mica-Interview mit Herbert Könighofer

“Wer nicht dabei war, hat Pech gehabt.” – Im mica-Interview mit Markus Deisenberger spricht der Salzburger Saxophonist Herbert Könighofer, der Jazzliebhabern vor allem als einer der drei musizierenden Köpfe des Ensembles k3 ein Begriff sein dürfte, über das Live-Spiel, seinen drohenden Ausverkauf, das Paradoxon Jazz und blasierte DJs.

Wie läuft das Geschäft?
Von Projekt zu Projekt verschieden. Die Zusammenarbeit vor allem mit K3 ist ja eine langfristige. Da gibt es immer wieder mal Höhen und Tiefen und Zeiten der künstlerischen Pause. Oft spielt auch der Terminplan einen Streich, da wir alle drei auch noch in anderen Bands spielen.  Aktuell haben wir die Reihe “open art space” im Salzburger Cave Club jeden ersten Donnerstag im Monat laufen. Leider gibt es für diese Reihe keine Subvention oder öffentliches Geld.  Mit  The Merry Poppins habe ich  soeben ein neues Album eingespielt, einige Live Gigs stehen ins Haus – unter anderem beim Jazz Festival in Saalfelden und die Eröffnung in Salzburg bei der Euro 08. Filmmusik ist im Herbst für mich ein Thema.
Was mein eignes musikalisches Schaffen und “das Geschäft” betrifft, bin ich schwer am überlegen, ob ich diese meine Musik überhaupt noch aufnehmen soll. Geschweige denn veröffentlichen.  Um der Einzigartigkeit des Momentes willen. Schon der Akt des Festhaltens beeinflusst. Jeder, der nicht erkennt, dass das, was ich live mache, ein einzigartiger Zeitabschnitt  ist – aus verschiedensten Gründen und Überlegungen nicht reproduzierbar – und nicht dabei war, hat Pech gehabt. Musik lebt durch das Live-Spiel. Ich setze mich mit der Gitarre ans Lagerfeuer und die Gitarre verändert die ganze Situation. Das Wahrnehmen des Jetzt, das sich Bewusstwerden um diesen  Moment – das ist es, worum es letztlich geht; das die Menschen den wert dessen, was da live passiert, die  Einzigartigkeit eben genau dieses Momentes erkennen und schätzen wissen.  Das muss früher oder später auch das Musik-Business einsehen. Immer mehr Leute  produzieren immer mehr Musik. Heute hat doch jeder eine Gitarre und einen Computer und kann selbst aufnehmen und vertreiben. Kein Wunder, dass die Industrie einbricht. Es wird immer mehr immer billiger produziert.

Und Geld ist auch keines da.
In Wahrheit interessiert die Aufnahme ja doch keinen. Ist doch nur noch Trara. Wobei ich als Künstler Herbert Könighofer spreche und nicht als Saxophonist bei zum Beispiel The Merry Poppins oder K3.

Das heißt als Urheber und nicht als Interpret.
Richtig. Natürlich funktioniert das so nicht, aber als Überlegung ist es allemal interessant. Das habe ich so auch der Sina Moser (Regisseurin der Doku “I und…” über den Musiker Herbert Könighofer, Anm.) gesagt. Weißt Du, habe ich gesagt: So ein Film, wie Du ihn jetzt machst, ergibt für mich einfach wenig Sinn, weil die, die das sehen, ohne je auf einem Konzert von mir gewesen zu sein, auch keine emotionale Bindung und so weiter haben. Also kann ich mir das, wenn ich es radikal betrachte, auch gleich sparen.

Was hat Sina Moser entgegnet?
(lacht) Sag das noch einmal, sag das noch einmal. Das ist eine gute Aussage!

Warum habt ihr es letztlich dann doch gemacht?
Weil es ihr Film ist. Nicht meiner.

Bist Du nicht auch stolz, wenn Du auf Deine vielen CDs – oder sagen wir lieber Aufnahmen – für K3 und Merry Poppins zurück blickst? Einen bestimmten Moment eingefangen zu haben und jemandem, der nicht gerade in Salzburg sitzt, eine wenn auch nicht gleiche so doch ähnliche Erfahrung des Erlebnisses vermitteln zu können?
Das ist sicher nicht uninteressant. In erster Linie ist es aber eine Dokumentation meiner Arbeit, die mir hilft zu analysieren, wo, wer und wie weit ich bin. Der Zuhörer weiß nichts über meine Gefühlslage und den Kampf, den ich mit mir austrage.

