Georg Altziebler alias Son oft the Velvet Rat zeigte 2011 auf seinem Album „Red Chamber Music“, dass er die alten Herren der Musikgeschichte im Herzen trägt. Der neu erschienenen Vinyl Edition von „Red Chamber Music“ beigelegt, findet sich „Reaper“, ein Coversong-Album voller angestaubter Nostalgie.
Die zehn Songs haben ihre Wurzeln in den verschiedensten Genres von Disco bis Country, und Altziebler versteht sich darauf, sie so zu entfremden, dass sie eine neue Persönlichkeit bekommen. Dieser respektable Ansatz ist bei der Neuvertonung eines Liedes zwar erstrebenswert, doch führt er auf „Reaper“ dazu, dass sich eine starke Eintönigkeit eingeschlichen hat. Dadurch, dass Altziebler auch das Tempo aus einigen Songs rausgenommen hat, haben manche ihre Wurzeln, und deren Charakteristik eingebüßt.
Bei der Beschreibung von „Reaper“ auf seiner Homepage, nennt er diese Lieder „friendly aliens“, die „wie Raumschiffe durch seine Atmosphäre schweben; schimmernd, immer neu und abhängig von Sonnenstand und Stimmung.“ Und das passt wie die Faust aufs Auge. Diese Coversongs sind nämlich so zahm, einfühlsam und verträumt, dass sie bei niemand anecken, geschweige denn Ressentiments hervorrufen würden.
Die Liederwahl ist dennoch interessant. Er lässt sich auf Altbekanntes ein, so dass einem die Originalversion ein „Ach ja!“ entlockt, doch eben dieser Ausruf symbolisiert, dass die Songs dennoch nicht an der Oberfläche der Bekanntheit schwimmen. Als Perlen kann man somit „I Will Survive“ und „It’s a Long Way to the Top“ nennen.
Ersteres ist nichts Geringeres als jener Song der Gloria Gaynor berühmt machte. Der Disco-Hit ist nicht nur ein Sinnbild für Selbstermächtigung, sondern auch die Hymne der sogenannten Gay Pride. Altzieblers Version stellt die verletzliche Seite des starken Liedes in den Mittelpunkt, in dem er die Instrumentierung auf ein Klavier, eine E-Gitarre und die Singende Säge reduziert. Mit seiner fast flehenden Stimme, stützt er sich auf die unterschwellige Verzweiflung der Lyrics und verleiht „I Will Survive“ einen neuen Charakter.
Eine Identitätswandlung erfährt auch das oben genannte „It’s a Long Way tot he Top“, das 1976 ein Hit von AC/DC war. Man merkt, dass die (Alt)-Rocker noch eher vom Blues und Rock’n’Roll beeinflusst waren, weswegen der Song noch einer der „sanfteren“ ist. Altziebler setzt auf eine nüchterne E-Gitarre, und klingt mit seiner rauen Stimme wie ein abgebrühter Trucker, der tagein, tagaus den Highway 66 entlangfährt. Der Song hat nichts Spielerisches mehr. Voller Ernst ist angesagt, und das steht den Lyrics besonders gut.
Weg von Rock’n’Roll hin zu Waltz; eine weitere Devise von „Reaper“. Nicht nur „The Girl in the Corner“, auch „Girl with the Blue Bird“ oder „Carmelita“ sind dem langsamen Rhythmus gewidmet. Alle drei haben ihren Ursprung in Country-Balladen, und alle drei Neuversionen klingen nach Tom Waits und dessen Coverversion von „Waltzing Matilda“ (nur mit weniger Schmalz). Es ist ein bisschen schade, dass auch das Rolling Stones Lied „Happy“ von seinem Tempo verliert und den oben genannten „Countries“ ähnlich klingt.
Das oft herausgehobene „The Ballad of Lucy Jordan“, dessen berühmteste Version von 1979 von Marianne Faithfull gesungen wurde, ist aber das eigentliche Sinnbild für „Reaper“. Die Faithfull Version ist zwar sehr einfühlsam, aber aufgrund der Synthie-Töne ein wenig unangenehm anzuhören. Altziebler nimmt das Unangenehme weg, und fügt noch mehr Gefühl hinzu. Der Song wird wirklich zu einem „friendly alien“, das schwere- und kantenlos durch den Raum schwebt und einen nicht sehr tief berührt. Diese Leichtigkeit ist gleichzeitig der Schwachpunkt, sowie an anderen Stellen, die Stärke von „Reaper“.
Anne-Marie Darok