alten Schlager spitze. Das wäre mir früher so Spex-mäßig auch peinlich gewesen, aber heute kann ich damit gut leben.

Ende der 1970er gabs ja eine enorme Aufbruchstimmung mit Slogans wie „Ready For The 80s“ und Samplern wie „Geräusche für die Achtziger“, aber dann kamen nicht nur Schulterpolster, grelle Neon-Farben und die ersten Video-Games, sondern auch Thatcher, Reagan, Tschernobyl, AIDS. 

Wie würdet ihr euren Zugang zu dieser Zeit (bzw. dem was damals als „Zeitgeist“ verstanden wurde) von anderen Acts (oder dem wie eine Serie wie „Stranger Things“ diese Ära darstellt) unterscheiden, die sich auch aus diesem selben Fundus an Zeichen, Codes und Sounds ihre jeweiligen Images zusammenbasteln?

Julio Aktivio: „Stranger Things“ kenne ich nicht.

Nana Cravallo: Ich denke, um den Zeitgeist wirklich zu verstehen, muss man die Zeit auch miterlebt haben. Als Kind der 2000er wuchs man mit Klischees aus den 1980ern auf, die selten schmeichelhaft waren. Vielleicht hat der politische Kampf damals zwischen den Fronten des Kalten Krieges und Kommunismus vs. Neoliberalismus musikalisch gerade die guten Sachen hervorgebracht.

Julio Aktivio: Da wir mit weißen Plastikanzügen auftreten, kommen wir nicht in Verlegenheit, die alten Zeichen und Codes zu reproduzieren.

„Ironie“ war damals ein beliebter und auch wichtiger Kampfbegriff. Egal ob nun direkt aus poststrukturalistischer Theorielektüre abgeleitet oder eher halbwissentlich unverdaut als Haltung verstanden, ging es dabei ja immer auch um ein Spiel mit Ambivalenzen. Z.B. zwischen deutschen Nachkriegsschlagern und anglo-amerikanische Popmusik. Dieses affirmative Spiel von „Ironie als Waffe“ wurde bei der Neuen Deutschen Welle dann aber stumpf, indem das ironische Verhältnis zu Schlager nicht mehr gegeben war, sondern der Schlager quasi augenzwinkernd, aber dennoch gerettet wurde (mit allen bis heute spürbaren Konsequenzen). Wie umgeht ihr diese Ironie-Falle, die ja bei Acts, die sich auf die 1980er beziehen, immer auch gegeben ist?

Julio Aktivio: Diese Ironiewaffe wurde eventuell „stumpf“, weil es dann besonders die kommerziellen Vollkatastrophen in die Hitparade geschafft haben. Da das nicht unsere Vorbilder sind, müssen wir hier nichts umgehen.

Nana Cravallo: Wir arbeiten schon viel mit Ironie und auch Reduktion, das ist klar. Aber ich habe noch nie was von einer Ironie-Falle gehört. Danke, dass du uns davor gewarnt hast.

„Die Thematiken liefert uns hauptsächlich der Alltag.“

Wie kommt ihr eigentlich zu euren Songtitel? Bei „Mikroplastik“ scheint es sich ja um ein aktuelles Thema zu handeln, welches ihr jedoch in einem Sound aus einer Zeit präsentiert, wo Umweltverschmutzung auch schon ein Problem war, bzw. als zukünftiges (aktuell eben Klimakatastrophe) thematisiert wurde. Es gab ja auch schon vor mehr als 50 Jahren E-Autos, Tiny Houses und Warnungen vor einem Klimakollaps.

Julio Aktivio: Es ist ja ein aktuelles Thema…

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Nana Cravallo: Unterschiedlich. Manchmal kommt eine:r mit einer Idee – kann ein Riff sein, ein Satz oder auch nur ein lustiges Wort. Der Rest entsteht dann im Proberaum. Wir probieren einfach herum und irgendwas funktioniert dann meistens. Die Thematiken liefert uns hauptsächlich der Alltag.

Herrmano Kaputto: Unsere Songtitel beziehen sich auf die Thematik des Songs. Bei Surf war das Feeling ausschlaggebend.

Julio Aktivio: Das ist somit unsere einzige Emo-Nummer.

„Sicherheit“ ist ja auch so ein Fall. Geht es bei euch vielleicht auch darum aufzuzeigen, dass gewisse Themen immer noch bzw. wieder aktuell sind? Bzw. dass sich die 1981 utopisch-naiv besungene „Computerwelt“ von Kraftwerk dann doch eher zum dystopischen „Computerstaat“ wie von Abwärts 1980 besungen entwickelt hat.

Nana Cravallo: Bei „Sicherheit“ geht’s eigentlich eher um eine gewisse Grundeinstellung mancher Leute. Sicherheit statt Freiheit sozusagen. Es sind immer die gleichen Schlagwörter, die so eine Einstellung darstellen – der Song besteht genau aus diesen Plattitüden.

