Wer behauptet, in seinem Leben alle Musik bereits irgendwann einmal gehört zu haben, dem ist definitiv noch niemals die Band Fang den Berg untergekommen. Denn hört man sich durch das neue Album „Viel schlafen“ (Zach Records) der vierköpfigen Linzer Formation, fragt man sich schon erst einmal, was denn das jetzt sein soll. Stilistisch uneinordenbar, musikalisch alle Regeln der gediegenen Hörgewohnheiten brechend und im Sound von düster bis brachial das gesamte Spektrum abdeckend, zeigen sich die Nummern von Fang den Berg als der gelungene Versuch, sich dem Gewöhnlichen zu widersetzen. Das genau richtige Album für all jene also, die auch an den etwas anderen musikalischen Entwürfen abseits des Herkömmlichen Gefallen finden.
Eines vorweg. Der Versuch, die Musik dieser sich um Stephan Roiss scharrenden Truppe in irgendeine der gängigen stilistischen Schubladen stecken zu wollen, stellt sich im Grunde genommen schon im Vorhinein als eine Unmöglichkeit dar. Denn das, was von Fang den Berg genüsslich praktiziert wird, ist die vollkommene Freiheit, genau das zu tun, wozu man gerade Lust hat. Sich in keinster Weise sich auch nur in irgendeiner Form bezüglich einer Genreeinteilung Fragen stellend, löst sich der oberösterreichische Vierer von so ziemlich allen traditionellen Begrifflichkeiten, welche die Musik im Allgemeinen kategorisieren. In der Info auf Facebook beschreibt die Linzer Band ihren eigenen Sound lapidar als „NoiserockImproSpokenWordWhateverYes“, eine musikalische Charakterisierung, die zwar in groben Zügen Auskunft darüber gibt, was man beim Durchhören der Nummern erwarten darf, sich mit Fortdauer aber dennoch als eine viel zu kurz gegriffene erweist.
Stephan Roiss (Gesang) und seine Mitmusiker Manuel Mitterhuber (Gitarre), Christoph Stadler (Schlagzeug) und Mario Stadler (Bass) erheben die Eigenwilligkeit zu dem alles bestimmenden Leitmotiv ihres Schaffens und formen aus den verschiedenen ihnen zur Verfügung stehenden Versatzstücken ein Klangerlebnis, dessen Ausdruck sich vor allem in einer immensen Vielfalt wie auch Unvorhersehbarkeit und Schrägheit findet. Der musikalische Weg, welchen sich Fang den Berg zeichnen, führt von harten, lauten und heftigen Noisepassagen, über psychodelische und bedrohlich wirkende elektroakustische Soundmalerein, wirrste kammermusikalische Einwürfe, sowie experimentelle und loopbasierte Elektronikspielrein bis hin zum fast schon waschechten Hip Hop.
Was sich jetzt vielleicht liest wie das reinste Chaos, hat, ganz im Gegenteil, überraschenderweise Struktur, eine zugegeben sehr ungewöhnliche und alles andere als alltägliche, aber genau aus diesem Grund auch sehr interessante. Denn wirklich kann man sich nie sicher sein, was als nächstes kommt , welche Richtung von Stephan Roiss, der mit seinen zum Teil schön absurden Texten dem ganzen zusätzlich Charakter verleiht, und seinen Kollegen im nächsten Moment eingeschlagen werden.
„Viel schlafen“ ist ein Album, das aus dem Rahmen fällt, eines, das zeigt, was wirklich Spannendes entstehen kann, löst man sich von allem Scheuklappendenken. Wiewohl nicht leichtes Material, fühlt man sich dennoch gezwungen, sich der Herausforderung zu stellen, sich die Stücke vom Anfang bis zum Ende zu Gemüte zu führen. Eine Reaktion, die sich mit Sicherheit nicht bei vielen Veröffentlichungen zeigt. (mt)