Aber als Dokumentation des Status Quo würde ein Live-Album auch reichen.
Ja und ich sage eben, eigentlich ist auch das entbehrlich. Wer nicht dabei war, hat Pech gehabt. Ich glaube, dass Teilbereiche des Musikbiz und der Musik in diese Richtung gehen und ich forciere das auch. Vor zehn Jahren sind die Leute nach Saalfelden gefahren, haben ihre Kassettenrecorder in den Saal geschmuggelt und heimlich mitgeschnitten. Wenn du´s geschafft hast, warst du der Hero. So eine Aufnahme hatte einen unglaublichen Wert. Heute gibt es Live-Streams.

Und wohl auch keine Bootleg-Szene mehr.
Sag das nicht. Es gibt unglaublich viele Raubkopien und auch Leute, die unsere Auftritte im Jazzit mitgeschnitten haben und die Aufnahmen weiter geben. Ist ja auch Ok.  Die Szene ist schon noch da. Jedoch das Live-Erlebnis selbst ist nicht zu toppen.

Bei einer Band wie K3, die Improvisation zu einem wesentlichen Bestandteil ihrer Musik zählt, geht die Schere zwischen Aufnahme und Live-Spiel weiter auseinander als bei einer Pop-Band, die ihre zehn Nummern annähernd so runter spielt wie auf CD. Das aber würde wiederum bedeuten, dass auf lange Sicht improvisatorische Musik größere Chancen hat im modernen Musikbiz zu reüssieren.
Davon bin ich sowieso überzeugt. Neil Young hat vor kurzem gesagt, dass die Zeit vorbei ist, dass man mit Musik gesellschaftlich etwas bewegen kann. Jetzt gehe es darum, der Wissenschaft die Chance zu geben, die Erde zu retten. Das entspricht dem, was auch ich mir vorstelle. Wir befinden uns auf dem Weg in eine Wissensgesellschaft. Wir wissen, was alles scheiße ist und müssen versucht sein es zu ändern. Aber ich glaube schon, dass man mit dem Phänomen Musik etwas bewegen kann. Wenn ich ein Konzert spiele, setze ich als Künstler mein ganzes Wissen, Energie und meine Emotionen ein, um diese zwei oder vielleicht sogar drei Stunden so zu designen, dass du diese Zeit alle Probleme, die du hast, vergisst und dich positiv zu beeinflussen, deine Sicht der Dinge zu verändern.

Aber ist nicht, wenn ich etwas verändern will, Bewusstmachung wichtiger als zu vergessen?
Ich möchte nichts verändern, sondern etwas bewusst machen, auf dem Weg zu Klarheit unterstützen. Daran glaube ich.

Aber polemisch gesagt: Jemand will die Welt verändern, geht in Dein Konzert, vergisst zwei Stunden, geht raus, und die Datei ist gelöscht
Um polemisch zu bleiben: Ich wüsste einige, die die Welt konkret jetzt verändern und für die so eine Datenlöschung gar nicht schlecht wäre. Die waren halt nur noch nie auf einem meiner Konzerte.

Was mich interessiert: Hast Du jemals schon dezidiert eine politische Message von der Bühne in den Zuschauerraum posaunt?
Eine schwierige und große Frage. Bis jetzt war ich immer der Meinung, dass dort, wo Politik auf Kunst trifft, sich die Kunst erübrigt. Da wirst du einvernommen oder lässt dich einvernehmen. Zur Antwort: nein und das habe ich auch nicht notwendig, weil ich auf der Bühne Saxophonist bin. Natürlich rede ich mit Menschen und sage ehrlich, was ich mir zu diversen Sachthemen denke, aber ich kann niemanden zu etwas zwingen. Ich würde mir das nie anmaßen. Ist einfach nicht mein Ding.

Wenn ich Dich richtig verstehe: Selbst wenn es der richtige Zug wäre, auf den der Interpret auf der Bühne aufgesprungen ist, wäre es eine unzumutbare Ausübung von Zwang?
In Wirklichkeit könnte ich alles Mögliche anprangern, ein Choleriker bin ich auch und sudern tu ich auch gern. Und genau das ist aber die größte Gefahr. Das, was ich am wenigsten will, ist meine nicht bewältigten Probleme auf andere zu projizieren. Oft würde ich gern etwas sagen, aber ich habe es einfach noch nicht getan, oder aber Du warst nicht dabei.

