Für die Salzburger Band PLEASE MADAME, die seit Jahren zur Spitze des österreichischen Indierocks zählt, war spätestens mit dem Ende der Pandemie klar, dass sie neue Wege gehen wollte. Der Vierer um Frontmann Dominik Wendl wollte unabhängig sein, das Songwriting auf neue Beine stellen und vor allem die Freude am Musizieren wieder erlangen. Lauscht man dem neuen Album „Easy Tiger“ (VÖ: 13.9), darf man feststellen, dass PLEASE MADAME ihre Vorhaben erfolgreich umgesetzt haben. Die neuen, von catchy Melodien getragenen Songs überzeugen mit einer positiven, ansteckenden Energie, animieren zum Tanzen und bieten die Möglichkeit, für kurze Zeit dem krisenbehafteten Jetzt zu entfliehen. Im Interview mit Michael Ternai spricht DOMINIK WENDL über neu gewonnene Motivation, das Verlassen der Band-Komfortzone und darüber, wie wichtig es war, Leute von Außen ins Songwriting miteinzubeziehen.
Euer neues Album ist etwas anders entstanden als die davor. Ihr habt viele neue Dinge ausprobiert. Unter anderem habt ihr euch zum Songwriting auf eine Berghütte zurückgezogen. Im Ergebnis klingt das Album, ganz entgegen der aktuell eher düsteren Stimmung in der Welt, erstaunlich positiv. War dieser positive Vibe eines eurer Ziele bei diesem Album?
Dominik Wendl: Es ist witzig, dass du das sagst, denn genau so hat es sich ein wenig angefühlt. Unser letztes Album „Angry Boys, Angry Girls“ war im Grunde so etwas wie ein Kind der Corona-Pandemie. Es wurde in einer Zeit geschrieben und aufgenommen, in der es uns allen, insbesondere mir, nicht gut ging. Alles war von großer Unsicherheit geprägt. Wir fragten uns ständig, ob und wann wir überhaupt wieder Konzerte spielen oder uns überhaupt treffen könnten. Es war irgendwie nie klar, wann der nächste Lockdown kommen würde. Ich bin zu dieser Zeit viel alleine zu Hause herumgesessen und wusste oft nicht, wie ich mit mir selbst umgehen sollte. Ich bin in eine Art Lethargie verfallen und hatte große Schwierigkeiten, da wieder herauszukommen. Es war eine immense psychische Belastung. All das hat sich natürlich auch in der Musik von damals widergespiegelt. Als wir das Album dann veröffentlicht haben, war es wie eine Erlösung. Und wir durften einige wirklich wunderbare Shows spielen. Diese Tour im Herbst 2021 war ein unglaubliches Geschenk, da wir eine der wenigen Bands waren, die tatsächlich eine Tour durch Österreich und Deutschland spielen konnten.
Das heißt ihr habt die Coronazeit eh eher glimpflich überstanden?
Dominik Wendl: Nicht so ganz. Es kehrte nach der Tour erst einmal Ruhe ein, was auch notwendig war. Ich fühlte mich im Kopf nämlich vollkommen leer, als wäre nichts Kreatives mehr in mir. Die Zeit war einfach sehr intensiv, voller Druck und Stress, also beschlossen wir, zunächst eine Pause einzulegen. Es dauerte dann eine Weile, bis wir uns sagten, dass es langsam an der Zeit wäre, wieder etwas zu tun. Wir brauchten auch Zeit, um uns als Band und als Freunde wiederzufinden. Wir stellten uns sogar die Frage, ob wir überhaupt noch zusammen musizieren können. Es gab noch viele Blockaden. Aber schließlich war es einfacher als gedacht, wieder zueinanderzufinden. Das Songwriting verlief ganz natürlich, und wir waren extrem fleißig – auch unabhängig von der Band. Nebenbei arbeitete ich an anderen Produktionen und begann, als Songwriter für andere Künstler zu arbeiten. Im Zuge dieser Tätigkeiten mietete ich mich in ein Studio der GAB Music Factory ein, wo wir auch unsere letzten Alben produziert haben. Plötzlich hatten wir also Zugang zu einem großartigen Studio, und dort begannen wir, an neuen Stücken zu arbeiten. Das geschah sehr organisch. Laurenz und ich trafen uns häufig und schrieben einfach drauf los, ohne einen festen Plan, sondern um zu schauen, wohin es führen könnte. Manchmal waren auch die anderen Bandmitglieder dabei.