Julio Aktivio: Tja, wenn gewaltfreie Klimaaktivist:innen als Terrorist:innen kriminalisiert werden und auf der anderen Seite gewalttätige Bauernproteste von Vielen abgefeiert werden, leben wir mitten in der Dystopie!

Wie kommt eine Band aus Salzburg dazu einen Song wie „Esprit“ ausgerechnet in einer „U-Bahn“ anzusiedeln? Oder geht es hier vor allem auch um gewisse Referenzen bzw. um die „U-Bahn“ als typisches Synonym für die 1980er (vgl. etwa „Meet You In The Subway“ von Chrome, „Down In Th Subway“ von Soft Cell, „Subway Song“ von The Cure)?

Julio Aktivio: Man hätte auch S-Bahn sagen können. Weißt du, zwei Drittel der Band kommen ursprünglich nicht aus Salzburg und haben eventuell schon in U-Bahn-Städten gelebt… Es kann sein, dass es mit dem sogenannten S-Link in absehbarer Zeit, so etwas wie U-Bahn in Salzburg gibt. Demnach wäre „Esprit“ ein futuristischer Song…

Nana Cravallo: Es hat einfach von den Silben her gut gepasst. Und Salzburg hat bereits das kleinste U-Bahn-Netz der Welt mit einer einzigen Station.

„No Future ist für mich ein Ausdruck von Resignation und der Faulheit, irgendwas zu verändern.“

Wie haltet ihr es eigentlich mit einem Begriff wie „No Future“? Angesichts von Kriegen, Klimakatastrophen, Pandemien, Neo-Faschismen, etc. scheint mir dieses grundsätzliche Gefühl von damals (wegen Kalter Krieg, Atombombe) weit weniger überholt als z.B. der naive Techno-Optimismus von damals. „Autobahn“ (1974) von Kraftwerk kann ja wirklich fast nur noch nostalgisch gehört werden, „Negativeland“ von Neu! (1972) klingt hingegen schon wieder sehr aktuell und die klischeehaftesten 1980er-Sandgruben-Apokalypsen erscheinen mittlerweile auch (wieder) als konkrete Realitäten/Zukünfte.

Nana Cravallo: Pessimismus kann man durchaus verstehen. Aber No Future ist für mich ein Ausdruck von Resignation und der Faulheit, irgendwas zu verändern. Durch so eine Einstellung überlässt man dem Kapitalismus das Feld.

Julio Aktivio: Da wir unsere No Future Idee der Ein-Konzert-Band gegen die Wand gefahren haben, müssen wir wohl weiter nach vorne schauen.

Herrmano Kaputto: Weltpolitisch brodelt es ordentlich. Extreme Armut in vielen Teilen der Welt und Kämpfe um Macht lassen das Unwohlsein bei Vielen steigen. Armut wird zusätzlich auch in privilegierten Ländern wie Österreich immer ein größeres Thema und davor können sich die Meisten nicht verschließen, auch wenn sie wollten.

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Das Wrack (c) mho

Mit „Paranoia“, was mich auch ein wenig an die San Franciscoer Electronic-Wave-Szene rund um das Dead Kennedys-Label Alternative Tentacles erinnert, beschäftigt ihr euch ja mit einem der zentralen Begriffe zur Stimmungslage in den 1980ern (Sammelbände wie „Amok/Koma“ thematisierten das damals ja auch literarisch). Schon Abwärts singen bei „Computerstaat“ von „Paranoia in der Strassenbahn“, bei euch ereignet sich nun selbiges im O-Bus. Ist das jetzt nur ein Rückgriff, oder eine Reaktualisierung. Weil „Paranoia“ ja mittlerweile wohl auch die psychische Befindlichkeit der durchschnittlich „besorgten Bürger:innen“ bis hin zu rechts-populistisch/rechtsradikalen Politiker:innen darstellt. 

Julio Aktivio: Klar. Populisten und Rechtsextreme missbrauchen relevante Themen, um Paranoia in der Gesellschaft zu schüren.

Nana Cravallo: Wir wollten eigentlich nur den Hanuschplatz in einem Song unterbringen, weil wir den Hanuschplatz-Flow (HPF) gut finden.

Herrmano Kaputto: Vor der Einführung des Klimatickets war bei uns halt Schwarzfahren gang und gäbe.

Julio Aktivio: Grundsätzlich sollten die Öffis kostenlos sein. Dann wäre das Thema endlich mal erledigt!

