„Ich habe selten aus ‘Happiness’ heraus geschrieben.“ – David Lageder (How To Tame A Rabbit) im mica-Interview

Auch wenn der Salzburger Sänger David Lageder bereits auf eine ebenso beachtliche wie lange Karriere zurückblicken kann (u. a. bei The Merry Poppins und Mildenburg), markiert sein Solo-Debüt „Part One“ (Dub A Sense Records) dennoch eine Art Neustart. Zwar wurde dafür Material aus den letzten zwanzig Jahren durchforstet, doch richtet sich der Blick nicht in die Vergangenheit – vielmehr präsentiert sich Lageder als Crooner ganz eigener Klasse. Er selbst beschreibt seine Songs als „irgendwo zwischen pianobasiertem Slowcore und psychedelischem Chanson“ angesiedelt – und trifft damit wohl auch ein allgemeineres (Welt-)Empfinden von (sozialer) Entfremdung, (digitaler) Reizüberflutung und einem melancholisch grundierten Widerstandsgestus. Für mica hat sich Didi Neidhart mit dem Musiker zum Interview getroffen.

Wie kam es eigentlich zu How To Tame A Rabbit?

David Lageder: 2022 hatte ich wieder Lust, etwas Musikalisches zu machen. Zu der Zeit lag das Ende der Merry Poppins etwa sieben, acht Jahre zurück. In der Zwischenzeit hatte ich mit meiner damaligen Frau zwei Kinder großgezogen. Dann war wieder etwas mehr Luft – und ich bin zu Svilen Angelov gefahren, um ihn zu fragen, ob er Lust auf ein gemeinsames Projekt hätte.

War da gerade die Zeit reif, oder gab es schon länger Überlegungen in Richtung Solo-Album?

David Lageder: Beides. Ich wollte schon immer mal mein eigenes Ding machen, und die Kinder waren zu der Zeit aus dem gröbsten Pflegebedarf raus – zeitlich hat es also gut gepasst. Da ich bei den Merry Poppins ja hauptsächlich als Interpret und Texter aktiv war – die Songs kamen größtenteils von Tom Aichinger –, war es schön, einmal ganz eigene Ideen in ein Projekt einzubringen.

Bei How To Tame A Rabbit war besonders schön, dass ich einfach mit meinen Ideen kommen konnte – und Svilen hat das großartig untermalt. Wir haben an den ursprünglichen Lines eigentlich nichts verändert. Es war ein sehr produktives und wertschätzendes Arbeiten.

Ein Teil des Materials besteht ja aus älteren Sachen, die noch aus deiner Zeit bei The Merry Poppins und Mildenburg stammen. Wie war diese Reise in die eigene Vergangenheit, wenn einem alte Textfragmente und Melodien wieder gegenüberstehen?

David Lageder: Da kommt natürlich vieles wieder hoch – Schönes wie Schwieriges. Ich habe selten aus “Happiness” heraus geschrieben. Ein Großteil der Texte auf dem Album ist stark mit Bildern, Orten und konkreten Situationen verknüpft. Spannend ist, wenn sich Melodien über so lange Zeit halten – obwohl man mit tausenden Songs zu tun hat, bleiben manche einfach, begleiten einen über Jahrzehnte. Und da ich selbst kein Instrument spiele, gab es oft weder Aufnahmen noch Notizen – viele dieser Ideen blieben also einfach Songskizzen oder Melodien im Kopf.

„Uns war sofort klar: Da darf nicht mehr viel dazu. Es muss fragil bleiben.“

Gab es da gewisse Auswahlkriterien, oder hast du einfach genommen, was dir aktuell (noch) gefallen hat – oder vielleicht schon immer veröffentlichen wolltest?

David Lageder: Teils, teils. Manche Tracks sind wirklich uralt, begleiten mich seit Ewigkeiten und wurden nie instrumentiert oder arrangiert. Andere gab es schon in früheren Versionen. Für manche musste ich mich durch unzählige Handyaufnahmen wühlen, um etwas Passendes zu finden. Und wieder andere Parts sind ganz spontan im Studio entstanden.

Wie ist eigentlich dieser ganz spezielle, minimalistische und reduzierte Sound entstanden?

