Der 1975 in St. Pölten geborene Trompeter Thomas Gansch feiert 2025 seinen 50. Geburtstag – und das standesgemäß mit einem Jahr voller musikalischer Höhepunkte. Als stilistisch grenzenloser Klangforscher zwischen Jazz, Blasmusik, Klassik und Pop präsentiert er sich auf Jubiläumstour mit seiner Gansch & Roses Band. Gansch zählt längst zu den prägenden Gestalten der heimischen Musikszene, ein Künstler, der mit Humor, Virtuosität und unerschütterlicher Neugier die Grenzen zwischen Genres spielerisch auflöst. Höhepunkt des Festreigens ist das große Geburtstagskonzert am 12. November im Wiener Konzerthaus – ein „Birthday Bash“, der seine unbändige Spielfreude und kreative Offenheit in all ihren Facetten zelebriert. Im Interview mit Michael Ternai spricht der Trompeter über seine musikalische Sozialisation samt zweier entscheidender Schlüsselerlebnisse, über sein Unverständnis für Grenzen zwischen den Genres und darüber, wie sehr ein einfaches „Danke“ seinen künstlerischen Zugang vollkommen verändert hat.
Vielleicht zu Beginn: Wenn du heute auf deinen Werdegang zurückblickst – hättest du dir je vorstellen können, dass du einmal die ganze Welt bereist, sogar an die entlegensten Orte?
Thomas Gansch: Ich weiß nicht – ich konnte mir eigentlich nie etwas anderes vorstellen, als Musik zu machen und damit unterwegs zu sein. Das habe ich wohl von meinem Vater mitbekommen, der selbst als fahrender Musiker gearbeitet hat. Er hat mir schon als Kind eingebläut: Wenn du gut spielen kannst, hast du immer was zum Fressen. Das war bei uns einfach so. In der Familie hätte mir auch niemand nahegelegt, etwas anderes zu machen – das war irgendwie ausgemacht. Abgesehen von einer kurzen Rebellionsphase in der Pubertät war ich auch immer überzeugt davon, dass das mein Weg ist: herumzufahren und Musik zu machen. Das war einfach klar. Nur haben anfangs alle geglaubt, ich würde – wie mein Bruder – Philharmoniker werden. Dazu ist es aber nicht gekommen. Und so bin ich jetzt in der glücklichen Lage, fast ausschließlich Dinge zu machen, die ich mir selbst ausgedacht habe, die mir Spaß machen und mich erfüllen.
Aber du bist ja eher volksmusikalisch gestartet, wenn ich mich richtig erinnere.
Thomas Gansch: Nein, nicht direkt. Es gab zu Hause zwei Haupteinflüsse. Der eine war die Blasmusik – mein Vater war Blasmusiker und hat sogar eine eigene Kapelle gegründet, die regelmäßig bei uns im Haus geprobt hat. Ich war also ständig von Blasmusik umgeben. Schon als Baby bin ich mit einem Mundstück in der Hand zwischen den Reihen herumgelaufen und habe irgendwie mitgetrötet.
Der andere Einfluss kam von meiner Mutter. Sie hat viel Radio Niederösterreich gehört, wo hauptsächlich Schlager liefen, die sie immer mitgesungen hat. Ab und zu hat sie mir auch modernere Sachen gezeigt – sie hatte zum Beispiel eine Erstpressung der ersten Beatles-Platte, weil sie in den 1960er-Jahren als Au-pair-Mädchen in England war. Die zwei Hauptströmungen zu Hause waren also Blasmusik und Schlager.
Alles andere war eher verpönt. Für meinen Vater war Rockmusik nur laut und Geschrei, und meiner Mutter gefiel das auch nicht – sie mochte eher alte Filme und Sänger wie Caterina Valente, Peter Alexander oder die amerikanischen Entertainer Gene Kelly und Frank Sinatra.

Und dann gab es zwei echte Schlüsselerlebnisse: Das erste war, als ich bei meinem Cousin zum ersten Mal Queen gehört habe – das hat mich völlig umgehauen. Danach habe ich mir alle Queen-Platten gekauft, mit Geld, das ich mir heimlich vom Sparbuch, das meine Eltern für mich führten, geholt habe.
