„Uns war das wichtig, dass gerade in der Sprache auch mal kritische Inhalte transportiert werden“ – VON SEITEN DER GEMEINDE im Mica-Interview

Dialekt mit Haltung, Provinz als Ausgangspunkt und ein Pavillon, der brennen muss, damit etwas Neues entstehen kann: VON SEITEN DER GEMEINDE veröffentlichen mit „Burn Down Pavillon“ (VÖ: 07.11.2025) ihr mittlerweile viertes Album und verschieben ihren satirisch-gesellschaftskritischen Blick vom Tiroler Dorfzentrum hinaus in die globalen Spannungsfelder. Die dreiköpfige Band hat es sich zur Aufgabe gemacht, jene Spannungen künstlerisch produktiv in HipHop umzuwandeln und damit ein neugeformtes, akustisches Bild der Heimatbubble zu schaffen. Wieso sie bei Samples weiterhin nicht um Erlaubnis fragen, wie das Tiroler Oberland auf ihre Musik reagiert hat und weshalb die Flucht aus dem Dorf die Grundlage für das Bandprojekt war, haben TESTA und YO!ZEPP im Gespräch mit Katharina Reiffenstuhl erzählt.

Eure Musik geht in Richtung Widerstand, was im Titel des neuen Albums noch einmal umso mehr zum Vorschein kommt. Die Anspielung auf Babylon ist klar, aber wofür steht der Pavillon?

Testa: Uns war bewusst, dass das wahrscheinlich vom Großteil Österreichs nicht so verstanden wird, aber da, wo wir herkommen, im Tiroler Oberland bzw. in ganz Tirol eigentlich, steht der Begriff Pavillon immer für einen Musikpavillon, wo die Blasmusik spielt, wo Konzerte veranstaltet werden. Im Rest von Österreich ist das einfach nur ein Begriff für ein Zelt, für uns hat das diese Bedeutung mit dem Dorfzentrum. Dieser Pavillon steht bei uns für alteingesessene Gedanken und Altes, das wir versuchen, niederzureißen, um etwas Neues entstehen zu lassen. 

Seht ihr euer Musikprojekt in gewisser Weise als Aktivismus an?

Yo!Zepp: Ich denke, das wäre ein bisschen zu weit gegriffen, das als Aktivismus zu bezeichnen. Das überlassen wir gerne Aktivistinnen und Aktivisten, die wirklich an der Basis sind. Wir machen jetzt das vierte Album und bei uns geht’s im Großen und Ganzen immer um dieses Dorfliche – das zu interpretieren und ein bisschen in einen globaleren Kontext zu setzen. Bei uns fängt es im Dorf an und geht immer weiter. So steht auch dieser Pavillon diesmal fürs Dorfzentrum.

Bild VON SEITEN DER GEMEINDE
VON SEITEN DER GEMEINDE (c) Adrian Hann

Reden wir übers Albumcover. Drei Frauen mit Feuerzeugen. Wieso habt ihr euch nicht selbst dargestellt?

Testa: Man sieht auf dem Cover den brennende Pavillon im Hintergrund, deswegen natürlich auch die Feuerzeuge. Der Grund, dass drei Frauen zu sehen sind, hat mehr damit zu tun, dass die Künstlerin, Melanie Thöni, ausschließlich Frauen malt. Wir haben ihr da freie Hand gelassen. Wir hatten zwar grobe Vorstellungen, was ungefähr drauf sein soll und haben uns eigentlich gedacht, dass auch wir drauf zu sehen sein sollten. Sie hat das dann aber so interpretiert und uns gefragt, ob das ok ist. Ich finde, das ist auch ein sehr cooler Weg, das darzustellen.

Yo!Zepp: Ich finde es auch super, wie sie es im Endeffekt gemacht hat. Hat noch einmal mehr Aussagekraft. Dass da Interpretationsspielraum ist, ist schon cool.

„ES HAT BEI UNS IN TIROL IN DER REGION SCHON EIN BISSCHEN EINEN KULT-CHARAKTER BEKOMMEN“

Wie entstand die Idee, TV-Samples zu remixen?