David Lageder: Svilen und ich haben zu zweit ein Demo aufgenommen – nur Keys und Stimme. Das ist richtig cool geworden und hat den Stil für den Bandsound vorgegeben. Uns war sofort klar: Da darf nicht mehr viel dazu. Es muss fragil bleiben.

Schwebte dir so ein Sound schon vorher vor, oder hat er sich erst im Zusammenspiel mit deinen Mitmusikern entwickelt?

David Lageder: Wir wussten: auf keinen Fall eine klassische Pop- oder Jazzbegleitung. Es musste etwas Eigenes sein, das möglichst wenig Genre bedient. Camillo Jenny hat sein Drumset ausgestopft und mit Laken behangen – er hat da einen unheimlich starken Puls geschaffen, fast wie ein Herzschlag. Ich steh TOTAL drauf – wie das Trommeln eines Hasen kurz bevor ihm der Saft ausgeht. Und Lukas Pamminger hat sowieso ein unglaubliches Gespür für Sound und Vibe – da brauchte es keine großen Erklärungen.

Wie bist du eigentlich zu deiner Band – Svilen Angelov (Synthesizer), Lukas Pamminger (Bass), Camillo Jenny (Schlagzeug) – gekommen?

David Lageder: Svilen und ich wussten ziemlich schnell, mit wem wir weitermachen wollten. Und als die Jungs im Studio das Demo gehört haben, waren sie auch gleich überzeugt. „Ich hab eigentlich gesagt, dass ich heuer kein Projekt mehr mache“ oder „Jetzt haben wir uns wieder was eingebrockt“ – solche Sätze fielen an dem Abend.

„Mir selbst muss ich meine Musik ja nicht erklären.“

In den Infos zum Album ist von „Slowcore“ und „Minimalismus“ die Rede. Was verstehst du darunter?

David Lageder: Ehrlich gesagt, zaubere ich solche Begriffe oft einfach aus dem Hut – für Pressetexte, Interviews, solche Dinge. Ich selbst muss mir meine Musik ja nicht erklären. Und ganz ehrlich: Mir fehlt auch das kulturelle Wissen, um das alles korrekt einzuordnen.

Bild des Musikers David Lageder (How To Tame A Rabbit)
David Lageder © Jazzit

War es für dich – und für deine durchaus sehr versierten Mitmusiker – schwierig, sich bei den Songs so zurückzunehmen? Anders gefragt: Wie bleibt man so gekonnt beim Minimalistischen?

David Lageder: Ja, bei einem Song hatten wir sogar mal einen kleinen Ausbruch – den haben wir dann aber wieder rausgenommen, weil’s einfach nicht stimmig war. Wie’s den Jungs dabei geht, müsste man sie selbst fragen – ich glaube schon, dass es ihnen einiges abverlangt, in diesem Vibe zu bleiben.

Mich persönlich macht’s manchmal ganz fertig. Alle zwei Monate hab ich das Bedürfnis, alles umzuschmeißen – elektronische Beats drunterzulegen, energischer zu singen, mehr Wumms reinzubringen. Dann mach ich ein paar Entwürfe in diese Richtung, aber wenn ich mir danach die Originale wieder anhöre, komme ich immer wieder zur Einsicht: Es ist gut so, wie es ist.

Manchmal finde ich den Sound fast langweilig – er gibt mir nicht das, was ich sonst von Musik gewohnt bin. Und genau das ist auch der Reiz: diese Reduktion aufs Wesentliche, die Gleichmäßigkeit, das Geizen mit Höhepunkten. Das erzeugt eine ganz eigene Spannung.

Ihr bleibt trotz allem (jazzy Keyboards etc.) immer am Format Pop-Song orientiert. Warum? Was reizt daran?

David Lageder: So hab ich’s halt gelernt. So schreib ich Songs. Und als diese Reise begann, wusste ich ja noch nicht, in welche Richtung es gehen wird.

Deine Stimme ist ja ein wesentliches Merkmal. Gerade weil sie eben nicht „ausgebildet“ klingt, sondern sehr unmittelbar wirkt. War das bewusst oder einfach dein Stil?

David Lageder: Ich hab das einfach so gemacht, wie’s mir möglich war. Ich hab nicht bewusst auf Töne verzichtet – ich hab sie einfach nicht drauf (lacht). Also weder Vorbilder noch Intention. Es war einfach so.