Ihr habt euch auch erstmals dazu entschieden, andere Musikerinnen und Musiker beim Songwriting hinzuzuholen.
Dominik Wendl: Genau. Irgendwann kam uns der Gedanke, dass wir vielleicht auch mal andere Leute mit ins Boot holen könnten. Die letzten drei Alben, plus eine EP, waren nur wir. Dieses Mal verspürten wir jedoch den Wunsch, etwas anders zu machen und ein wenig von unserem gewohnten Weg abzuweichen. Zum einen wollten wir dieses Album ganz ohne Stress schreiben. Wir wollten uns die notwendige Zeit nehmen. Früher war es oft so, dass wir uns so viel Zeit gelassen haben, dass wir, als es dann soweit war, ins Studio zu gehen, in letzter Minute ein oder zwei Songs schnell schreiben mussten. Zum anderen wollten wir sehen, was andere Gutes zum Projekt beitragen könnten.
Ein Ziel von uns war es, so viele Songs wie möglich zu schreiben, um am Ende auswählen zu können. Letztlich hatten wir 33 Songs beisammen, von denen wir die eine Hälfte alleine und die andere zusammen mit anderen Musikerinnen und Musikern geschrieben haben. Die Zusammenarbeit mit Leuten wie Jonas Holle, Oliver Varga, Violetta Parisini, Felicia Lu, Max Perner und Mario Fartacek – um nur ein paar zu nennen – hat uns auf jeden Fall wahnsinnig viel geholfen. Die allererste Session war jene mit Violetta, die ich beim 10 Volt Festival in Salzburg kennengelernt habe. Ich habe mich sofort mit ihr connected, weil sie so eine positive Einstellung zum Leben und zur Musik hat. Sie macht das schon so lange und hat musikalisch fast alles erlebt. Die Zusammenarbeit mit ihr hat mir einfach den Horizont geöffnet. Von dieser Session an war für uns klar, dass wir mit ganz vielen anderen Leuten zusammenarbeiten müssen.
Was war deren konkreter Input? Was hab ihr von ihnen aufgesaugt?
Dominik Wendl: Ich glaube, wenn man so lange in einer Band ist und so lange befreundet, entwickelt man eine gewisse Routine. Wenn dann jemand dazukommt, der uns nicht kennt und nicht weiß, wer wir sind, muss man sich auch untereinander neu arrangieren, weil man ganz andere Inputs bekommt. Man muss einfach aus der eigenen Komfortzone ausbrechen, weil man es den Leuten auch rechtmachen möchte. Man will, dass sie sich wohlfühlen. Dazu gehört es auch, sich vielleicht mal zurückzunehmen und den anderen Raum zu geben. Wenn wir zu viert schreiben, habe ich oft den Lead. Dieses Mal war das nicht immer der Fall, und das war wirklich schön. Violetta zum Beispiel hat so viele gute Textinputs geliefert, die mich wiederum auf eine ganz andere Weise Lyrics haben schreiben lassen. Plötzlich habe ich mir über so viele andere Dinge Gedanken gemacht.
Kann man vielleicht sagen, dass ihr euch durch euren neu gewählten Zugang in gewisser Weise auch als Band neu erfunden habt?