Testa: Der Chris und ich, also die Produzenten von VON SEITEN DER GEMEINDE, sind zusammen nach Wien gezogen und haben, um up-to-date zu bleiben, was daheim so passiert, im Internet immer so die lokalen Tiroler Fernsehsender angeschaut. Da gibt es Archive und jede Woche neue Sendungen, wo man sieht, was in der Gegend so passiert. Da sind halt viele lustige Sachen dabei gewesen. Nachdem wir aus dem HipHop-Bereich kommen, ist das irgendwie Gang und Gebe, dass man sich da an diversen Sachen bedient. Wir haben diese Idee, wie HipHop funktioniert, ein bisschen umgemünzt und angefangen, diese Samples aus der dörflichen Umgebung über HipHop-Beats zu legen. Am Anfang nur für uns aus reinem Spaß. Dann hat sich die Idee entwickelt, dass wir diese Samples gemeinsam zu Dialekt-Rap kombinieren könnten. Dadurch ist das Projekt entstanden.

Gibt’s da keine Copyright-Probleme?

Testa: Naja. (lacht) Wir fahren seit Anfang an den Weg, dass wir niemals irgendwen fragen und sind bis jetzt gut davongekommen. 

Yo!Zepp: Es hat bei uns in Tirol in der Region schon ein bisschen einen Kult-Charakter bekommen. Die Personen, die da gesamplet werden, haben sich bei uns noch nie beschwert, es ist eher das Gegenteil, manchmal freuen sie sich darüber. Was nicht heißt, dass es irgendwann einmal anders kommen könnte. We will see.

Das ist sowas Typisches, das funktioniert nur am Land.

Testa: Ja, der ORF zum Beispiel wär’ da wahrscheinlich nicht ganz so entspannt, was das angeht. Aber das ist ein gewisses Risiko, was man bei Sample-Verwendung eigentlich immer eingeht.

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Das Musikvideo zu „Vegl“ ist stark geworden. Wie seid ihr auf diese Mischung von Anzugträger mit Vogelmaske, Käfig und Lederhose gekommen?

Yo!Zepp: Das war ehrlicherweise nicht unsere Idee, das war das Filmteam.

Testa: Der Regisseur, der Moritz Holzinger, hat die Idee gehabt.

Yo!Zepp: Im Prinzip spiegelt das genau die Thematik wider, die in dem Song behandelt wird. Einerseits natürlich diese Jagd auf die Vögel. Die Anzugträger, also die Vögel, sollen dann quasi die Machthaber darstellen, gegen die wir uns im Endeffekt wehren. Dann ist es so eine Art Heimatfilm: Die Anfangsszene mit der Lederhose ist eine Nachstellung von einem Kurzfilm, der heißt “Der Untergang des Alpenlandes” vom Werner Pirchner, ein bekannter Tiroler Musiker, der ab und zu in den Filmbereich gewechselt ist. Das ist so eine Heimatfilm-Persiflage, eine Tourismus-Heimatfilm-Kritik. Die Szene am Anfang kommt in dem Film genau so vor, das haben wir einfach nachgespielt.

Wie laufen eure Studio-Sessions ab – wie entstehen solche Songs, wie ihr sie macht?

Testa: Man muss dazu sagen, das ist sehr unterschiedlich. Wir haben bei diesem Album wesentlich mehr gemeinsam an Musik gearbeitet. Das war bisher auch nicht immer so der Fall. Der Vorteil, den man im HipHop hat, ist, dass man eben auch getrennt voneinander Musik machen kann. Unsere letzten Alben sind auch viel so entstanden, weil bei uns eine geografische Distanz da ist und da alles zwischen Tirol und Wien passiert. Dann trifft man sich irgendwann zum Verfeinern und Aufnehmen. Bei diesem Album jetzt hatten wir viele gemeinsame Sessions. Oft fängt es so an, dass der Chris und ich einen Beat bauen. Wenn das dann alle für gut befinden, fängt man an zu schreiben und so entwickelt sich das meistens parallel.

Yo!Zepp: Bei diesem Album hatten wir drei längere Sessions. Einmal eine Start-Session, wo wir so klassisch eine Hütte für ein Wochenende gemietet haben. Da ist eh schon relativ viel entstanden, auf jeden Fall ein Grundkonzept mit ersten Ideen. Ich habe da auch schon angefangen zu schreiben und habe das für mich alleine dann daheim weiterentwickelt. Dann hatten wir eine zweite Session bei uns im Proberaum in Tirol und eine letzte Session in Wien im Studio, wo wir über drei Tage wirklich viel aufgenommen haben. Da haben wir uns auch überlegt, was musikalisch noch auf dem Album fehlt und was das Ganze vielleicht noch braucht. 