„Es ist gut, wie es ist.“

Robert Gerstendorfer von Flirtmaschine meint, dass ihr trotz fehlender Gitarre „schwer okay“ seid. Aber warum habt ihr keine? So ein altes Teil mit Spring-Reverb und Tremolo würde ja durchaus passen.

David Lageder: Ja, Gitarren würden sicher super passen. Wir haben auch mal über ein Streichquartett oder andere Sachen nachgedacht – aber es war dann die bewusste Entscheidung für diesen reduzierten Sound und genau diese Besetzung.

Nochmals zur Grundstimmung: Liege ich mit der Notiz „eine gewisse Melancholie, aber keine Depression“ richtig?

David Lageder: Ja, trifft’s gut. Thematisch beschreibt das Album die Stationen einer Trennung – vom Tiefpunkt bis zur Genesung. Und immer im Hinterkopf: Es geht um Liebe. Und Liebe ist, egal wie man’s dreht, immer was Positives. Man befindet sich auf der guten Seite, wenn man liebt – und auch bei einer Trennung wird etwas Schönes transformiert. Auch wenn’s weh tut, geht’s weiter.

Slowcore oder Dream Pop werden gerne mit David-Lynch-Ästhetik oder verrauchten Jazzclubs assoziiert. Siehst du How To Tame A Rabbit in solchen Kontexten?

David Lageder: Eher nicht. Bei der Suche nach einer passenden Bildsprache sind wir auf ganz andere Motive gekommen – cleane Aufnahmen von Sportveranstaltungen zum Beispiel. Alles, was zu sehr in diese Lynch-Richtung ging oder zu „cool“ sein wollte, hat nicht zur Musik gepasst.

„Alles, was zu sehr in diese Lynch-Richtung ging oder zu „cool“ sein wollte, hat nicht zur Musik gepasst.“

Du bezeichnest deine Songs auch als „psychedelische Chansons“. Was meinst du damit?

David Lageder: Was schon eine persönliche Triebfeder und ein Effekt der Songs ist, ist diese extreme Langsamkeit und Reduktion. Das ist für mich schon ein klarer Kontrast zur Reizüberflutung da draußen. Und das empfinde ich auch als psychedelisch – nicht im Sinn von Halluzination oder Effekten, sondern eher auf so einer Wahrnehmungsebene. Wenn du das Tempo rausnimmst, verändert sich alles. Versuch mal, extrem langsam spazieren zu gehen – da verändert sich die Welt, dein Blick, dein Hören, alles. Die Songs sind langsam, offen, fast entrückt – und genau das meine ich mit „psychedelisch“. Die Verbindung zum Chanson kommt vom Erzählerischen, Persönlichen, Intimen – aber in einer leicht vernebelten, schwebenden Form. Also ja: Es geht schon auch um andere Vorstellungen davon, wie man in der Welt sein kann.

Wie geht’s mit How To Tame A Rabbit weiter? Gibt’s Pläne für Live-Shows?

David Lageder: Momentan sind keine Shows geplant. Ich sammle aber schon Ideen fürs zweite Album – vielleicht wird’s ganz anders, vielleicht bleibt’s ähnlich. Ich tu mir generell schwer, das Projekt irgendwo zu positionieren. Es wird sich zeigen, ob es live funktioniert – oder eher was ist, das man sich daheim vorm Kamin anhört.

Ich muss aber auch sagen: Momentan ist es nur ein Projekt. How To Tame A Rabbit ist ein weiterer Meilenstein auf meiner musikalischen Reise. Ich bin immer noch auf der Suche nach meiner ganz persönlichen Ausdrucksform, die wirklich von ganz tief unten kommt und ob das in diesem Projekt oder einer neuen Band oder solo passiert, ist noch unklar.

Danke für das Interview.

Didi Neidhart

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How To Tame A Rabbit: Album Release Konzert “Part One” (Das Konzert wird wegen Krankheit verschoben)
Sam, 19.07.2025 – 20:30
Jazzit Musik Club
Elisabethstr. 11
5020 Salzburg

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Links:
How To Tame A Rabbit (Instagram)
Dub A Sense Records