Das zweite Erlebnis hatte ich mit 13, als ich im Fernsehen Dizzy Gillespie gesehen habe. Damals zeigte der ORF ja noch Jazzkonzerte. Ich sah dieses Konzert und wusste sofort: Das will ich machen. Jazz hat mich vom ersten Moment an fasziniert.
Deine musikalischen Einflüsse oder Erweckungserlebnisse spiegeln sich ja bis heute in deiner Musik wider. Ich kenne kaum jemanden, der so viele – und so unterschiedliche – Projekte hat, die alle in verschiedene Richtungen gehen.
Thomas Gansch: Das hat zwei Gründe. Erstens: Ich kann wirklich gut Trompete spielen – die Trompete ist fast ein Teil meines Körpers. Über sie kann ich mich ganz unmittelbar ausdrücken. Und das hängt mit dem Zweiten zusammen: Ich kann mich auf jede Art von Musik einlassen. Ich kann Klassik spielen, Jazz, Volksmusik – das macht für mich keinen Unterschied. Ich habe diese Grenzen zwischen Musikstilen nie verstanden. Natürlich weiß ich, dass es sie gibt, aber warum man nur das eine machen soll und das andere nicht, war mir immer schleierhaft. Dieses ganze Schubladendenken war nie meins.
Schön war das früher bei Mnozil Brass: Wenn wir eine CD herausgebracht haben, lag die beim Saturn gleichzeitig in der Klassik-, Jazz-, Kabarett- und Schlagerabteilung. Niemand wusste so recht, wo sie hingehört. Und genau das fand ich immer ein schönes Bild für das, was wir machen.
Ist der Umstand, dass du keine musikalische Ausbildung abgeschlossen hast, die dich vielleicht in eine bestimmte Richtung gedrängt hätte, ein Grund für deine musikalische Offenheit? Wie wichtig war es für dich, aus den gewohnten Schemata auszubrechen?
Thomas Gansch: Ausbrechen war natürlich immer ein Thema. Wenn man jung ist, will man sich ja grundsätzlich abgrenzen. Aber bei mir war es eher so, dass mich einfach alles interessiert hat. Als ich Klassik studiert habe, hat mich plötzlich nur Jazz fasziniert – also habe ich Jazz gespielt. Dann kam wieder die Klassik. Und am meisten im Jazz habe ich über durch die Volksmusik gelernt. Das hängt ja alles miteinander zusammen.
Mir fällt oft auf, dass sich viele in einer musikalischen Schublade einrichten. Und sobald sie einmal drinnen sind, heißt es dann: Nein, das geht nur so. Und wenn jemand anders das anders macht, ist das falsch, weil bei uns macht man das so. So etwas interessiert mich nicht. Mich interessiert das, was darüber hinausgeht.
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Welches war eigentlich das erste Projekt, bei dem du wusstest: Okay, jetzt bin ich wirklich Musiker – on the road?
Thomas Gansch: Mnozil Brass. Ich habe das Ensemble mitbegründet, da war ich 16. Anfangs war das nur eine Gaudi-Partie, aber irgendwann wurde mir klar: Davon könnten wir einmal leben. Das war zwar nie der Plan, aber die Gruppe hat sich langsam und stetig in diese Richtung entwickelt. 2002 haben dann tatsächlich alle ihre Jobs aufgegeben, und Mnozil Brass wurde unser Hauptberuf. Das Ensemble ist sicher der große Monolith in meiner Geschichte – auch, weil wir damit wirklich ein ganzes Genre auf den Kopf gestellt haben. Und dann haben wir mit dem Aufkommen von YouTube quasi Weltruhm erlangt. Überall auf der Welt, wo es Blechbläser gibt, kennt man mich. Ich treffe inzwischen unglaublich viele Leute, die mir erzählen: Mein Vater hat mich als Kind zu euren Konzerten mitgenommen – da war ich fünf. Wegen euch habe ich angefangen zu spielen. Das ist schon eine großartige Geschichte, die wir da geschaffen haben – ganz ohne Plan.