Bild des Trios VOn SEITEN DER GEMEINDE
VON SEITEN DER GEMEINDE (c) Adrian Hann

Euch gibt es seit 2014. Welches Provinzthema hat zu eurem musikalischen Beginn geführt?

Yo!Zepp: Das erste Album war eine Sammlung aus Tracks, die es schon lange gegeben hat. Das war mehr zusammengewürfelt und experimentiert. Nicht wirklich gezielt auf etwas hingearbeitet. Das erste Album ist auch das lustigste Album, wo es ganz viel um Humor gegangen ist. Bei allen weiteren Alben hatten wir immer einen gewissen Schwerpunkt und sind ein bisschen tiefer in die Materie eingetaucht, würde ich sagen. Beim dritten zum Beispiel war es die Corona-Thematik, Tourismus, der ganze Umgang damit. Das jetzige Album hat eine globalere Bedeutung, da geht es ganz viel um Rechtsruck, Gefährdung der Demokratie und so weiter. All das hat sich einfach entwickelt von einem Spaßprojekt zu einer satirischen und gesellschaftskritischen Herangehensweise.

„WIR GLAUBEN NICHT, DASS ES DAS PROJEKT VON SEITEN DER GEMEINDE SO GEBEN WÜRDE, WENN WIR ALLE DREI IN UNSEREN DÖRFERN GEBLIEBEN WÄREN“

Wie kamt ihr anfangs an in der Heimat?

Testa: Gut eigentlich.

Yo!Zepp: Ja, würde ich auch sagen. Die Intention, die wir hatten, vor allem ich beim Schreiben, war, dass man wirklich in dem Dialekt, mit dem man aufgewachsen ist, schreibt. Damit begrenzt man sich natürlich auch selber mit der Reichweite. Mir bzw. uns war das wichtig, dass gerade in der Sprache auch mal kritische Inhalte transportiert werden. Den Kontrast habe ich immer ganz spannend gefunden. Über die Jahre hat man dann gemerkt, dass das bei vielen Leuten nicht nur gut ankommt, sondern dass das auch vielen was bedeutet. Wir können so ein bisschen ein Ankerpunkt sein für Menschen bei uns, die genauso denken wie wir und das nicht immer artikulieren können.

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Was hat bei einigen von euch dann dazu geführt, dass ihr trotzdem nach Wien gegangen seid?

Testa: Also ich bin jetzt quasi der Einzige, der noch in Wien wohnt. Der Chris ist vor ein paar Jahren wieder nach Tirol gezogen. Ich bin so mit 20 nach Wien gezogen, da war halt Musik alles für mich. Das war das, was mir getaugt hat, und das wollte ich beruflich machen. Ich hatte da auch schon einige Connections in Wien und speziell zu der Zeit war Social Media ja noch nicht soo ein großes Ding. Da hat man halt die meisten Möglichkeiten in Wien gehabt – oder zumindest hat man das geglaubt. Ich habe es damals nicht erwarten können, wegzuziehen. Ich habe jetzt meinen Frieden damit gefunden, aber als junger Mensch, wenn man eben anders denkt und andere Sachen machen will, als die, die in der Gegend so passieren, fällt der Schritt relativ einfach, dass man nach Wien geht, oder nach Innsbruck, in die nächstgrößere Stadt.

Yo!Zepp: Ich war nicht in Wien, ich war in Innsbruck Ewigkeiten. Wir sind alle sofort nach der Schule weggegangen, was ein logischer Schritt war und ich auch jedem jungen Menschen empfehlen würde: Einmal irgendwo anders hinzugehen, damit man einen anderen Blickwinkel auf dieses Thema Heimat bekommt. Wir haben da untereinander schon oft drüber geredet und auch öfter schon gesagt, wir glauben nicht, dass es das Projekt VON SEITEN DER GEMEINDE so geben würde, wenn wir alle drei in unseren Dörfern geblieben wären. Es ist generell einfach wichtig, mal andere Erfahrungen zu machen. Anderes zu sehen, andere Menschen, andere Herangehensweisen und andere Kulturen kennenzulernen. Sei es auch, wie es in meinem Fall war, nur eine Stunde wegziehen in eine größere Stadt. Innsbruck ist im Vergleich zu Wien natürlich auch ein Dorf. Mit diesem Blick von außen haben wir dieses Projekt dann starten können.

Danke für das nette Interview!

Katharina Reiffenstuhl

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