Ab der Saison 2027/28 soll das Orchester der Bühne Baden aufgelöst werden; stattdessen übernimmt das Tonkünstler-Orchester NÖ bis zu 150 Vorstellungen im nun auf Operette und Musical beschränkten Spielplan, wobei sämtliche Verträge neu aufgesetzt werden. Gunther Benedikt, der Betriebsratsvorsitzende des Tonkünstler-Orchesters Niederösterreich, nimmt zur angekündigten Auflösung des Orchesters Stellung.
Musikerinnen und Musiker des Tonkünstler-Orchesters Niederösterreich warnen vor folgenschwerer kulturpolitischer Entscheidung
Die geplante Bespielung der Bühne Baden durch das Tonkünstler-Orchester stellt aus unserer Sicht eine kulturpolitische Weichenstellung dar, die schwerwiegende negative Folgen für die niederösterreichische Kulturlandschaft hätte.
Unsere uneingeschränkte Solidarität gilt den Kolleginnen und Kollegen des Orchesters der Bühne Baden, deren traditionsreiches Ensemble nach über 170 Jahren aufgelöst werden soll. Damit verlieren nicht nur Musikerinnen und Musiker ihre Existenzgrundlage – es geht auch ein über Generationen gewachsenes Stück kultureller Identität unwiederbringlich verloren. Das Orchester der Bühne Baden leistet seit jeher einen unschätzbaren Beitrag zur Pflege der Operetten- und Musicaltradition und ist durch seine Repertoirekenntnis der ideale Klangkörper für dieses Haus.
Das Tonkünstler-Orchester ist der größte Kulturträger des Landes Niederösterreich und bespielt neben seinen Hauptresidenzen in St. Pölten, Grafenegg, Wiener Neustadt, Baden und Wien auch sämtliche Regionen des Landes. Mit internationalen Gastspielen hat es sich darüber hinaus als wichtiger Kulturbotschafter des Landes Niederösterreich etabliert. Möglich wurde diese Entwicklung durch eine konsequente künstlerische Aufbauarbeit, die Pflege des großen symphonischen Repertoires und die Zusammenarbeit mit internationalen Spitzenkünstlerinnen und -künstlern.
Eine Übernahme des Spielbetriebs an der Bühne Baden würde zwangsläufig eine massive Einschränkung unseres bisherigen Aufgabenbereichs bedeuten. Trotz der geplanten Aufstockung wäre es unmöglich, das derzeitige Konzertprogramm aufrechtzuerhalten. Die großen romantischen Symphonien, die zu den beliebtesten Werken unseres Publikums zählen, könnten künftig nur noch vereinzelt erklingen. Die Präsenz des Orchesters in St. Pölten, Grafenegg, dem Wiener Musikverein und in den Regionen Niederösterreichs müsste deutlich reduziert werden.
Gleichzeitig würden auch Qualität und Klangkultur erheblichen Schaden nehmen. Die Anforderungen an ein Musical- und Operettenorchester unterscheiden sich grundlegend von denen an ein Symphonieorchester.
Der Versuch, beides in einem Ensemble zu vereinen, würde langfristig die Exzellenz beider Genres gefährden – so, als würde man Eiskunstläufer plötzlich Eishockey spielen lassen. Besonders paradox erscheint diese Entwicklung vor dem Hintergrund, dass das Land Niederösterreich in den vergangenen Jahrzehnten mit Millionen an Steuergeldern erstklassige Spielstätten für das symphonische Repertoire errichtet hat. Soll die Aktivität an genau diesen Standorten nun beschnitten werden, stellt das die Logik dieser Investitionen massiv in Frage. Die angenommene finanzielle Einsparung ist mehr als fraglich – im Gegenteil: Die Komplexität der organisatorischen Umstellung, zusätzliche Probenkosten und eine höhere Belastung der bestehenden Strukturen lassen eine Kostensteigerung erwarten. Langfristig würde eine Abwertung der Gehaltsstruktur bei gleichzeitig erhöhter Arbeitsbelastung die künstlerische Qualität irreparabel gefährden. Schon jetzt gestaltet sich die Nachbesetzung offener Stellen schwierig. Eine weitere Verschlechterung würde die Zukunftsfähigkeit des Orchesters infrage stellen.
Dem Argument, nur Niederösterreich würde sich zwei Landesorchester leisten, halten wir entgegen: Auch die Stadt Wien unterhält mit den Wiener Symphonikern ein großes Symphonieorchester sowie mit dem Orchester der Vereinigten Bühnen Wien einen hochspezialisierten Klangkörper für Musicals, der das Raimundtheater und das Ronacher bespielt.
Niederösterreich verfügt derzeit mit dem Tonkünstler-Orchester im sinfonischen Bereich und dem Orchester der Bühne Baden im Bereich Operette und Musical über zwei gewachsene, hochspezialisierte Klangkörper. Diese leichtfertig zu opfern, käme einer kulturellen Bankrotterklärung gleich.
Wir setzen uns daher mit aller Kraft für den Erhalt beider Orchester in ihrer bisherigen Form ein – als unverzichtbare Säulen der niederösterreichischen Kulturlandschaft und als Garant für künstlerische Vielfalt und Qualität.
Gunther Benedikt (Betriebsratsvorsitzender des Tonkünstler-Orchesters Niederösterreich)