Das ist sicher das Outstanding-Ding meiner Laufbahn. Aber irgendwann haben wir mit Mnozil Brass so viel gespielt, dass bei mir persönlich die Freude ein bisschen verloren ging. Es gab Jahre, in denen wir über 120 Konzerte gespielt und gleichzeitig noch neue Programme vorbereitet haben. Wenn man so viel Zeit miteinander verbringt, wird es irgendwann einfach zu viel. Ich muss sagen, dass die Pandemie diesbezüglich geholfen hat, weil das Schlachtschiff Mnozil Brass in dieser Zeit einfach stillgestanden ist.
Somit hatte ich Zeit, mich selbst neu zu erfinden und andere Sachen zu machen. Und jetzt bin ich in der glücklichen Lage, Dinge zu tun, die ich mir selbst ausgedacht habe. Das wechselt sich so schön ab, dass eigentlich alles immer Spaß macht. Das ist eine Luxusposition.
Ihr habt als Mnozil Brass der Blasmusik tatsächlich neues Leben eingehaucht. Vor euch hatte das Genre ja eher ein verstaubtes Image – und wenn man bedenkt, welche anderen Formationen in eurem Schlepptau Bekanntheit erlangt haben! Ich denke nur an Federspiel.
Thomas Gansch: Wir hatten ja beide denselben Geburtshelfer – den Rudi Pietsch. Der Rudi war beim Musikantenstammtisch, bei dem wir uns formiert haben, mit seinen Tanzgeigern quasi die Session-Band. Die haben dort immer angespielt. Wir haben das Zepter quasi von ihnen übernommen. Teilweise waren wir auch Studenten von Rudi. Er war eine wichtige Gallionsfigur – und für Federspiel war er der Mentor. Also sind wir in einem ähnlichen Fahrwasser unterwegs, nur eben zehn Jahre früher.

Du warst mit Mnozil Brass ja unglaublich viel unterwegs. Ihr habt fast auf allen Kontinenten gespielt und die Hallen gefüllt. Was, glaubst du, hat die Faszination von Mnozil Brass ausgemacht?
Thomas Gansch: Das sind mehrere Gründe. Erstens ist es handgemachtes Entertainment. Es sind sehr gut ausgecheckte Bühnenprogramme, die das Ziel haben, hochwertige musikalische Unterhaltung zu bieten – und dabei leicht auszusehen. Schmäh und Choreografie, alles in einer Show. Das hat sich einfach so ergeben. In unserer Bandgeschichte gab es eigentlich nur einen Besetzungswechsel – 2004/2005. Da sind zwei Gründungsmitglieder ausgestiegen und zwei andere dazugekommen. Damals gab es auch einen kleinen Switch in der Ausrichtung der Gruppe. Seitdem ist Mnozil Brass eine rein auf Bühnenprogramme ausgelegte Band.
Früher waren wir eine wilde Pradlband – wir konnten stundenlang einfach irgendwas aus dem Hut spielen. Aber es war viel wilder und weniger professionell. Jetzt ist Mnozil Brass einfach eine Firma. Wir sind sieben Leute und haben zwanzig Kinder – da hängen viele Menschen dran. Wir haben auf jeden Fall unseren Stempel auf der musikalischen Landkarte hinterlassen.
Ihr habt auch ein bisschen Kabarett reingebracht…
Thomas Gansch: Ja, wir haben einmal den Salzburger Stier gewonnen – vor 19 Jahren. Weil wir Bühnenprogramme gemacht haben. Wir haben Theaterstücke inszeniert, in denen wir Chor, Sänger, Schauspieler und Orchester gleichzeitig waren. Das war schon relativ revolutionär.
Interessant war: Da gab es uns schon zwölf Jahre. Und dann hatten wir bei der Ruhrtriennale einen großen Erfolg. Plötzlich standen Hymnen über uns in der FAZ und im Spiegel. Und dann sagten die österreichischen Journalisten: „Wer sind die?“ Wir sind sehr lange unter dem Radar gelaufen. Jetzt sind wir eigentlich wieder unter dem Radar. Aber wir sind da, um zu bleiben. Nach 33 Jahren kann man das nicht mehr aufgeben. Wir haben unsere Fans – und die halten uns noch ein bisschen aus.
Du hast gesagt, Mnozil Brass sei ein Unternehmen, das für das Brot am Tisch sorgt. Sind die vielen anderen deiner Projekte dann die musikalischen Betätigungsfelder, auf denen du dich voll austoben kannst, ohne auf den unternehmerischen Aspekt achten zu müssen?
