„Acknowledgements“ (JaZt Tapes Records) ist eine Art „neuroartistisches” Experiment, bei dem der seit einigen Jahren im Rollstuhl sitzenden Vokalistin LINDA SHARROCK sämtliche Freiheiten eingeräumt werden, sich auf ihre Weise zu artikulieren. Das Experiment scheint geglückt zu sein.
Dieses in Paris aufgenommene Dokument verdankt seine Existenz den Umständen, unter denen es entstanden ist. Der bereits in den 1960ern gefeierten Stimmkünstlerin Linda Sharrock, die wegen eines Schlaganfalls Teile ihrer Fähigkeiten erst wieder erlangen muss und seit etwa fünf Jahren im Rollstuhl sitzt, sollte die Möglichkeit gegeben werden, sich in einem für sie idealen Umfeld zu verwirklichen. Dazu wurde in Paris ein großer Holzraum ausgewählt. Vor Sharrock sollten zwei Mikrofone aufgebaut werden, des Weiteren zwei von ihr entfernte Klaviere – bespielt von Eric Zinman und Noah Rosen – und ein sich durch den Raum frei bewegendes Saxophon, gespielt von Mario Rechtern.
Diese Umstände scheinen genau jene gewesen zu sein, die Sharrocks Potenzial am besten zur Geltung lassen kommen, wie man schon bei der Eröffnung dieser Aufnahme von Sharrock und Rechtern zu hören meint, in welche sich dezente Pianoläufe einschleichen und die Gesamtwirkung einer beachtlichen Einheit entsteht. Sharrock blüht hier auf und kann die Freiheiten nutzen, die ihr vom Raum und den Musikern gegeben werden. Bei den meisten Stücken ist neben dem Saxophon ein Klavier zu hören – nur am Ende der Aufnahme werden beide Klaviere gleichzeitig gespielt.
Generell halten sich die Instrumentalisten eher zurück und wechseln erst dann von fragilen Soundlandschaften hin zu lauteren und doch fein abgestimmten Passagen, wenn Sharrock dies zu verlangen scheint. Sie singt dabei in keiner herkömmlichen Sprache, sondern in lautmalerischen Silben und Tönen, scheint ihr Organ als Instrument zu gebrauchen, das von lässig grinsenden Anspornern zu schwebenden Melodiebögen oder bestimmenden Salven wechseln kann. Auch versteht es Sharrock, sich selbst im Hintergrund zu halten und den Instrumenten den Vortritt zu lassen, wenn es dem Gesamtklang guttut. Niemandens Ego scheint hier über sich selbst hinauszuwachsen.
Der Raum macht die Musik (mit)
Auf „Acknowledgements“ ist es spannend zu hören, inwieweit räumliche Möglichkeiten das Endresultat beeinflussen können – und hier hat jene Aufstellung der Musiker und Instrumente, ja des gesamten Raumes, definitiv neue Möglichkeiten eröffnet, die nicht nur musikalisch, sondern auch existenziell von Bedeutung sind. Denn: So vielseitig und spielerisch wie hier hat man Linda Sharrock schon lange nicht mehr gehört.
Clemens Marschall
http://www.janstrom.se/7.-jazt-tapes-15468036