„Zufriedenheit bedeutet Stillstand“ – DAVID und MARKUS ZAHRADNICEK (WOBBLERSOUND) im mica-Interview

Das Interview mit den beiden Gamesound-Designern David und Markus Zahradnicek von Wobblersound fand beim diesjährigen Ars Electronica Festival im Rahmen des „Musikforschungslabors“ statt. Die Brüder waren vor wenigen Jahren noch mit FRANCIS INTERNATIONAL AIRPORT als Band unterwegs und haben sich mittlerweile mit ihrer Firma WOBBLERSOUND für die Komposition und Produktion von Musik und Sound Design für Games, Filme einen Namen gemacht. Das Interview führte Christoph Gruber.  

Ihr seid ja, neben eurer Tätigkeit als Gamesound-Designer, auch Musiker – vielleicht wollt ihr euch kurz vorstellen – wo ihr herkommt, was ihr macht, wer ihr seid?

Markus Zahradnicek: Wir sind Brüder, kommen ursprünglich von der Musik – eigentlich sind wir aus dem Indie-Rock-Bereich und hatten früher die Band Francis International Airport. Ich bin Multiinstrumentalist, habe auch Songs geschrieben, aber irgendwann war es dann bei uns mit der Band am „Ende“ und wir haben etwas anderes gesucht. Ich habe mich schon während der Zeit mit der Band und danach vermehrt mit Musikproduktion beschäftigt, habe dann auch immer mehr alleine Musik gemacht. Irgendwann ist dann Sounddesign dazugekommen, weil wir beide auch Gamer sind und uns das Thema interessiert hat.

David Zahradnicek: Den musikalischen Background hat Markus schon erwähnt – ich habe dann Medieninformatik studiert und auch als Game-Developer bei mehreren Firmen in Wien gearbeitet. Ab einem gewissen Punkt haben wir uns dann entschieden, diese Stränge zu vereinen – man kennt die Branche, hat technisches Know-how, kann implementieren, Sounds bauen und Musik machen … und so haben wir, damals noch zu dritt mit Tobias Wurscher, Wobblersound gegründet. Seitdem machen wir nicht ganz unerfolgreich für österreichische und auch internationale Firmen Sounddesign, Musik- und Audio-Implementation für Spiele, aber auch experimentelle Projekte und Film. Im Film-Bereich hauptsächlich Musik,  mit klassischem Film-Foley haben wir nichts zu tun – da gibt es Leute, die das besser machen.

Wir haben ja heute das Überthema Gamesound, eine Schublade bei der keiner so genau weiß, was es genau ist – vielleicht könnt ihr, eine kurze Definition geben?

David Zahradnicek: Ich glaube, ich kann es nur als Vergleich sagen – im Vergleich zu Film etwa, wo man mit einem starren Medium arbeitet, bekomme ich den Picture-Lock und weiß genau, bei Time-Frame XY fliegt eine Tasse um. Aber im Spiel weiß man das nicht. Das hat eine ganz andere Dynamik. Man kann nicht vorhersehen, was der Spieler bzw. die Spielerin im Spiel machen wird, da geht es dann darum, dass sich Audio im Spiel nicht starr verhält. Wenn ich diese Tasse zehn Mal umfallen lasse, dann soll die nicht zehn Mal genau gleich klingen, das würde der Person sofort auffallen und dann wird es fad. Der Sound trägt alles mit, man hört und sieht Dinge, man spielt mit den Händen – so wie es mit Visuals ist, ist es auch mit Audio. Gutes Audio kann ein gutes Spiel zu einem sehr guten Spiel machen, schlechtes Audio kann ein gutes zu einem mäßig guten Spiel machen. Man muss auf diese Dinge einfach Rücksicht nehmen, das ist auf der Sound- und Musikebene dasselbe. Wenn es im Spiel etwa einen Kampf gibt, sollte es im Bestfall eine smoothe Transition geben. Die sollte auch möglichst zeitnah sein. Wenn der Kampf schon vorbei ist und erst dann die Transition kommt, ist es zu spät. Das Audio muss auf das Spielgeschehen reagieren.

Markus Zahradnicek: Interaktivität „is the key“. Games sind generell, was Sound betrifft, abgesehen von der Interaktivität abhängig vom Genre auch gern mal „larger than life“, da kann es auch durchaus abstrakt werden und man ist kreativ anders gefordert.

Ihr seid ja eine Firma, wie kann man sich euren Arbeitsalltag vorstellen?