Dominik Wendl: Dass wir uns jetzt neu erfunden haben, würde ich nicht sagen. Es ist ja nicht alles neu. Ich glaube eher, dass wir ein bisschen mehr zu uns selbst gefunden und einfach das gemacht haben, worauf wir Lust hatten. Wir haben uns auf das besonnen, was wir gut können – nämlich Musik schreiben, die die Leute glücklich macht. Das war uns wichtig, weil wir nach „Angry Boys, Angry Girls“ oft das Problem hatten, dass die Songs live die Stimmung etwas gedrückt haben. Und das meine ich das nicht negativ; es gab durchaus Menschen im Publikum, die diese Schwere und Melancholie in den Songs sehr geschätzt haben. Aber ich denke, die nachhaltigeren Erinnerungen schafft man mit anderer Musik – mit Musik, zu der man springen kann, die einen loslassen und für Momente alles vergessen lässt.
Ich finde an euren Songs auch spannend, dass sie – obwohl ihr in euren Texten durchaus auch nachdenkliche Themen behandelt und du mit deiner Stimme eine melancholische Note reinbringst – eigentlich nie schwermütig daherkommt.
Dominik Wendl: Genau das hat auf „Angry Boys, Angry Girls“ auch gefehlt. Da hat diese Schwere oft überhandgenommen, was aber auch verständlich ist, es war damals einfach eine scheiß Zeit. Das hat man auf dem Longplayer einfach gespürt.Jetzt kommt mir vor, haben wir das wieder besser ausbalanciert. Du spürst bei uns diese Melancholie schon immer, aber sie muss präzise und pointiert sein, weil sonst funktionieren wir nicht so, wie wir funktionieren. Wir sind doch diese vier Buam, die sich schon lange kennen und die nicht nur eine Band, sondern auch Freunde sind, die schon viel miteinander erlebt haben. Diese Essenz auf ein Album oder auf die Bühne zu bringen, ist oft sehr schwer. Eine Freundschaft besteht aus vielen verschiedenen Nuancen und vielen Beziehungen, die oftmals dazu führen, dass man nicht die glücklichste Musik macht. Aber das sind wir eben. Wir schreiben Musik, die an der Oberfläche vielleicht happy klingt, aber sich dann doch in die Tiefe entwickelt.
„Wir haben uns schon aktiv dazu entschieden, Musik auf das Album zu bringen, die schon leichtfüßiger ist […]“
Du hast vorher erwähnt, dass ihr 33 Lieder geschrieben habt. Auf das Album haben es dann vorwiegend solche geschafft, die schon sehr tanzbar sind. Ich nehme an, das ist beabsichtigt.
Dominik Wendl: Absolut. Wir haben uns schon aktiv dazu entschieden, Musik auf das Album zu bringen, die schon leichtfüßiger ist, wobei mit „Ocean“ schon auch eine typische Ballade vertreten ist, die sehr melancholisch klingt. Aber ich finde, das gehört auch dazu. Das müssen die Leute aushalten, dass es einen Song über den Tod gibt. das ist ein Thema, dass niemanden von uns unberührt lässt. Grad in unserer Band war das immer wieder großes Thema. Während Corona ist das vieles passiert. Die Idee zu „Ocean“ ist mir schon während des Videodrehs zu einem Song des letzten Albums gekommen. Wir waren damals am Gardasee und haben zu „Talk the other Way“ ein Video gedreht. Es sollte überhaupt unser blödestes und witzigstes Video werden. Genau während des Videodrehs lag zu Hause meine Tante im Sterben. Und sie ist genau zu diesem Zeitpunkt gestorben, als wir die Sonnenaufgangsszene am Gardasee gedreht haben. Ich hatte irgendwie das Gefühl, dass ich über diesem riesen See stehe und Abschied nehme. Eine sehr emotionale Geschichte.
Was hat euch auf diesem Album eigentlich musikalisch inspiriert?
