
Wie haben sich eure Wege gekreuzt?
Franz Reisecker: Wir kannten uns natürlich schon. Dann sind wir uns vor drei Jahren einmal auf der Straße begegnet. Ich habe gesagt: Du hast Kinder, ich habe ein Kind – besuchen wir uns einmal. Wolfgang hat ein Klavier stehen gehabt und hatte Lust, darauf zu spielen.
Wolfgang Schlögl: Das war der Anfang. Wir haben schnell gemerkt, dass wir beide eine gewisse Einfachheit wollen.
Gibt es eine Arbeitsverteilung? Wie sieht die aus?
Reisecker: Ich habe Layouts für Songs gemacht, er hat auch Layouts gemacht. Die meisten Texte habe ich geschrieben.
Schlögl: Der Franz hat der Musik das Songhafte gegeben.
Reisecker: Die Texte mussten deutsch sein, das war uns sehr wichtig.
Habt ihr gemeinsam gearbeitet oder Files ausgetauscht?
Schlögl: Immer gemeinsam. Zu zweit ist das ja nicht so kompliziert.
Reisecker: Ich habe teils auch bei mir Sachen aufgenommen, vor allem meine Vocals. Dann bin ich zum Wolfgang hin, bei ihm wurde die Platte zusammengebaut und abgemischt. Und der Beschwerdechor, der in einem Song zu hören ist, ist natürlich auch nicht im Wohnzimmer aufgenommen worden. Den haben wir im Amtshaus im 7. Bezirk aufgenommen.
Schlögl: Aber es gab schon einen gemeinsam Prozess. Das war mir auch wichtig, dass wir zusammengesessen sind und gemeinsam arrangiert haben.
„Tanz den Humanismus“, heißt es einmal. Das Zitathafte und Montierte an den Texten drückt dem Projekt den Stempel auf.
Reisecker: Ich habe immer ziemlich viele Zitate im Schädel. Darauf sind die Texte aufgebaut. Ich verleugne das nicht, es ist ja viel berühmtes Zeug dabei – von Ödön von Horváth bis Udo Jürgens. So was Ähnliches habe ich bei Lichtenberg schon probiert, aber nie so strukturiert hingekriegt.
Schlögl: Es geht uns um ein lustvolles Sampling. Was mir gemacht haben, ist eine Collagearbeit. Wir arbeiten bewusst mit Versatzstücken und Riffs aus der Rockgeschichte. Ich habe mich schon länger mit gespielter Musik beschäftigt, und was Sampling alles heißen kann. In meinen anderen Projekten höre ich oft in Diskussionen die Frage, ob ich überhaupt mit eigener Musik arbeite. Für mich ist kulturelles Sampling ja auch immer vorhanden, wenn eine Band Dinge nachspielt oder über gewisse Dinge gar nicht hinauskommt.
Wie funktioniert das Textsampling?
Reisecker:So ähnlich wie Cut-up. Man schneidet was auf und schaut, was passiert. Das habe ich probiert. Manchmal geht’s gut, manchmal kommt nichts dabei raus. Manche Texte sind voller Samples: In „Pferd“ geht das von Falco bis Abba kreuz und quer.
Schlögl: „Pferd“ ist der first take am Album. Das Stück haben wir in vier Stunden gemacht. Das war eine wichtige Nummer für uns beide. Da war für mich klar: Das hat etwas Räudiges, aber auch etwas Poetisches.
Wie verhält sich Paradies der Tiere zu euren anderen Projekten?
Schlögl: Für mich war der Prozess des Songwritings und des Arrangierens angenehm einfach. Oft ist es in anderen Projekten qualvoll, nur einen Schlagzeugsound so hinzubringen, damit er gewissen szenetypischen Variablen entspricht.
Reisecker: Ich wollte nicht mehr nur alleine in meinem Studio vor mich hin arbeiten. Drum habe ich in Lichtenberg irgendwann keinen Sinn mehr gesehen und das beendet. Auch bei meinem Stummvfilmvertonungen, die ich unter meinem bürgerlichen Namen mache, bin ich allein. Die Arbeit mit Wolfgang dagegen ist ein Austausch – Musizieren einfach.
Das heißt: Es gibt nicht einen Songschreiber und einen Produzenten, sondern zwei gleichberechtigte Musiker.
Schlögl: Genau. Mir geht es bei der Band auch um die Freude am einfachen Klavierspielen. Kurze Zeit habe ich mir überlegt, ob ich da tiefer reingehen soll. Aber ich wollte es gar nicht virtuos gestalten. Mein Beitrag soll ganz grad daherkommen. Daraus ziehe ich mir auch eine extreme Freude. Bei anderen Projekten bin ich oft gezwungen, viel länger zu tüfteln und an Dingen zu schaben. Wenn man das Glück hat, klassisch geschnitzte Tracks zu haben mit klaren Bildern, wie der Franz sie erzeugen kann, und dann noch den Spaß hat, die Referenzen zu kennen, ist das super. Wenn der Franz auf einmal mit dem Udo Jürgens daherkommt…
Reisecker: So etwas präsentiere ich gerne etwas hinterfotzig. Bei uns heißt es nicht „Immer wieder geht die Sonne auf“, sondern nur „Immer wieder geht die Sonne“. Erst ganz am Ende des Songs geht sie auf. So Spinnereien finde ich recht amüsant. Manchmal kommen sie daher, manchmal muss ich extrem dran arbeiten. Ich habe halt manchmal wirklich manische Tage, an denen das Hirn schneller arbeitet als man reden kann. Dann muss ich alles aufschreiben, was kommt. Später baue ich es zusammen. Da ist es gut, jemand zu haben, der einem Feedback gibt.