Markus Zahradnicek: Das ist tatsächlich nie gleich, weil es total vom Projekt abhängig ist. Es gibt Projekte, bei denen wir nur Sound machen, es gibt welche, bei anderen machen wir nur Musik, dann welche mit Implementation, welche ohne … das unterscheidet sich extrem. David ist der Experte in der Implementation, das heißt, bei Projekten, bei denen implementiert wird, arbeitet er eher an der Implementation, während ich mehr mit den Scores beschäftigt bin.

Ist das alles „Home-Office“?

Markus Zahradnicek: Wir sitzen an vielen Tagen gemeinsam im Studio, manchmal arbeitet er von zuhause aus – es ist echt flexibel und, ehrlich gesagt, auch davon abhängig, wie es uns an dem Tag freut. Das ist das coole an dem Job, es schaut uns keiner auf die Finger, es zählt nur das, was wir abliefern

David Zahradnicek: Da spielt einem dann natürlich häufig der eigene Perfektionismus rein, weil Feiertage oder Wochenende dann eher unwichtig sind. Am Ende des Tages ist der eigene künstlerische Anspruch die eigene Visitenkarte, deswegen soll alles auch so geil wie möglich sein. Man muss aber dann auch immer einen Rahmen finden, der finanziell vertretbar ist.

„Es ist schon harte Arbeit, das muss man dazusagen.“

Ihr arbeitet vor allem B2B – wie bekommt ihr Aufträge?

David Zahradnicek: Es sind immer Connections, es funktioniert einfach nicht anders. Sicher, man pitcht schon auch, das kann auch funktionieren, aber persönlicher Kontakt und Vertrauen zu potentiellen Kunden, Gaming Companies, Developers aufbauen – das ist einfach der Schlüssel. Aber natürlich hilft der eigene Track-Record auch immer weiter, weil sich die Firmen in der Gaming-Szene untereinander ja kennen – vor allem in Österreich. Wenn du gute Arbeit geleistet und einen positiven Eindruck hinterlassen hast, wird sich das herumsprechen. Das war auch bei uns so, Wobblersound gibt es schon seit 2015, es hat Jahre an Arbeit gebraucht, bis wir es auf den heutigen Stand gebracht haben. Es ist schon harte Arbeit, das muss man dazusagen. Es hilft natürlich, wenn man die Branche kennt und wir hatten den Background mit der Band, deswegen ging es am Anfang auch vorrangig um die Musik. Das Sounddesign hat sich dann auf der professionellen Ebene immer mehr dazu etabliert, aber wenn man bereits ein Portfolio aus früheren Projekten hat, hilft das auf jeden Fall.

Wie bekommt man Connections, wenn man noch keine hat? 

Markus Zahradnicek: Man ist ja sicher im Internet unterwegs, es gibt genug Sounddesigner, die YouTube-Channels oder Blogs haben, auf denen man nachschauen kann. Es wird dir jeder sagen, dass es kein Geheimrezept gibt. Es ist schon viel Glück dabei und man braucht Durchhaltevermögen. Es ist wie beim Musikmachen – das war auch mit unserer Band so: Durchhalten und das Beste geben. Einen besseren Tipp kann ich nicht geben.

Bild (c) wobblersound

David Zahradnicek: Was mir noch einfällt: Wenn man zum Beispiel auf einer Fachhochschule ist, hat man vielleicht schon eine gute Ausgansposition, weil Leute aus der Branche dort unterrichten.

Weil das Wort „Pitch“ gefallen ist – wie erfährt man von Ausschreibungen?

Markus Zahradnicek: Einerseits kann man es einfach auf eigene Faust versuchen, andererseits hilft es auch, wenn man bestimmten Leuten, wie Firmen oder anderen Sounddesignern, auf Twitter folgt, weil die das manchmal posten. Aber manchmal muss man auch echt einfach ins Blaue schießen.

„Mich haben auch andere Sachen interessiert, Popmusik hat dann nicht mehr dazugehört.“

Könntet ihr von der Arbeit als Band leben, wenn ihr diese noch hättet? 

Markus Zahradnicek: Ja und nein. Wir haben ja nicht nur zwei Jahre lang Musik gemacht, das fing schon früher an. Wir haben auch eine Zeit gebraucht, bis wir dorthin gekommen sind, wo wir am Ende waren. Das Ding ist ja auch, dass vor allem Popmusik sehr schnelllebig ist, Trends kommen und gehen. Damals hatte ich das Gefühl, dass ein Trend kommt, der mich nicht so interessiert. Ich wollte aber auch keine Band sein, die nach „Gestern“ klingt. Mich haben auch andere Sachen interessiert, Popmusik hat dann nicht mehr dazugehört.