Dominik Wendl: Das ist eine gute Frage, denn ich habe gewusst, dass sie jetzt bei den Interviews irgendwann kommen wird. Darum habe ich mir jetzt auch Gedanken darüber gemacht. Ich habe in den letzten zwei Jahren, in denen wir geschrieben, eigentlich ganz anders Musik konsumiert, als sonst. Wir haben alle sehr viel elektronische Musik gehört. Im letzten Jahr waren wir, so wie mit 16, sehr viel auf Techno-Parties unterwegs. Ich hatte nach Corona irgendwie das Gefühl, dass ich meine 20er Jahre verschlafen habe. Ich bin mit 20 fürs Studium nach Wien, habe aber auch viel Zeit zu Hause verbracht. Damals war noch Kiffen ein großes Thema. Es ist so, als hätte ich bis Corona gepennt. Auf einmal war die Pandemie da und ich habe weitergepennt. Das letzte Jahr fühlte sich daher irgendwie wie ein Ausbruch an. Wir waren viel unterwegs, haben viele Shows gespielt und auch einiges gefeiert. Aber anders als noch mit 22. Bei uns war es viel Techno und Drum`n`Bass. Auf der anderen Seite habe ich auch viel Holly Humberstone gehört und auch Musik, die doch ein wenig unserer ähnelt.
Aber natürlich haben wir unsere Klassiker. Dass wir Indierock-Buam sind, können wir nicht wirklich verstecken. Rein musikalisch sind wir da sicher noch sehr UK-geprägt. King Of Leon ist sicher noch ein Thema, genauso Foals oder Arctic Monkeys.
Wenn man dir so zuhört, spürt man deine Begeisterung für euer neues Album. Ist es vielleicht das Album, mit dem du bisher am zufriedensten und glücklichsten bist?
Dominik Wendl: Ich weiß, es ist vielleicht etwas vermessen, das so zu sagen, aber ich stelle mir vor, dass junge Eltern oft ein ähnliches Gefühl haben, wenn sie nach Monaten des Wartens endlich ihr Kind in den Armen halten. Und ich glaube, wenn man Eltern mehrerer Kinder fragt, werden sie auch nicht sagen, dass es bei jedem Kind dasselbe Gefühl war. So stelle ich es mir zumindest vor. Man arbeitet intensiv auf etwas hin, bereitet sich vor und denkt, man habe alles richtig gemacht – nur um später festzustellen, dass man im Grunde vieles anders hätte machen können.
Nach dem ersten Album sagt man sich: „Das zweite wird ganz anders.“ Und nach dem zweiten dann: „Das dritte wird wieder etwas anderes.“ Jetzt sind wir beim vierten Album angelangt und glauben erneut, dass wir es nun besser wissen. Vielleicht stimmt das auch in gewisser Weise. Jetzt wissen wir zumindest, dass wir ein eigenes Label gründen und alles selbst in der Hand haben wollen. Wir wissen auch, dass wir mit vertrauten Personen zusammenarbeiten wollen, bei denen wir sicher sein können, dass unsere Musik in guten Händen ist.
Im Moment fühlt sich alles nach einem ganz neuen Abschnitt an – so ein Gefühl hatten wir vorher noch nie. Vielleicht liegt es daran, dass wir jetzt wirklich vieles selbst machen, zum Beispiel das Booking, für das Niklas zuständig ist. Wir haben kein Management und organisieren alles selbst. Jetzt haben wir sogar unser eigenes Label gegründet und managt es ebenfalls eigenständig. Es fühlt sich wirklich so an, als hätten wir das mit unserem eigenen Schweiß auf die Beine gestellt.Jetzt haben wir alles selber in unserer Hand.
Herzlichen Dank für das Interview.
Michael Ternai
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Please Madame live
03.10. ppc, Graz
04.10. Stadtwerkstatt, Linz
05.10. Zeughaus, Passau
11.10. Carinisaal, Lustenau
13.10. Unter Deck, München
16.10. LUX, Hannover
17.10. umBAUbar, Oldenburg
18.10. Theaterdeck, Berlin
19.10. Engelsburg, Erfurt
24.10. WUK, Wien
25.10. Rockhouse, Salzburg (ausverkauft)
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