LICHTRISS ist eine Entdeckung über die man stolpert. Aufdrängen tut sie sich nicht. Doch allzu passend reiht sie sich in zwei mica-Veröffentlichungen, die sich Zanshins und Fontarrians Zugängen zur Elektronischen Musik widmeten. LICHRISS neue EP “ruins” ist zum Verlieben geschrieben.
Völlig überrascht und sehr angetan von der Reduktion, Sanftheit und Klarheit der drei Tracks, ertappe ich mich dabei, wie ich immer wieder auf Repeat klicke und nach mehr Material suche. Trotz einem deutlich erkennbaren Hang zur Repetition, wäre es völlig falsch, diese Tracks als eintönig zu bezeichnen, vielmehr dienen Loops und Wiederholungen dem Öffnen dieser alles andere als genügsamen Musik. Lichtriss kann als Geheimtipp, als Einstieg in die interessante Welt jener elektronischen Musik gesehen werden, die weder der rezeptiven Verstörung noch der unmittelbaren Tanzbarkeit dient. Sucht man nach mehr Information zu Lichtriss, stößt man auf eine minimalistisch gehaltene Bandcamp-Seite, die der Musik den Mittelpunkt und einigen wenigen Tags den erklärenden Rahmen gibt. “ambient techno electronic electronica experimental techno idm”. Gut, dass sich neben der Angabe, Lichtriss wirke in Wien noch ein “Contact Lichtriss”-Button zu finden ist. In einem Gespräch mit Lucia Laggner steht die Figur hinter Lichtriss, deren Begehr es ist, nicht in den Vordergrund zu treten, Rede und Antwort. Er spricht über seine Herangehensweise an Komposition und die Analogie zu den Ruinen, die komplizierte Beziehung zwischen Musik und Geld und eine unbekannte Zukunft.
Von der verlassenen Musik
Zunächst würde es mich interessieren, wie die aktuelle EP „ruins“ entstanden ist? Gibt es Einflüsse, Vorbilder, Anlehnungen, von denen du erzählen kannst?
Lichtriss: Ich mache mittlerweile schon ziemlich lang elektronische Musik, und das eigentlich fast jeden Tag, zumindest für ein paar Minuten. Über die Jahre haben sich viele musikalische Skizzen und Ideen angesammelt, die auf diversen Festplatten und meinen Musikmaschinen gespeichert sind. Für „ruins“ hab ich diese Sammlung durchforstet. Die drei Stücke haben sich eigentlich recht schnell als Gruppe herauskristallisiert, wobei nur eins davon schon als Track angelegt war, die anderen beiden gab es nur als Skizzen. Der Titel „ruins“ ist entstanden, nachdem die EP fertig war. Ich finde ihn aus mehreren Gründen passend, einer davon ist, dass die Stücke, produktionstechnisch gesehen, beschädigt sind, Ruinen. Dass auch elektronische Musik gerade dann eindringlich werden kann, wenn sie eben nicht fettestmöglich ausproduziert ist, hab ich zum ersten Mal mit voller Wucht bei Burial erlebt. Insofern ist die Ästhetik seiner Musik ein großer Einfluss. Mit einer ähnlichen Begründung könnte ich aber auch Bob Dylan nennen. Das Wort ‚ruins‘ evoziert außerdem verfallene Gebäude, deren Schönheit nicht nur in ihrer Beschädigtheit, sondern auch in ihrer Verlassenheit liegt. Zu meiner Musik soll man sich keine Menschen vorstellen können, die sie spielen. Und natürlich gibt’s einen Haufen nichtmusikalischer Einflüsse. Ich habe vor einiger Zeit mit einem Blog begonnen, den ich „the shadows“ nenne und in dem ich auch über diese Einflüsse schreibe. (http://lichtriss.com/theshadows)
Ist „ruins“ die erste Arbeit, die unter dem Namen Lichtriss entstanden ist?
Lichtriss: Nein, letztes Jahr gab’s schon eine EP, die hab ich mit dem Erscheinen von „ruins“ wieder von Bandcamp und Soundcloud genommen, um „ruins“ in den Vordergrund zu rücken. Das finde ich im Moment ganz gut, nicht alles auf gleicher Ebene zu präsentieren, sondern auch wieder was in den Hintergrund abtauchen zu lassen. Ich sehe LICHTRISS als eine Entwicklung und die „ruins“-EP ist der aktuelle Stand dieser Entwicklung. Aber vielleicht taucht mit der nächsten EP die erste auch wieder auf, das weiß ich noch nicht.
Von der freien Musik
Man kann „ruins“ auf Bandcamp erstehen, ob man zahlt oder nicht. Ist Musik frei? Soll sie es sein oder muss der Schaffende damit etwas verdienen?
Lichtriss: Musik ist de facto frei verfügbar, die Frage ist, wie man als Musiker mit dieser Tatsache umgeht. Meine Musik kann man zu einem selbst bestimmten Preis kaufen, 0 Euro ist genauso möglich wie alles andere. Als „Minimalpreis“ verlange ich eine Email-Adresse, die in meine Newsletter-Adressdatei kommt. Die Idee dahinter ist, über die Zeit eine Community an Leuten aufzubauen, die sich für genau diese Musik interessieren. Da geht’s nicht darum, möglichst Viele zu erreichen, sondern die Richtigen.
Geld kann ich mit meiner Musik nicht verdienen, trotzdem träume auch ich davon, immer nur Musik zu machen. Meinen Lebensunterhalt verdiene ich aber anders, was wiederum den einen Vorteil hat, musikalisch tun zu können, was ich will. Ich muss die Musik niemandem verkaufen.
Von der Zukunftsmusik
Sucht Lichtriss ein Label?
Lichtriss: Nein. Zusammenarbeiten aller Art auf jeden Fall, aber in einem herkömmlichen Labelvertrag sehe ich keinen Sinn.
Wo geht die Reise hin, wann kommt der nächste Release?
Lichtriss: Wohin die Reise geht, weiß ich zum Glück nicht. Das ist wichtig. Es wird jedenfalls eine nächste EP geben, mehr kann ich selbst noch nicht sagen. Ich arbeite dauernd an neuem Material und irgendwann schält sich hoffentlich wieder eine Gruppe an Stücken oder Skizzen heraus, die sich zu einer EP weiterverarbeiten lassen.
Wird es Liveauftritte von Lichtriss geben? Der Sound bietet ja eine starke Basis für ein audiovisuelles Erlebnis.
Lichtriss: Ja, hoffentlich irgendwann. Ich bin auch der Meinung, dass es eine audiovisuelle Umsetzung sein müsste, dazu habe ich bislang aber nur vage Fantasien. Macht nix, zuerst muss ich sowieso ausreichend Musik hinkriegen für ein Konzert.
Lucia Laggner