Wie wichtig ist es, zu Agenturen zu gehen und, wie man sagt, „Klinken zu putzen“? 

Markus Zahradnicek: Kann ich schwer beantworten, wir sind sicher nicht die, die das am Intensivsten oder Besten machen. Bei sogenannten „Cold Call E-Mails“ bekommt man vielleicht viele nette Antworten, aber bei 100 wird vielleicht aus einem was. Man braucht sich nicht die Illusion machen, dass bei besonders vielen ein Auftrag daraus wird.

David Zahradnicek: Man muss auch ein bisschen aufpassen. Wenn man einer Firma schon zum dritten oder vierten Mal eine Bewerbung schreibt, kann es auch schnell kippen. Irgendwann geht man ihnen auf die Nerven und sie melden sich nicht mehr, das muss man ein bisschen abschätzen können. Sobald man mit Leuten persönlich gesprochen hat, ist es natürlich einfacher, weil man sich auf etwas berufen kann.

„Es ist wirklich ein hart umkämpftes Feld […]“

Wie lernt man eigentlich Gamesound? Gibt es Ausbildungsmöglichkeiten? 

Markus Zahradnicek: An der FH St. Pölten gibt es ein Studium, bei dem es nach ein paar Semestern eine Subsparte gibt, die sich mit Interactive Audio beschäftigt – unsereins war eher autodidaktisch unterwegs.

David Zahradnicek: Ich glaube, selbst wenn man es an einer FH studiert, gehört viel Eigeninitiative dazu. Es ist wirklich ein hart umkämpftes Feld, es gibt viele gute Leute und die Industrie rennt einem nicht nach. Man muss wirklich selbst dahinter sein und schauen, dass man gut ist.

Wie wichtig ist die Showreel im Kreativbereich beziehungsweise im Musikbusiness?  

David Zahradnicek: Eine digitale Visitenkarte ist das, was ich vorhin mit „Track-Record“ gemeint habe. So etwas ist gut zu haben, wichtig ist aber auch, selbst ehrlich einzuschätzen, was man von dem, was man bisher gemacht hat, auch herzeigen kann.

Welche Größenordnungen gibt es im Game-Business? Gibt es wie im Musikbusiness DIY, Independent und Majors, oder ist das ganz anders? Und: Was steckt hinter dem Begriff „Triple A“? 

Markus Zahradnicek: Triple A sind Games, die ein Budget haben, das teilweise um einiges höher ist als etwa ein Hollywood-Film, allein schon weil die Produktionszeiten ganz andere sind. Da wird viel auch inhouse produziert, man kann sich sicher überlegen, bei solchen Produktionen eine Stelle als Inhouse-Sounddesigner zu bekommen. Als Externer da ran zu kommen, ist nicht leicht. Es gibt wie im Musikbusiness aber auch alles dazwischen – vom selbstfinanzierten Einmannunternehmen bis zu den Fünf- bis Zehn-Personen-Firmen, von denen es in Österreich ein paar gibt, findet man echt alles und die haben auch alle ihre Budgets. Es ist aber nicht streng in drei Größenordnungen geteilt, sondern es ist echt alles möglich.

Wie schaut der typische Geldfluss aus, wenn man Musik und Sound für ein Spiel macht?  

David Zahradnicek: Im Endeffekt ist es eine Auftragsarbeit und man wird, wenn man schon länger dabei ist, seine Arbeit in Tranchen verrechnen und im Idealfall zu Beginn schon die erste Tranche verlangen. Aber ja, es ist Auftragsarbeit, bei der ein Umfang ausgemacht sein sollte – das ist irrsinnig schwierig im Game-Bereich, weil die Arbeitszeit nicht einschätzbar ist. Man sollte immer einen Rahmen finden, in dem man möglichst präzise definiert, was man macht, und am Ende des Tages ist dann immer das Geld am Konto … hoffentlich.

Muss man hier unterscheiden zwischen dem Geld für die Auftragsarbeit und Tantiemen – gibt es so etwas im Gamesound? 

Beide: Nein.

Markus Zahradnicek: Eine kleine Möglichkeit gibt es schon noch, nämlich wenn dir die Game-Company anbietet, dass die Rechte am Soundtrack bei dir bleiben und du die Tracks dann zum Beispiel über SoundCloud verkaufen kannst. Es gibt auch einige Composer, die ihre Werke auf Spotify stellen und da schon Geld verdienen, wenn es auch nicht Megasummen sind.

