Seine Nummern gehören zu den Top-Downloads im fm4-Soundpark. Trotzdem steht Senor Goofy nach wie vor ohne Plattenvertrag da. Attitüde ist seine Sache nicht: “Hip Hop ist verpestet, weil sich jeder daran mästet”, meint er. Für das mica meldete er sich per Telefon aus dem fernen Bolivien. Eine Lehrstunde in Sachen ehrlicher Hip Hop. Inklusive Live-Rap-Einlage aus der Telefonzelle.
“`Diese Nummer spricht sich rum, von Mund zu Mund, ohne Plattenvertrag aus dem Untergrund. Brenn das Teil und verteil es einfach rundherum. Aufgepasst Leute, unbekannte Kunst geht um!` – einfach Wahnsinn diese Nummer. Bekomm sie gar nicht mehr aus meinem Schädel” schreibt Stef aus Berlin begeistert im Forum auf Goofys Website. Ähnlich wie ihm/ihr ging es auch mir, der ich durch Zufall auf den Jung-Rapper stieß. Eine befreundete Band hatte mich auf seine Reime neugierig gemacht. Die Folge: Kurz bei www.senor-goofy.com reingehört, hängen geblieben, sofort kontaktiert. Und siehe da: Senor Goofy meldet sich umgehend zurück. Jedoch nicht wie erwartet aus dem schönen Bayern, sondern aus einer Telefonzelle im bolivianischen Hochland.
Wo bist Du gerade?
In einer Münzkabine in Porto Si. Das liegt in Bolivien.
Ist das nicht unglaublich teuer, von dort aus nach Österreich zu telefonieren?
Mal so, mal so. Bei diesem Fernsprecher hier ist es unglaublich günstig.
Wo liegt Porto Si?
Warst Du schon einmal in Bolivien?
Nein.
Nein.Dann ist es sehr schwer zu beschreiben. Ungefähr dort, wo in Deutschland Freiburg ist, liegt Porto Si in Bolivien.
Du sprichst breites Bayrisch. Was führt Dich zu fm4, mica und anderen Institutionen des österreichischen Musiklebens? Kurz gefragt: Was ist Dein Österreich-Konnex?
Texta aus Linz etwa bewundere ich schon lange. Auf meinem Album ist auch eine Nummer von Texta mit drauf. Oder auch Engelsstaub aus Linz. In Österreich gibt es sehr viel guten Hip Hop. Man kennt sich, tauscht sich aus, respektiert sich. Insgesamt fühle ich mich so oder so der österreichischen Szene mehr zugehörig als der deutschen. Eigentlich hänge ich ständig in Linz und anderen österreichischen Städten herum.
Trittst Du auch live in Österreich in Erscheinung?
Bis jetzt nur selten und in kleinem Rahmen.
Dann stimmt es also, dass Du bisher, wie Du auf Deiner Homepage schreibst, vornehmlich in Pizzerias und Pflegeheimen aufgetreten ist?
(lacht) So in etwa.
Wie kommt es, dass man Deine Nummern im fm4-Soundpark findet?
Der Soundpark ist eine super Möglichkeit. Seit ich meine Tracks in den Soundpark gestellt habe, sind die Downloadzahlen auf meiner Website unglaublich in die Höhe gegangen. Ein einziges Highlight. Bayern 2 und Zündfunk spielen auf einmal meine Sachen. Fm4 war, wenn man so will, eine Art Initialzündung für mich.
Dann hast Du sicher auch von den Problemen gehört, die Zündfunk hat. Der Sender soll demnächst abgeschaltet werden…
Nein, das ist mir neu. Neuigkeiten aus Europa erreichen mich hier, wenn überhaupt, nur mit mehrwöchiger Verspätung. Hmm, das ist aber alles andere als eine gute Nachricht.
Dein Album heißt “Ein Augustiner in Babylon”. Wie kommt es zu diesem Titel?
Das kann man verschiedentlich interpretieren. Einerseits heißen die alten bayerischen Mönche so und das ganze Rap-Ding hat für mich sehr wohl eine religiöse Dimension. Insofern nämlich, als Leute auf der ganzen Welt mit Rap versuchen, etwas zu bewegen, zu verändern. Andererseits heißt das älteste und beste Bier Münchens – übrigens auch mein Lieblingsbier – Augustiner, und zwar seit dem 11. Jahrhundert. Babylon bedeutet die nächtliche Welt, Sodom und Gomorra.
Das heißt: Der, der versucht, etwas zu bewegen findet sich in einer feindlichen Umwelt wieder?
Ja. Er hat gegen alle möglichen Widerstände zu kämpfen. Selbst gemachte, fremd bestimmte….