Schlögl: Dieses Ping-Pong-Spielen war extrem stressfrei. So eine stressfreie Plattenproduktion habe ich noch nie erlebt.
Was ja noch nicht heißt, dass die Platte gut ist. Aber ich finde sie sehr gelungen.
Reisecker: Danke. Darf ich auch einmal was fragen: Findest du sie eigentlich schwierig?
Nein, überhaupt nicht.
Reisecker: Interessant. Etliche Leute in der Szene finden sie schwierig.
Es ist Popmusik am Puls der Zeit, der man aber auch anmerkt, dass ihre Macher nicht mehr Mitte 20 sind.
Reisecker: Das wäre ja auch komisch. Ich werde jetzt bald 50, der Wolfgang ist 40. Es ist nicht so, dass wir in der Pose aus jugendlichem Indie verharren, wie man sie kennt. Die Schwierigkeit liegt darin, auf gewisse Themen zuzugreifen, ohne gleich raunzerisch zu werden.
Wie sind eigentlich die Tiere ins Spiel gekommen?
Schlögl: Weil in einigen Texten einfach viele Tiere vorkommen. Ein paar Wochen haben wir mit dem Wort „Bestiarium“ herumgespielt. Aber das wäre sehr schwer zu sprechen. Mir ist dann „Paradies der Tiere“ eingefallen.
„Bestiarium“ wäre wirklich nicht mehr FM4-tauglich. Das würde straight auf Ö1 gehen.
Reisecker: Die haben eh schon Interesse angemeldet. Ich bin gespannt, wie die Platte jetzt aufgenommen wird. Aber ich habe eben schon einige Journalisten getroffen, die sie schwierig oder sperrig finden.
Man könnte höchstens sagen, du bemühst dich nicht, schön zu singen.
Reisecker: Aber das mag man dann halt einfach – oder nicht. Irgendwie löst diese Musik anscheinend eine Stimmung aus, wo manche Leute sagen: Das will ich jetzt nicht hören. Aber das gibt es auch bei Michael Haneke, auch wenn das jetzt vielleicht ein schlechter Vergleich ist. Da sagen auch viele: Das will ich mir nicht anschauen, ich will Unterhaltung, ich habe es selber eh schwer genug.
Schlögl: Ich glaube auch, dass sich das noch legen wird. Wenn wir einmal paar Mal gespielt haben und im Radio gelaufen sind, sind wir eine ganz normale Band.
Letztlich ist „Paradies der Tiere“ einfach eine Rockplatte, mit elektronischen Mitteln.
Schlögl: Nicht einmal diese Mitteln wollte ich voranstellen. Das Elektronische ist heute in jeder Produktion drin, aber es ist bei uns kein großes Thema.

Reisecker: Ich habe eine Frau mit einem guten Job und bin der Hausmann. Das ist knallhart so. Von der Musik könnte ich keine Familie ernähren.
Schlögl: Ich ernähre schon eine Familie, aber ich strample extrem.
Reisecker: Man muss mehrere Dinge machen. Es gibt heute nur ganz wenige, die ohne Job Musik machen. Vom Andreas Spechtl von Ja, Panik weiß ich, dass es sich gerade ausgeht, aber die leben in einer Wohngemeinschaft und haben kein Auto. Es bekommen auch immer weniger Leute eine Förderung. Und auch bei den Gagen merkt man es.
Schlögl: Dadurch, dass man mit Tonträgern nichts mehr einnimmt, sind alle gezwungen, mehr unterwegs zu sein. Nach den Gesetzmäßigkeiten von Angebot und Nachfrage ergibt das kleinere Gagen. Zum Glück sind wir eine kleine Band, nur wir zwei und ein Drummer.
Schlögl: Uns gibt es recht preiswert.
Wird es bei der Albumpräsentation Tiermasken auf der Bühne geben?
Reisecker: Wir werden keine tragen. Aber es gibt ein paar Tänzerinnen, die unter dem Motto „Vier Tiere, als Menschen verkleidet“ auftreten.
Schlögl: Es geht schon auch darum, was man heute noch machen kann bei einem Auftritt. Authentizität ist schwer zu erwischen, und schon gar nicht, wenn man sich nicht verkleidet.
Reisecker: Ich werde mich mit strengem Hemd und Anzughose verkleiden.
Schlögl: Mein Joke ist: Wenn die Kreiskys die Godfathers sind, dann sind wir Urge Overkill. Im Ernst: Ich habe das Gefühl, dass in dieses Projekt meine Theatererfahrungen am stärksten reinwirken. Ich kann mir auch vorstellen, dass wir irgendwann einen Soundtrack zu einem Brecht/Weill-Abend machen.
Reisecker: Das muss keine Indieband bleiben.
Gibt es schon Pläne?
Schlögl: Ich hab kürzlich geträumt vom zweiten Album. Es heißt „Tiermaschine“, in Anlehnung an Kraftwerks „Menschmaschine“.
Reisecker: Das ist gut.
Schlögl: Und vom Style her: Jules Verne-punkig.
Reisecker: Ja, da tun sich einige Dinge auf.
Schlögl: Solang die Assoziationen rennen…
Reisecker: … bleibt es auch spannend.
Das erste Album erscheint nur auf Vinyl. Warum?
Reisecker: Gegenfrage: Kaufst du noch CDs?
Sehr selten, meistens Boxsets, oder wenn es gar nicht anders geht.
Reisecker: Eben. Ich halte CDs mittlerweile wirklich für Sondermüll. Wenn jemand eine braucht, soll er sie sich brennen. Beim Vinyl haben wir uns gesagt: Wann schon, dann schon. Das hat ein Klappcover und richtig schweres Vinyl.
Foto: Georg Eckmayr