David Zahradnicek: Stimmt, es ist trotzdem immer ein Trade-Off zwischen Rechte hergeben und behalten und wie viel Geld ich wofür haben möchte. Es muss ja nicht immer gleich heißen, dass man die Rechte exklusiv für alle Anwendungen und zeitlich unbeschränkt hergibt, es gibt ja noch so etwas wie non-exklusive oder, wozu ich raten würde, die Beschränkung der Rechte auf das Projekt. Das ist vor allem Schutz für einen selbst, weil man ja eventuell nicht will, dass die Firma den Song dann irgendwann für eine Schmuddelwerbung verwendet.

Wie macht ihr das mit der AKM? Ist einer als Urheber gemeldet und der andere nicht?

Beide Zahradnicek: Genau.

Was sind die Nachteile, wenn man das so macht? Wie habt ihr euch entschieden, wer dabei ist und wer nicht?

David Zahradnicek: Ich glaube, wir haben eine Münze geworfen [lacht]. Markus ist bei der AKM und ich nicht mehr, einfach aus dem Grund, weil er Texter in der Band war und das mehr Sinn macht, weil der größere Teil der Tantiemen von damals bei ihm bleibt. Das Ding mit der AKM ist ja, dass sie eigentlich gut sind, weil sie geistiges Eigentum schützen – aber andererseits schreiben sie dir auch vor, was du dafür verlangen musst. Und im Gaming ist das eine Grauzone, bei der sich dann viele dazu entscheiden, sich nicht anzumelden. Es gibt Länder mit anderen Modellen, wo das besser funktioniert.

Markus Zahradnicek: Der einzige Grund, warum einer von uns überhaupt noch bei der AKM geblieben ist, ist der, dass wir für unterschiedliche Medien arbeiten. Wenn wir Film oder Werbung machen, sind es die Auftraggeber gewohnt, das bei der AKM zu melden, da sie ja die Abgabe nicht selber zahlen, sondern der Fernsehsender oder das Kino. Im Gamebereich muss es der Entwickler selbst bezahlen.

„Sound-alikes – we don’t do that.”

Gibt es im Gamesound Situationen, in denen der Auftraggeber von euch verlangt, etwa einen AC/DC-Song nachzubauen, aber im rechtlich sicheren Rahmen? 

David Zahradnicek: Ich glaube, dass es diese auch gibt, aber ein Game ist ja IP [Intelectual Property, Anm.], das einen sehr großen Wiedererkennungswert hat – den meisten ist eine eigenständige IP wichtig, das andere mag es aber auch geben. Klar geben manche Auftraggeber Referenzen, wie es klingen soll, aber da sage ich gleich – Sound-alikes – we don’t do that. Das ist rechtlich auch auf viel zu dünnem Eis – ich würde es nicht machen.

Ist Gamesound ein lukratives Geschäft? 

Markus Zahradnicek: Es kommt einfach drauf an. Es ist die Kreativbranche, es kann funktionieren und man kann viel Geld damit verdienen, aber es kann auch passieren, dass man viele Jahre gerade so über die Runden kommt.

David Zahradnicek: Ein guter Vergleich dazu: Wir waren gestern auf den Game Dev Days in Graz und da wurde eine neue Studie zu den Gaming Industry Numbers präsentiert. Ich glaube mich erinnern zu können, dass in Österreich 470 Personen in 90 Firmen in der Gaming-Branche sind und der Jahresumsatz davon 24,1 Millionen Euro sind. Dazu muss man sagen, dass es einige große Firmen gibt, die wahrscheinlich einen großen Anteil daran haben, und dann gibt es viele EPUs, die mit einem dementsprechend kleineren Budget arbeiten und auch weniger umsetzten. Als zuarbeitendes Unternehmen im B2B-Bereich im Gaming-Bereich ist man sehr an die Umsätze der Auftraggeber gebunden.

Wie bestimmt man den eigenen Wert beziehungsweise den Wert von kreativer Arbeit? 

David Zahradnicek: Das ist ein Thema, das uns sehr lange beschäftigt hat. Man muss immer den Umfang der Arbeit abschätzen können. Das, was für uns am Besten funktioniert hat, ist, dass wir eine Asset-Liste verlangen, vielleicht das Game auch probespielen, damit wir eine zeitliche Einschätzung geben können. Wir verrechnen anschließend nach Tagessätzen, machen also einen Kostenvoranschlag mit der Einschätzung der Tage, die wir glauben zu brauchen und den dazugehörigen Kosten.

