Seit je her verfolgt AMENITÀ – vormals Poetryamenità – jene klanglichen Wege, die noch keine Autobahnen sind. Mehr den künstlerischen Aspekt ihrer Arbeit in den Mittelpunkt rückend hat sich die in Wien lebende Soundtüftlerin, wie auch auf ihrem neuen Album „Rêverie“ (Phantasma Disques) sehr schön zu hören ist, längst von allem einengendem musikalischen Regelwerk losgelöst.
Nein, unter die Kategorie gewöhnlich fällt das von Amenità zu Gehör gebrachte definitiv nicht. Die experimentierfreudige Elektronikerin, Vokalistin und Spoken Word-Künstlerin, die ihre Eigenwilligkeit schon in diversen anderen Projekten unter Beweis gestellt hat, folgt ihren ganz eigenen musikalischen Prinzipien, und die nähren sich hörbar aus avantgardistischen Vorstellungen. Vielmehr als man es auf ihrem Album mit Songs im eigentlichen Sinn zu tun hat, offenbaren sich die Nummern als feingliedrige und vielschichtige Soundcollagen, die aus irgendeiner mystischen und fernen Dimension den Weg in die hiesige Welt gefunden haben. Es sind mehr sich langsam verändernde und sich aus dunklen Synthie-Sounds, Samples und Fieldrecordings generierende Klangzustände mit verdichteter Atmosphäre, die das Geschehen bestimmen, als etwas den üblichen musikalischen Strukturen Folgendes.
Etwas nicht wirklich eindeutig Fassbares
Am ehesten lässt sich der Stil von Amenità als eine Mischung aus sphärischem Ambient, Gothic-Elementen, unterkühltem Industrial und experimenteller Elektronik benennen, wiewohl dieser Versuch der Beschreibung noch viel zu kurz gefasst ist. Es schwingt nämlich viel mehr mit, etwas nicht wirklich Definierbares, das auf seltsame aber doch sinnliche Weise anziehend wirkt. Man fühlt sich beim Durchhören von “Rêverie” irgendwie in die Rolle eines stillen Beobachters gedrängt, der in einem dunklen Wald hinter einem Baum kauernd durch dichte Nebelschwaden versucht, dem geheimnisvollen Treiben vor seinen Augen zu folgen. Amenitàs verführerische Stimme und ihr beschwörender Gesang tragen das Ihre zum Entstehen dieser ganz besonderen Atmosphäre bei.
Mit „Rêverie“ gelingt es Amenità auf jeden Fall erneut, sich als eine Künstlerin mit einer wirklich eigenständigen musikalischen Idee zu positionieren. Bei ihr folgt rein gar nichts den üblichen Regeln. Ihre Musik ist sehr bildhaft, regt die Phantasie an, lässt wegschweben und fasziniert auf eine aufregende Art.
Michael Ternai