 

 

Zum Beispiel?
Überwachungsstaat. Was vor zehn Jahren undenkbar war, ist heute ganz normal. Das wissen wir doch. Und das wars dann auch schon. Weil es uns so gut geht, dass alle still halten, wir Biedermeier wir. Mein Saxophonspiel soll erklären. Dass ich bin und tue, reicht schon als Erklärung. Die Leute, die sich auf mich einlassen, werden in meinem Wirken schon eine Linie erkennen: Auch das Soziale, eine Clique um sich zu scharen, die zusammen hält und ein Sprachrohr bildet. Die wenigsten wissen, was es bedeutet sozial verantwortlich zu sein weil vieles so gut dahin plätschert. Das ist viel wichtiger als nach St. Maria Rucksack zu fahren und dort von der Bühne runter zu schimpfen.

Wie würdest Du Dein Saxophonspiel beschreiben?
Es gibt kein Gefühl, das ich nicht ausdrücken könnte. Und frei. Insofern, als ich versuche nicht nachzudenken, wenn ich spiele. Nicht über Leute, nicht über Politik. Es ist wie Meditation. Alles abzustellen, die Augen zu zumachen und nur noch zu spüren, was abgeht. Ein Moment höchster Aufmerksamkeit, schwer zu beschreiben.

Geht das überhaupt? Alles auszublenden?
Ja, aber ich habe auch fünfzehn Jahre dazu gebraucht.

Wird das nicht schwieriger, je mehr man kann?
Nein, weil je mehr du kannst, desto mehr wird dir bewusst, wie wenig du wirklich brauchst. Weniger ist mehr. Das sagen zwar auch die Zwanzigjährigen, aber sagen ist etwas anderes als erfahren. Worum es dabei wirklich geht, verstehst du dann erst nach vielen Jahren.

Du hast mehrfach behauptet, gar keinen Jazz zu machen.
“Mach” ich auch nicht. Ich hab mich zwar schon mit der Musik der Herren Charly Parker, Miles Davis und anderen Heroen dieses Geres mehr oder weniger intensiv auseinander gesetzt, zugehört und nachgeahmt. Irgendwann kam dann aber ein Punkt, wo ich es leid war, mir Themen und Phrasen anderer Musiker aus einer anderen Zeit reinzuziehen.  Was im Jazz gesagt werden musste, wurde gesagt. Ich bin dann nach innen gegangen, um meinen eigenen Ausdruck und Klang zu suchen und zu finden.
Denn das, was ich auf diesen Aufnahmen aus den 1930er, 40er und später höre, das “war” schon. Vorbei. Nicht mehr real existent. Ausgeklungen und ausgeschwungen. Und ich war nicht dabei. Die Aussage, ich sei kein Jazz-Musiker ist aus diesem Blickwinkel betrachtet also so radikal nicht. Natürlich kann ich sagen, dass ich musikalisch vom Gedanken des Jazz inspiriert bin. Das heißt, dass ich Interaktion pflege, improvisiere, auf andere Leute im musikalischen Sinne reagiere und eingehe.  Aber man muss sich auch fragen was habe ich damit zu tun, außer, dass man in Europa, sobald man ein Saxophon in Händen hält, automatisch als Jazzmusiker gilt? Nimm den ehemaligen deutschen Osten. Dort hat Jazz einen ganz anderen Stellenwert als hier. Jazz war dort der Strohhalm, an den sich die Leute klammerten. Ein Paradoxon: Einerseits war jazz die Schnur, die abgeschnitten wurde, andererseits der Strohhalm. Jazz kommt aus der Notsituation, mit der ich nie etwas zu tun hatte.

Das heißt, Dich als Jazzmusiker zu bezeichnen kämme Dir genauso lächerlich vor wie der Versuch eine Döblingers, Gangster-Rap zu machen?
Lächerlich nicht. Aber zum Schmunzeln bringst mich schon. Wenn Du mich in die Jazz Schublade stecken willst, soll´s mir recht sein. Ist ja nur zur Orientierung. Wenn jemand versucht Gangster-Rap zu machen oder von sich behauptet er sei Gangster-Rapper auch.  Die Jazzer in den Jazz Ordner, die Klassiker in den Klassik Ordner. Heile geordnete Welt.

Jetzt ist Dein Zugang ein soziologischer, aber vom Genre her spielst Du ja wohl doch Jazz, oder? Du spielst ja auch nicht von ungefähr im Jazzit.
Ich spiele auch mit The merry Poppins am Jazz Festival in Saalfelden und die Poppins sind ja doch wohl keine Jazzband im eigentlichen Sinne. Das hat damit also nichts zu tun. Im Moment kann ich von mir nicht behaupten, in einer Jazz Band zu spielen.  Mit K3 geht’s ohnehin mehr  in Richtung Konzeptkunst.  Ich lasse mich wie gesagt von der Idee des Jazz inspirieren, so wie ich mich auch von der Idee des Rock ´n Roll inspirieren lasse, was mich noch lange nicht zu einem Rockmusiker macht.