Markus Zahradnicek: Man kann sich auch darauf einigen, dass die Schätzung eine Flatrate ist – wenn der Arbeitsumfang wächst, muss man dann eventuell nachverrechnen. 

Wie berechnet ihr eure Tarife? Geht das nach Steuersätzen, Lebenserhaltungskosten etc. beispielweise was ihr als zwei Personen braucht plus Umsatzsteuer und Sozialversicherungskosten? 

Markus Zahradnicek: Ja und nein. Hinzu kommt, dass ich nicht jeden Tag im Jahr arbeite und ständig einen Auftrag habe. Man hat Leerlauf-Phasen, das ist ganz normal. Außerdem, das hat David schon erwähnt, verlange ich nicht bei jedem Auftrag dasselbe. Wir haben schon einen Tagessatz, aber den bringt man auch nicht immer durch. Das ist immer Verhandlungssache und hat auch mit der Motivation für das Projekt zu tun. Der eigene Tarif kann sich natürlich mit wachsendem Portfolio auch nach oben hin ändern.

Wie definiert ihr Erfolg? 

David Zahradnicek: Erfolgsdefinition ist natürlich etwas Subjektives. Früher war es für mich viel mehr eine bestimmte Zahl am Konto als heute. Die Wahrnehmung verschiebt sich mit der Zeit, aber wenn bei Wobblersound irgendwann nur noch eine Null am Konto ist, wird die Erfolgsdefinition wahrscheinlich nicht mehr zu 100 Prozent erfüllt sein. Irgendwie ist Erfolg schon mit Überleben verbunden und es wird bei Aufträgen auch frustrierend, wenn die Arbeitsstundenzahl steigt, aber die Zahl am Konto gleich bleibt. Aber auch die Zeitgestaltung, wie viel Zeit verbringe ich mit Arbeit, wie viel in der Freizeit und mit Familie – das ist extrem viel wert. Wenn es mir nur um die Zahl am Konto ginge, wäre ich wahrscheinlich in irgendeiner Firma Web-Developer.

Markus Zahradnicek: Ich möchte noch kurz hinzufügen, dass es prinzipiell schon Erfolg ist, wenn das, was man gerne macht, zu einem Beruf machen kann. So etwas ist nicht häufig. Ich stehe gern in der Früh auf und bastle Sounds. Wenn ich das weitermachen darf, bleibt das für mich auch Erfolg, aber für mich ist schon auch der Anspruch da, dass es immer besser, interessanter und cooler werden muss. Es ist für mich auch eine Definition von Erfolg, wenn die Projekte größer, interessanter und intensiver werden, so dass man mehr Wissen umsetzten kann. Wenn ich das Gefühl hätte, immer am Stand zu stehen, weiß ich nicht, ob das noch Erfolg wäre.

Markus Zahradnicek: Das kommt eigentlich schon aus der Zeit mit der Band, wo wir das eher salopp und überheblich so formuliert haben: Zufriedenheit bedeutet Stillstand [lacht].

„Aber eine Realitätswatschen bekommst du im künstlerischen Bereich sowieso irgendwann. Die Realität ist hart.“

Was ist eurer Ansicht nach die größte Fehleinschätzung, wie die Branche „tickt“? 

Markus Zahradnicek: Ich habe keine neue Antwort darauf, aber ich habe ein Zitat vom vorigen Interview – man darf nicht in die Branche reingehen und annehmen, dass die Welt nur auf einen gewartet hat. Ein gewisses Selbstvertrauen sollte schon da sein, aber man braucht auch nicht das Ego vor sich hertragen.

David Zahradnicek: Aber eine Realitätswatschen bekommst du im künstlerischen Bereich sowieso irgendwann. Die Realität ist hart.

Welche Eigenschaften sollte man mitbringen oder entwickeln, wenn man in der Kreativbranche unterwegs ist? 

Markus Zahradnicek: Ich befürchte, Durchhaltevermögen ist das Wichtigste. Ich habe wirklich viele vermeintlich talentierte Leute kommen und gehen sehen, weil das alleine einfach nicht reicht. Man muss wirklich auch gewillt sein, harte Zeiten einfach durchzudrücken. Man muss auch den Willen haben, immer besser zu werden. Ich glaube, nicht einmal der beste Sounddesigner der Welt würde von sich behaupten, nichts mehr dazulernen zu müssen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Christoph Gruber

 

Rückblick auf das Music Research Lab am Ars Electronica Festival 2019

 

Links:
https://ars.electronica.art/outofthebox/
https://ars.electronica.art/outofthebox/musikforschungslabor/
http://wobblersound.com/