“Diese Nummer spricht sich rum, von Mund zu Mund, ohne Plattenvertrag aus dem Untergrund” heißt es in “Mund zu Mund”. Aus dem richtigen Leben gegriffen?
Klar, genau das ist das Thema. Ich habe keinen Plattenvertrag und meine Musik ist definitiv Untergrund, weil mich kein Schwanz kennt. Deshalb war die Nummer einfach perfekt für den Soundpark. Weil das mit der mangelnden Popularität ist ja nicht nur mein Thema, sondern das der meisten dort gelisteten MusikerInnen.
Was willst Du mit Deiner Musik erreichen? Was sind Deine Ziele?
Zunächst einmal habe ich es überhaupt nicht auf Geld abgesehen. Das Ganze soll vor allem einmal Spaß machen. Ich bin jedenfalls mit dem ganzen Herzen dabei. Und was den Erfolg anbelangt gilt für mich: Wenn´s passiert, schön. Wenn nicht, dann halt nicht. Mein Ziel ist es ganz einfach Musik zu machen.
Was machst Du in Lateinamerika?
Ich befinde mich auf einer ausgedehnten Rundreise. Von Mexiko gings über Guatemala und Peru nach Bolivien, wo wir jetzt gerade sind. Jetzt liegt noch Brasilien vor uns. Dort reisen wir vom Westen bis zur Ostküste und dann über Uruguay nach Bueno. Unterwegs bin ich mit meiner Freundin. Wir waren letztes Jahr schon in Mexiko und haben uns dort ganz einfach in die Kultur verliebt.
Nimmt so eine Weltreise Einfluss auf Deine Musik?
Natürlich. Bolivien ist das ärmste Land Südamerikas. Hier gibt es jede Menge Straßenkinder ohne jede Option. Gerade heute habe ich einen 8-jährigen kennen gelernt, der nicht die geringste Chance hat. Kein Geld, keine Busverbindung, nicht einmal seinen Vater kennt er. Seine Mutter durchkämmt die Mülleimer, um Geld für Essen aufzutreiben. Er selbst bettelt Touristen an. Dabei ist er auf mich getroffen. Für mich eine Gelegenheit, ihn – ich mache unter anderem aus Müll Kunst, zum Beispiel aus Tetra-Paks Geldbeutel – ihn in diese Geschichte einzuführen. Darüber hat er sich sehr gefreut, denn eigentlich ist ihm den ganzen Tag sowieso scheißlangweilig. Ob er´s jetzt allerdings auch wirklich weiter praktiziert, ist eine andere Frage. Jedenfalls könnte er, wenn er täglich fünf Beutel verkauft, sich und seine Mutter davon ernähren und bräuchte nicht mehr zu betteln.
Auf Deiner Website heißt es, deine Musik sei “für all jene, die guten alten Hip Hop vermissen und einfach keine Böcke mehr auf unkontrollierte Wutausbrüche pubertierender Spätausläufer haben. Reinhören, nachdenken, Spaß haben!” Fühlst Du Dich als Vertreter des Old School-Hip Hops?
Wenn man das so sehen will, ja. Ich fühle mich seit jeher mehr zu intelligentem Rap als zu diesem Gangster-Blödsinn hingezogen. Mit dem konnte ich schon vorher nichts anfangen und jetzt, nachdem ich gesehen habe, was wirkliche Aggression ist, erst recht nicht.
In La Paz /Bolivien hab ich einige Ghetto-Kid-Crews aus Lima live gesehen. Die konnten über Gewalt rappen, denn sie haben sie selbst gesehen und auch selbst miterlebt. Bei uns zu Hause hat jeder mit 14 sein volles Sound-System herum stehen und von nichts eine Ahnung. Über was soll er jetzt rappen? Über Gewalt? Ist doch alles Attitüde. Dennoch, obwohl sie im Gegensatz zu den meisten heimischen Gangster-Rappern tatsächlich etwas zu berichten hatten, fand ich auch die Jungs aus Lima nicht gut, denn es war einfach blinde Gewalt, von der sie erzählten. Blinde Gewalt, die nichts trifft und nichts verändert.
Was sind für Dich gute Texte?
Mir persönlich haben die Texte von Texta weiter geholfen. Damit kannst du wachsen, damit kannst du als Jugendlicher etwas anfangen. Im Rap musst du dich irgendwann für eine Seite entscheiden: Spaß und Saufgelage oder ernster Hintergrund. Insofern sehe ich mich mehr zu Blumentopf als zu Sido hingezogen.
Eine andere Zeile von Dir lautet “Hip Hop ist verpestet, weil sich jeder daran mästet.” Bist Du kommerzscheu?