Es gibt einen Film über Dich mit dem Titel “I und…”. Was war die Idee dahinter?
Ein Musikerportrait über meine Person.

Wer hatte die Idee?
Sina Moser vom Studio West. Sie ist selbst Künstlerin und spielt Harfe. Ich kann mir den Film gar nicht mehr anschauen. Viele Aussagen, die mir damals schlüssig erschienen, kommen mir jetzt komisch vor. Aber es ist ihr Film. So sieht sie mich und so muss ich es dann auch stehen lassen. Und überhaupt: ich kann mich nicht sehen oder reden hören im Kino oder Fernsehen. Das ist mir unangenehm. Woran ich nicht gewöhnt war, was der Umstand, dass die Fragen letztlich raus geschnitten wurden, was meine Antworten darauf irgendwie schwammig macht.

Vom Live-Moment haben wir bereits gesprochen. In letzter Zeit ist das doch auch zu einem gewissen Slogan der Musikindustrie geworden. Kann das Live-Geschäft tatsächlich den Ausfall des CD-Verkaufs ersetzen? Du bist viel unterwegs. Was sind Deine Eindrücke?
Nein, im Moment sicher nicht. Bei mir noch nicht. So manche Tour hat sich für mich erst über den CD Verkauf rentiert. Ich denke mir aber, das Medium wird sich ändern. Direkt nach einem Live-Gig kannst du dir als Fan dann zum Beispiel das Konzert downloaden, oder einzelne Songs, ein Video. Das gibt’s alles schon. Steckt halt noch in den Kinderschuhen.

 

 

Oft wird unter Musiker über mangelnde Möglichkeiten im Ausland aufzutreten geklagt.
Möglichkeiten sind schon da, aber du musst halt zuweilen die Hosen runter lassen. Du fährst nach Berlin, setzt dich sieben Stunden ans Klavier und bekommst siebzig Euro dafür. Es gibt österreichische Musiker die das machen. Natürlich ist es cool, in New York und Berlin gespielt zu haben. Aber wie es dort dann wirklich war, wissen ja nur die wenigsten. Allerdings gelten die Regeln: Du weißt nie was passiert und: wenn einer eine Reise tut. Mit The Merry Poppins spielen wir Anfang August 08 am Bansko Jazz Festival in Bulgarien. Bei internationalen Festivals gibt’s schon auch vernünftige Gagen. So eine Einladung freut natürlich immer.

Wenn ich fünfzig Euro für einen Job im Ausland bekomme, dann ist es ja doch “Zahlen für den Arbeitsplatz”, weil das die Aufwendungen ja nie decken kann.
Ganz genau. Ein Beispiel ist eine deutsche Agentur die bei mir und einem meiner Projekte anfragte. Ich und ein Künstlerkollektiv sollten in München auf Eintritt spielen. Da stellten sich mir schon alle Haare auf. Worauf ich und die Kollegen wagten einzuwenden, dass wir den Gig auf Eintritt schon spielen können. Aber nur dann, wenn er einer von drei, vier Gigs ist. Abfedern als Schlagwort. So wurde es schließlich ausgemacht. Dann kam der Termin aber immer näher und die Zusatztermine nicht. Und plötzlich sehe ich, dass wir im Programm stehen. Aber sag mir bitte, wieso ich mich in der reichsten Stadt Deutschlands ausbeuten lassen soll? Ich spiele dort nicht gratis. Ich muss mich dafür in den Zug setzen, 1.200 Kilometer fahren, habe keine Garantien, weiß nicht, wie viele Leute kommen, muss mich selbst um ein Hotel kümmern oder um drei in der Früh nach Salzburg zurück fahren und bei Freunden unterkommen. Worauf die Antwort zurückkam, meine Begehrlichkeiten seien eine Frechheit, schließlich gäbe es auch in München Obdachlose, die erfrieren. Jetzt stell mir noch einmal die Frage, ob es schwierig ist im Ausland zu spielen. Ich hab den Gig nicht gespielt.

Was sind Deine Pläne für die nahe Zukunft?
Anfang April habe ich begonnen mit The Merry Poppins ein neues Album aufzunehmen. Ein überaus gelungenes wie ich meine. Es fehlen jetzt nur noch bei zwei Songs die Bläsersätze und verschiedene percussive Elemente. Das Album wird dann Anfang Mai gemischt. Wann es veröffentlicht wird, weiß ich noch nicht. Im Sommer oder Herbst. Im Frühjahr habe ich im Vier mal im Wiener Luftbad gespielt – auf Eintritt. Ab Herbst möchte ich dort eine Reihe etablieren.