„Melancholie oder auch Aggression in der Musik können ja auch als angenehm empfunden werden.“

Was mir auch aufgefallen ist, sind nicht wenige Songs, die sich mit Medienthemen beschäftigen. Die heißen dann „Telefonie“, „Verbindung“, „Telegen“ oder „Digital“. Das finde ich jetzt fast noch typischer für die damalige Ära. Einerseits gehts um Kommunikation und Medien zwischen revolutionärer Selbstermächtigung und permanenter Kontrolle (quasi die Industrial/William Burroughs-Connection), andererseits um eine gleichsam radikale Kritik an der Kulturindustrie (die Adorno-Connection), wobei aber gleichzeitig all das mitunter auch lustvoll konsumiert wird. Geht es euch bei solchen Themen vielleicht weniger um die „ewigen 80er“, als vielmehr darum, dass diese Themen „ewig“, d.h., immer noch aktuell sind, jedoch aus der Medien-Geschichte nichts gelernt wurde?

Nana Cravallo: Das hat alles mit den 1980ern aus meiner Sicht wenig zu tun. Ich bin schon mit digitalen Medien aufgewachsen. Vielleicht wirkt es retro, weil das normalerweise niemand mehr grundsätzlich in Frage stellt.

Julio Aktivio: Medien sind allgegenwärtig. Ich fand das schon immer interessant, wie die frühen Punkbands das Thema Medien aufgegriffen haben. Insofern haben die Songs etwas folkloristisches, thematisieren aber auch aktuelle Motive. Die sogenannte Diederichsen-Connection…

Herrmano Kaputto: Klar sind Medien aktuell. Die neuen Formen werden konsumiert, als ob es keinen Morgen gäbe.

Bei „Digital“ faszinieren zwei Sachen, die all die schönen (und immer noch aktuellen) Ambivalenzen vieler 1980er-Acts sehr gut manifestieren. Da ist einerseits ein cooles, neues Wort, von dem aber auch nicht ganz genau gewusst wird, was genau damit gemeint ist. Aber jedenfalls klingt es interessant, aber auch gefährlich (Kontroll/Überwachungsstaat, alles glatt und sauber). Andererseits gibt es dazu „kalte“ Synth-Sounds, die auch ein wenig an Joy Division erinnern. Das Paradoxe daran ist jetzt aber der Umstand, dass die Kälte der Welt mit ebensolchen Synth-Sounds illustriert (und auch kritisiert) wird, gleichzeitig romantisieren und hypen solche Sounds aber auch diese unterkühlten Atmosphären (als coole „Soundtracks für den Untergang“). Spielen für euch solche Überlegungen eine Rolle bei der Auswahl der Sounds? 

Nana Cravallo: Das Gefühl vom Song soll natürlich durch die Sounds dargestellt werden. Das ist aber letztendlich subjektiv. Wie es bei den Leuten ankommt, liegt außerhalb unserer Macht. Melancholie oder auch Aggression in der Musik können ja auch als angenehm empfunden werden.

Julio Aktivio: Sound und Text dürfen schon eine Symbiose eingehen. Ich mag es aber auch, wenn melancholische Themen mit einem Happy-Peppy-Sound unterlegt werden.

Sucht ihr euch gewisse Sounds vielleicht auch unter dem Motto „Früher klang die Apokalypse auch schon mal besser“ aus?

Nana Cravallo: 1980er Synthie-Sounds sind bis auf ein paar Ausnahmen meiner Meinung nach total mies im Vergleich zu dem, was heute relativ billig möglich ist. Die ganzen digitalen Modern Talking-Synthies haben sich zum Glück nicht durchgesetzt. Heute kann man schöne, tiefe, analoge Sounds erreichen ohne Millionen an Materialkosten. Also eher: Nein.

Julio Aktivio: Obwohl, diese Umhänge-Keyboards hätten sich schon durchsetzen können…

Herrmano Kaputto: Im Prinzip bin ich schon leichter Nostalgiker. Ich mag schöne klare Bassgitarren wie bei unseren früheren Aufnahmen. Seit der „Vogue“ wird das mit den Effekten immer mehr. Bei den noch unveröffentlichten Songs sind noch mehr Effekt-Pedale im Einsatz.

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Apropos Synthesizer: Wieso verwendet ihr keine Gitarren? Geht es darum, dass Punkrock mit Gitarren immer noch ROCK bedeutet und sich daher Post-Punk und New Wave auch durch eine (ideologische) Abkehr von diesem „Rock-Phallus“ definiert haben?

Herrmano Kaputto: lol

Julio Aktivio: Generell hat es mich immer angezipft, dass Gitarristen immer so lange für ihre Einstellungen brauchen. Ich vermisse das nicht…

Nana Cravallo: Herrmano hat eine Bass-Gitarre. Sonst kann keine Person in der Band Gitarre spielen und wir brauchen auch keine.