Thomas Gansch: Auch andere Projekte sorgen fürs Brot. Ich verdiene schon Geld – so ist es nicht. Aber für die Hygiene ist es extrem wichtig, dass sich die Dinge schön abwechseln. Momentan ist es echt eine superluxuriöse Situation. Das ganze letzte Jahr zum Beispiel waren nur tolle Sachen. Ich habe mich jedes Mal gefreut.
Mir ist nie etwas auf den Zeiger gegangen – es war immer wohl dosiert.
Es gibt ja das Sprichwort: Ein Musiker wird fürs Reisen bezahlt, nicht fürs Spielen. Und das stimmt. Der Beruf selbst ist wunderschön, aber das Hinkommen ist oft mühsam. Wenn man einen guten Teil seines Lebens in der Deutschen Bahn verbringt, kann es einem schon mal vergehen.
Wenn einem der Beruf dann auch noch „am Arsch geht“, hat man schlechte Karten. Aber ich bin in der glücklichen Lage, dass mein Beruf auch meine Berufung ist. Und ich arbeite nur mit super Leuten zusammen. In all meinen Projekten suche ich mir die Menschen selbst aus, die mitmachen. Bis auf wenige Ausnahmen ist sich das immer gut ausgegangen. Natürlich irrt man sich auch einmal – aber dann macht man eben nichts mehr miteinander.
Sonst ist es echt eine schöne Zeit. Ich meine, ich bin jetzt 50 und viel gelassener, als ich es mit 30 war. Das macht einfach mehr Spaß. Und ich kann mich auch besser darauf konzentrieren, das Ganze zu genießen. Das nimmt viel Druck. Ich habe eh alles erreicht, was ich wollte. Ich wollte ja nur, dass ich so gut spiele, dass – wenn mich andere Musiker sehen – sie sagen: Spiel mit! Und das ist mir gelungen. Insofern passt alles.
Ich habe ja einmal einen Satz von dir gelesen, der sinngemäß sagt: Es geht ums Musikspielen – du willst das Publikum begeistern, nicht die Professionisten.
Thomas Gansch: Als gelernter – und gescheiterter – Klassikstudent lernt man das Ganze natürlich von einer Seite kennen, die ganz anders funktioniert. Da muss man immer nur liefern, liefern, liefern. Und wenn man liefert, interessiert es keinen. Aber wenn man einmal nicht liefert, dann ist es Stadtgespräch. So ist es mir zumindest damals vorgekommen.
Überhaupt wird man in dieser Welt ständig auf die Fehler reduziert – und dadurch reduziert man sich irgendwann selbst auch nur noch auf die Fehler. Ich habe dann einfach gelernt: Moment einmal – wenn da jeden Tag Leute kommen, die klatschen und am Schluss aufstehen, dann kann das doch alles nicht so schlimm sein, wie du glaubst.
Ein ganz wichtiger Schritt in meiner Entwicklung war, dass ich angefangen habe, Danke zu sagen, wenn mir jemand ein Kompliment gemacht hat – anstatt alles gleich wieder zu relativieren.
Als gelernter Klassiker antwortest du ja meistens, wenn dir jemand sagt: Super hast gespielt, mit Naja, da hab ich nicht gut gestimmt oder Das ist mir nicht gelungen. Und irgendwann hab ich mir gedacht: Was machst du da eigentlich? Du erzählst jemandem, der dir ein Kompliment macht, dass das ein Blödsinn ist! Das ist total unfreundlich – und dumm.
Und siehe da: In dem Moment, wo ich einfach nur Danke gesagt und nicht weiter kommentiert habe, hat sich plötzlich etwas in mir verändert. Das ist schon wichtig, dass man die vielzitierte Kirche im Dorf lässt. Wenn das Publikum kommt, begeistert ist, mehr will – und das immer wieder passiert –, dann kann das nicht alles so scheiße sein, wie man manchmal glaubt.
Vielen Dank für das Interview.
Michael Ternai
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BIRTHDAY BASH! – Gansch & Roses – 50 Years
12.11. Wiener Konzerthaus, Wien Tickets
13.11. Landestheater Linz, Linz Tickets
14.11. Bühne im Hof, St. Pölten
15.11. Jazzclub Moods, Zürich Tickets
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