Worum geht es dabei?
Musiker zusammen zu bringen, die sich nicht kennen und vor allem noch nie miteinander gespielt haben, wodurch die Routine, die da ist, wenn man sich schon länger kennt, wegfällt. Man ist viel aufmerksamer, wenn man sich nicht kennt. Gute erwachsene Musiker, die freie Musik spielen und noch nie miteinander gespielt haben.

Du hast vor kurzem mit Otto Lechner gespielt. Wie kam es zu dieser Kooperation?
Das Jazzit hat uns für seine Sechsjahresfeier angefragt. Und unser Konzept war es immer, einen  Musiker zu featuren. Das fing mit den Muthspiels an und hörte – weiß nicht wo – auf. Im Endeffekt war das so: Otto Lechner kam, wir begrüßten uns und legten los.

Hat´s ihm Spaß gemacht?
Otto sagte nachher und das trifft es ganz gut: Wir sind eine geilen Bullen geritten, haben ihn immer gezügelt und nie wirklich losgelassen.
Im letzten Drittel des Konzertes hatte ich das große Bedürfnis, ihn einmal loszulassen, aber es ist nicht passiert. Die Zuhörer haben das dann einerseits bedauert, andererseits goutiert. Natürlich tendieren wir Musiker alle dazu, die Post abgehen zu lassen. Aber es ist viel schwieriger, diffizil zu bleiben.

Ich hatte den Eindruck, dass viele Leute gerade am Anfang verstört waren und dann mit Fortdauer des Konzertes – wie ihr selbst auch – warm wurden.
Ganz klar. Wir haben schon eine Weile gebraucht, um Fahrt aufzunehmen. Warum das am Anfang so schräg war, kann ich Dir auch verraten: Uns hat einfach die biedere Band nach uns (Drumlesson, Anm.) dazu ermutigt, noch schräger als ursprünglich geplant zu werden. Nein. Spaß beiseite. Das hat sich einfach so ergeben.  Wir reden hier von frei improvisierter Musik. Otto Lechner lernt K3 im Rahmen der Jazzit 6 Jahresfeier kennen. Dieser Prozess wurde akustisch umgesetzt.

Nachher hat Nicola Conte aufgelegt?
Aber nicht lange. Um eins hat er aufgehört aufzulegen.

Wieso?
Weil drei Musiker – unser Schlagzeuger Robert Kainar und zwei farbige Conga-Spieler – die Frechheit hatten dazu zuspielen. Offenbar war das nicht Kommuniziert.

Unverständlich. Das ist aber doch das schönste, was einem DJ passieren kann. Dass er Musiker motiviert dazu zu jammen.
Hab ich auch geglaubt.  Und es geht ja auch anders. Vor kurzem haben wir vor DSL gespielt. Da hat sich´s ganz anders abgespielt. Zehn Musiker auf der Bühne, Party ohne Ende…
Ich möchte aber noch einmal auf die politische Message zu sprechen kommen: Wer erhöht auf einer Bühne steht, muss zu gewissen Themen Stellung nehmen. Ohne Zweifel. Jemand der sei Musikerdasein ernst nimmt, muss erkennen, was für eine Chance und zugleich Macht das ist.
Vor einiger Zeit habe ich das Jazzit Stage Orchester arrangiert. Ich hab ihnen Kreise aufgezeichnet und Buchstaben. Kurz vor dem Auftritt hab ich ihnen die Zettel weg genommen und gesagt: Alles falsch. Spielt entweder nicht, wenn ihr euch nicht sicher seid. Oder spielt, was ihr wollt. Dann hab ich auch noch das Publikum eingebunden. Die Männer musste U sagen, die Frauen I. Ich als Künstler war plötzlich in einer Zwickmühle: Einerseits verwirrt darüber, wie einfach es ist, dreihundert Leuten zu sagen, was sie tun sollen. Auf der anderen Seite hat es mich gefreut, dass sie mitgemacht haben. Energetisch war ich am Anfang überwältigt von dieser Power. Die meisten wissen davon nicht. Genau wegen dieser Macht muss man sich aber auch sehr gut überlegen, was man da oben sagt.

Ein Schlusswort?
Ja, unbedingt. Seid ´s doch alle froh, dass das Wasser, das wir trinken, aus der Wand rinnt. Und das auch noch warm.

Danke für das Gespräch.

Foto 1 by Markus Lackinger
Foto 2 by k3
Foto 3 by Edith Zehentmayer

 

 

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