„Guter Sound ergibt sich nicht zufällig.“

Allein vom Sound her scheint ihr ja nicht unbedingt auf ein „Back To The 80s“ gepolt zu sein. Bei „Surf“ gibts zwar ein klein wenig einen Baggersee-Dark-Wave-Sound (da lauern in euerem Keller wohl auch Bands wie X-Mal Deutschland oder Malaria), aber der klingt nicht nach 1980er-typischen Casio-Sounds und bei „Termin“ ist allein die Synthesizer- und Bass-Kombination schon deutlich fetter als das Meiste von damals (DAF, etc. mal ausgelassen). Hat sich das so ergeben (weil halt ein gewisses Equipment da war), oder stecken dahinter eher bewusste Entscheidungen?

Nana Cravallo: Guter Sound ergibt sich nicht zufällig. Es war definitiv eine bewusste Entscheidung und es steckt auch viel Arbeit und Technik dahinter. Wir haben teilweise schon ziemlich getüftelt, um soundtechnisch aus den Songs möglichst viel herauszuholen. Außerdem hat man heutzutage ganz andere Möglichkeiten als vor 40 Jahren.

Herrmano Kaputto: Nana und ich haben uns mit Synth- und Bassarrangements mit der Zeit, wie ich finde, weiterentwickelt.

Wie wichtig ist euch überhaupt der Sound? Ein Problem vieler Acts, die sich mit ehemaligen Sound-Ästhetiken aus den jeweiligen Undergroundszenen quer durch die Pop-History beschäftigen (oder die halt so „wie damals“ klingen wollen), besteht ja darin, dass das historisch „Nicht-Perfekte“ dann aktuell super-perfekt ins Heute übertragen wird. Wie umgeht ihr solche Fallen, ohne „alt“ zu klingen?

Julio Aktivio: Wieso waren die denn nicht perfekt? Ich finde ja besonders das Nicht-Perfekte dieser Zeit perfekt, sodass wir das Nicht-Perfekt-Perfekte gar nicht erreichen können, denn: Nobody is perfect!

Nana Cravallo: Guter Sound ist für mich als Techno-Kid extrem wichtig. Wenn ein guter Song schlecht klingt, hat auch niemand was davon.

Herrmano Kaputto: Die Gefahr in puren Kitsch abzurutschen ist da. Unsere Einflüsse sind aber divers und nicht nur auf Retro-Sounds reduziert.

Eure Debüt-LP heißt „Vogue“. Wieso?

Nana Cravallo: Wieso nicht?

Julio Aktivio: Stichwort 1980er: Es scheint so, als ob Madonna diesen Begriff für sich gemietet hat und wir wollten ihn endlich entmieten.

Herrmano Kaputto: Wir haben Vogue wieder streetcredible gemacht.

Wie habt ihr euch die LP finanziert?

Nana Cravallo: DIY…Hauptsächlich mit den Mini-Gagen der Konzerte der letzten 3 Jahre. Das wäre aber alles ohne die Hilfe von ganz vielen lieben Leuten nicht möglich gewesen. Wir durften im privaten Proberaum von unseren Freund:innen Djoki Django und Lina aufnehmen, ein Studio hätten wir uns nie leisten können. Und unser Haus- und Hoftechniker Felix Kiesel hat uns quasi in seiner Freizeit produziert. Das Artwork ist von einer Freundin der Band, Kathrin Schimak extra entworfen worden. Wir hätten um eine Förderung angesucht, sind aber als nicht-unterstützenswert befunden worden. Deshalb haben alle Beteiligten quasi für Peanuts gearbeitet. Danke nochmal an dieser Stelle! Love Supreme!

Wird es eine Tour/Promo-Konzerte geben?

Herrmano Kaputto: Bookinganfragen können gerne an daswrack@gmx.at geschickt werden. Ein paar Shows haben wir bereits gespielt, ein paar werden folgen, es können aber gerne noch mehr sein.

Julio Aktivio: Du solltest wissen: Wir sind heiß!

Danke für das Interview.

Didi Neidhart

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Links:
Das Wrack (Facebook)
Das Wrack (Instagram)
Kontakt: daswrack@gmx.at

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PERFORMING SOUND #43: DECAY!
Don, 06.06.2024 – 20:30
Ethan Pope
Das Wrack
ARGEkultur
Ulrike-Gschwandtner-Straße 5
5020 Salzburg

Zu Ethan Pope:
Ethan Pope ist ein Künstler*innen- und Performance-Kollektiv aus Salzburg um Christoph Amort, Paula Nikolussi, Stephan Fürböck, Florian Weiermann und Hannah Lucia Brosch, das als „digitaler Messias und Hyper-Pop-Guru” (O-Ton) eine innovative Herangehensweise illustriert, wie generative KI in den kreativen Schaffensprozess integriert werden kann. Sie schaffen dadruch eine Symbiose zwischen Kunst und Technologie, mit dem Ziel, aktuelle gesellschaftsrelevante Themen zu reflektieren und öffnen neue Perspektiven auf die Potenziale kreativer Expression im digitalen Zeitalter.