Irgendwie schon. Andererseits haben Bands wie Blumentopf oder Texta Erfolg und sind trotzdem nicht Kommerz. Oder auch Total Chaos. Als ernst zu nehmender Rapper musst du dir ein Image aufbauen, das mit den großen Labels eigentlich unvereinbar ist.
Und was ist mit P Diddy, 50Cent und all den anderen Großverdienern?
Ich sag ja nicht, dass man nicht einen fetten Plattenvertrag und gleichzeitig trotzdem noch Hunger haben kann.
Apropos Hunger. Von Dir ist auch: “…ich seh´s schon kommen, das wird bestimmt ein bunter Abend mit euch undankbaren Wunderknaben, die meinen stuff nur runterladen, aber so soll es sein – von mir aus auch in hundert Jahren, denn MCs sind nur fett, wenn sie richtig Hunger haben”.
Das ist natürlich auch ironisch gemeint. Andererseits gibt es so viele Rapper, die tatsächlich Rassisten sind. Busta Rhymes zum Beispiel. Der hat seine Lobeeren schon geerntet. Die stecken in seinen Verträgen. Bei einem Live-Konzert, auf dem ich war, hat er etwas in die Richtung “Ach ihr Deutschen habt ja sowieso keine Ahnung von dem, was ich euch erzähle” in Richtung Publikum gesagt. Da geht einfach nichts mehr. Kein Hunger mehr. Wenn die Leute satt werden, gehen die Roots verloren…
Und bei Dir? Bist Du satt oder hungrig?
Naja. (lacht) Grundsätzlich hätte ich gegen einen Plattenvertrag nichts einzuwenden.
Dir geht’s vielfach um Sozialkritik. In “Viele so wie” etwa…
Klar. Ich hab auch einen brandaktuellen neuen Track, in dem es um einen 8-jährigen Söldnerjungen geht, der im Kriegsgebiet aufwächst. Am Anfang des Songs zeige ich auf, wie machtlos wir innerhalb unserer Demokratien geworden sind. Es gibt so gut wie keine Bürgerentscheide mehr und der Euro ist uns in den Arsch gesteckt worden. Der kleine Peppino sitzt auf der Straße. Keiner kennt seine Geschichte und er will einen Euro.
Senor Goofy beginnt über Telefon zu rappen. Aufgrund der Schnelligkeit seines Flows einerseits und der Telefonsituation andererseits ist es schwierig, Wort für Wort mitzuschreiben. Irgendwann gebe ich auf. Was allerdings hängen bleibt, ist der Reim “Die Banken liberal – am Ende triumphal.” Wie auch die Zeile “Leere Worte sind so wirkungslos wie Platzpatronen.”
Vielen Dank. Hat mir gefallen, obwohl es für mich fast zu viel Botschaft enthält, aber das ist Geschmacksache. Was ist Dir eigentlich wichtiger: Text oder Vibe?
Ganz einfach: Die Symbiose aus beidem.
Wie arbeitest Du?
Momentan sammle ich Musik. Irgendwann, wenn ich ein Muster beisammen habe, schicke ich es nach Hause. Dort werden die Samples von Fresh bearbeitet und ich bekomm sie als fertige Tracks, mit denen ich weiter arbeiten kann, zurück. Ich schreib Texte dazu, hab andere im Kopf, cutte Sachen rein und so weiter und so fort. Wenn man sich das Album aufmerksam anhört, merkt man die Arbeitsweise. Ach ja, dann gibt es da noch meine texanischen Freunde, die mir neulich Instrumentals zugeschickt haben: 37 degrees. Mit denen arbeite ich auch an ein paar Tracks.
Das Instrumental, das abgespielt wird, wenn man auf Deine Homepage geht, hat weniger mit Hip Hop zu tun als mit dem Bereich, aus dem ich selbst komme: der elektronischen Musik nämlich. Wer hat den Track denn gebastelt? Er gefällt mir ausgesprochen gut.
Das war auch Fresh. Dabei handelt es sich um einen Sample aus einem Kurzfilm. Irgendwie konnten wir dann daraus keinen Hip Hop-Track basteln. Also haben wir den Track einfach so stehen gelassen. Für die Site passt er so auch besser, gibt den Besuchern einen speziellen Vibe.
Wie geht’s weiter mit Dir und Deiner Musik?
Eigentlich läufts – fm4, mica und anderer Unterstützer sei Dank – zur Zeit ganz gut. Mittlerweile hat sich die Qualität meine Sounds sogar bis nach München herumgesprochen. Das ist meine Ernte. Allein so ein Gästebuch-Eintrag ist unglaublich motivierend. Es sind die kleinen Erfolge, die einem Mut machen.